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Düsseldorf / Hamburg, 04.04.2016 (eig.). Sagen die Zeugen in einem Filesharing-Prozess glaubhaft aus, sie hätten die in Streit stehende Rechtsverletzung nicht begangen, bleibt es bei der gegen den Anschlussinhaber und Beklagten streitenden Täterschaftsvermutung. Er muss wie ein Täter für die geltend gemachten Ansprüche der Rechteinhaberin einstehen. Dies hat jetzt das Amtsgericht Düsseldorf in einem gerade bekannt gewordenen Urteil entschieden (AG Düsseldorf, Urt. v. 04.04.2016, 14 C 109/15).
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Rechtsanwalt Nikolai Klute
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Bericht
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„Der ihn treffenden sekundären Darlegungslast ist der Beklagte zunächst nachgekommen, indem er vorgetragen hat, seine Ehefrau und sein Sohn hätten zum Tatzeitpunkt selbstständig Zugriff auf den Internetanschluss gehabt. (…) Allerdings hat die Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass die Ehefrau und der Sohn des Beklagten die Tat nicht begangen haben, so dass die tatsächliche Vermutung zu Lasten des Beklagten mangels ernstlich als Täter in Betracht kommender weiterer Personen weiterhin besteht.“
In der zeugenschaftlichen Vernehmung haben Ehefrau und Sohn glaubhaft bekundet, die Rechtsverletzung selbst nicht begangen zu haben. Zweifel an diesen Aussagen sah das Gericht auch nicht dadurch begründet, dass der Sohn über eine Playstation verfügte und durchaus Computerspiele spielte. Folgerichtig sah das Gericht die gegen den Beklagten streitende Täterschaftsvermutung als nicht widerlegt an und verurteilte ihn in die Anwaltskosten, auf Schadenersatz und zum Ersatz der durch die Ermittlung entstandenen anteiligen Kosten des Auskunftsverfahrens.
Amtsgericht Düsseldorf, Urteil vom 04.04.2016, Az. 14 C 109/15 (Volltext)
(…) hat das Amtsgericht Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 29.02.2016 durch die Richterin am Landgericht Dr. [Name] für Recht erkannt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 507,50 EUR nebst jährlicher Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.01.2012 zu zahlen.
2. Der Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin 6,10 EUR nebst jährlicher Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.07.2015 zu zahlen.
3. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 500,00 EUR nebst jährlicher Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.01.2012 zu zahlen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Die Klägerin trägt die Kosten der Verweisung. Von den weiteren Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 26% und der Beklagte 74%.
6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Zwangsvollstreckung durch die jeweils andere Partei durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Anbietens des Computerspiels [Name] im Internet im Wege des so genannten Filesharing in Anspruch.
Durch die [Name]ließ die Klägerin die IP-Adresse [IP-Adresse] ermitteln, unter welcher das Computerspiel am 01.10.2011 um 19:42:25 Uhr in der Tauschbörse µTorrent 3.0.0.0 zum Download angeboten wurde sowie die IP-Adresse 80.136.112.229, unter welcher das Computerspiel am 02.10.2011 im Zeitraum von 20:41:25 Uhr bis 21:57:18 Uhr in der Tauschbörse µTorrent 3.0.0.0 zum Download angeboten wurde. Nach Durchführung eines Auskunftsverfahrens wurde der Klägerin von dem Internetprovider der Beklagte als Inhaber des Anschlusses genannt, welchem die IP-Adressen in den fraglichen Zeitpunkten zugeordnet waren. Mit Schreiben vom 28.12.2011 ließ die Klägerin den Beklagten durch ihre Rechtsanwälte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zur Zahlung von Schadensersatz und Rechtsanwaltskosten im Wege einer Pauschale in Höhe von 1.500,00 EUR bis zum 09.01.2012 auffordern.
Das Computerspiel wurde durch die [Name] auf Grundlage eines Entwicklungs- und Vertriebsvertrages (Exclusive Publishing Agreement) vom 10.11.2008 mit der Klägerin entwickelt. In vorgenanntem Vertrag vereinbarten die Vertragsparteien unter Ziffer 2 b. Folgendes:
„[Name] hereby grants to [Name] for the duration of this Agreement the exclusive and unrestricted utilization and exploitation rights for the Product in the Territory including but not limited to sales as PC and home console Products in PAL, SECAM, NTSC video standards in retail, and non retail and other technically known but not yet commercially exploited On- and Offline Media.“
Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe das Computerspiel in der Tauschbörse Dritten zum Herunterladen angeboten.
Die Klägerin beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an sie einen Betrag von 859,80 EUR nebst jährlicher Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.01.2012 zu zahlen;
2. den Beklagten zu verurteilen, an sie 6,10 EUR nebst jährlicher Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
3. den Beklagten zu verurteilen, an sie einen weiteren Betrag über 500 EUR nebst jährlicher Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 10.01.2012 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte bestreitet die Tat begangen zu haben sowie die korrekte Ermittlung und Zuordnung der IP-Adressen zu seinem Anschluss. Der Internetzugang sei zudem durch seine Frau und seinen seinerzeit 12jährigen Sohn mitgenutzt worden. Diese kämen daher ernsthaft als Täter in Betracht. Auf Nachfrage hätten sie die Tatbegehung geleugnet.
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 23.11.2015 durch Vernehmung der Zeugen [Name]und[Name]. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Verhandlungsprotokoll vom 29.02.2016 (BI. 192 ff. GA) verwiesen. Das Verfahren ist zunächst auf Antrag der Klägerin vom Mahngericht an das Amtsgericht [Name] abgegeben worden, wo die Gerichtsakte am 13.07.2015 eingegangen ist. Mit Beschluss vom 14.09.2015 wurde der Rechtsstreit an das hiesige Gericht verwiesen (BJ. 30f. GA).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
1.
Die Klägerin hat einen Anspruch nach § 97 Abs. 2 UrhG auf Zahlung von 500,00 EUR gegen den Beklagten. Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass der Beklagte vorsätzlich oder fahrlässig Urheberrechte der Klägerin verletzt und ihr dadurch einen Schaden zugefügt hat. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
a)
Der Klägerin wurden unstreitig die exklusiven Nutzungsrechte an dem Computerspiel eingeräumt. Die Klägerin ist nach ihren im Wesentlichen unbestritten gebliebenen Darlegungen auch als Einzige berechtigt, Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Urheberrechte an dem Werk geltend zu machen. Auf Hinweis des Gerichts hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 06.01.2016 klargestellt, dass eine Stücklizenz nicht vereinbart wurde und daher Schadensersatzansprüche der [Name]nicht ersichtlich sind. Auch weitere Berechtigte an dem Computerspiel sind nicht ersichtlich. Soweit der Beklagte mit Schriftsatz vom 01.02.2016 ausdrücklich den Lizenzwert bestreitet ist dies unerheblich. Welches Entgelt die Klägerin für die Lizenzgewährung geleistet hat, ist nicht entscheidend. Erheblich ist lediglich, dass eine Stücklizenz nicht vorliegt. Dies hat der Beklagte indes nicht bestritten.
b)
Der Beklagte hat die Rechte der Klägerin nach § 19a UrhG durch das Anbieten des Computerspiels in der Tauschbörse µTorrent 3.0.0 verletzt.
aa)
Die Rechtsverletzung wurde vom Anschluss des Beklagten begangen. Zwar hat der Beklagte bestritten, dass die IP-Adressen korrekt ermittelt und seinem Anschluss zugeordnet wurden. Dieses Bestreiten ist jedoch nicht ausreichend. Die Klägerin hat zwei verschiedene IP-Adressen zu drei verschiedenen Zeitpunkten ermittelt und nach Durchführung eines Auskunftsverfahrens vom Internetprovider die Auskunft erhalten, dass beide IP-Adressen dem Anschluss des zuvor unbekannten Beklagten zuzuordnen seien. Seitens des Gerichts bestehen vor diesem Hintergrund im vorliegenden Fall keine Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Ermittlung der IP-Adressen und der Auskünfte des Providers. Dass es so kurz nacheinander mehrmals bzgl. zweier unterschiedlicher IP-Adressen zu Fehlern bei der Ermittlung und Zuordnung von IP-Adressen zu dem Anschluss eines zuvor unbekannten Anschlussinhabers gekommen sein könnte, liegt so fern, dass Zweifel an der Richtigkeit der Zuordnung schweigen (vgl. auch Urteil des OLG Köln MMR 2012, 549; AG München Urt. v. 17.4.2013, 161 C 17341/11 m.w.N.). Auch aus dem Sachvortrag des Beklagten ergeben sich für das Gericht keinerlei weitere Anhaltspunkte, welche, trotz der mehrfach erfolgten Ermittlung und Zuordnung geeignet sind, Zweifel an der Überzeugung des Gerichts von der ordnungsgemäßen Ermittlung und Zuordnung der streitgegenständlichen IP-Adressen zum Anschluss des Beklagten durch den Provider hervorzurufen.
bb)
Die Rechtsverletzung wurde durch den Beklagten begangen. Im Streitfall spricht eine tatsächliche Vermutung für die Täterschaft des Beklagten. Wird über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen, ist eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers nur dann nicht begründet, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen diesen Anschluss nutzen konnten und sie ernstlich als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Internetanschluss nicht hinreichend gesichert war, oder – wie hier – bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde (BGH GRUR 2014, 657 Rn. 15 – BearShare). Der ihn treffenden sekundären Darlegungslast ist der Beklagte zwar zunächst nachgekommen, indem er vorgetragen hat, seine Ehefrau und sein Sohn hätten zum Tatzeitpunkt selbstständig Zugriff auf den Internetanschluss gehabt. Sie hätten eine Täterschaft aber auf Vorhalt abgestritten. Allerdings hat die Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass die Ehefrau und der Sohn des Beklagten die Tat nicht begangen haben, so dass die tatsächliche Vermutung zu Lasten des Beklagten mangels ernstlich als Täter in Betracht kommender weiterer Personen weiterhin besteht. Die Ehefrau des Beklagten sowie sein Sohnes waren bei ihrer Vernehmung beide glaubwürdig und ihre Angaben glaubhaft. Beide zeigten keinerlei Tendenz den Beklagten zu belasten. Ein Grund dafür, ihren Ehemann bzw. Vater zu belasten ist auch nicht ersichtlich. Die Angaben der Ehefrau und des Sohnes des Beklagten waren auch im Vergleich der Aussagen schlüssig. So stellten die Zeugen beide nicht in Abrede, dass der Sohn des Beklagten Computerspiele mit der Playstation spielt. Die Zeugen gaben aber auch übereinstimmend an, dass Spiele weder über den Computer gespielt wurden, noch die Playstation mit dem Internet verbunden wurde. Weitere Personen kommen nach den Angaben des Beklagten nicht ernstlich als Täter in Betracht. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vom 29.02.2016 unstreitig gestellt, dass sein Vater, [Name], nicht als Täter in Betracht kommt (BI.192 GA). Dass seine Mitarbeiter nicht ernstlich als Täter in Betracht kommen, hat der Beklagte bereits in der mündlichen Verhandlung vom 23.11.2014 eingeräumt (BI. 121R GA). Unbekannte Dritte, die über WLAN den Anschluss genutzt haben könnten, kommen ebenfalls nicht als Täter in Betracht. Nach den wiederholten Angaben des Beklagten war das WLAN des Routers zum Tatzeitpunkt abgeschaltet.
c)
Der Beklagte handelte zumindest fahrlässig im Sinne von § 276 Abs. 1 BGB, denn er hätte wissen können und müssen, dass er eine Rechtsverletzung begeht. Dabei stellt die Rechtsprechung im Urheberrecht hohe Anforderungen an das Maß der zu beachtenden Sorgfalt (BGH WRP 2002, 214, 219 – Spiegel-CD-ROM). Mit dem Bundesgerichtshof (BGH GRUR 1960, 256, 260 – Chérie-Musikwecker; BGH GRUR 1960, 606, 608 – Eisrevue II; BGH GRUR 1974, 97, 98 – Spielautomaten) kann von der beklagten Partei verlangt werden, dass sie sich über die Nutzung der unkörperlichen Rechte, das heißt über die obligatorischen Rechte hinausgehend, gegebenenfalls durch Einholung versierten Rechtsrates die entsprechende Gewissheit verschafft. Mithin obliegt jedem Nutzer eine Prüfungs- und Erkundigungspflicht.
d)
Der Klägerin steht ein Schadensersatz in Höhe von 500,00 EUR zu. Nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie hat der Verletzer dasjenige zu zahlen, was vernünftige Parteien bei Abschluss eines Lizenzvertrages in Kenntnis der wahren Rechtslage und der Umstände des konkreten Einzelfalls als angemessene Lizenzgebühr vereinbart hätten. Diese Grundsätze kommen auch dann zur Anwendung, wenn – wie vorliegend – Lizenzverträge in der Praxis unüblich sind, das verletzte Recht aber vermögenswert genutzt werden könnte. Dabei ist in Ermangelung konkreter Umstände jedenfalls ein Mindestschaden zu schätzen. Diesen beziffert das Gericht nach § 287 ZPO vorliegend auf 500 EUR.
e)
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.
2.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten nach § 97 a Abs. 1 S. 2 UrhG a.F. lediglich in Höhe von 507,50 EUR. Der Gegenstandswert für die Abmahnung ist mit 6.500,00 EUR zu beziffern (Unterlassungsanspruch in Anlehnung an OLG Düsseldorf Beschluss vom 17.12.2015, 20 W 66/15: 6.000,00 EUR und Schadensersatzanspruch: 500,00 EUR). Damit ergeben sich bei Zugrundelegung einer 1,3 Gebühr nebst 20,00 EUR Auslagenpauschale Abmahnkosten in Höhe von 507,50 EUR netto.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.
3.
Die Klägerin hat weiterhin nach § 97 a Abs. 1 S. 2 UrhG a.F. einen Anspruch auf Erstattung der unstreitig zur Ermittlung des Anschlusses des Beklagten angefallenen Kosten in Höhe von 6,10 EUR.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 BGB.
4.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 281 Abs. 3 S. 2, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Der Streitwert wird auf 1.365,90 EUR festgesetzt. (…)
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