Waldorf Frommer Rechtsanwälte (München): Das Amtsgericht Erfurt verurteilt Anschlussinhaberin zum Ersatz des Lizenzschadens in Höhe von 1.000,00 EUR

15:20 Uhr

 

Gegenstand des Verfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützter Filmaufnahmen. Die in diesem Verfahren beklagte Anschlussinhaberin wurde von der Rechteinhaberin wegen der illegalen Verbreitung eines Filmwerks in einer Tauschbörse abgemahnt. Da sie außergerichtlich jegliche Erfüllung der geltend gemachten Ansprüche verweigerte, erwirkte die Klägerin im Jahr 2015 einen gerichtlichen Mahnbescheid, gegen den die Beklagte jedoch fristgerecht Widerspruch einlegte.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

WALDORF FROMMER Rechtsanwälte

Beethovenstraße 12 | 80336 München
Telefon: 089 / 52 05 72 10 | Telefax: 089 / 52 05 72 30
E-Mail: web@waldorf-frommer.de | Web: www.waldorf-frommer.de

 

Bericht

Link:
https://news.waldorf-frommer.de/waldorf-frommer-amtsgericht-erfurt-verurteilt-anschlussinhaberin-wegen-des-angebots-eines-filmwerks-in-einer-tauschboerse-zum-ersatz-des-lizenzschadens-in-hoehe-von-eur-1-00000/

 

Urteil als PDF:
https://news.waldorf-frommer.de/wp-content/uploads/2017/09/AG_Erfurt_5_C_2538_16.pdf

 

Autorin

Rechtsanwältin Claudia Lucka

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Nachdem das Verfahren im Folgenden zunächst ruhte, beantragte die Beklagte Anfang des Jahres 2017 nunmehr über ihren Anwalt die Abgabe des Rechtsstreits an das Amtsgericht Erfurt, um die Angelegenheit gerichtlich klären zu lassen. Dabei ging die Beklagte offensichtlich davon aus, dass die Ansprüche mittlerweile verjährt sind.

Wie der Bundesgerichtshof allerdings bestätigt hat (Urteil vom 12.05.2016, Az. I ZR 48/15 – „Everytime we touch“), verjähren Lizenzschadensersatzansprüche bei Rechtsverletzungen in Tauschbörsen erst nach Ablauf einer Frist von zehn Jahren. Die Klägerin wies die Beklagte auf diesen Umstand hin und regte an, den Abgabeantrag zeitnah zurückzunehmen. Die Beklagte reagierte hierauf jedoch nicht.

Die Klägerin begründete daher beim Amtsgericht Erfurt ihre Ansprüche und beantragte, die Beklagte zur Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe von 1.000,00 EUR zu verurteilen.

Die Beklagte – nunmehr über ihren Irrtum bewusst – nahm daraufhin zur Vermeidung des Gerichtsverfahrens über ihren Anwalt den Antrag auf Abgabe des Rechtsstreits an das Amtsgericht Erfurt zurück. Im Übrigen reagierte sie jedoch nicht, weshalb das Gericht gegen die Beklagte ein Versäumnisurteil in voller Höhe erließ. Das Amtsgericht bestätigte hiermit gleichzeitig auch die Angemessenheit eines Lizenzschadens in Höhe von 1.000,00 EUR.

Gegen dieses Versäumnisurteil legte die Beklagte Einspruch ein und stellte sich dabei auf den Standpunkt, dass sie mit der einseitigen Rücknahme ihres Abgabeantrages das Verfahren bereits vorher beendet habe. Ein Versäumnisurteil hätte gegen sie nicht ergehen dürfen.

Diese Auffassung teilte das Amtsgericht Erfurt nicht. Die Beklagte habe das Verfahren nicht mehr einseitig beenden können, da die Klägerseite mit der zwischenzeitlich erfolgten Begründung der Ansprüche ebenfalls die Durchführung des streitigen Verfahrens beantragt habe. Entgegen der Annahme der Beklagten lagen deshalb die Voraussetzungen für das Versäumnisurteil sowohl in prozessualer als auch in materiell-rechtlicher Hinsicht vor.

„Die Klägerin hat durch Einreichung der Anspruchsbegründung bei Gericht […] ihren Willen auf Durchführung des streitigen Verfahrens bekundet. Dem hatte das Gericht nachzukommen, weil die Sache ab diesem Zeitpunkt ohnehin nicht mehr im Mahnverfahren anhängig, sondern aufgrund dessen bereits in das streitige Verfahren übergegangen war […]. Von daher musste die zeitlich später erklärte Rücknahme des Antrags auf Durchführung des streitigen Verfahrens unbeachtlich bleiben, denn sie war bereits „prozessual überholt“. Insoweit wäre es an der Beklagten gewesen, nach Anordnung des schriftlichen Verfahrens entweder die Verteidigung anzuzeigen oder den Widerspruch vor dem zu erlassenden Versäumnisurteil zurückzunehmen (§ 697 Abs. 4 ZPO).“

 

Da die Beklagte es auch im Folgenden unterließ, ausreichend im Rahmen der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast vorzutragen, sei von ihrer eigenen Täterschaft auszugehen.

„Ungeachtet der Tatsache, dass das Vorbringen der Beklagten prozessual verspätet war […], enthält es nicht den zwingend erforderlichen Sachvortrag, um den berechtigten Anspruch der Klägerin, der sich infolge der widerrechtlichen und schuldhaften Nutzung des Filmwerks durch einen Download in einer Tauschbörse seitens der Beklagten ergibt, zu Fall zu bringen: Bereits durch die mehrfach erfolgte Zuordnung der IP-Adresse zur Beklagten ist eine Fehlermittlung nach der Erfahrungswahrscheinlichkeit ausgeschlossen. Im Weiteren wird nur vorsorglich auf die ständige, mittlerweile gefestigte Rechtsprechung – insbesondere zum Anscheinsbeweis sowie darüber hinaus zur sekundären Darlegungslast des beklagten Anschlussinhabers – Bezug genommen (vgl. BGH NJW 2016, S. 953 „Tauschbörse III“ m.w.N.).“

 

Das Amtsgericht Erfurt hielt aus diesem Grunde das ergangene Versäumnisurteil gegen die Beklagte aufrecht, mit welchem sie zur Zahlung eines Schadenersatzes in Höhe von EUR 1.000,00 sowie zur Übernahme sämtlicher Verfahrenskosten verurteilt wurde.

 

 

 

 

AG Erfurt, Urteil vom 26.07.2017, Az. 5 C 2538/16

 

 

(…) – Beglaubigte Abschrift –

Amtsgericht Erfurt
Az.: 5 C 2538/16

 

IM NAMEN DES VOLKES

Endurteil

 

In dem Rechtsstreit

[Name],
– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte WALDORF FROMMER, Beethovenstraße 12, 80336 München,

gegen

[Name], 99089 Erfurt
– Beklagte –

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt [Name], 99084 Erfurt,

hat das Amtsgericht Erfurt durch Richter am Amtsgericht [Name] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 31.05.2017

für Recht erkannt:

Das Versäumnisurteil bleibt aufrecht erhalten.
Die Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Klägerin beansprucht Schadenersatz wegen einer Nutzung des Filmwerks [Name].

Die Klägerin ist Inhaberin der Urheberrechte an dem vorbezeichneten Filmwerk und als solche auf dem in Kopie als Anlage K1 vorgelegten DVD-Cover entsprechend vermerkt. Durch Beschluss des Landgerichts Köln vom [Datum] wurde die IP Adresse der Beklagten ermittelt, wonach das vorbenannte Filmwerk am [Datum] in der Zeit von [Uhrzeiten] Uhr über eine sogen. Tauschbörse heruntergeladen und einer unbestimmten Anzahl von Teilnehmern zum Download zur Verfügung gestellt worden war. Die Klägerin forderte die Beklagte mit außergerichtlichem Schreiben vom [Datum] zur Zahlung von Schadenersatz auf. Sie beantragte am [Datum] den Erlass eines Mahnbescheides bei dem Amtsgericht Coburg, welcher der Beklagten am [Datum] zugestellt wurde. Hiergegen legte die Beklagte unter dem [Aktenzeichen] Widerspruch ein.

Mit einem an das Mahngericht gerichteten Schreiben vom 31.10.2016 hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten beantragt, der Klägerin die Verfahrenskosten aufzuerlegen, da diese das Verfahren seit Einlegung des Widerspruchs nicht weiter betrieben habe. Die Klägerin hat den Anspruch mit Schriftsatz vom 23.01.2017, bei Gericht eingegangen am 27.01.2017, begründet. Das Gericht hat mit Verfügung vom 21.02.2017 das schriftliche Vorverfahren angeordnet und die Zustellung der Klage verfügt. Mit dem am 20.02.2017 vorab per Fax bei Gericht eingegangenen Schriftsatz gleichen Datums hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens zurückgenommen. Die Zustellung der Anspruchsbegründung ist am 27.02.2017 erfolgt.

Das Gericht hat am 21.03.2017 Versäumnisurteil erlassen, nachdem eine Verteidigungsanzeige nicht innerhalb der Notfrist zur Akte gereicht worden ist. Gegen das am 30.03.2017 zugestellte Versäumnisurteil hat die Beklagte mit einem am 31.03.2017 bei Gericht vorab per Fax eingegangenen Schriftsatz Einspruch eingelegt.

Die Klägerin beantragt:
Das Versäumnisurteil wird aufrechterhalten.

Die Beklagte beantragt:
Das Versäumnisurteil wird aufgehoben; die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, das Versäumnisurteil hätte nicht ergehen dürfen, da die Streitsache mit Rücknahme des Antrags auf Durchführung des streitigen Verfahrens gemäß § 696 Abs. 4 ZPO als nicht rechtshängig anzusehen sei.

Mit dem am Tag der mündlichen Verhandlung zur Akte gereichten Schriftsatz bestreitet die Beklagte den klägerseits behaupteten Download, da sie lediglich über einen Telekom-Anschluss verfüge, welcher nur für das Telefon und den Fernsehempfang vorgesehen sei.

Wegen der weitergehenden Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Durch den form- und fristgerechten Einspruch ist der Rechtsstreit in die Lage zurückversetzt worden, in der er sich vor Erlass des Versäumnisurteils befand (§ 342 ZPO).

Auf Antrag (bzw. Anregung) der Klägerin hatte das Gericht das schriftliche Vorverfahren anzuordnen und – infolge nicht binnen Notfrist zur Akte gereichter Verteidigungsanzeige – das Versäumnisurteil zu erlassen.

Die Voraussetzungen dafür lagen sowohl in prozessualer als auch materiell-rechtlicher Hinsicht vor. Dem steht insbesondere nicht die mit Schreiben vom 20.02.2017 mitgeteilte Rücknahme des Antrags auf Durchführung des streitigen Verfahrens entgegen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Antrag auf Rücknahme am 20.02.2017 (Fax) bzw. am 21.02.2017 (Original) bei der Poststelle (nicht auf der Geschäftsstelle bzw. dem Richter vorgelegt) eingegangen ist.

Dies kann ohnehin offen bleiben, denn die Beklagte geht im Ausgangspunkt zwar zutreffend davon aus, dass nach Rücknahme des Antrags auf Durchführung des streitigen Verfahrens die etwaige Rechtshängigkeit gemäß § 696 Abs. 4 S. 3 ZPO zunächst entfällt. Dies hat jedoch entgegen der beklagtenseits vertretenen Ansicht nicht zur Folge, dass die von der Klägerin eingereichte Anspruchsbegründung hätte unbeachtlich bzw. ohne gerichtliche Veranlassung bleiben müssen. Das Gegenteil ist der Fall: Es entspricht nämlich allgemeiner Auffassung, dass das Verfahren bei dem Mahngericht anhängig bleibt und es dementsprechend den Parteien unbenommen ist, die Sache jederzeit wieder aufzurufen, mithin einen (erneuten) Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens zu stellen und die Sache dadurch jederzeit wieder rechtshängig zu machen (MünchKomm zur ZPO, 4. Aufl., Rn. 27 zu § 696; Zoller, ZPO, 31. Aufl., Rn. 2 zu § 696; OLG Düsseldorf MDR 1981, S. 766; OLG Stuttgart OLGZ 1989, S. 200; LG Kaiserslautern MDR 1994, S. 417).

Die Klägerin hat durch Einreichung der Anspruchsbegründung bei Gericht (vorab per Fax) am 18.01.2017 ihren Willen auf Durchführung des streitigen Verfahrens bekundet. Dem hatte das Gericht nachzukommen, weil die Sache ab diesem Zeitpunkt ohnehin nicht mehr im Mahnverfahren anhängig, sondern aufgrund dessen bereits in das streitige Verfahren übergegangen war (vgl. auch § 697 Abs. 2 S. 1 ZPO). Von daher musste die zeitlich später erklärte Rücknahme des Antrags auf Durchführung des streitigen Verfahrens unbeachtlich bleiben, denn sie war bereits „prozessual überholt“. Insofern wäre es an der Beklagten gewesen, nach Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens entweder die Verteidigung anzuzeigen oder den Widerspruch vor dem zu erlassenden Versäumnisurteil zurückzunehmen (§ 697 Abs. 4 ZPO).

Das Versäumnisurteil war auch in der Sache aufrechtzuerhalten (§ 343 S. 1 ZPO), da der Klägerin der geltend gemachte Anspruch gemäß §§ 97 Abs. 2 S. 1 UrhG zustand.

Ungeachtet der Tatsache, dass das Vorbringen der Beklagten prozessual verspätet war (vgl. §§ 296 Abs. 1, 340 Abs. 3 ZPO), enthält es nicht den zwingend erforderlichen Sachvortrag, um den berechtigten Anspruch der Klägerin, der sich infolge der widerrechtlichen und schuldhaften Nutzung des Filmwerks durch einen Download in einer Tauschbörse seitens der Beklagten ergibt, zu Fall zu bringen: Bereits durch die mehrfach erfolgte Zuordnung der IP-Adresse zur Beklagten ist eine Fehlermittlung nach der Erfahrungswahrscheinlichkeit ausgeschlossen. Im Weiteren wird nur vorsorglich auf die ständige, mittlerweile gefestigte Rechtsprechung – insbesondere zum Anscheinsbeweis sowie darüber hinaus zur sekundären Darlegungslast des beklagten Anschlussinhabers – Bezug genommen (vgl. BGH NJW 2016, S. 953 „Tauschbörse III“ m.w.N.).

Die Entscheidung über die (weiteren) Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Ein Fall des § 709 S. 3 ZPO ist nicht gegeben, soweit – wie vorliegend – die in §§ 708 Nr. 11 aufgeführten Beträge nicht überschritten werden.

 

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 Euro übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem

Landgericht Erfurt
Domplatz 37
99084 Erfurt

einzulegen.

Die Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung der Entscheidung.

Die Berufung muss mit Schriftsatz durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt eingelegt werden. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Berufung eingelegt werde.

Die Berufung muss binnen zwei Monaten mit Anwaltsschriftsatz begründet werden. Auch diese Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung.

[Name]
Richter am Amtsgericht

Verkündet am 26.07.2017
[Name], JSin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Beglaubigt
Erfurt, 26.07.2017
[Name], Justizsekretärin (…)

 

 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

AG Erfurt, Urteil vom 26.07.2017, Az. 5 C 2538/16

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~