Kanzlei Waldorf Frommer – Klagewahrscheinlichkeit 1 Prozent!?

18:30 Uhr

Wer Forenwelt und Anwaltsblogs seit dem Ende letzten Jahres verfolgt, liest in der Regel nur noch, beim Thema „Filesharing Fälle“, von versendeten Abmahnungen der Kanzlei „Waldorf Frommer Rechtsanwälte“ und Klageverfahren der Kanzlei „Waldorf Frommer Rechtsanwälte“. Daraus ergeben sich – jedenfalls für mich – einige Fragen, die ich an Rechtsanwalt Marc Hügel richten möchte. Rechtsanwalt Marc Hügel ist Gesellschafter der Kanzlei „Waldorf Frommer Rechtsanwälte“. Seit 2003 beschäftigt Rechtsanwalt Marc Hügel sich u.a. intensiv mit der Bekämpfung von diversen Rechtsverletzungen im Internet. Auch wenn viel anders darüber denken, sollte man immer beide Seiten einer Medaille beleuchten, als allein in der Anonymität und Irrtümer der Forenwelt zu versinken.

 

Rechtsanwalt Marc Hügel

WALDORF FROMMER Rechtsanwälte
Beethovenstraße 12 | 80336 München
Web: https://www.waldorf-frommer.de/ | E-Mail: web@waldorf-frommer.de

Vita:
https://www.waldorf-frommer.de/team/#!/marc-huegel

 

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AW3P: Herr Rechtsanwalt Marc Hügel, anfänglich danke, dass Sie sich erneut Zeit genommen haben, auf ausgewählte Fragen zu antworten. Die Kanzlei „Waldorf Frommer Rechtsanwälte“ hat am 02. Dezember 2017 unter News auf der Homepage einen Beitrag gepostet („WALDORF FROMMER: Bundesgerichtshof stärkt geschädigte Rechteinhaber in Tauschbörsenverfahren – Abgemahnte können Kostenrisiko durch gütliche Einigung deutlich senken“), wo gewonnene Urteile und Beschlüsse veröffentlicht wurden. Wenn jetzt über die Jahreszahlen hinweg geschlussfolgert wird, dann sind es ja nicht gerade die Masse an Klageverfahren. Sollte die Forenwelt wirklich recht behalten, dass die tatsächliche Klagetätigkeit bei 1 Prozent liegt?

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Rechtsanwalt Marc Hügel: Ich halte ehrlich gesagt wenig von entsprechenden Mutmaßungen.

Unabhängig davon, dass die „prozentuale Messung“ der Klagetätigkeit ohne saubere Ausgangsparameter ohnehin wenig Sinn macht, beruhen diese Überlegungen auf einer Reihe von Missverständnissen:

Die von uns veröffentlichten Beschlüsse bzw. Urteile stellen nur einen Auszug der gesamten Klagetätigkeit dar. Wir veröffentlichen ausgewählte Urteile zu den Fragestellungen, auf die es in der Großzahl der Fälle ankommt. Also exemplarische Urteile, in denen die entscheidenden Themen prägnant auf den Punkt gebracht werden. Warum sollten wir z.B. die zahlreichen Fälle erwähnen, in denen man sich nach Mahnbescheid oder Klage mit uns außergerichtlich einigt? Auch dies ist Teil einer umfassenden, aber für die Öffentlichkeit komplett unsichtbaren Klagetätigkeit.

Außerdem muss hinsichtlich der Grundmenge einmal mehr betont werden: Aus irgendwelchen Aktenzeichen kann schlichtweg nicht auf vermeintliche Gesamt-Abmahnzahlen o.Ä. geschlossen werden. Die Gesamtzahl der ausgesprochenen Abmahnungen ist bei Weitem nicht so hoch, wie manche Kreise gerne unterstellen.

Entscheidend ist aber letztlich aber etwas anderes: Ihre Frage beruht ja auf der Annahme, dass es keine „Masse an Klageverfahren“ gäbe. Das ist aber eine subjektive Einschätzung und ich würde das ganz anders sehen. Mir ist kein Rechtsgebiet bekannt, in dem Ansprüche in so großer Zahl gerichtlich durchgesetzt werden. Maßgeblich ist aus meiner Sicht auch, dass jeder Abgemahnte, der eine außergerichtliche Einigung ablehnt, ernsthaft damit rechnen muss, gerichtlich in Anspruch genommen zu werden. Sofern sich dieses Risiko dann verwirklicht, sind alle Überlegungen zu etwaigen „Wahrscheinlichkeiten“ Makulatur.

 

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AW3P: Viele Abgemahnte wollen in Statistiken lesen, dass ihr Abmahner im Jahr „X“ soundso viele Male am Gericht „X“ klagt, dabei wurde x-mal gewonnen und x-mal verloren. Dieses benötige man, um das weitere Vorgehen einzuschätzen. Ihre Kanzlei hat sich in den letzten Jahren sehr geöffnet und veröffentlicht sehr viele Gerichtsentscheidungen. Warum werden dann die realen Klagezahlen nicht benannt, oder sollen Abgemahnte bewusst in ihrem Entscheidungsprozess verunsichert werden?

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Rechtsanwalt Marc Hügel: Da muss ich schmunzeln. Nennen Sie mir bitte eine Kanzlei, die derartige Zahlen veröffentlicht? Die Forderung kommt auch selten von Gegnern, sondern meist von „Verschwörungstheoretikern“, die denken, dass man dadurch endlich etwas Spannendes aufdecken könnte. Seien Sie vergewissert: In allen für Klageverfahren geeigneten Fällen klagen wir. Das können Ihnen Richter im ganzen Land bestätigen. Ich denke aber, jedem dürfte klar sein, dass wir schon vor dem Hintergrund des Mandatsgeheimnisses keine Zahlen veröffentlichen können. Ich kann nur noch mal auf meine voranstehende Antwort verweisen: Die Entscheidung darüber, ob bzw. wie man sich gegen Ansprüche verteidigt oder ob man eine außergerichtliche Einigung sucht, sollte immer auf Grundlage des konkreten eigenen Falles getroffen werden. Sobald man seine Entscheidung auf allgemeine Überlegungen oder gar Empfehlungen andere „Betroffener“ stützt, kann man schnell auf den Holzweg geraten.

 

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AW3P: Bei vielen Anwälten herrscht die Meinung vor, dass ein Mahnverfahren nur zur Verjährungshemmung beantragt wird und von keiner echten Klagewahrscheinlichkeit zeugt. Viele Abgemahnte in den Foren berichten auch, dass auf einem widersprochenen Mahnbescheid hin, ihrerseits nichts mehr passiert. Wenn aber Ihre Kanzlei auf widersprochene Mahnverfahren hin ihre Ansprüche begründet (Klage im Mahnverfahren), warum wird zum Verjährungsende hin nicht sofort an einem Amtsgericht Klage eingereicht. Kalkül?

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Rechtsanwalt Marc Hügel: Das Mahnverfahren ist ein effizientes, kostengünstiges und gesetzlich vorgesehenes Verfahren, Ansprüche auf gerichtlichem Wege durchzusetzen. Es hat sich (auch) für unsere Mandanten schlicht bewährt, diesen Weg zu gehen.

Auch hier würde ich davor warnen, sich „in Sicherheit zu wiegen“, wenn auf einen Widerspruch nicht umgehend eine Anspruchsbegründung folgt. Dies gilt gerade vor dem Hintergrund, dass insbesondere die geltend gemachten Schadensersatzansprüche erst nach 10 Jahren verjähren.

 

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AW3P: Immer wieder liest man von Gerichtsentscheidungen, wo ein beklagter Anschlussinhaber sich – ohne – einen anwaltlichen Prozessbevollmächtigten aktiv verteidigt. Ich persönlich habe auch noch nicht von einem gewonnenen Verfahren gelesen. Welche Erfahrungen hat Ihre Kanzlei mit Beklagten ohne Anwalt; gibt es aus dieser Konstellation für Ihre Kanzlei verloren Verfahren; nehmen sie mehr Rücksicht, als wenn ein Beklagter mit Anwalt reagiert; was ist Ihre Meinung oder gar Empfehlung?

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Rechtsanwalt Marc Hügel: Im Verfahren vor den Amtsgerichten herrscht in der Tat kein Anwaltszwang, man muss sich hier daher nicht zwingend anwaltlich vertreten lassen. Ob der Verzicht auf einen Anwalt allerdings sinnvoll ist, kann nicht pauschal oder abstrakt beantwortet werden.

Ich sehe leider viele Fälle, in denen der Anwalt des Beklagten eine unnötige Eskalation provoziert. Selbst Richter schütteln oftmals den Kopf. Aber grundsätzlich wäre mein Rat, dass man seinem Bauch vertrauen sollte. Da unterscheidet sich der Besuch beim Anwalt nicht vom Arztbesuch oder der Wahl des richtigen Handwerkers: Wenn man sich unsicher ist, sollte man unbedingt zu einem Spezialisten gehen. Und zwar zu einem, der sich mit dem konkreten Problem auskennt. In unserem Fall, also Urheberrecht. Das müssen aber nicht immer die sein, die am lautesten schreien. Aber auch beim eigenen Anwalt sollte man unbedingt kritisch bleiben, ob man sich mit den vorgeschlagenen Schritten wohl fühlt.

Dass Sie aber noch von keinem einzigen Beklagten gehört haben, der sein Verfahren ohne anwaltliche Hilfe gewonnen hat, würde ich nicht überbewerten. Dies liegt wohl hauptsächlich daran, dass die beteiligten Rechtsanwälte viel Geld ins eigene Marketing stecken. Selten haben Privatpersonen das Bedürfnis, Urteile zu veröffentlichen. Und natürlich kann ich auch verraten, dass unsere Erfolgsquoten vor Gericht überdurchschnittlich hoch sind.

 

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AW3P: Herr Rechtsanwalt Marc Hügel. In Deutschland gilt immer noch die Unschuldsvermutung. Sie als Kläger müssen doch alleinig beweisen, dass der Abgemahnte / Beklagte der Störer und der Täter ist. Oder?

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Rechtsanwalt Marc Hügel: Die Unschuldsvermutung „in dubio pro reo“ gilt ausschließlich im Strafrecht. Richtig ist allerdings, dass der Kläger im Zivilprozess die für seinen Anspruch maßgeblichen Tatsachen darlegen und ggf. beweisen muss.

Gerade bei anonymen Rechtsverletzungen im Internet spielen aber die prozessualen Institute der tatsächlichen Vermutung bzw. sekundären Darlegungslast eine gewichtige Rolle. Mit einfachen Worten: Unsere Mandanten können die Rechtsverletzung nur bis zur Haustüre verfolgen. Da wir nicht sehen, was dahinter – noch dazu in der Vergangenheit – passiert ist, muss sich in unseren Fällen der Beklagte an der Aufklärung des Sachverhaltes aktiv beteiligen.

 

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AW3P: Stellen die Täterschaftsvermutung sowie sekundäre Darlegungslast nicht eine Beweislastverteilung zuungunsten des Beklagten dar? Die Beweislast liegt doch bei Ihnen!

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Rechtsanwalt Marc Hügel: Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass diese Frage nicht allgemein beantwortet werden kann. Hier geht es um die Anwendung durchaus komplexer rechtlicher Grundsätze auf konkrete Einzelfälle. Allerdings ist zu sagen, dass die genannten prozessualen Institute gerade nicht zu einer Umkehr der Beweislast im rechtlichen Sinne führen. Zugleich kann sich der Anschlussinhaber auch nicht damit beschränken, seine Täterschaft schlicht zu bestreiten.

 

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AW3P: Herr Rechtsanwalt Marc Hügel. Wenn ein Betroffener mit Erhalt eines Mahnbescheides vergleichsbereit wäre, geht überhaupt noch ein außergerichtlicher Vergleich. Ist Ihre Kanzlei kompromissbereit, und wenn, schriftlich oder fernmündlich?

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Rechtsanwalt Marc Hügel: Ja, grundsätzlich ist in jedem Verfahrensstadium ein einvernehmlicher Vergleich möglich. Die Konditionen eines Vergleichs dürften jedoch mit zunehmender Verfahrensdauer und im gerichtlichen Stadium eher schlechter werden, schließlich entstehen sowohl durch den Mahnbescheid als auch durch ein weiteres gerichtliches Verfahren zusätzliche Kosten. Vor diesem Hintergrund verstehen wir noch weniger, wenn Anwälte ihre Mandanten erst in die Berufung treiben, um oftmals dann doch im Ergebnis einen Vergleich abzuschließen, der schon im Nachgang der Abmahnung möglich gewesen wäre.

 

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AW3P: Abschließend eine Frage, dessen Inhalt schon jahrelang in den Foren als Klischeedenken kursiert. Hand aufs Herz. Mit wie vielen Richtern spielen Sie persönlich Golf, oder führen Gespräche im „Porsche-Klub-München“?

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Rechtsanwalt Marc Hügel: Die Antwort ist wirklich einfach: mit keinem.

 

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AW3P: Ich bedanke mich bei Rechtsanwalt Marc Hügel von der Münchner Kanzlei Waldorf Frommer Rechtsanwälte für die Antworten.

Steffen Heintsch für AW3P

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