Waldorf Frommer Rechtsanwälte (München): Amtsgericht Bochum – Abgabe einer Unterlassungserklärung durch einen Dritten nach Abmahnung des Anschlussinhabers genügt nicht, um die tatsächliche Vermutung zu entkräften

12:13 Uhr

Gegenstand des Verfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützter Filmaufnahmen. Die Klägerin hatte die beklagte Anschlussinhaberin nach Feststellung des streitgegenständlichen Verstoßes über den Anschluss der Beklagten abgemahnt und sie in diesem Rahmen zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, zur Zahlung von Schadenersatz sowie zum Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten aufgefordert. Hierauf hatte zunächst ein Herr [Name] kommentarlos eine entsprechende Unterlassungserklärung abgegeben, wobei nicht ersichtlich gewesen ist, um wen es sich bei dieser Person handelte.

 

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Autor:
Rechtsanwalt Florian Aigner

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Im weiteren Verlauf gab dann auch die Beklagte selbst eine modifizierte Unterlassungserklärung ab. Eine Zahlung auf die geltend gemachten Forderungen erfolgte hingegen nicht, weshalb die Beklagte gerichtlich in Anspruch genommen wurde. Im Rahmen des Verfahrens trug die Beklagte dann erstmalig vor, dass es sich bei Herrn [Name] um den Ehemann der Beklagten handele und deutete zunächst dessen Täterschaft an. Insoweit führte sie aus, dass bereits aus der Abgabe der Unterlassungserklärung durch den Ehemann deutlich werde, dass jedenfalls die Beklagte selbst die Rechtsverletzung nicht begangen habe. Im weiteren Verlauf des Verfahrens berief sich die Beklagte dann aber darauf, dass auch der Ehemann die streitgegenständliche Verletzungshandlung nicht begangen habe.

» Kommt kein alternativer Geschehensablauf ernsthaft in Betracht, verbleibt die Vermutung der Täterschaft bei der Beklagten «

Nach Auffassung des Amtsgerichts Bochum hat die Beklagte mit diesem Vortrag ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt. Das Bestreiten der Tatbegehung sei nicht ausreichend, um ihre eigene Täterschaft hinreichend zu widerlegen. Zudem mangele es an jeglichem Vortrag zu der Frage, wer sonst als alternativer Täter der Rechtsverletzung ernsthaft in Betracht käme. Allein der bloße Hinweis auf die abgegebene Unterlassungserklärung durch den Ehemann als weiterer Anschlussnutzer stelle keinen konkreten Anhaltspunkt dar, der den Rückschluss auf dessen Täterschaft hinreichend zuließe.

„Die Beklagte hat ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt. Insofern trägt die Beklagte lediglich vor, sie selbst habe den Verstoß nicht begangen und ihr Ehemann im Übrigen auch nicht. Dies genügt nach Auffassung des erkennenden Gerichts nicht, um die tatsächliche Vermutung hinreichend zu erschüttern. Dafür genügt vor allem der bloße Hinweis auf die abgegebene Unterlassungserklärung ihres Ehemannes nicht. Diese lässt keinerlei Rückschluss auf die tatsächliche Täterschaft.

Durch die kommentarlose Abgabe der Unterlassungserklärung wurde für die Klägerin nicht ansatzweise ersichtlich, um wen es sich bei Herrn [Name] handelt und in welchem Zusammenhang die fragliche Person mit der Rechtsverletzung steht. Hieraus war und ist auch nicht erkennbar, ob es sich um ein Kind, den Ehemann oder einen sonstigen Familienangehörigen handelte. Dies wurde insofern erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung aufgeklärt. Es wurde insofern nicht vorgetragen, wer ernsthaft als alternativer Täter der Rechtsgutverletzung in Betracht kommt. Auch wurde nicht vorgetragen welche Nachforschungen die Beklagte nach Erhalt der Abmahnung betrieben hat und welche Erkenntnisse sie erlangt hat.

Im Übrigen hat die Beklagte auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung erstmals vorgebracht, dass auch ihr Ehemann nicht der Täter sei. Insofern verbleibt·es mangels entsprechenden Vortrags bei der Vermutung der Täterschaft der Beklagten, da kein ernsthaft in Betracht kommender alternativer Geschehensablauf vorgetragen wurde.“

Schließlich erachtete das Amtsgericht Bochum auch die Höhe des geltend gemachten Schadensersatzes in Höhe von 1.000,00 EUR als angemessen und verurteilte die Beklagte zudem zur Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten sowie der Kosten des Rechtsstreits.

 

 

AG Bochum, Urteil vom 26.01.2018, Az. 66 C 125/17

 

(…) – Beglaubigte Abschrift –

66 C 125/17

Verkündet am 26.01.2018
[Name], Justizbeschäftigte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

 

Amtsgericht Bochum

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

 

In dem Rechtsstreit

[Name],
Klägerin,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Waldorf Frommer Rechtsanwälte, Beethovenstraße 12, 80336 München,

gegen

Frau [Name], 45721 Haltern am See,
Beklagte,

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt [Name], 45772 Marl,

 

hat das Amtsgericht Bochum

auf die mündliche Verhandlung vom 26.01.2018 durch die Richterin am Amtsgericht [Name]

für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.09.2016 sowie 215,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.09.2016 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreck’enden Betrages leistet.

 

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz und Erstattung außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten wegen des unerlaubten Anbietens des Films [Name] über den Internetanschluss der Beklagten in einem Peer-to-Peer Netzwerk. Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem vorgenannten Filmwerk.

Die von der Klägerin beauftragte Firma ipoque GmbH ermittelte, dass die vorgenannte Rechtsverletzung über den Internetanschluss der Beklagten am [Datum, Uhrzeit] begangen wurde. Die Beklagte hat diesen Vorwurf unstreitig gestellt.

Mit Schreiben vom [Datum] Prozessbevollmächtigen der Klägerin wurde die Beklagte durch die über den streitgegenständlichen Vorwurf informiert und zur Abgabe einer strafbewährten Unterlassungserklärung sowie der Zahlung von Schadensersatz und Ersatz vorgerichtlicher Abmahnkosten aufgefordert.

Am [Datum] übersandte ein Herr [Name], der Ehemann der Beklagten, kommentarlos die entsprechende Unterlassungserklärung, in dem er auf dem von der Klägerin verwendeten Vordruck seine Adressdaten und seinen Namen eintrug.

Am [Datum] übersandte sodann die Beklagte eine modifizierte Unterlassungserklärung.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte als Täterin für den streitgegenständlichen Verstoß hafte, da der Verstoß von dem auf ihren Namen laufenden Internetanschluss begangen worden sei und insofern eine tatsächliche Vermutung bestünde, nach ,der der Anschlussinhaber und damit auch die Beklagte Täterin der Rechtsverletzung sei. Die Beklagte sei auch durch die Abgabe einer Unterlassungserklärung durch ihren Ehemann weiterhin passivlegitimiert, da dieser die Unterlassungserklärung ohne weiter nachvollziehbare Erklärung abgegeben habe und nicht bereits aus der Abgabe der Unterlassungserklärung zu folgern sei, dass er als alternativer Täter in Betracht komme. Dies gelte umso mehr, als dass die Beklagte sodann selbst eine weitere, wenn auch modifizierte Unterlassungserklärung abgegeben habe. Es sei insofern Sache der Beklagten, einen nachvollziehbaren, abweichenden Geschehensablauf darzulegen, um die tatsächliche Vermutung zu entkräften. Dies habe sie nicht getan.

Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 1.000,00 EUR betragen soll, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.09.2016 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 107,50 EUR als Hauptforderung nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.09.2016 zu zahlen,
3. die Beklagte zu verurteilen, an sie 107,50 EUR als Nebenforderung nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.09.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, weder sie selbst noch ihr Ehemann hätten den streitgegenständlichen Vorwurf begangen.

Wegen der weiteren. Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

 

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin kann von der Beklagten gemäß §§ 97, 97a UrhG Schadensersatz und Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten verlangen.

Unstreitig ist die Klägerin Inhaberin der Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem streitgegenständlichen Filmwerk. Dieses Filmwerk wurde ebenfalls unstreitig am [Datum] über die IP-Adresse [IP-Adresse] in einer Tauschbörse zum Download angeboten. Nach Auskunft des Providers Versatel GmbH war diese IP-Adresse zum Tatzeitpunkt dem Anschluss der Beklagten zugeordnet. Dies hat die Beklagte im Rahmen der mündlichen Verhandlung auch unstreitig gestellt.

Die Beklagte haftet als Täterin für den streitgegenständlichen Verstoß. Die Beklagte konnte die tatsächliche Vermutung, dass sie als Inhaberin des fraglichen Anschlusses auch Täterin der streitgegenständlichen Rechtsverletzung ist, nicht entkräften.

Die Beklagte hat ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt. Insofern trägt die Beklagte lediglich vor, sie selbst habe den Verstoß nicht begangen und ihr Ehemann im Übrigen auch nicht. Dies genügt nach Auffassung des erkennenden Gerichts nicht, um die tatsächliche Vermutung hinreichend zu erschüttern. Dafür genügt vor allem der bloße Hinweis auf die abgegebene Unterlassungserklärung ihres Ehemannes nicht. Diese lässt keinerlei Rückschluss auf die tatsächliche Täterschaft zu. Durch die kommentarlose Abgabe der Unterlassungserklärung wurde für die Klägerin nicht ansatzweise ersichtlich, um wen es sich bei Herrn [Name] handelt und in welchem Zusammenhang die fragliche Person mit der Rechtsverletzung steht. Hieraus war und ist auch nicht erkennbar, ob es sich um ein Kind, den Ehemann oder einen sonstigen Familienangehörigen handelte. Dies wurde insofern erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung aufgeklärt. Es wurde insofern nicht vorgetragen, wer ernsthaft als alternativer Täter der Rechtsgutverletzung in Betracht kommt. Auch wurde nicht vorgetragen, welche Nachforschungen die Beklagte nach Erhalt der Abmahnung betrieben hat und welche Erkenntnisse sie erlangt hat. Im Übrigen hat die Beklagte auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung erstmals vorgebracht, dass auch ihr Ehemann nicht der Täter sei. Insofern verbleibt es mangels entsprechenden Vortrags bei der Vermutung der Täterschaft der Beklagten, da kein ernsthaft in Betracht kommender, alternativer Geschehensablauf vorgetragen wurde.

Die Klägerin kann danach von der Beklagten den ihr entstandenen Schaden im Wege der Lizenzanalogie ersetzt verlangen. Hierfür ist der objektive Wert der angemaßten Benutzungsberechtigung zu ermitteln, der in der angemessen und üblichen Lizenz besteht. Im Rahmen der Schätzung gemäß § 287 ZPO hält das Gericht eine Lizenzgebühr in Höhe von 1.000,00 EUR für angemessen, aber auch für ausreichend.

Auch die Abmahnkosten stellen grundsätzlich einen erstattungsfähigen Schaden dar. Die von der Klägerin geltend gemachten 215,00 EUR sind gemäß §§ 97, 97a UrhG begründet. Der zugrunde gelegte Gegenstandswert von 1.600,00 EUR ist nach Auffassung des Gerichts nicht zu beanstanden, insbesondere entspricht er den gesetzlichen Vorgaben des § 97a Abs. 3 S. 2 UrhG. Dieser setzt sich zum einen aus dem gesetzlichen Regelwert von 1.000,00 EUR für das Unterlassungsbegehren und dem vorgerichtlich geltend gemachten Schadensersatzanspruch in Höhe von 600,00 EUR zusammen.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagte zahlte trotz Fristsetzung bis zum 08.09.2016 nicht.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 1.107,50 EUR festgesetzt.

 

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem

Landgericht Bochum,
Josef-Neuberger-Straße 1,
44787 Bochum,

eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Bochum zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Bochum durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

[Name]
Richterin am Amtsgericht

Beglaubigt
Urkundsbeamter/in der Geschäftsstelle
Amtsgericht Bochum (…)

 

 

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AG Bochum, Urteil vom 26.01.2018, Az. 66 C 125/17

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