Waldorf Frommer Rechtsanwälte (München): Landgericht Berlin – Beklagter Anschlussinhaber nimmt nach Hinweisen des Gerichts Berufung in Filesharingverfahren zurück

10:15 Uhr

Gegenstand des Verfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützter Musikaufnahmen. Der verklagte Anschlussinhaber hatte im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen, das streitgegenständliche Werk nicht zu kennen und für die Rechtsverletzung nicht verantwortlich zu sein. Seine Wohnung habe er gemeinsam mit zwei Arbeitskollegen bewohnt, denen er den Internetanschluss zur legalen Nutzung zur Verfügung gestellt habe. Nach Erhalt der Abmahnung habe er beide Mitbewohner zu deren Täterschaft befragt, woraufhin er lediglich „ausgelacht“ worden sei. Einer der beiden Mitbewohner müsse jedoch für die Rechtsverletzung verantwortlich gewesen sein.

 

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Bericht

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Hinweis Gericht als PDF:
http://news.waldorf-frommer.de/wp-content/uploads/2017/05/LG_Berlin_16_S_6_17.pdf

Autor:
Rechtsanwalt Jung-Hun Kim
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Nach Auffassung des Amtsgerichts konnte der Beklagte mit diesem Vortrag seiner sekundären Darlegungslast nicht gerecht werden. Die bloße Behauptung, einer der zwei Mitbewohner müsse die Rechtsverletzung begangen habe, reiche allein genommen nicht aus.

Das Amtsgericht verurteilte daher den Beklagten vollumfänglich zum Ersatz des Lizenzschadens in Höhe von 1.000,00 EUR und der Rechtsanwaltskosten in Höhe von 578,00 EUR sowie zur Übernahme der gesamten Kosten des Rechtsstreits.

Der Beklagte legte gegen das Urteil des Amtsgerichts Berufung ein. Zur Begründung führte er an, das Amtsgericht habe die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze zur sekundären Darlegungslast falsch angewendet.

Dieser Ansicht erteilte das Landgericht Berlin eine klare Absage.

Nach Auffassung des Landgerichts habe das Amtsgericht zu Recht angenommen, dass der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast nicht gerecht geworden sei. Insbesondere sei der Beklagte seinen Nachforschungspflichten nicht in ausreichendem Maße nachgekommen, da er sich mit den unbefriedigenden Antworten der Mitbewohner nicht hätte zufrieden geben dürfen. Vielmehr hätte er auch unter Anwendung von Druckmitteln versuchen müssen, die Ursache der Rechtsverletzung aufzuklären.

„Der Beklagte hätte sich mit der ihm erteilen Abfuhr auch nicht begnügen dürfen. Es hätte ihm vielmehr oblegen, auf einer befriedigenden Antwort zu bestehen, wobei er auch auf naheliegende Druckmittel wie die Sperrung des Internetzugangs hätte zurückgreifen müssen. Auch hätte er explizit nach der Nutzung von Tauschbörsensoftware fragen und sich danach erkundigen müssen, wie und in welcher Form sie das Internet über seinen Zugang nutzen.“

Darüber hinaus habe das Amtsgericht vom Beklagten im Rahmen der Darlegungslast ebenfalls in zutreffender Weise näheren Vortrag zum eigenen Nutzungsverhalten gefordert. Das pauschale Bestreiten der eigenen Täterschaft sei insoweit unzureichend.

„Das Amtsgericht hat darüber hinaus zu Recht auch eine Darlegung des Beklagten zu seinem eigenen Nutzungsverhalten verlangt. Dazu gehört auch die Angabe, ob er auf seinem eigenen Rechner Tauschbörsensoftware geladen hatte. Dem Beklagten ist zwar darin zuzustimmen, dass solche Angaben nur von begrenzter Aussagekraft ist, weil die Mitbewohner seinen Internetzugang jederzeit mit mobilen Endgeräten nutzen konnten, so dass es unter diesem Aspekt unerheblich sein mag, ob sich auf seinem Computer entsprechende Software befand oder nicht. Der Umstand gewinnt aber Bedeutung für die Einschätzung, inwieweit der Beklagte selbst als Täter in Betracht kommt. Auch diesbezüglich obliegt ihm eine substantiierte Darlegungslast, die diese Frage umfasst.“

Das Landgericht beabsichtigte daher, die Berufung des Beklagten durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen. Der Beklagte nahm daraufhin die Berufung zurück und hat nunmehr auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

 

Hinweis LG Berlin vom 09.03.2017 (Az. 16 S 6/17)

 

(…) Landgericht Berlin

(…)

16 S 6/17

(…)

Sehr geehrte Damen und Herren,

in der Sache

[Name] ./. [Name]

Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass die Kammer beabsichtigt, die Berufung des Beklagten gegen das am 06. Dezember 2016 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg – 225 C 199/16 – durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

Die Klägerin erhält Gelegenheit, hierzu innerhalb von drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses schriftsätzlich Stellung zu nehmen.

Gründe

Die Berufung hat nach Überzeugung der Kammer keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts. Die Kammer beabsichtigt daher, das Rechtsmittel nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, und gewährt hiermit zuvor rechtliches Gehör, § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO.

Das Amtsgericht hat der Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung statt gegeben. Dabei kann zugunsten des Beklagten unterstellt werden, dass er die Wohnung [Adresse] in Berlin am [Datum] gemeinsam mit seinen Arbeitskollegen [Name] und [Name] bewohnte und ihnen das Passwort für den Internetzugang zur Verfügung stellte.

Nach der Rechtsprechung des BGH spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen Internetanschluss nutzen konnten. Eine solche Vermutung besteht nicht, wenn der Anschlussinhaber den Internetanschluss bewusst anderen Personen zur Nutzung überließ. In solchen Fällen trifft ihn jedoch eine sekundäre Darlegungslast. Dieser genügt er dadurch, dass er vorträgt, ob und ggfs. welche anderen Personen selbstständig Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen und zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände der eventuellen Rechtsverletzung gewonnen hat (BGH GRUR 2016, 1280 Tz. 32, 33 – Everytime we touch -).

Unter Anlegung dieser Maßstäbe hat das Amtsgericht zu Recht angenommen, dass der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast nicht in ausreichendem Maß nachgekommen ist. Zwar hat der Beklagte offenbart, welchen anderen Personen, nämlich Herrn [Name] und [Name] er selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss gewährte. Er hat aber nicht im Rahmen des Zumutbaren Nachforschungen angestellt. Seine Angabe, er sei auf seine Frage hin „gewissermaßen ausgelacht worden“, beinhaltet bereits für sich genommen eine subjektive Wertung und lässt nicht erkennen, was seine Kollegen genau geantwortet haben. Zwar ist es weder erforderlich, noch zumutbar, die Antwort wörtlich wiederzugeben. Die Schilderung muss aber erkennen lassen, welche Äußerungen die Kollegen tatsächlich tätigten, ohne dies mit den eigenen subjektiven Eindrücken über das, was gemeint gewesen sein könnte, zu vermischen. Hinzu kommt, dass selbst die subjektiv gefärbte Angabe, er sei gewissermaßen ausgelacht worden, mehrere Deutungen zulässt und keineswegs als indirektes Schuldeingeständnis zu werten ist. So können die Kollegen die Frage aus ihrer Sicht auch als so abwegig empfunden haben, dass sie ihn deshalb auslachten. Welcher der Kollegen auf den Austausch seines Smartphones verwies, bleibt ebenfalls offen.

Der Beklagte hätte sich mit der ihm erteilten Abfuhr auch nicht begnügen dürfen. Es hätte ihm vielmehr oblegen, auf einer befriedigenden Antwort zu bestehen, wobei er auch auf naheliegende Druckmittel wie die Sperrung des Internetzugangs hätte zurückgreifen müssen. Auch hätte er explizit nach der Nutzung von Tauschbörsensoftware fragen und sich danach erkundigen müssen, wie und in welcher Form sie das Internet über seinen Zugang nutzen.

Das Amtsgericht hat darüber hinaus zu Recht auch eine Darlegung des Beklagten zu seinem eigenen Nutzungsverhalten verlangt. Dazu gehört auch die Angabe, ob er auf seinem eigenen Rechner Tauschbörsensoftware geladen hatte. Dem Beklagten ist zwar darin zuzustimmen, dass eine solche Angabe nur von begrenzter Aussagekraft ist, weil die Mitbewohner seinen Internetzugang jederzeit mit mobilen Endgeräten nutzen konnten, so dass es unter diesem Aspekt unerheblich sein mag, ob sich auf seinem Computer entsprechende Software befand oder nicht. Der Umstand gewinnt aber Bedeutung für die Einschätzung, inwieweit der Beklagte selbst als Täter in Betracht kommt. Auch diesbezüglich obliegt ihm eine substantiierte Darlegungslast, die diese Frage mit umfasst.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Beurteilung der Kammer auf der höchstrichterlichen Rechtsprechung beruht und nicht davon abweicht. In diesem Rahmen handelt es sich um die Entscheidung eines Einzelfalls.

Der vom Beklagten erwähnte Rechtsstreit, über den der BGH am 30. März 2017 verhandeln wird, ist nicht vorgreiflich, weil es dort um innerfamiliäre Beziehungen geht.

Der Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen.

[Name]

[Name]

[Name]

Beglaubigt
[Name], Justizbeschäftigte (…)

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Hinweis LG Berlin vom 09.03.2017 (Az. 16 S 6/17)

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