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Bericht
Autor:
Rechtsanwalt Mirko Brüß
Link:
http://www.raschlegal.de/aktuelles/filesharing-lg-duesseldorf-korrigiert-sonderweg-des-ag-duesseldorf/
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Eine Abteilung des Amtsgerichts Düsseldorf (AG) hat wiederholt durch eher exotische Rechtsansichten auf sich aufmerksam gemacht, unter anderem bei der Berechnung des Schadensersatzes im Wege der sogenannten Lizenzanalogie. Damit dürfte nach einer aktuellen Entscheidung des Landgerichts (LG) Schluss sein.
Das Landgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 16.03.2016 (Az. 12 S 34/14) den Nutzer einer „Tauschbörse“ verurteilt, an das geschädigte Musiklabel 2.500,00 EUR Schadensersatz und 651,80 EUR Rechtsanwaltskosten zu zahlen. Damit hebt das Gericht das vorangegangene Urteil des AG Düsseldorf vom 14.10.2014 (Az. 57 C 4661/13) auf, welches dem Label lediglich 263,12 EUR Schadensersatz und keinerlei Anwaltskosten zusprach.
Haftung aufgrund tatsächlicher Vermutung
Amts- und Landgericht sind sich insofern einig, das der Beklagte als Täter anzusehen und somit schadensersatzpflichtig ist. Zwar hatte er vorgetragen, acht Personen hätten seinen Internetzugang nutzen können. Nach Durchführung einer Beweisaufnahme stand jedoch für das Gericht nicht fest, dass die benannten Personen überhaupt als Täter in Betracht kommen, was jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Voraussetzung für eine Entlastung ist (http://www.raschlegal.de/aktuelles/ra-clemens-rasch-veroeffentlicht-anmerkung-zu-bgh-tauschboerse-i-iii/).
Falsche Berechnung des Schadensersatzes
Das Amtsgericht kam in einer komplizierten Berechnung auf einen Betrag von 10,12 EUR pro Tonaufnahme, den es wegen der „Besonderheiten des Filesharings“ verdoppelte. Für das angebotene Album sprach es somit lediglich 263,12 EUR statt der beantragten 2.500,00 EUR zu. Zur Begründung führte das Gericht an, der „private Filesharer“ sei nicht mit einem „kommerziellen Lizenznehmer“ gleichzusetzen. Dem „privaten Filesharer“ handle lediglich aus dem Interesse, den Kaufpreis zu sparen, an der Weiterverbreitung an Dritte habe er keinerlei finanzielles Interesse. Mit dieser Einschätzung verkennt das Amtsgericht grundlegende Prinzipien der sog. Lizenzanalogie. Der Rechteinhaber soll für den erfolgten Eingriff in sein Recht entschädigt werden, die innere Motivation des Rechtsverletzers kann daher bei der Berechnung keine Rolle spielen.
Verbotene „Amtsermittlung“ durch das Amtsgericht
In Zivilprozessen haben die Gerichte über den Sachverhalt zu entscheiden, den die Parteien vortragen. Sie dürfen keine eigenen Nachforschungen anstellen und deren Ergebnisse zur Grundlage ihrer Entscheidung machen. Daran hat sich das AG Düsseldorf im vorliegenden Fall nicht gehalten, was das LG wie folgt quittierte:
(…) Die Kammer vermag sich der Schätzung durch das Amtsgericht deshalb nicht anzuschließen, weil das Amtsgericht überwiegend von nicht vorgetragenen Tatsachen (DSL6000-Anschlus, geringer Anteil des deutschsprachigen Raumes, Größe der Dateien, durchschnittlich zu erwartende tägliche Nutzung des Filesharing-Netzwerkes) ausgeht, denen die Klägerin erst im Rahmen der Berufungsbegründung entgegentreten konnte und die diese in Abrede gestellt hat. Der Annahme des Amtsgerichts, es müsse vorliegend von der durchschnittlichen täglichen Nutzungsdauer des Filesharing-Systems ausgegangen werden, die es mit drei Stunden beziffert, kann ebenfalls nicht beigetreten werden. Unabhängig davon, dass das Amtsgericht auch insoweit von nicht vorgetragenen Tatsachen ausgeht, wäre wegen der – hier aufgrund der nicht erschütterten tatsächlichen Vermutung zugrunde zu legenden – Täterschaft des Beklagten von diesem ohne weiteres zu verlangen gewesen zur Dauer der Zurverfügungstellung des Werkes konkret vorzutragen. (…)
Knapp 200,00 EUR pro Tonaufnahme angemessen
Das Landgericht stellt fest, dass dem Musiklabel 2.500,00 EUR als Schadensersatz für das Angebot des Musikalbums mit 13 Aufnahmen in einer „Tauschbörse“ zustehen. Zwar hatten Landgericht und Oberlandesgericht den Schaden zuletzt auf 100,00 EUR pro Aufnahme geschätzt, im vorliegenden Fall sei jedoch ein Betrag von rechnerisch 192,31 EUR pro Aufnahme angemessen, da das Album ca. 4 Monate nach seiner Veröffentlichung und somit in der aktuellen Verwertungsphase angeboten wurde. Daneben hatte die Klägerin festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung fast 1 Million Nutzer in der „Tauschbörse“ online waren, was ebenfalls eine Erhöhung des Betrages rechtfertige.
Keine gänzlich unbrauchbare Abmahnung
Das Amtsgericht hatte der Klägerin zudem keinerlei Anwaltskosten zugesprochen, weil es sich bei der Abmahnung um eine „gänzlich unbrauchbare Leistung“ handele. Auch dieser Auffassung erteilt das LG eine Absage:
(…) Die Abmahnung war auch wirksam. Eine Unwirksamkeit der Abmahnung ergibt sich insbesondere nicht aus dem Umfang der geforderten Unterlassung, die sich auf sämtliches geschütztes Musikrepertoire der Klägerin bezog (…)
Dies entspricht seit vielen Jahren der Rechtsprechung der Obergerichte, das Amtsgericht wollte jedoch unter dem Gesichtspunkt vermeintlichen „Verbraucherschutzes“ andere Wege gehen:
(…) Eine Filesharing-Abmahnung ist an den Empfängerhorizont einer nicht rechtlich erfahrenen verbraucherähnlich handelnden Person auszurichten. (…)
Auch dieser Ansicht hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung: „Tauschbörse II“ (Az. I ZR 7/14) eine Absage erteilt:
(…) Formulierungen in der Unterlassungserklärung können die Berechtigung einer Abmahnung i.S.v. § 677 BGB nicht infrage stellen, weil die Klägerinnen schon nicht verpflichtet waren, überhaupt eine solche Erklärung vorzuformulieren. (…)
Keine geheime Vergütungsvereinbarung
Der Beklagte hatte sich schließlich gegen die Verpflichtung zur Zahlung der Anwaltskosten mit dem Argument gewehrt, die Klägerin habe mit ihren Anwälten eine pauschale Vergütungsvereinbarung oder ein (verbotenes) Erfolgshonorar vereinbart. Das Landgericht führte hierzu eine Beweisaufnahme durch und kam zu dem Ergebnis, dass der Fall nach dem RVG (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) abgerechnet wurde und der Beklagte die hierdurch entstandenen Kosten zu tragen hat.
Ergebnis
Wieder einmal zeigt sich, dass es aus Sicht des Abgemahnten wirtschaftlich sinnvoller ist, eine gütliche außergerichtliche Lösung zu finden, als sich verklagen zu lassen. Betrug das außergerichtliche Vergleichsangebot hier ursprünglich 1.200,00 EUR, muss der Beklagte nun die ausgeurteilten 3.151,80 EUR sowie mehr als 3.000,00 EUR zusätzliche Prozesskosten zahlen.
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