16:26 Uhr
Das Amtsgericht Köln musste sich unlängst mit einer Klage der G&G Media Foto-Film GmbH wegen vermeintlicher Urheberrechtsverletzung durch Filesharing auseinandersetzen. Dem Beklagten wurde vorgeworfen, die Pornofilme „Junge Mädchen – das erste Mal Anal“, „Hemmungslose deutsche Hausfrauen“ und „Versaute Jungmösen brauchen das Geld“ unerlaubt in einem Peer-to-Peer-Netzwerk zum kostenlosen Download angeboten zu haben. Hemmungslos hatte Rechtsanwalt Yussof Sarwari aus Hamburg Klage eingereicht – für den Beklagten war es das erste Mal.
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Rechtsanwalt Andreas Schwartmann
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Bericht
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Mit der Klage wurde Schadensersatz in Höhe von 1.200,00 EUR geltend gemacht, außerdem sollte der Beklagte außergerichtliche Anwaltskosten von 281,30 EUR zahlen. Der Beklagte war allerdings nicht versaut, sondern brauchte das Geld. Also verteidigte er sich gegen die Klage und bestritt die Rechtsverletzungen.
Das Gericht wies die Klage als unbegründet ab und stützte sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Amtsgericht Köln:
(…) Die zulässige Klage ist unbegründet, denn jedenfalls gelingt der darlegungs- und beweisbelasteten (dazu unten) Klägerin der Nachweis einer Urheberverletzung des Beklagten nicht, so dass ein Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz nach Lizenzanalogie (§ 97 Abs. 2 S. 3 UrhG) nicht besteht. Das Gericht geht nicht davon aus. dass der Beklagte den streitgegenständlichen Film am 25.05.2015 in einem Peer-to-Peer-Netzwerk im Wege des Filesharing anderen Nutzern dieses Netzwerkes zum Herunterladen angeboten hat, so dass offen bleiben kann, ob die Klägerin tatsächlich Rechteinhaber ist, bzw. ob der Beklagte der sekundären Darlegungslast genüge getan hat. Im Einzelnen gilt Nachfolgendes:
Der BGH führt zuletzt im Urteil vom 11.06.2015 (Az. I ZR 75/14 „Tauschbörse III“) aus:
„Die Klägerinnen tragen nach den allgemeinen Grundsätzen als Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs erfüllt sind. Danach ist es grundsätzlich ihre Sache, darzulegen und nachzuweisen, dass der Beklagte für die von ihnen behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich ist (BGH. Urteil vom 15. November 2012 – I ZR 74/12, GRUR 2013, 511 Rn. 32 = WRP 2013. 799 „Morpheus“: Urteil vom 8. Januar 2014 – I ZR 169/12, BGHZ 200, 76 Rn. 14 „BearShare“). Allerdings spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen Internetanschluss benutzen konnten. Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. In diesen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses jedoch eine sekundäre Darlegungslast. Diese führt zwar weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers. dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt. ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen verpflichtet Entspricht der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache der Klägerinnen als Anspruchsteller, die für eine Haftung des Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen (BGHZ 200, 76 Rn. 15 ff. – „BearShare“, mwN) (BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 75/14 -, Rn. 37, juris).“
Der Inhaber eines Internetanschlusses, über den eine Rechtsverletzung begangen wird, genügt seiner sekundären Darlegungslast im Hinblick darauf, ob andere Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten. nicht dadurch. dass er lediglich pauschal die theoretische Möglichkeit des Zugriffs von in seinem Haushalt lebenden Dritten auf seinen Internetanschluss behauptet (Fortführung von BGH. Urteil vom 8. Januar 2014, I ZR 169/12, BGHZ, 200, 76 – „BearShare“) (BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 75/14, Leitsatz. juris).
Dies setzt indes voraus, dass feststeht, dass die Urheberverletzung vom Anschluss des Beklagten aus begangen wurde. Ermittelt wurde vorliegend jedoch jeweils nur ein einziger angeblicher Verletzungszeitpunkt Hierbei können Fehler der Ermittlung oder Zuordnung, die eine Vielzahl von Ursachen haben können, anders als bei Ermittlung einer Vielzahl von Rechtsverletzungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten, niemals völlig ausgeschlossen werden. Diese Unsicherheit geht zu Lasten der Klägerin.
Das AG Köln hat in seinem Urteil vom 22. April 2013 (Az. 125 C 602/09 Rn. 25, juris) folgendes festgestellt:
„Liegt – wie hier – bloß ein einziges Ermittlungsergebnis vor, so kommt ein Ermittlungsfehler von vom herein ernsthaft in Betracht: Hiermit befasste Stellen, beispielsweise die Staatsanwaltschaft Köln, wissen von einer hohen Quote nicht zuverlässig ermittelter bzw. zugeordneter IP-Adressen, die teilweise zweistellige Prozentsätze erreichen und in einzelnen Sektionen über 50 % ausmachten. Das Gericht kann nicht aus eigener Sachkunde entscheiden, wann und unter welchen Voraussetzungen solche hohen Fehlermittlungszahlen vorliegen können; es ist daher auf sachverständige Hilfe insoweit angewiesen. Das Gericht hält es insoweit – im Gegensatz zu dem Kläger – ersichtlich nicht für ausreichend, wenn der Sachverständige im Wege eines Kurzgutachtens die generelle Tauglichkeit der Vorgehensweise der Firma F. bejaht. Denn nach aller Lebenserfahrung führen auch generell taugliche Arbeits- und Vorgehensweisen im Einzelfall zu Fehlern, weil solche während der verschiedenen Arbeitsschritte unterlaufen können und erfahrungsgemäß hin und wieder tatsächlich auch unterlaufen.“
Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich das Gericht an.
Die angebotene Vernehmung der Zeugen ist nicht geeignet, die Zuverlässigkeit der Ermittlungen der Rechtsverletzungen durch die Software „FileGuard“ festzustellen, da sich dies nicht auf Grundlage der Wahrnehmung von Zeugen beurteilen lässt. Auch die Beauftragung eines Sachverständigen ist vorliegend nicht geboten, da es bereits an den erforderlichen Anknüpfungstatsachen fehlt, eine nachträgliche Untersuchung der eingesetzten Software durch das Gericht mit ungewissem Ausgang. ist nicht zum Nachweis im maßgebenden Zeitpunkt geeignet. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass es nicht Aufgabe des Sachverständigen und mit den Beibringungsgrundsatz durch die Parteien unvereinbar ist, dass sich ein Sachverständiger durch ein „Nachstellen“ oder eine Rekonstruktion durch (nochmaliges) Anbieten der streitgegenständlichen Filmwerks in einer Tauschbörse diese Anknüpfungstatsachen selbst beschaffen soll. Gleiches gilt für den vorgelegten Hashwert, der regelmäßig lediglich einer so genannten Torrent-Datei zugeordnet ist und den Internetstandort eines Zieldownloads angibt.
Das seitens der Klägerin vorgelegte Privatgutachten ist ebenfalls zum Beweis, dass die Rechtsverletzung über den Anschluss des Beklagten begangen wurde, nicht geeignet. Zum einen stammt es aus dem Jahre 2013. Der Beklagte soll die Rechtsverletzung jedoch im Jahr 2015 begangen haben. Zum anderen kommt es auch nicht auf die grundsätzliche Zuverlässigkeit und Geeignetheit der Software an, sondern auf die im konkreten Fall zuverlässig und fehlerfrei abgelaufene Ermittlung. Bei der Ermittlung eines einzigen Verletzungszeitpunkts können Fehler aber auch bei einer grundsätzlich zuverlässigen Software nicht ohne weiteres mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden.
Eine Haftung als Störer kommt ebenfalls nicht in Betracht. da eine Rechtsverletzung über den Internetanschluss des Beklagten aufgrund der nicht feststehenden Zuverlässigkeit des Ermittlungsvorgangs, nicht bewiesen ist. ist es bereits unerheblich, ob der Internetzugang des Beklagten im angeblichen Verletzungszeitpunkt ordnungsgemäß gesichert gewesen ist. (…)
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AG Köln, Urteil vom 02.05.2016, Az. 137 C 450/15
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