Waldorf Frommer (München): Amtsgericht St. Ingbert – Der pauschale Verweis auf eine Sicherheitslücke führt nicht zur Widerlegung der tatsächlichen Vermutung

23:52 Uhr

Gegenstand des Gerichtsverfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützter Filmaufnahmen. In einem Verfahren am Amtsgericht St. Ingbert bestätigte das Gericht, dass ein Anschlussinhaber, von dessen Internetanschluss eine Rechtsverletzung über eine Tauschbörse erfolgte, selbst haftet, wenn er den strengen Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast nicht nachkommt.

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Bericht

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Urteil als PDF:
http://news.waldorf-frommer.de/wp-content/uploads/2017/04/AG_St_Ingbert_9_C_163_15_10.pdf

Autor:

Rechtsanwalt Jung-Hun Kim

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Der verklagte Anschlussinhaber hatte sich in dem Verfahren zunächst auf eine fehlerhafte Ermittlung der Rechtsverletzung berufen. Aber selbst für den Fall der korrekten Ermittlung (im Laufe des Verfahrens auch unstreitig gestellt) hafte er nicht, da er die Rechtsverletzung nicht selbst begangen habe. Sein WLAN-Router habe eine Sicherheitslücke aufgewiesen, wodurch es unbekannten Dritten möglich gewesen sei, auf seinen Internetanschluss zuzugreifen. Darüber hinaus habe auch sein Sohn Zugriff auf den Internetanschluss gehabt. Von dessen Täterschaft ginge der Beklagte jedoch nicht ernsthaft aus, da der Sohn die Verantwortlichkeit glaubhaft abgestritten habe.

Nach Auffassung des Gerichts konnte der Beklagte mit diesen Einwänden die tatsächliche Vermutung der eigenen Täterschaft nicht widerlegen. Der Beklagte könnte „lediglich dann nicht in Anspruch genommen werden, wenn es ihm gelungen wäre, Tatsachen vorzubringen und gegebenenfalls unter Beweis zu stellen, die eine Rechtsverletzung mit alleiniger Tatherrschaft eines Dritten über den Anschluss des Beklagten erklären könnten“. Nach der eindeutigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als auch des Bundesverfassungsgerichts seien dabei „im konkreten Einzelfall strenge Anforderungen“ an den Vortrag zu stellen.

Insoweit sei zu beachten, dass der Beklagte zeitnah nach der Rechtsverletzung abgemahnt worden sei. Deshalb habe es ihm oblegen, unmittelbar nach Erhalt der Abmahnung die technischen Geräte im Haushalt zu überprüfen und dabei konkrete, tatzeitbezogene Anhaltspunkte zu ermitteln, die tatsächlich auf einen Fremdzugriff schließen lassen könnten. Andernfalls könnte sich jeder Anschlussinhaber regelmäßig mit einem pauschalen Verweis auf einen Fremdzugriff entlasten, wodurch Rechteinhaber faktisch schutzlos gestellt würden.

Letztlich hatte das Gericht auch in Bezug auf die Höhe der geltend gemachten Forderungen keine Bedenken. Diese seien in jedem Falle angemessen und würden sich sogar „an der Untergrenze dessen“ bemessen, was von der Rechtsprechung in derartigen Fällen zugesprochen wird.

Das Amtsgericht verurteilte daher den Beklagten vollumfänglich zum Ersatz des Lizenzschadens und der Rechtsverfolgungskosten sowie zur Übernahme der gesamten Kosten des Rechtsstreits.

 

Amtsgericht St. Ingbert (ausgewählte Zitate):

„Wollte man auf derart strenge Anforderungen, wie von der höchstrichterlichen Rechtsprechung und auch von dem erkennenden Gericht angenommen, verzichten, könnte jedermann beliebige Urheberrechtsverletzungen begehen, nur nicht der Nutzer eines einsam im Wald gelegenen Forsthauses mit Internetanschluss, denn nur dort wären plötzlich in Reichweite des Funkempfängers auftauchende Personen mit Telekommunikationsgeräten sicher zu bemerken und zu identifizieren.“

„Nicht alles was der Gesetzgeber zu Papier bringt, ist auch sinnvoll.“

„Wie der Beklagte angesichts der umfangreichen vorprozessualen außergerichtlichen Korrespondenz auf die Idee kommt, es sei lediglich eine 0,5 Geschäftsgebühr abzurechnen, ist nicht nachvollziehbar. Angesichts dessen, was im konkreten Einzelfall in Schriftsätzen gewechselt wurde, ist vielmehr sogar eine 1,3 Gebühr, die nicht eingeklagt ist, berechtigt.“

 

AG St. Ingbert, Urteil vom 13.03.2017, Az. 9 C 163/15 (10)

 

(…) 9 C 163/15 (10)

Verkündet am 13.03.2017
[Name], Justizobersekretär
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

Amtsgericht St. Ingbert

Urteil

Im Namen des Volkes

In dem Rechtsstreit

[Name],
Klägerin

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Waldorf Frommer, Beethovenstraße 12 80336 München,

gegen

[Name],
Beklagter

Prozessbevollmächtigte: Kanzlei [Name], [Straße, Nr.], 66111 Saarbrücken,

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht St. Ingbert durch den Richter am Amtsgericht [Name] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 13.03.2017

für Recht erkannt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 600,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz sowie weitere 506,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.05.2014 zu zahlen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.650,00 EUR abwenden, wenn nicht vorher die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten aus Urheberrechtsverletzung in Anspruch und begehrt Zahlung von Schadensersatz in Höhe von nicht weniger als 600,00 EUR sowie Erstattung außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 506,00 EUR.

Die Klägerin ist Rechteinhaberin des Films mit dem Titel [Name]. Die übliche Lizenzpraxis sieht bei der Klägerin wie auch im konkreten Falle wie folgt aus:

Es werden generell keine Lizenzen für Vervielfältigungen bzw. Angebote auf Tauschbörsen vergeben. Die elektronische Verbreitung wird ausschließlich über kostenpflichtige Portale lizenziert. Im Rahmen einer Lizenzierung von Bild / Tonaufnahmen zum Download auf gewerblichen Portalen richtet sich die zu zahlende Lizenzgebühr üblicherweise als Abruflizenz nach der Zahl der Abrufe.

Üblicherweise ist für jedes heruntergeladene (verkaufte) Exemplar ein bestimmter Anteil vom Verkaufspreis an den Lizenzgeber abzuführen. Die branchenüblichen Lizenzgebühren bewegen sich dabei im Rahmen zwischen ca.50 und 65 % des Nettoverkaufspreises pro Exemplar. Unabhängig davon sind insbesondere gegenüber kleineren Video-on-Demand-Portalen Vorauszahlungen in Form von Mindestlizenzen bzw. Minimumgarantien fester Bestandteil der branchenüblichen Lizenzierungspraxis im Rahmen der Onlineverwertung. Der Preis für den legalen Download eines Filmwerkes samt dauerhafter Nutzungsrechte auf Video-on-Demand-Portalen blieb im Verkauf der letzten Jahre nahezu konstant und lag im Durchschnitt bei circa 8,00 EUR. Dem gegenüber liege der Verkaufspreis aktueller Spielfilme ausgehend von den Angaben führender Downloadportale derzeit bei mindestens 13,39 EUR. Bei Zugrundelegung dieser Umstände betrage im Ergebnis eine entsprechende Lizenz für einen – wie im vorliegenden Falle – aktuellen Spielfilm regelmäßig nicht weniger als 50 % von 11,76 EUR. Dieser Wert könne je nach Laufzeit, Bekanntheit und Aktualität des Werkes sowie der entsprechenden Bildqualität (SD / HD) auch bei bis zu 65 % von 14,28 EUR liegen.

Die Klägerin hat Urheberrechtsverletzungen durch das PFS der ipoque GmbH ermitteln lassen. Diese GmbH nimmt wie ein regulärer Klient an der Tauschbörse teil. Eine Rechtsverfolgung findet nur statt, wenn ein Datentransfer tatsächlich und verifiziert werden könne.

Die Klägerin hat auf Seite 20 bis 22 der Anspruchsbegründungsschrift ihr Ermittlungsergebnis bezüglich einer Urheberrechtsverletzung durch den Beklagten dargelegt.

Nach umfangreichen Überprüfungen der Ermittlungsergebnisse der Klägerin, unter anderem durch Überprüfung einer eingereichten Festplatte, hat das Gericht Beweiserhebung angeordnet über die Behauptung der Klägerin, die durch den Beklagtenvertreter auf Seite 12 und 13 der Klageschrift (Bl. 20 und Bl.21 d.A.) behaupteten Verletzungsdaten seien zutreffend ohne Möglichkeit nachträglicher Veränderung ermittelt worden, durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens.

Mit Schriftsatz vom 01.12.2016 hat der Beklagte angesichts des prozessualen Verlaufs der Angelegenheit das Thema des Beweisbeschlusses unstreitig gestellt (BI.312 d.A.).

Der Beklagte wendet sich nunmehr nur noch gegen einen klägerischen dem Anspruch dem Grunde nach mit der Behauptung, der beklagtenseits benutzte Router habe zum Zeitpunkt der Urheberrechtsverletzung eine Sicherheitslücke aufgewiesen.

Die Klägerin ist der Auffassung, sämtliche Ausführungen des Beklagten genügten den Anforderungen an die Vortragslast des Anschlussinhabers immer noch nicht. Unter Bezugnahme auf aktuelle Urteile des Bundesgerichtshofes hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 20.12.2016 (Bl.327 ff. d. A.) ausgeführt, dass die tatsächliche Vermutung zu Lasten des Beklagten selbst dann eingreife, wenn der Internetanschluss regelmäßig von mehreren Personen genutzt werde. Wolle der Inhaber eines Internetanschlusses geltend machen, nicht selbst verantwortlich gewesen zu sein, werde er seiner sekundären Darlegungslast erst gerecht, wenn er nachvollziehbar vortrage, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzungsverhalten, Kenntnis und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Rechtsverletzung ohne sein Wissen und Zutun zu begehen. Insoweit treffe den Beklagten eine Nachforschungspflicht. Die Klägerin zitiert den Bundesgerichtshof:

„Im Rahmen der dem Beklagten treffenden sekundären Darlegungslast bedarf es daher der Mitteilung derjenigen Umstände, aus denen darauf geschlossen werden kann, dass die fragliche Verletzungshandlung tatsächlich von einem dritten mit alleiniger Tatherrschaft begangen worden sein kann.“

Die Klägerin weist daraufhin, dass diese strenge Rechtsauffassung der Zivilgerichtsbarkeit durch das Bundesverfassungsgericht mit Entscheidung vom 23.09.2016, Aktenzeichen 2 BVR 1797/15 bestätigt worden ist.

Der Beklagte wurde mit Schriftsatz vom [Darum] also nur 3 Wochen nach der behaupteten Urheberrechtsverletzung, zur Abgabe einer strafbewerten Unterlassungserklärung, zur Zahlung von Schadensersatz sowie zur Erstattung der Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung aufgefordert. Die Unterlassungserklärung wurde abgegeben; Zahlungen wurden verweigert.

Die Klägerin ist der Auffassung, es bestünden Schadensersatzansprüche gemäß §§ 97, 19a des Urheberrechtsgesetzes in Höhe eines geltend gemachten Pauschalbetrages von 600,00 EUR. Die Bezifferung eines konkreten Schadens sei bei illegaler Tauschbörsennutzung bereits aus tatsächlichen Gründen nicht möglich, die Klägerseite sei daher auf eine gerichtliche Schätzung des Schadens angewiesen, wobei die Wahl der hier naheliegenden Berechnungsmethode der Lizenzanalogie der Schätzung der Klägerseite und der gerichtlichen Schätzung zu Grunde gelegt werden sollte. Der mit der Klage geforderte Pauschalbetrag sei eine absolute Untergrenze.

Wegen der Ausführungen der Klägerin zu Anspruchshöhe wird auf Seite 18-30 der Klage = Blatt 26-39 d. Akten verwiesen.

Zur Begründung des Gegenstandswertes beruft sich die Klägerin auf die diverse Rechtsprechung, bei der der Streitwert jeweils wesentlich höher als 10.000,00 Euro angesetzt worden ist. Die in Ansatz gebrachte Geschäftsgebühr von lediglich 1,0 sei jedenfalls angemessen; wegen der Einzelheiten insbesondere der Nachweise wird auf Seite 31 und 32 der Klageschrift gleich Blatt 39 und 40 d. Akten verwiesen.

Die Klägerin weist daraufhin, dass die neue Vorschrift des § 97a Abs. 3 Satz 2 des Urheberrechtsgesetztes in der neuen Fassung auf den hier liegenden Fall nicht anwendbar sei, denn nach höchst richterlicher Rechtsprechung komme es für den Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten allein auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Abmahnung an. Zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Abmahnung war die Neuregelung noch nicht in Kraft getreten. Eine Reduzierung des Erstattungsanspruches käme im vorliegenden Falle jedoch ohnehin nicht in Betracht, denn wegen der hier vorliegenden, besonders schwerwiegenden Urheberrechtsverletzung (Angebot eines kostenintensiv hergestellten Werkes an einen unbegrenzten und unkontrollierbaren Personenkreis in einer P2P-Tauschbörse) wäre die Öffnungsklausel nach § 97a Abs. 3 Satz 4 des Urheberrechtsgesetzes in jedem Falle anzuwenden.

Die Klägerin beantragt,
– einen angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 600,00 EUR betragen soll, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 23.05.2014 sowie
– 506,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 23.05.2014 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Nachdem die richtige Ermittlung der Urheberrechtsverletzung durch die Klägerin unstreitig gestellt worden ist, verteidigt sich der Beklagte gegen den Anspruch dem Grunde nach damit, dass für den beklagtenseits benutzten Router des Typ [Name] am [Datum] eine Produktwarnung herausgegeben worden mit dem Hinweis, den Router aus Sicherheitsgründen außer Betrieb zu nehmen bis ein Software Update verfügbar sei. Der Router sei anfällig für einen Zugriff von außen gewesen. Der Kläger ist der Auffassung, dieser Umstand genüge, um eine eventuelle Vermutung für die alleinige Täterschaft des Beklagten zu widerlegen.

Zur Höhe der    klägerischen Forderung führt der Beklagte aus, dass der Aufwendungsersatz nicht auf der Basis eines Streitwerts von 10.000,00 EUR zu berechnen sei, selbst wenn die Anwendung des § 97a Abs.2 des Urheberrechtsgesetzes verneint würde. Seit Anfang 2010 sei der Gesetzgeber bemüht gewesen, die Kosten für Massenabmahnungen zu deckeln. In vorliegenden Konstellationen wie dieser sei daher ein Streitwert von 1.000,00 EUR angemessen. Aber auch ohne diese gesetzliche Wertung, die schlussendlich in die Neufassung eingeflossen ist, sei ein Streitwert von 10.000,00 EUR völlig willkürlich deutlich überhöht.

Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass für eine einfache Abmahnung der vorliegenden Art keine Mittelgebühr angesetzt werden könne. Es handele sich vielmehr um ein einfaches Schreiben, dass in großer Zahl automatisiert versandt würde. Allenfalls der niedrigste Gebührensatz gemäß VV2300 von 0,5 wäre gerechtfertigt.

Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 13.07.2015 (dort Blatt 26 ff. d.A.) ausgeführt weshalb aus ihrer Sicht unter Bezugnahme auf aktuelle Rechtsprechung ein Gegenstandswert von 10.000,00 EUR angemessen ist und sogar eine Geschäftsgebühr von 1,3 beansprucht werden könne. Darüber hinaus hat die Klägerin nochmals darauf hingewiesen, dass es hinsichtlich eines Anspruches auf Erstattung von Abmahnkosten allein auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Abmahnung ankomme, was der Bundesgerichtshof mehrfach- allerdings zu anderen Gesetzesänderungen – ausgeführt hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteiverbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze, welcher Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Klägerin steht ein Schadensersatzanspruch gemäß § 97 Abs. 2 des Urheberrechtsgesetztes in der am Tag der Urheberrechtsverletzung, dem [Datum], geltenden Fassung zu.

Der Beklagte hat unstreitig gestellt, dass die beanstandete Verletzungshandlung, nämlich die Teilnahme an einer Tauschbörse verbunden mit dem Angebot zum Download an eine unbestimmte Anzahl von Personen, über den Telekommunikationsanschluss des Beklagten erfolgt ist. Der Beklagte könnte folglich lediglich dann nicht in Anspruch genommen werden, wenn es ihm gelungen wäre, Tatsachen vorzubringen und gegebenenfalls unter Beweis zustellen, die eine Rechtsverletzung mit alleiniger Tatherrschaft durch einen Dritten über den Anschluss des Beklagten erklären könnten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshof und zuletzt auch des Bundesverfassungsgerichts, die die Klägerin zutreffend zitiert hat, sind an die sekundäre Darlegungslast im konkreten Einzelfall strenge Anforderungen zustellen. Diesen Anforderungen hat der Beklagte nach Auffassung des erkennenden Gerichts nicht genügt, wobei insbesondere dem Aspekt der Chronologie besondere Bedeutung zuzumessen ist. Dem erkennenden Gericht ist nicht verborgen geblieben, dass Urheberrechtsverletzungsklagen sehr häufig unmittelbar vor Ablauf der Verjährungsfrist eingereicht werden mit der Folge, dass nach Jahren im Familienkreis kaum aufklärbar ist, wer zu welchem Zeitpunkt einen Familiencomputer genutzt hat oder auch nicht. Im vorliegenden Falle verhält es sich jedoch gänzlich anders. Die Urheberrechtsverletzung wurde am [Datum] begangen und bereits am [Datum] folgte die Geltendmachung des Unterlassungsanspruches.

Der Beklagte hatte also reichlich Gelegenheit, sich zeitnah mit möglichen Verletzungshandlungen‘ Dritter auseinander zusetzen. Nichts hätte näher gelegen, als auch die benutzte Gerätschaft, nämlich angeblich einen Speed-Port der Telekom, in die Überlegungen einzubeziehen. Das die Telekom 9 Monate später, nämlich am [Datum] eine Nutzerwarnung herausgegeben hat, kann nicht ausreichen, um der Darlegungslast bzgl. einer Verletzung durch Dritte zu genügen. Zum einen ist nicht dargelegt, aus welchen Gründen die Telekom die Warnung ausgesprochen hat, ob auf Grund neuer aktueller Angriffsmöglichkeiten oder bereits zum Zeitpunkt der Urheberrechtsverletzung bestehender Angriffsmöglichkeiten. Es ist allgemein bekanntes Lebensrisiko der Teilnahme an der Internetkommunikation, dass täglich neue Gefahren durch kriminelle Machenschaften heraufbeschworen werden. Nach Auffassung des Gerichtes sind die Schwachstellen eines offenen oder gesicherten WLAN’s heutzutage jedermann mehr oder weniger bekannt. Voraussetzung für einen Missbrauch ist allerdings, dass sich jemand in das WLAN einklinken kann. Hierzu bedarf es zumindest ansatzweise einer Darlegung, woraus sich eine konkrete Möglichkeit unter den konkreten Nutzungsverhältnissen am konkreten Nutzungsort ergeben könnte. Wollte man auf derart strenge Anforderungen, wie von der höchstrichterlichen Rechtsprechung und auch von dem erkennenden Gericht angenommen, verzichten, könnte jedermann beliebige Urheberrechtsverletzungen begehen, nur nicht der Nutzer eines einsam im Wald gelegenen Forsthauses mit Internetanschluss, denn nur dort wären plötzlich in Reichweite des Funkempfängers auftauchende Personen mit Telekommunikationsgeräten sicher zu bemerken und zu identifizieren.

Die geltend gemachten Beträge (600,00 EUR und 506,00 EUR) sind auch der Höhe nach nicht zu beanstanden, sie halten sich im Rahmen bzw. an der Untergrenze dessen, was im Bundesgebiet zum Zeitpunkt der Urheberrechtsverletzung vor Novellierung des Urheberrechtsgesetzes ausgeurteilt wurden.

Weder der Schadensersatzanspruch noch die Kosten der Rechtsverfolgung sind im konkreten nicht angemessen. Das erkennende Gericht schließt sich der gut begründeten Schadensschätzung des Amtsgericht München, von der Klägerin ausführlich zitiert auf Seite 27 der Klage zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen. an. Ergänzend sei dem Beklagten noch einmal vor Augen geführt um was es eigentlich geht. Es geht nicht darum, dass der Beklagte sich lediglich einen Film illegal heruntergeladen und dieses Delikt geschlossenen in seinem Wissen verwahrt hätte, sondern um die Teilnahme an einer Internettauschbörse, also dem Versuch, jeder berechtigten Verwertung des Urheberrechtes durch kriminelle Machenschaft zu begegnen.

Wie der Beklagte angesichts der umfangreichen vorprozessualen außergerichtlichen Korrespondenz auf die Idee kommt, es sei lediglich eine 0,5 Geschäftsgebühr abzurechnen, ist nicht nachvollziehbar. Angesichts dessen, was im konkreten Einzelfall in Schriftsätzen gewechselt wurde, ist vielmehr sogar eine 1,3 Gebühr, die nicht eingeklagt ist, berechtigt. Auch der Gegenstandswert von 10.000,00 EUR ist nicht zu beanstanden. Der Streitwert liegt im Bereich dessen, was allgemein von den deutschen Gerichten zum Zeitpunkt der Urheberrechtsverletzung festgesetzt wurde. Nicht alles was der Gesetzgeber zu Papier bringt, ist auch sinnvoll. Die Abmahnkosten auf 1.000,00 EUR zu deckeln, mag sinnvoll sein, sofern die Strafverfolgungsbehörden den Betreibern und Nutzern von Tauschbörsen in der in einem Rechtsstaat gebotenen Art und Weise entgegentreten. Das erkennende Gericht hat von solcher Praxis noch nicht viel bemerkt. Bei dieser Sachlage wäre auch bei Anwendung des neuen Gesetzes darüber zu befinden, ob der genannte Wert – 1.000,00 EUR – nach den besonderen Umständen des Einzelfalles unbillig ist. Von einer solchen Unbilligkeit geht das Gericht aus, wenn jemand innerhalb einer Tauschbörse Dateien zum Download für jedermann bereit hält, also faktisch als Mittäter einen illegalen Markt eröffnet in der sicheren Erkenntnis, dass auf diese Art und Weise massenhaft Urheberrechtsverletzungen in gewerblichem Ausmaß begangen werden.

Der Zinsanspruch folgt aus § 288 BGB. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.

Rechtsbehelfsbelehrung

Diese Entscheidung kann mit der Berufung angefochten werden. Sie ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat einzulegen bei dem

Landgericht Saarbrücken,
Franz-Josef-Röder-Straße 15,
66119 Saarbrücken.

Die Frist beginnt mit der Zustellung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung. Die Berufung ist nur zulässig wenn der Beschwerdegegenstand 600,00 EUR übersteigt oder das Gericht die Berufung zu diesem Urteil zugelassen hat.

Zur Einlegung der Berufung ist berechtigt, wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Die Berufung wird durch Einreichung einer Berufungsschrift eingelegt. Die Berufung kann nur durch einen Rechtsanwalt eingelegt werden.

Darüber hinaus kann die Kostenentscheidung isoliert mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden. Sie ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen bei dem

Amtsgericht St. Ingbert,
Ensheimer Str. 2,
66386 St. Ingbert

oder dem

Landgericht Saarbrücken,
Franz-Josef-Röder-Straße 15,
66119 Saarbrücken

einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung.

Die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR und der Wert des Beschwerdegegenstandes in der Hauptsache 600,00 EUR übersteigt. Beschwerdeberechtigt ist, wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist.

Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle der genannten Gerichte eingelegt. Sie kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts erklärt werden, wobei es für die Einhaltung der Frist auf den Eingang bei einem der genannten Gerichte ankommt. Sie ist von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen. Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Soll die Entscheidung nur zum Teil angefochten werden, so ist der Umfang der Anfechtung zu bezeichnen.

Die Beschwerde soll begründet werden.

[Name],
Richter am Amtsgericht

ausgefertigt
[Name], Justizobersekretär
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle (…)

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AG St. Ingbert, Urteil vom 13.03.2017, Az. 9 C 163/15 (10)

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