JurPC.de: Amtsgericht Bochum, Urteil vom 21.02.2017, Az. 65 C 168/16 – Sekundäre Darlegungslast in Filesharing Fällen (JurPC Web-Dok. 67/2017)

17:24 Uhr

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

JurPC – Internet-Zeitschrift für Rechtsinformatik und Informationsrecht

Prof. Dr. Maximilian Herberger (mh)
Patrickstr. 43 | 65191 Wiesbaden
Telefon: 0611 / 957820 | Telefax: 0611 / 9578228
E-Mail: mail@jurpc.de | Web: http://www.jurpc.de/

 

Bericht JurPC Web-Dok. 67/2017:

Link:
http://www.jurpc.de/jurpc/show?id=20170067

Autor:
Rechtsanwalt Dr. Bernd Lorenz, Essen

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

 

AG Bochum, Urteil vom 21.02.2017, Az. 65 C 168/16

 

(…) – Abschrift –

65 C 168/16

Verkündet am 21.02.2017
[Name], Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

Amtsgericht Bochum

IN NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

[Name],
– Klägerin –

– Prozessbevollmächtigter: [Name], –

gegen

[Name],
– Beklagte –

– Prozessbevollmächtigte: [Name], –

hat das Amtsgericht Bochum auf die mündliche Verhandlung vom 21.02.2017 durch den Richter am Amtsgericht [Name]

für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreit trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert für den Rechtsstreit wird auf 815,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von 600,00 EUR und Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 215,00 EUR wegen des unerlaubten Anbietens zum Download des pornografischen Filmwerks „[Name]“ am 20.10.2015 über den Internetanschluss der Beklagten in einer sogenannten Tauschbörse. Die Klägerin trägt vor, sie habe die Rechtsverletzung über den Anschluss der Beklagten zweifelsfrei ermittelt. Die gegen die Beklagte sprechende Vermutung habe diese nicht widerlegt, so dass die Beklagte als Täterin der Rechtsverletzung hafte. Sie sei daher antragsgemäß zu verurteilen.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 815,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, sie habe die streitgegenständliche Rechtsverletzung nicht begangen. Zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung habe auch ihr am xx.xx.1971 geborener Sohn [Name] freien Zugang zum Internetanschluss ihrer Wohnung gehabt. Der Sohn habe die Beklagte häufig zu Hause besucht und dabei auch das Internet genutzt. Hintergrund sei gewesen, dass er in seiner eigenen Wohnung nur eine 1000er-Leitung gehabt habe, über die ein Herunterladen größerer Dateien nicht möglich gewesen sei. Dies habe er dann über den Anschluss der Beklagten gemacht und dabei auch ohne ihr Wissen gelegentlich ein Tauschbörsenprogramm benutzt. Insoweit komme der Sohn ernsthaft als Täter in Betracht. Darüber hinaus sei der Anspruch auch der Höhe nach nicht gegeben.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Die Klägerin kann von der Beklagten nicht gemäß §§ 97, 97a UrhG Schadenersatz und Erstattung von Abmahnkosten wegen des unerlaubten Anbietens zum Download eines pornografischen Films am 20.10.2015 verlangen.

Der Anschlussinhaber genügt der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und ggf. welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu dem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. Die sekundäre Darlegungslast führt nicht zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Hieran müssen sich die Anforderungen an seine Nachforschungspflicht orientieren. Es ist nicht erforderlich, dass der Anschlussinhaber seinen eigenen Computer auf eine mögliche Rechtsverletzung durchforstet, ein genaues Bild des Nutzungsverhaltens der in Betracht kommenden Personen aufzeigt oder die Familienangehörigen „ins Gebet nimmt“, um dem Anspruchsteller einen Täter zu präsentieren. Unter Berücksichtigung dieser Anforderungen hat die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast genügt. Es wird dargelegt, dass Ihr Sohn selbstständigen Zugang zu ihrem Internetanschluss hatte, dabei Tauschbörsenprogramme benutzte und tatsächlich auch Dateien heruntergeladen hat. Auch unter Berücksichtigung der Art des streitgegenständlichen Filmwerks kommt der Sohn daher ernsthaft als Täter in Betracht. Insoweit ist es wieder Sache der Klägerin als Anspruchsteller, die für eine Haftung der Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen. Die Klägerin hat sich jedoch darauf beschränkt zu bestreiten, dass der Sohn der Beklagten zum Tatzeitpunkt des Zugriffs auf ihren Internetanschluss hatte, ohne im Übrigen auf das Beklagtenvorbringen einzugehen. Sie hat auch sonst keine Umstände außer der Tatsache, dass die Beklagte Anschlussinhaberin ist, dargelegt, aus denen auf eine eigene Täterschaft der Beklagten geschlossen werden kann.

Da auch eine Haftung der Beklagten als Störer nicht in Betracht kommt, war die Klage insgesamt mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO abzuweisen.

Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt
oder
2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem

Landgericht Bochum,
Westring 8,
44787 Bochum,

eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Bochum zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Bochum durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Bochum statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem

Amtsgericht Bochum,
Viktoriastraße 14,
44787 Bochum,

schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

gez. [Name]
Richter am Amtsgericht (…)

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

AG Bochum, Urteil vom 21.02.2017, Az. 65 C 168/16

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~