18:30 Uhr
Gegenstand des Gerichtsverfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützter Filmaufnahmen. Der vor dem Amtsgericht Landshut verklagte Anschlussinhaber erachtete die Rechtsverfolgung durch die Klägerin für unberechtigt, da er die vorgeworfene Rechtsverletzung nicht begangen habe und sich diese auch sonst nicht erklären könne. Die Ehefrau sowie die nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Tochter hätten die Rechtsverletzung ebenfalls nicht begangen.
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Bericht
Urteil als PDF:
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Autor:
Rechtsanwalt Thorsten Nagl, LL.M.
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Im Termin zur mündlichen Verhandlung führte der Beklagte dann erstmals aus, dass es zweifelhaft sei, „ob die angegebenen IP-Adressen mit dem Download zu vereinbaren“ seien.
Das Gericht erachtete diesen Einwand jedoch als verspätet, da er nicht innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist schriftsätzlich vorgetragen wurde. Infolgedessen legte das Gericht seiner Entscheidung zutreffend zugrunde, dass die Rechtsverletzung tatsächlich über den Internetanschluss des Beklagten erfolgte.
Daher greife die „tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Beklagten“ ein. „Umstände, die diese Vermutung erschüttern könnten“ seien von dem Beklagten hingegen „nicht nachgewiesen“ worden, weshalb von dessen eigener Verantwortlichkeit auszugehen sei.
Das Amtsgericht ging weiter davon aus, dass die Klägerin ihren Schadensersatz „zulässigerweise im Wege der Lizenzanalogie“ berechnen kann und verurteilte daher den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von Schadenersatz, zum Ersatz der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten sowie zur Übernahme der gesamten Kosten des Rechtsstreits.
AG Landshut, Urteil vom 17.03.2017, Az. 1 C 2094/16
(…) Beglaubigte Abschrift
Amtsgericht Landshut
Az. 1 C 2094/16IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
[Name],
– Klägerin –Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Waldorf Frommer, Beethovenstr. 12, 80336 München,
gegen
[Name],
– Beklagter –wegen Urheberrecht
erlässt das Amtsgericht Landshut durch den Richter am Amtsgericht [Name] am 17.03.2017 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15.02.2017 folgendes
Endurteil
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.106,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.02.2016 zu bezahlen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.106,00 EUR festgesetzt.Tatbestand
Die Klägerin, Inhaberin ausschließlicher Online-Verwertungsrechte am Filmwerk [Name] macht gegen den Beklagten als Inhaber eines Internetanschlusses, dem am [Datum] zwischen [Uhrzeit] Uhr und [Uhrzeit] Uhr die IP-Adresse [IP] zugeordnet war, Ansprüche wegen Urheberrechtsverletzung geltend.
Die Klägerin behauptet, zu den genannten Zeitpunkten habe der Beklagte über seinen Anschluss unter der Nutzung eines Tauschbörsenprogramms, ohne hierzu befugt gewesen zu sein, anderen Teilnehmern der Tauschbörse das Filmwerk öffentlich zugänglich gemacht und damit Urheberrechte der Klägerin verletzt. Nach – ergebnisloser – anwaltlicher Abmahnung vom [Datum] nimmt die Klägerin den Beklagten nunmehr im Klagewege auf Ersatz des durch die Rechtsverletzung entstandenen im Wege der Lizenzanalogie berechneten Schadens in Höhe von jedenfalls 600,00 EUR und auf Erstattung der für die Abmahnung entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 506,00 EUR in Anspruch. Der Beklagte habe die für ihn als Anschlussinhaber bestehende tatsächliche Vermutung nicht widerlegt.
Die Klägerin beantragt:
1. Die Beklagtenseite wird verurteilt, an die Klägerseite einen angemessenen Schadenersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 600,00 EUR betragen soll, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 12.02.2016 sowie
2.506,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
hieraus seit dem 12.02.2016 zu zahlen.Der Beklagte beantragt:
Klageabweisung.Er behauptet, in seiner ganzen Familie habe keiner eine entsprechende Rechtsverletzung begangen. Ihm selbst fehlten bereits die technischen Kenntnisse. Er sei froh, wenn er seine E-Mails abrufen könne. Ein Tauschbörsenprogramm sei nie auf dem Computer gewesen, insoweit könne die Staatsanwaltschaft den Computer untersuchen. Ein Film wie [Name] interessiere ihn in keiner Weise. Er habe noch eine Tochter etwa 600 km bei Koblenz im Alter von 39 Jahren. Er wohne alleine mit seiner Frau. Im Jahre [Jahreszahl] sei er die ganze Woche unterwegs gewesen. Es sei bereits zweifelhaft, ob die angegebenen IP – Adressen mit dem Download zu vereinbaren sei.
Wegen des übrigen Parteivorbringens wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 15.02.2017.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Beklagte haftet der Klägerin gemäß § 97 UrhG auf Ersatz des durch Urheberrechtsverletzung entstandenen Schadens.
Dabei ist dem Urteil zunächst zugrunde zu legen, dass vom Internetanschluss des Beklagten aus tatsächlich der Film [Name] oder Teile davon anderen Teilnehmern der Tauschbörse zum Download angeboten wurden. Soweit der Beklagte erstmals in mündlicher Verhandlung vom 15.02.2017 vorträgt, es sei bereits zweifelhaft, ob die angegebenen IP-Adressen mit dem Download zu vereinbaren seien, war dieser Vortrag gemäß § 296 Abs. 1 ZPO nicht mehr zu berücksichtigen.
In Zusammenschau mit dem durch den Beklagten erhobenen Vorwurf des „Reinlegens“ und einer „Abzocke“ sowie der nunmehr bei der Staatsanwaltschaft eingereichten Anzeige gegen die Klägervertreter ist die so formulierte Einwendung des Beklagten dahingehend auszulegen, dass klägerseits bewusst falsche Ermittlungsergebnisse produziert würden, also fälschlicherweise Urheberrechtsverletzungen behauptet würden, die im konkreten Falle die seinem Internetanschluss zugewiesenen IP-Adressen zugeordnet würden. Der Vortrag war gemäß § 296 Abs. 1 ZPO verspätet, weil nicht innerhalb der dem Beklagten bis 11.01.2017 gesetzten Klageerwiderungsfrist angebracht. Eine Zulassung des Vorbringens könnte nach dieser Vorschrift dann nur erfolgen, wenn nach freier Überzeugung des Gerichts die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde. Eine Verzögerung würde hier allerdings eintreten, denn bei Zulassung der Einwendung müsste zur Frage der korrekten Ermittlung des Urheberrechtsverstoßes über die IP-Adresse des Beklagten der klägerseits angebotene Zeuge Dr. Stummer vernommen werden, was nur in einem den Prozess verlängernden neuen Termin möglich wäre. Hätte der Beklagte die Einwendung bereits innerhalb der Klageerwiderungsfrist vorgebracht, wäre der Zeuge durch das Gericht bereits zum Termin am 15.02.2017 geladen worden. Die Zulassung des verspäteten Vorbringens des Beklagten würde also zu einer Prozessverlängerung führen. Anhaltspunkte dafür, dass das Erheben der Einwendung nicht bereits innerhalb der Klageerwiderungsfrist nicht fahrlässig vorgenommen wurde, liegen nicht vor.
Dem Urteil war nunmehr zugrunde zu legen, dass der Beklagte täterschaftlich für die über seinen Anschluss begangene Urheberrechtsverletzung verantwortlich war. Nach mittlerweile gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung (etwa BGH Urteil vom 12.05.2016, I ZR 48/15) spricht eine tatsächliche Vermutung für eine täterschaftliche Verantwortung des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen Internetanschluss benutzen konnten, also der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. Zu diesen Umständen trifft den Anschlussinhaber jedoch die sogenannte sekundäre Darlegungslast. Der Beklagte hat gerade nicht dargelegt, dass der Internetanschluss am [Datum] nicht hinreichend gesichert war, oder dass dritte Personen gerade zum Verletzungszeitpunkt als selbstständige Täter der Verletzungshandlung in Betracht kommen. So hat der Beklagte insbesondere ausgeschlossen, dass seine Ehefrau die Handlung begangen hat.
Damit greift die tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Beklagten ein. Umstände, die diese Vermutung erschüttern könnten, hat der Beklagte nicht nachgewiesen.
Der Beklagte schuldet somit gemäß § 97 UrhG Schadenersatz, der gemäß § 97 Abs. 1, Abs. 3 UrhG durch die Klägerin zulässigerweise im Wege der Lizenzanalogie berechnet werden konnte, und in der Höhe durch den Beklagten nicht bestritten wurde.
Die Klägerin hat weiter gemäß § 97 a UrhG in der bis 08.10.2013 geltenden Fassung Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Abmahnung vom [Datum]. Die Höhe der Kosten von 506,00 EUR ist nicht bestritten.
Wegen Zahlungsverzugs schuldet der Beklagte gemäß §§ 286, 288 BGB auch Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600,00 EUR übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem
Landgericht München I
Prielmayerstraße 7
80335 Müncheneinzulegen.
Die Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung der Entscheidung.
Die Berufung muss mit Schriftsatz durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt eingelegt werden. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Berufung eingelegt werde.
Die Berufung muss binnen zwei Monaten mit Anwaltsschriftsatz begründet werden. Auch diese Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung.
Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 EUR übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.
Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem
Amtsgericht Landshut
Maximilianstr. 22
84028 Landshuteinzulegen.
Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.
Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.
gez. [Name]
Richter am AmtsgerichtVerkündet am 17.03.2017
[Name], JHS’in
Urkundsbeamtin der GeschäftsstelleFür die Richtigkeit der Abschrift
Landshut, 17.03.2017
[Name], JSekrAnw’in
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Durch maschinelle Bearbeitung beglaubigt
– ohne Unterschrift gültig (…)
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AG Landshut, Urteil vom 17.03.2017, Az. 1 C 2094/16
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