Waldorf Frommer Rechtsanwälte (München): Amtsgericht Bochum – Vage Vermutungen und eine nur theoretische Möglichkeit der Täterschaft eines Dritten reichen zur Widerlegung der tatsächlichen Vermutung keinesfalls aus!

16:36 Uhr

Gegenstand des Verfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützter Filmaufnahmen. Der beklagte Anschlussinhaber hatte vorliegend behauptet, nie eine Tauschbörsensoftware verwendet zu haben. Außer ihm selbst hätten auch dessen Ehefrau sowie der Sohn den Internetanschluss nutzen können, weshalb sie theoretisch als Täter in Betracht kämen. Auf Nachfrage hätten sie jedoch ihre Verantwortlichkeit abgestritten.

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Bericht

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Urteil als PDF:
http://news.waldorf-frommer.de/wp-content/uploads/2017/04/AG_Bochum_65_C_423_16.pdf

Autor:
Rechtsanwalt David Appel

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Die streitgegenständliche Rechtsverletzung müsse daher – trotz ausreichender Absicherung des WLAN-Routers nach dem „neuesten Stand der Technik“ – vermutlich durch einen unbefugten Dritten geschehen sein. Zur Begründung verwies der Beklagte auf ein weiteres gegen ihn laufendes Verfahren. Zum dort streitgegenständlichen Zeitpunkt habe in seinem Haus eine Weihnachtsfeier stattgefunden, weshalb das internetfähige Notebook weggeschlossen gewesen sei. Eine Rechtsverletzung seitens der befugten Nutzer sei daher ausgeschlossen gewesen, weshalb lediglich ein unbefugter Hackerangriff eines Dritten in Betracht käme. Dies müsse auch im vorliegenden Verfahren gelten.

Diese Ansicht teilte das Amtsgericht Bochum nicht und gab der Klage vollumfänglich statt.

Nach Auffassung des Gerichts reiche es nicht aus, dass der Beklagte das illegale Downloadangebot pauschal bestreitet und die bloße Möglichkeit der Tatbegehung durch ein Familienmitglied oder einen Hacker in den Raum stellt. Dabei könne es auch dahingestellt bleiben „ob eine weitere, nicht streitgegenständliche Rechtsverletzung […] von dem Beklagten nachweislich nicht begangen worden sein kann.“

Dem Beklagten hätte es vielmehr oblegen, „tatsächliche Anhaltspunkte dafür“ darzulegen, dass allein ein Dritter für die Rechtsverletzung verantwortlich gewesen sein könnte. Da es an solchen konkreten Anhaltspunkten jedoch mangele, habe der Beklagte die tatsächliche Vermutung der eigenen Verantwortlichkeit nicht widerlegen können.

„Abgesehen davon, dass der Beklagte vorträgt, selbst nicht Täter zu sein, also müsse ein Dritter die Rechtsverletzung begangen haben, sind keinerlei Tatsachen oder Indizien vorgetragen, die diesen Anspruch stützen. Nach dem Vortrag des Beklagten kommen seine Ehefrau und sein Sohn als Täter nicht in Betracht. Die rein theoretische Möglichkeit reicht zur Widerlegung der Vermutung nicht aus. Im Ergebnis haftet damit der Beklagte dem Grunde nach auf Schadensersatz und Erstattung der Abmahnkosten.“

Auch die Höhe des geltend gemachten Schadensersatzes i.H.v. 600,00 EUR hielt das Gericht „in Anbetracht der wirtschaftlichen Bedeutung des Films sowie des Umfangs der Rechtsverletzung“ für angemessen und gerechtfertigt. Gleiches gelte „unter Berücksichtigung der Aktualität und Popularität des Films einerseits, der Intensität und Dauer der Urheberrechtsverletzung und der subjektiven Umstände auf Seiten des Verletzers andererseits“ für den Gegenstandswert von 10.000,00 EUR.

Das Amtsgericht verurteilte den Beklagten daher antragsgemäß zur Zahlung von Schadensersatz, zum Ersatz der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten sowie zur Übernahme der Kosten des Verfahrens.

 

AG Bochum, Urteil vom 14.03.2017, Az 65 C 423/16

 

(…) – Beglaubigte Abschrift –

65 C 423/16

Verkündet am 14.03.2017
[Name], Justizbeschäftigte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Amtsgericht Bochum

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

[Name],
Klägerin,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Waldorf Frommer, Beethovenstraße 12, 80336 München,

gegen

Herrn [Name],
Beklagter,

Prozessbevollmächtigter: [Name],

hat das Amtsgericht Bochum auf die mündliche Verhandlung vom 14.03.2017 durch den Richter am Amtsgericht [Name]

für Recht erkannt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.106,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.08.2015 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120.% des zu vollstreckenden Betrage abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Zahlung eines angemessenen Schadensersatzes und Erstattung von Abmahnkosten wegen des unerlaubten Anbietens zum Download des Spielfilms [Name].

Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem genannten Film. Zwischen dem [Datum] und [Datum] wurde zu sechs verschiedenen Zeiträumen unter fünf unterschiedlichen IP-Adressen der Film in einer sogenannten Tauschbörse zum Download angeboten. Die IP-Adressen waren zum jeweiligen Zeitpunkt dem Anschluss des Beklagten zugeordnet.

Die Klägerin trägt vor, der Beklagte hafte als Täter für den rechtswidrigen Eingriff in die ihr zustehenden Nutzungs- und Verwertungsrechte. Insoweit sei der Beklagte jedenfalls zur Zahlung eines angemessenen Schadensersatzes nicht unter 600,00. EUR und zur Erstattung der geltend gemachten Abmahnkosten verpflichtet.

Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen,

1. an die Klägerin einen angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 600,00 EUR betragen soll, zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.08.2015 sowie
2. an die Klägerin 506,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem,14.08.2015 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, er habe zum damaligen Zeitpunkt in seiner Wohnung ein WLAN einrichten lassen. Der von dem Provider zur Verfügung gestellte Router habe dem Stand der Technik entsprochen und sei mit einem Passwort geschützt gewesen. Er selbst habe über ein Notebook verfügt und mit diesem auch das Internet genutzt. Eine Tauschbörsensoftware sei auf diesem Notebook nie installiert gewesen. In einem weiteren Verfahren, das von den Klägervertretern geführt werde, sei ein Verstoß vom [Datum] streitgegenständlich. Zur angegebenen Zeit sei das Notebook wegen der familiären Weihnachtsfeier jedoch weggeschlossen gewesen, so dass hierüber eine Rechtsverletzung nicht habe erfolgen können. Auch die hier streitgegenständlichen Rechtsverletzungen habe der Beklagte nicht begangen. Er gehe davon aus, dass sich ein Dritter rechtswidrig Zugang zu seinem Internetanschluss verschafft und die Rechtsverletzung begangen habe. Theoretisch kämen auch noch seine Ehefrau und sein Sohn als Täter in Betracht, die ihm gegenüber allerdings angegeben hätten, den streitgegenständlichen Film nicht zum Download angeboten zu haben.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin kann von dem Beklagten gern. §§ 97, 97a UrhG Zahlung eines angemessenen Schadensersatzes und Erstattung der Abmahnkosten verlangen.

Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem Spielfilm [Name] für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Die von der Klägerin beauftragte ipoque GmbH hat ermittelt, dass zwischen dem [Datum] an [Datum] sechs verschiedenen Zeiten mit fünf unterschiedlichen IP-Adressen der Spielfilm in einer sogenannten Tauschbörse zum Download angeboten worden ist. Nach Auskunft des Providers waren alle fünf IP-Adressen dem Anschluss des Beklagten zugeordnet. Es liegt eine Mehrfachermittlung vor. Damit ist das pauschale Bestreiten, dass das Filmwerk [Name] über die IP-Adresse des Beklagten zum Download angeboten wurde, nicht ausreichend.

In einer Tauschbörse stellt jeder Teilnehmer den anderen Teilnehmern die Dateien auf seinem Rechner zum Download zur Verfügung. Auch jeder neue Teilnehmer, der sich in der Tauschbörse zunächst informieren und orientieren will, hat die Möglichkeit, auf den Rechner eines Teilnehmers zuzugreifen, soweit dieser online ist. Dadurch wird die Datei zum Download angeboten. Genau dies stellt die urheberrechtliche Rechtsverletzung dar. Es ist das Wesen einer Tauschbörse, dass auf eine Vielzahl von Rechnern zugegriffen wird, um eine Datei vollständig auf den eigenen Rechner herunterzuladen. Vor diesem Hintergrund sind die Ausführungen der Beklagtenseite, dass nur derjenige, der das Werk erstmals in die Tauschbörse eingestellt hat, eine Urheberrechtsverletzung begehe, nicht zutreffend.

Zu Lasten des Anschlussinhabers spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass er als Täter die Rechtsverletzung begangen hat. Diese tatsächliche Vermutung hat der Beklagte nicht widerlegt. Vorliegend ist zwischen dem [Datum] und [Datum] an vier Tagen zu sechs verschiedenen Zeitpunkten der streitgegenständliche Film zum Download angeboten worden. Nach dem eigenen Vortrag des Beklagten war sein Router hinreichend gesichert. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass sich ein Dritter bei dem Beklagten eingehackt oder seine IP-Adresse gekapert hat, sind von Beklagtenseite nicht vorgetragen. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob eine weitere, nicht streitgegenständliche Rechtsverletzung vom [Datum] von dem Beklagten nachweislich nicht begangen worden sein kann. Abgesehen davon, dass der Beklagte vorträgt, selbst nicht Täter zu sein, also müsse ein Dritter die Rechtsverletzung begangen haben, sind keinerlei Tatsachen und Indizien vorgetragen, die diesen Anspruch stützen. Nach dem Vortrag des Beklagten kommen seine Ehefrau und sein Sohn als Täter nicht in Betracht. Die rein theoretische Möglichkeit reicht zur Widerlegung der Vermutung nicht aus. Im Ergebnis haftet damit der Beklagte dem Grunde nach auf Schadensersatz und Erstattung der Abmahnkosten.

In Anbetracht der wirtschaftlichen Bedeutung des Films sowie des Umfangs der Rechtsverletzung hält das Gericht einen Schadensersatzanspruch i.H.v. 600,00 EUR für angemessen und gerechtfertigt. Der Gegenstandswert der Abmahnung ist nach dem Interesse der Klägerin an der Unterbindung künftiger Rechtsverletzungen unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalles zu bestimmen. Unter Berücksichtigung der Aktualität und Popularität des Films einerseits, der Intensität und Dauer der Urheberrechtsverletzung und der subjektiven Umstände auf Seiten des Verletzers andererseits hält das Gericht im konkreten Fall einen Gegenstandswert von 10.000,00 EUR für angemessen und gerechtfertigt. Auch ist der Ansatz einer 1,0 Geschäftsgebühr für die Abmahnung nebst Auslagenpauschale nicht zu beanstanden.

Eine Stellungnahmefrist war dem Beklagten zum Schriftsatz der Klägerseite vom 02.03.2017 nicht zu gewähren, da in diesem Schriftsatz kein neuer Tatsachenvortrag enthalten ist, auf den die Entscheidung gestützt wird.

Der Zinsanspruch in gesetzlicher Höhe folgt aus dem Gesichtspunkt des Verzuges.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt

oder

2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen-worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem

Landgericht Bochum,
Westring 8,
44787 Bochum,

eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen. das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Bochum zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Bochum durch einen Rechtsanwalt, vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

[Name]
Richter am Amtsgericht (…)

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AG Bochum, Urteil vom 14.03.2017, Az 65 C 423/16

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