WALDORF FROMMER: Amtsgericht Frankfurt am Main verurteilt Anschlussinhaber in Filesharing Verfahren – Pauschaler Verweis auf Hacker verspricht keinen Erfolg!

00:18 Uhr

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Bericht

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Urteil als PDF:
http://news.waldorf-frommer.de/wp-content/uploads/2016/04/AG_Frankfurt_aM_380_C_2838_75.pdf

Autorin:
Rechtsanwältin Cornelia Raiser

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Maßgeblicher Einwand des beklagten Anschlussinhabers war, dass womöglich unbekannte Dritte seinen geschützten Internetanschluss widerrechtlich genutzt und die Rechtsverletzung begangen hätten. Ungeachtet dessen sei sowohl der beantragte Schadensersatz, als auch der angesetzte Gegenstandswert überhöht. Das Gericht folgte diesen Argumenten nicht. In seiner Urteilsbegründung führt das Gericht aus, dass Spekulationen über vermeintliche Hacker keine ernsthafte und wahrscheinliche Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs begründen.

„Soweit der Beklagte behauptet, ein unberechtigter Dritter hätte unter Umgehung der Sicherheitsvorkehrungen den Internetanschluss genutzt, handelt es sich um eine vage Vermutungen, ohne konkrete Anhaltspunkte. In einem solchen Fall fehlt es an einer tatsächlichen Grundlage für die Annahme, ein Dritter konnte die Verletzungshandlung mit – alleiniger – Tatherrschaft begangen haben (vgl. BGH, Urteil vom 11.06.2015, I ZR /5/14 Tauschbörse III).“

Gegen den angesetzten Schadensersatz in Höhe von 600,00 EUR für die illegale Verbreitung eines Filmwerkes sowie die geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 506,00 EUR hatte das Gericht keinerlei Bedenken:

„Entgegen der Ansicht des Beklagtenvertreters sind die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. […] Ein wichtiges Indiz bei der Ermittlung des Verfahrenswertes ist der so genannte Angriffsfaktor, der den drohenden Verletzungsumfang, die Qualität und Gefährlichkeit der Verletzungshandlung einschließlich Verschuldensgrad und späterem Verhalten, die Stellung des Verletzers und des Verletzten, das Wirkungspotential der Verletzung sowie die Intensität und Nachahmungsgefahr der Verletzung berücksichtigt.

Ein wichtiges Indiz für die Schätzung des Interesses bildet hierbei die Angabe des Streitwertes in der Klage- bzw. Antragsschrift, denn diese Angabe erfolgt grundsätzlich noch unbeeinflusst von Ausgang des Rechtsstreits. Hier ging die Klägerin in ihrem Abmahnschreiben […] von einem Gegenstandswert von 10.000,00 EUR aus. Es ist nicht ersichtlich oder dargetan, dass diese Angabe fehlerhaft wäre.

Das Gericht geht vielmehr davon aus, dass der angegebene Gegenstandswert dem Gefährdungspotenzial der Fortsetzung der Teilnahme an der Tauschbörse entspricht.“

Amtsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 17.02.2016, Az. 30 C 2838/15 (75)
(Volltext)

 

(…) hat das Amtsgericht Frankfurt am Main durch Richterin am Amtsgericht [Name] aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20.01 2016 für Recht erkannt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, 1 006,00 EUR zuzüglich Zinsen in Hohe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.04.2015 an die Klägerin zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

TATBESTAND

Die Klägerin begehrt Erstattung von Abmahnkosten und Schadensersatz für das angebliche widerrechtliche öffentliche Zugänglichmachen eines Films in einer Dateitauschbörse über den Internetanschluss des Beklagten. Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte des Filmwerks [Name]. Der Beklagte ist Inhaber eines privaten Internetanschlusses in Hadamar. Der Anschluss ist über ein vom Sohn des Beklagten, Herrn [Name] eingerichtetes Password geschützt, welches auch nur dem Beklagten und seinem Sohn bekannt ist.

In dezentralen Computernetzwerken, sog. Peer-to-Peer-Netzwerken bzw. Online-Tauschbörsen, werden Film- und sonstige Dateien von den jeweils Beteiligten zum Download angeboten. Jeder Nutzer des Netzwerks kann die Dateien von der Festplatte des Anbietenden ohne Entgeltzahlung herunterladen und bietet sie schon während des Herunterladens wieder anderen Nutzern zum Download an.

Zum Zweck der Verfolgung widerrechtlicher Verbreitungen von geschützten Werken beauftragte die Klägerin den Sicherheitsdienstleister ipoque GmbH mit der Überwachung bestimmter Peer-to-Peer-Netzwerke. Für folgende Daten teilte der Sicherheitsdienstleister der Klägerin jeweils eine vermeintliche Verletzung der Rechte an dem Film [Name] durch das Zurverfügungstellung der Filmdatei über folgende vom Internet Service Provider zugewiesenen IP-Adressen mit

Datum – Uhrzeit – IP-Adresse
xxxxxx    xxxxxxx    xxxxxxxxxx

Aufgrund hiernach von der Klägerin beim Landgericht Köln erwirkter Gestaltungsanordnung benannte der Internetprovider jeweils den Beklagten als Inhaber des Anschlusses, dem im jeweils fraglichen Zeitpunkt die 1P-Adressen zugeordnet waren. Unstreitig war der volljährige Sohn des Beklagten, Herr [Name] nicht der Täter der streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzungen.

Mit Rechtsanwaltsschreiben vom [Datum] ließ die Klägerin den Beklagten wegen der behaupteten Urheberrechtsverstößen abmahnen. Der Beklagte gab daraufhin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab.

Die Klägerin begehrt mit vorliegender Klage die Erstattung der Anwaltskosten für das Abmahnschreiben in Höhe von 506,00 EUR nach einem Gegenstandswert von 10.000,00 EUR sowie so genannten lizenzanalogen Schadensersatz in Höhe von mindestens 600,00 EUR.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte sei Täter der in Streit stehenden Urheberrechtsverletzungen. Zum Tatzeitpunkt habe kein Dritter selbstständigen Zugriff auf den Internetanschluss des Beklagten gehabt.

Die Klägerin beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 600,00 EUR betragen soll, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 03.04.2015 sowie
2. 506,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 03.04 2015 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bestreitet Täter der Urheberrechtsverletzung zu sein. In der Zeit vom [Uhrzeit] bis [Uhrzeit] habe er sich in einem Kurzurlaub befunden. Der Internetanschluss sei zu dieser Zeit nur noch seinem Sohn, Herr [Name] zugänglich gewesen Es bestünde der begründete Verdacht, dass unrechtmäßige Nutzer unter Umgehung der Sicherheitsvorkehrungen den Internetanschluss des Beklagten genutzt haben.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die Klage ist zulässig. Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Frankfurt ergibt sich aus § 105 Abs. 1 UrhG in Verbindung mit § 35 Nr. 2a ZuZuV.

Die Klage ist auch begründet Die Klägerin hat einen Anspruch auf Ersatz des analogen Lizenzschadens gemäß der §§ 19a, 97 Abs. 2 UrhG in Höhe von 600,00 EUR Nach der Rechtsprechung des BGH spricht eine tatsächliche Vermutung für die Täterschaft des Inhabers des Internetanschlusses, wenn über seinen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen wurde und nicht die ernsthafte Möglichkeit bestand, dass Dritte den Internetanschluss genutzt haben (BGH GRUR 2014, 657 BearShare). So liegen die Voraussetzungen hier Zwar hat der Beklagte behauptet, sein Sohn habe zur Tatzeit selbstständigen Zugriff auf den Internetanschluss gehabt, doch fehlt es an der ernsthaften Möglichkeit, dass Dritte den Internetanschluss genutzt haben Unstreitig ist der Sohn des Beklagten nicht der Täter der streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzung. Ebenfalls unstreitig war der Internetanschluss durch ein vom Sohn des Beklagten eingerichtetes Password geschützt, das auch ausschließlich dem Beklagten und seinem Sohn bekannt war. Demnach besteht hier gerade nicht die ernsthafte Möglichkeit, dass Dritte den Internetanschluss genutzt haben, so dass ausschließlich der Beklagte als Täter der Urheberrechtsverletzung in Betracht kommt Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beklagte behauptet, sich zum relevanten Tatzeitraum in einem Kurzurlaub befunden zu haben. Wie der BGH mit Urteil vom 11.06 2015, I ZR 19/14 (Tauschbörse I) ausgeführt hat, ist die persönliche Anwesenheit des Täters zur Tatzeit nicht erforderlich. Die zuvor heruntergeladenen Dateien können über den eingeschalteten und mit dem Internet verbundenen Rechner auch während der Abwesenheit des Täters für ein Download zur Verfügung stehen.

Soweit der Beklagte behauptet, ein unberechtigter Dritter hatte unter Umgehung der Sicherheitsvorkehrungen den Internetanschluss genutzt, handelt es sich um eine vage Vermutungen, ohne konkrete Anhaltspunkte. In einem solchen Fall fehlt es an einer tatsächlichen Grundlage für die Annahme, ein Dritter könnte die Verletzungshandlung mit – alleiniger- Tatherrschaft begangen haben (vgl. BGH, Urteil vom 11.06 2015, I ZR /5/14 Tauschbörse III).

Fehlt es wie hier an branchenüblichen Vergütungssätzen und Tarifen, ist die Höhe der als Schadensersatz zu zahlenden Lizenzgebühr gemäß § 287 ZPO vom Tatrichter unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach seiner freien Überzeugung zu bemessen. Im Rahmen der Schadensschätzung hat das Gericht die verkehrsüblichen Entgeltsätze für legale Downloads an gewerblichen Portalen (Video an Demand) im Internet, welche sich unwidersprochen auf mindestens 5,87 EUR belaufen, zu Grunde gelegt. Ungeachtet einer eventuellen Erhöhung dieser Lizenzgebühr im Hinblick auf die tauschbörsenspezifischen Risiken, errechnet sich bereits bei nur 103 Abrufen der klägerseits begehrte Schadensersatz in Höhe von 600,00 EUR. Diese Summe erachtet das Gericht als angemessen, aber auch ausreichend.

Darüber hinaus hat die Klägerin nach den Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683 S 1, 670 BGB) einen Anspruch auf Ersatz der ihr vorgerichtlich entstandenen Abmahnkosten. Die Neuregelung des § 97 a Abs. 3 UrhG ist vorliegend nicht einschlagig, da sie erst mit Wirkung zum 09 10 2013 greift.

Die ausgesprochene Abmahnung war wie oben ausgeführt berechtigt und der Klägerin stand im Zeitpunkt der Abmahnung ein Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten zu. Ferner entsprach die Geschäftsführung auch dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Beklagten Denn die Abmahnung erfolgte zwecks Vermeidung eines für den Beklagten Kosten verursachenden Rechtsstreits.

Entgegen der Ansicht des Beklagtenvertreters sind die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Bei der Bemessung der Rechtsanwaltsvergütung ist von den im RVG vorgesehenen Bestimmungen auszugehen. Die Geschäftsgebühr nach Nr 2300 RVG – VV liegt regelmäßig bei 1,3. Dem Umstand, dass es sich bei Abmahnschreiben um ein standardisiertes Massengeschäft handelt, hat die Klägerin ausreichend Rechnung getragen, indem sie lediglich eine 1,0 fache Gebühr beansprucht.

Letztendlich ist auch der Höhe des Gegenstandswertes nicht zu beanstanden Gemäß § 3 ZPO ist der Streitwert nach freiem Ermessen im Wege der Schätzung zu bestimmen Maßgeblich für die Schätzung ist bei einem Unterlassungsanspruch das Interesse des Klägers an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verletzungen Dies ist aus einer ex ante Sicht zu beurteilen (Jan Bernd Nordemann in Fromm / Nordemann, UrhG, 10. Aufl. 2008, § 97 Rdnr. 223) Ein wichtiges Indiz bei der Ermittlung des Verfahrenswertes ist der so genannte Angriffsfaktor, der den drohenden Verletzungsumfang, die Qualität und Gefährlichkeit der Verletzungshandlung einschließlich Verschuldensgrad und späterem Verhalten, die Stellung des Verletzers und des Verletzten, das Wirkungspotenzial der Verletzung sowie die Intensität und Nachahmungsgefahr der Verletzung berücksichtigt. Ein wichtiges Indiz für die Schätzung des Interesses bildet hierbei die Angabe des Streitwertes in der Klage- bzw. Antragsschrift, denn diese Angabe erfolgt grundsätzlich noch unbeeinflusst von Ausgang des Rechtsstreits. Hier ging die Klägerin in ihrem Abmahnschreiben vom [Datum] von einem Gegenstandswert von 10.000,00 EUR aus. Es ist nicht ersichtlich oder dargetan, dass diese Angabe fehlerhaft wäre. Das Gericht geht vielmehr davon aus, dass der angegebene Gegenstandswert dem Gefährdungspotenzial der Fortsetzung der Teilnahme an der Tauschbörse entspricht.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 280 Abs 1 und 2, 286 Abs 2 Nr. 1, 288 BGB Der Beklagte wurde mit Schreiben vom 03.03 215 gemahnt

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in den §§ 709 ZPO. (…)

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AG Frankfurt am Main, Urteil vom 17.02.2016, Az. 30 C 2838/15 (75)

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