JurPC (Wiesbaden): Landgericht Bochum, Urteil vom 07.09.2017, Az. I-8 S 17/17 – Sekundäre Darlegungslast in Filesharing-Fällen (JurPC Web-Dok. 159/2017)

11:38 Uhr

Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast, indem er vorträgt, welche Personen selbständigen Zugang zu dem Internetanschluss hatten. Es obliegt sodann dem Rechteinhaber, die fehlende Täterschaft dieser Personen sachlich zu begründen.

 

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JurPC Web-Dok. 159/2017

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LG Bochum, Urteil vom 07.09.2017, Az. I-8 S 17/17

 

 

(…) – Abschrift –

I-8 S 17/17
65 C 168/16
Amtsgericht Bochum

Verkündet am 07.09.2017
[Name], Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

 

Landgericht Bochum

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

 

In dem Rechtsstreit

[Name],
Klägerin und Berufungsklägerin,

Prozessbevollmächtigter: [Name],

gegen

[Name],
Beklagte und Berufungsbeklagte,

Prozessbevollmächtigter: [Name],

 

hat die 8. Zivilkammer Bochum aufgrund mündlicher Verhandlung vom 07.09.2017 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht [Name], den Vorsitzenden Richter am Landgericht [Name] und den Richter [Name]

für Recht erkannt:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 21.02.2017 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bochum wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe:

(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO)

Die zulässige Berufung der Klägerin gegen das am 21.02.2017 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bochum ist unbegründet.

Der Klägerin steht kein Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 97 Abs. 2 S. 3 UrhG, 823 Abs. 1 BGB und kein Anspruch auf Ersatz von Abmahnkosten aus § 97 a UrhG zu. Der Klägerin ist es nicht gelungen, die Täterschaft der Beklagten im Hinblick auf die streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzungen zu beweisen.

Grundsätzlich trifft die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast für die behauptete Urheberrechtsverletzung. Bei Urheberrechtsverletzungen durch Teilnahme an einer Internettauschbörse trifft den Anschlussinhaber nach der Rechtsprechung des BGH aber eine sekundäre Darlegungslast, da die primär darlegungsbelastete Partei regelmäßig keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat, während dem Anschlussinhaber nähere Angaben dazu ohne weiteres möglich und zumutbar sind. Die Bestimmung der Reichweite der dem Anschlussinhaber obliegenden sekundären Darlegungslast hat mit Blick darauf zu erfolgen, dass erst die Kenntnis von den Umständen der Anschlussnutzung durch den Anschlussinhaber dem Verletzten eine Rechtsverfolgung ermöglicht (BGH vom 06.10.2016 – I ZR 154/16). Grundsätzlich entspricht der Anschlussinhaber dieser sekundären Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen (BGH vom 08.01.2014, I ZR 169/12). Dieser sekundären Darlegungslast hat die Beklagte vorliegend genügt.

Denn sie hat vorgetragen, dass der Internetanschluss in dem relevanten Zeitraum, in dem die Urheberrechtsverletzungen begangen wurden, regelmäßig in der Zeit nach 23 Uhr von ihrem damals 44 Jahre alten Sohn genutzt worden sei. Dabei hat sie darüber hinaus behauptet, dass ihr Sohn auch Internettauschbörsen und ihren Internetanschluss zum Herunterladen von größeren Datenmengen genutzt habe, da dessen Internetanschluss eine zu geringe Bandbreite aufgewiesen habe. Der Computer sei auch über Nacht an geblieben. Dieser Vortrag ist unbestritten geblieben und deckt sich mit den Zeitpunkten der festgestellten Urheberrechtsverstöße, die vornehmlich in die Nachtzeit fielen. Dieses Vorbringen der Beklagten genügt der sekundären Darlegungslast, da sie hiermit die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Täters aufgezeigt hat. Es ist nicht ersichtlich, welche weiteren Informationen die Beklagte der Klägerin noch hätte offenbaren können, uni dieser die Verfolgung ihrer Rechte gegenüber dem Sohn zu ermöglichen.

Da die Beklagte einen ernsthaft in Betracht kommenden Täter benannt hat, obliegt es nunmehr der Klägerin, den vollen Beweis für die Täterschaft der Beklagten zu führen. Das diesbezügliche Vorbringen der Klägerin beschränkt sich indes auf die ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung, der Sohn der Beklagten habe die Rechtsverletzung nicht begangen. Angesichts des konkreten und unbestrittenen Vortrages der Beklagten wäre es Sache der Klägerin gewesen, die fehlende Täterschaft des Sohnes der Beklagten zumindest sachlich zu begründen. Dem entsprechenden Beweisangebot der Klägerin – Vernehmung des Sohnes der Beklagten als Zeugen – konnte die Kammer mangels konkreten Vortrages hierzu nicht nachgehen. Es hätte sich insoweit um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis gehandelt, da erst die Beweiserhebung selbst Tatsachen zur Kenntnis der Klägerin gebracht hätte, die ihr weiteren Vortrag ermöglicht hätten (vgl. Greger in Zöller, ZPO, 31 Aufl., vor § 284 Rn. 5).

Die Berufung war daher mit den aus §§ 97, 708 Nr. 11, 711 ZPO folgenden prozessualen Nebenentscheidungen zurückzuweisen.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Entscheidung der Kammer auf den Urteilen des BGH vom 08.01.2014 (I ZR 169/12) und vom 06.10.2016 (I ZR 154/16) beruht.

Der Streitwert der I. und II. Instanz wird auf 815,00 EUR festgesetzt. (…)

 

 

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LG Bochum, Urteil vom 07.09.2017, Az. I-8 S 17/17

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