Waldorf Frommer Rechtsanwälte (München): Das Amtsgericht München verurteilt Anschlussinhaberin wegen unzureichender Nachforschungen in Tauschbörsenverfahren (Untervermietung)

00:12 Uhr

 

Gegenstand des Verfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützter Musikaufnahmen. In dem genannten Verfahren wandte die verklagte Anschlussinhaberin ein, sie verfüge nicht über die technischen Fähigkeiten zur Nutzung einer Tauschbörse und habe sich zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung auch nicht zu Hause aufgehalten. Ihr Laptop, mit welchem sie ihren Internetanschluss genutzt habe, sei zudem ausgeschaltet gewesen.

 

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WALDORF FROMMER Rechtsanwälte

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Bericht

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Autorin:
Rechtsanwältin Sandrine Schwertler

 

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Als Täter käme daher lediglich die damalige Untermieterin oder deren Lebensgefährte in Betracht, die zur Verletzungszeit vermutlich in der Wohnung anwesend gewesen seien. Da die Beklagte das Abmahnschreiben als Betrugsversuch wertete, habe sie zunächst jedoch keine Nachforschungen angestellt. Als ihr später die Ernsthaftigkeit der Abmahnung bewusst geworden sei, sei die Untermieterin bereits zurück ins Ausland verzogen. Eine nachträgliche Kontaktaufnahme sei der Beklagten nicht mehr möglich gewesen.

Nach Auffassung des Amtsgerichts München konnte die Beklagte mit diesem Vorbringen ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügen. Insbesondere sei die Beklagte nicht im Rahmen des Zumutbaren den ihr obliegenden Nachforschungspflichten nachgekommen. Dies nicht nur im Hinblick auf ihre eigene Verantwortlichkeit, sondern gerade auch in Bezug auf die Untermieterin. So fehlte es nach Ansicht des Gerichts an jeglichen Anhaltspunkten, welche eine Täterschaft der Untermieterin tatsächlich und ernsthaft nahegelegt hätten.

„Die Beklagte hat insoweit lediglich deren Namen offenbart, darüber hinaus jedoch keine Details preisgegeben, die eine Täterschaft dieser Person für die streitgegenständliche Urheberrechtsverletzung nahelegen würde. Insbesondere hat sie diese weder zur Begehung der streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzung befragt, noch hat sie deren internetfähige Endgeräte untersucht. „

 

Es sei insoweit auch nicht glaubwürdig, dass der Beklagten keine weiteren Nachforschungen möglich gewesen sein sollen.

„Die Beklagte trägt nicht substantiiert dazu vor, dass sie bei Erhalt der zweiten Abmahnung zumindest versucht hat, diese Person noch zu kontaktieren und diese zur Urheberrechtsverletzung zu befragen. Dass sie hierzu keinerlei Möglichkeit hatte, ist von der Beklagten schon nicht glaubwürdig vorgetragen. Entsprechender Vortrag wäre zudem auch erheblich unglaubwürdig.“

 

Soweit die Beklagte das zugrundeliegende Abmahnschreiben fälschlicherweise als Betrugsversuch wertete, so gehe dies allein zu ihren eigenen Lasten. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, da für diese Annahme keine objektiven Gründe vorgelegen haben.

„Die Abmahnung genügt den insoweit geltenden gesetzlichen Anforderungen und erweckt aus Sicht eines objektiven Empfängers nicht im Geringsten den Anschein dafür, illegitimen Ursprungs zu sein. Dass die Beklagte aus ihrer subjektiven und möglicherweise im Hinblick auf das geltende Urheberrecht unerfahrenen Sicht die Abmahnung als illegal eingestuft hat, kann sie vorliegend nicht entschuldigen.“

 

Das Amtsgericht verurteilte die Beklagte daher vollumfänglich zur Zahlung des Schadensersatzes, der Rechtsverfolgungskosten sowie zur Übernahme der gesamten Verfahrenskosten.

 

 

AG München, Urteil vom 09.06.2017, Az. 231 C 25600/16

 

 

(…) – Beglaubigte Abschrift –

Amtsgericht München

Az.: 231 C 25600/16

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

[Name],
– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Waldorf Frommer, Beethovenstraße 12, 80336 München,

gegen

[Name],
– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin [Name], 80634 München,

wegen Forderung

erlässt das Amtsgericht München durch den Richter [Name] am 09.06.2017 aufgrund des Sachstands vom 08.06.2017 ohne mündliche Verhandlung mit Zustimmung der Parteien gemäß § 128 Abs. 2 ZPO folgendes

Endurteil

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.106,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09.10.2015 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert wird auf 1.106,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt Schadensersatz und Aufwendungsersatz wegen des öffentlichen Zugänglichmachens eines Musikalbums.

Die Klägerin ist Inhaberin des Vervielfältigungsrechts zur öffentlichen Zugänglichmachung des Musikalbums [Name] des Künstlers [Name] in Deutschland.

Am [Datum] um [Uhrzeit] Uhr und um [Uhrzeit] Uhr wurde das Musikalbum [Name] des Künstlers [Name] vom Internetanschluss der Beklagten aus öffentlich zugänglich gemacht. Die Beklagte lebte zu diesem Zeitpunkt in einer Dreizimmerwohnung, die sie gemeinsam mit ihren nunmehrigen Ehemann bewohnte.

Mit Schreiben vom [Datum] mahnte die Klägerin die Beklagte ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Die Beklagte hielt dieses Schreiben für einen Betrug, eine Mogelei bzw. ein Erschleichen von Zahlungen (Bl. 66 d.A.) und betrachtet es als Fälschung. Nachforschungen zum Hintergrund bzw. der Ursache der Urheberrechtsverletzung stellte sie zunächst nicht an. Erst nach Erhalt des zweiten Schreibens vom [Datum] holt die Beklagte anwaltlichen Rat ein. Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung gab die Beklagte in der Folge nicht ab.

Die Klägerin behauptet,
die Beklagte habe das streitgegenständliche Werk öffentlich zugänglichgemacht.

Die Klägerin ist der Auffassung,
für das ihr Urheberrecht verletzende öffentliche Zugänglichmachen des streitgegenständlichen Werks sei ein Schadensersatz berechnet nach denen Grundsätzen der Lizenzanalogie in Höhe von 600,00 EUR angemessen. Da ein legales Lizenzmodell für Tauschbörsen nicht existiere, müsse man von einem fiktiven Lizenzmodell speziell für Tauschbörsenangebote ausgehen. Hierbei sei insbesondere die mögliche lawinenartige Weiterverbreitung des Werks zu berücksichtigen, so dass eine angemessene Tauschbörsenlizenz allein für ein einziges Werk mehrere Tausend Euro betragen müsste. Sie ist weiter der Auffassung, für die vorgerichtlich ausgesprochene Abmahnung habe sie einen Anspruch auf Aufwendungsersatz berechnet aus einem Gegenstandswert von 10.000,00 EUR.

Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagtenseite wird verurteilt, an die Klägerin einen angemessenen Schadensersatz dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 600,00 EUR betragen soll, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 09.10.2015 sowie
2. 506,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 09.10.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet im Wesentlichen,
sie sei für die streitgegenständliche Urheberrechtsverletzung nicht verantwortlich. Sie habe weder zum streitgegenständlichen Zeitpunkt noch zu einem anderen Zeitpunkt das streitgegenständliche Musikalbum über das Internet öffentlich zugänglich gemacht. Das Musikalbum habe sich auch zu keinem Zeitpunkt auf ihrem Computer befunden. Sie sei eine gelegentliche Internetnutzerin. Zu technischen Vorgängen wie der Benutzung von Tauschbörsen sei sie nicht in der Lage. Zum streitgegenständlichen Zeitpunkt habe sie sich, wie jeden Sonntag, gemeinsam mit ihrem Ehemann auf dem Weg zur polnischen Messe in der St. Josephs Kirche am Josephsplatz in München befunden. Diese Messe beginne stets um 12:00 Uhr. Sie verlasse das Haus deshalb stets zwischen 11:00 Uhr und 11:15 Uhr. Zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzung sei der Laptop abgeschaltet und das Zimmer, in dem sich der Laptop befunden habe, abgeschlossen gewesen. Das dritte Zimmer der Wohnung habe sie an ständig wechselnde Untermieter vermietet. Schriftliche Mietverträge habe sie dabei jedoch nicht abgeschlossen. Zum streitgegenständlichen Zeitpunkt sei das Zimmer an Frau [Name] vermietet gewesen. Diese habe im Zeitraum [Zeitraum] vom Besuch von ihrem Freund Herrn [Name] gehabt. Das erste Abmahnschreiben sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, als die Untermieterin noch bei der Beklagten wohnte (Bl. 84 d.A.). Als die Beklagte das zweite Abmahnschreiben erhalten hatte, sei Frau [Name] jedoch bereits wieder nach Polen zurückgekehrt gewesen. Eine Kontaktaufnahme sei dann nicht mehr möglich gewesen.

Die Beklagte ist im Wesentlichen der Auffassung,
sie habe im Verfahren ihrer sekundären Darlegungslast genügt. Sie sei nicht als Täterin für die streitgegenständliche Urheberrechtsverletzung verantwortlich. Die Abmahnung der Klägerin sei unwirksam. Zudem sei der für die vorgerichtliche Abmahnung angenommene Gegenstandswert von 10.000,00 EUR unangemessen hoch.

Die Parteien haben am 07.04.2017 bzw. am 10.04.2017 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2017 Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Die Klage ist zulässig. Das angegangene Gericht ist nach §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG bzw. §§ 12, 13 ZPO sachlich und örtlich zuständig.

II.

Die Klage ist begründet.

1.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 600,00 EUR gemäß § 97 Abs. 2 S. 1 UrhG und auf Zahlung von Aufwendungsersatz in Höhe von 506,00 EUR gemäß § 97a Abs. 2 S. 1 UrhG a.F.

a)

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 600,00 EUR gemäß § 97 Abs. 2 S. 1 UrhG. Die Beklagte hat das Recht der Klägerin auf öffentliche Zugänglichmachung des streitgegenständlichen Musikalbums schuldhaft verletzt.

aa)

Die Klägerin ist’aktivlegitimiert. Sie ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte am streitgegenständlichen Musikalbum nach §§ 85 Abs. 1, Abs. 2, 31 Abs. 3 UrhG.

bb)

Die Beklagte hat das exklusive Recht der Klägerin auf öffentliche Zugänglichmachung des geschützten Musikalbums (im Folgenden auch: das geschützte Werk) nach
§§ 85 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 31 Abs. 3 UrhG bzw. § 19a UrhG verletzt.

i)

Das geschützte Musikalbum wurde mittels einer Filesharing-Software über den Anschluss der Beklagten zum Upload angeboten, was als öffentliche Zugänglichmachung einzuordnen ist.

ii)

Die zutreffende Ermittlung der IP-Adresse und deren Zuordnung zu ihrem Internetanschluss sind durch die Beklagte unstreitig gestellt worden.

iii)

Soweit die Beklagte einwendet, dass eine Urheberrechtsverletzung nicht vorliege, weil das Musikalbum möglicherweise nicht vollständig, sondern – wie bei Tauschbörsen der Fall – lediglich wenige Minuten und damit nur in Teilen öffentlich zugänglich gemacht worden sein könnte, geht dieser Vortrag in rechtlicher Hinsicht fehl. Auch das öffentliche Zugänglichmachen einzelner Teile eines geschützten Werks genügt für die Verwirklichung einer Urheberrechtsverletzung im Hinblick auf das gesamte geschützte Werk (BGH, Urteil vom 11.06.2015, Az. I ZR 19/14 – Tauschbörse I; OLG Köln, Beschluss vom 20.4.2016 – 6 W 37/16; GRUR-RR 2016, 399). Es bedurfte daher in diesem Punkt keiner weiteren Ausführungen der Klageseite oder Feststellungen durch das Gericht.

cc)

Steht die Begehung der streitgegenständlichen Rechtsverletzung über den Anschluss der Beklagten fest, wie hier, besteht eine tatsächliche Vermutung, dass die Beklagte als Anschlussinhaberin für die über ihren Anschluss begangene Rechtsverletzung persönlich verantwortlich ist.

i)

Die Klägerin als Anspruchstellerin trägt zwar die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Beklagte für die Urheberrechtsverletzung als Täterin verantwortlich ist. Allerdings spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, mithin der Beklagten, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen Internetanschluss benutzen konnten. Zu dieser Frage muss sich der Anschlussinhaber im Rahmen einer sog. sekundären Darlegungslast erklären, weil es sich um Umstände auf seiner Seite handelt, die der Anspruchstellerin unbekannt sind. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat. Die pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs von im Haushalt lebenden Dritten auf den Internetanschluss genügt hierbei nicht (BGH, Urteil vom 06. Oktober 2016, Az. 1 ZR 154/15 – Afterlife; BGH, Beschluss vom 30.03.2017, Az. 1 ZR 19/16 – Loud (zit. nach BGH-Pressemitteilung vom 30.03.2017)). Insbesondere ist es erforderlich, dass der Anschlussinhaber zum konkreten Nutzungsverhalten oder zum Vorhandensein von Filesharing-Software auf dem Computer beziehungsweise zu auffindbaren Spuren des streitgegenständlichen Werks auf dem Computer aller Personen vorträgt, die zum Tatzeitpunkt Zugriff auf seinen Internetanschluss hatten (BVerfG, Beschluss vom 23. September 2016, Az. 2 BvR 2193/15; BGH, Urteil vom 11. Juni 2015, Az. I ZR 75/14 – Tauschbörse II). Erst wenn der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast entspricht, ist es wieder Sache der klagenden Partei, die für eine Haftung der beklagten Partei als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen.

ii)

Der nach diesen Grundsätzen auf Seiten der Beklagten liegenden sekundären Darlegungslast ist diese im Verfahren nicht gerecht geworden. Es spricht deshalb weiterhin eine tatsächliche Vermutung für ihre Täterschaft. Aus der zitierten BGH-Rechtsprechung ergibt sich klar, dass nur für den Fall, dass der Anschlussinhaber der sekundären Darlegungslast genügt, es wieder am Anspruchsteller, hier mithin der Klägerin, ist, die für die täterschaftliche Begehung maßgeblichen Umstände darzulegen und zu beweisen.

iii)

Ob die Behauptung der Beklagten, dass sie sich zum streitgegenständlichen Zeitpunkt in der Kirche befunden hat und ihr Laptop ausgeschaltet in einem verschlossenen Raum untergebracht war, tatsächlich zutrifft, erscheint zweifelhaft, kann jedoch dahinstehen. So ist der entsprechende Vortrag der Beklagten erst nach der mündlichen Verhandlung erfolgt, in der das Gericht die Beklagte darauf hingewiesen hat, aus welchen Gründen sie ihrer sekundären Darlegungslast bislang nicht gerecht geworden ist. Zuvor hatte die Beklagte lediglich vage Angaben zu einem „wahrscheinlichen“ Szenario gemacht. Nach den gerichtlichen Hinweisen hatte die Beklagte dann jedoch plötzlich sichere Kenntnis davon, dass sie ihren Laptop ausgeschaltet und das entsprechende Zimmer abgeschlossen hatte.

Auf das Zutreffen dieses Vortrags kommt es jedoch nicht streitentscheidend an. Eine entsprechende Beweiserhebung kann unterbleiben. Denn die Beklagte wird der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast bereits anderweitig nicht gerecht.

iv)

Die Beklagte hat schon nach ihrem eigenen Vortrag nicht im Rahmen des Zumutbaren Nachforschungen über die Umstände der möglichen Urheberrechtsverletzung angestellt.

(1)

Die Beklagte hat im Hinblick auf ihre eigene Sphäre nicht im für die Erfüllung der sekundären Darlegungslast erforderlichen Maße zu den erfolgten Nachforschungen im Zusammenhang mit den Umständen der streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzung vorgetragen.

(a)

Die Beklagte trägt lediglich vor, sie habe ihren Laptop und den Laptop ihres jetzigen Ehemannes nach der streitgegenständlichen (wohl: torrent-) Datei untersucht (Bl. 67 d.A.), diese jedoch nicht gefunden. In welcher Weise und wann sie diese Untersuchung vorgenommen hat, trägt die Beklagte nicht vor. Zur ebenfalls erforderlichen Untersuchung auf das Vorhandensein von Filesharing-Software auf den jeweiligen Laptops und den Ergebnissen dieser Untersuchung hat die Beklagte im Verfahren nichts vorgebracht.

(b)

Insbesondere fehlt auch jeder Vortrag zu Nachforschungen bezüglich der damaligen angeblichen Untermieterin der Beklagten, Frau [Name] und deren Freund, Herrn [Name]. Die Beklagte hat insoweit lediglich deren Namen offenbart, darüber hinaus jedoch keine Details preisgegeben, die eine Täterschaft dieser Personen für die streitgegenständliche Urheberrechtsverletzung nahelegen würden. Insbesondere hat sie diese weder zur Begehung der streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzung befragt noch hat sie deren internetfähige Endgeräte untersucht. Die Beklagte trägt nicht substantiiert dazu vor, dass sie bei Erhalt der zweiten Abmahnung zumindest versucht hat, diese Personen noch zu kontaktieren und diese zur Urheberrechtsverletzung zu befragen.

Dass sie hierzu keinerlei Möglichkeit hatte, ist von der Beklagten schon nicht vorgetragen. Entsprechende Vortrag wäre zudem auch erheblich unglaubwürdig. Die Beklagte trägt lediglich vor, sie habe nach Erhalt der Abmahnung wegen des Auszugs der Untermieterin diese nicht mehr befragen können. Eine Adresse in Polen sei ihr nicht bekannt. Die Beklagte beschreibt damit jedoch nicht erschöpfend jegliche Möglichkeit der Kontaktaufnahme. Die 1976 geborene Beklagte (Bl. 6 d.A.) muss nach allgemeiner Lebenserfahrung über eine persönliche Befragung oder eine postalische Kontaktierung hinaus, noch mindestens eine andere Möglichkeit gehabt haben, mit der Untermieterin in Kontakt zu treten. Als am Naheliegendsten kommen hierfür eine Kontaktaufnahme über die Mobilfunknummer bzw. über WhatsApp, über soziale Netzwerke (etwa über Facebook), über E-Mail oder über einen Messenger (etwa über Skype), in Betracht. Nach der Lebenserfahrung muss die Untermieterin mit der Beklagten in irgendeiner Weise vor Beginn des Untermietverhältnisses in Kontakt getreten sein, um überhaupt einzuziehen oder auch nur um einen Termin der Schlüsselübergabe abstimmen zu können. Es ist zudem lebensfern davon auszugehen, dass die Beklagte mit der Person, die nach ihrem eigenen Vortrag über drei Monate in ihrer Wohnung gelebt haben soll, in keiner anderen Weise als durch ein persönliches Treffen hätte Kontakt aufnehmen können. Der Beklagten war ferner bekannt, dass die Untermieterin Skype verwendet hat (Bl. 66 d.A.). Auf einem dieser Weg hätte sich die Beklagte also auch nach dem Wegzug der Untermieterin um eine Kontaktaufnahme bemühen können und müssen.

Auch der im Schriftsatz vom 02.06.2017 noch nachgeschobene Vortrag ändert an dieser Einschätzung nichts. Die Beklagte trägt dort lediglich vor, sie habe versucht, „die Untermieterin über die Sozialmedien und sonstige Internetrecherche […] zu finden“. Genauere Angaben dazu macht sie, wie auch im übrigen Verfahren; nicht. Der entsprechende Vortrag ist damit schon zu unsubstantiiert, als dass er vom Gericht zugunsten der Beklagten gewürdigt werden könnte. Er führt auch insbesondere nicht zu einer Erfüllung der sekundären Darlegungslast. Es hätte konkreter Angaben über die tatsächlich unternommenen Bemühungen zur Erfüllung der Nachforschungspflicht bedurft, etwa im Hinblick auf Art und Weise, sowie Zeitpunkt und konkretes Ergebnis der Kontaktaufnahmeversuche.

(c)

Gegen die Annahme, dass nunmehr keine Kontaktaufnahme mehr möglich ist, spricht weiterhin, dass die Beklagte den genauen Vor- und Nachnamen des Freundes der Untermieterin kennt, obwohl dieser nach ihrem Vortrag lediglich acht Tage in der Wohnung der Beklagten verbracht hat. Zu dem selben Schluss führt, dass die Beklagte auch nach über vier Jahren noch die genauen Tage kennt, an denen dieser Freund in die Wohnung gezogen bzw. aus dieser wieder ausgezogen ist. Dieser im Blick auf die sekundäre Darlegungslast durchaus substantiierte Vortrag lässt das Vorbringen, dass nunmehr keinerlei Kontaktaufnahme möglich sein soll, unglaubwürdig erscheinen.

(2)

Unabhängig davon, ob ihr eine Nachforschung bei ihrer Untermieterin nach Erhalt der zweiten Abmahnung noch möglich gewesen wäre, hat die die Beklagte ihren Nachforschungspflichten im Zusammenhang mit der Urheberrechtsverletzung bereits bei Erhalt des ersten Abmahnschreibens nicht genügt, bzw. im Rahmen des Verfahrens nicht ausreichend zur Erfüllung dieser Pflichten nach Erhalt des ersten Schreibens vorgetragen. Dass ihr die Nachforschung zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr möglich gewesen sein will, kann die Beklagte daher nicht entlasten.

(a)

Nach Erhalt der Abmahnung vom [Datum] war die Untermieterin nach Vortrag der Beklagten noch bei der Beklagten wohnhaft (Bl. 84 d.A.), hätte also ohne Schwierigkeiten, wie erforderlich, zur Urheberrechtsverletzung befragt werden können. Diese Gelegenheit hat die Beklagte schuldhaft verstreichen lassen, weil sie das Abmahnschreiben irrigerweise als Betrug einordnete.

(b)

Anlass zu dieser Annahme bestand jedoch nicht. Die Abmahnung genügt den insoweit geltenden gesetzlichen Anforderungen und erweckt aus Sicht eines objektiven Empfängers nicht im Geringsten den Anschein dafür, illegitimen Ursprungs zu sein. Dass die Beklagte aus ihrer subjektiven und möglicherweise im Hinblick auf das geltende Urheberrecht unerfahrenen Sicht die Abmahnung als illegal eingestuft hat, kann sie vorliegend nicht entschuldigen. Rechtsirrtümer gehen allenfalls dann nicht zu Lasten des Irrenden, wenn sie unverschuldet sind. Vorliegend hätte die Beklagte aber jederzeit die Möglichkeit gehabt, anwaltlichen Rat im Hinblick auf die Abmahnung vom [Datum] einzuholen. Allein schon der Umstand, dass sie dies später tatsächlich noch getan hat, zeigt, dass ihr die Einholung derartigen Rates sowohl bekannt als auch möglich war. Sie befand sich damit im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Abmahnung in einem jedenfalls fahrlässigen und damit vorwerfbaren Rechtsirrtum, der nicht zu einer anderen Beurteilung zugunsten der Beklagten führen kann. Insbesondere verfängt nicht das Argument, dass das Abmahnschreiben nicht original unterschrieben gewesen sei. Im heutigen weitgehend automatisiert ablaufenden Geschäftsverkehr ist die eigenhändige Unterschrift eher die seltene Ausnahme, denn die Regel. Dies hätte der Beklagten bereits mit einem Mindestmaß an Geschäftsgewandtheit klar sein müssen. Die Tatsache allein, dass sich auf einem Schreiben lediglich die aufgedruckte Wiedergabe einer (eingescannten) Unterschrift findet, kann die Einordnung dieses Schreibens als betrügerisch nicht rechtfertigen.

(c)

Weitere Umstände, die die Annahme, es handle sich um ein Betrugsschreiben, rechtfertigen könnten, trägt auch die Beklagte nicht vor.

dd)

Da die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt hat, gilt der Vortrag der Klägerseite gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (vgl. Greger, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 138 Rn. 8b).

ee)

Die Beklagte handelte auch fahrlässig. Vor der Verwendung eines urheberrechtlich geschützten Werkes muss sich der Nutzer über das Bestehen eines Schutzes und über den Umfang der Nutzungsberechtigung Gewissheit verschaffen. Insoweit besteht eine Prüf- und Erkundigungspflicht des Benutzers. Vorliegend hätte sich die Beklagte über die Funktionsweise einer Internettauschbörse sowie über die Rechtmäßigkeit des damit nutzbaren Angebots kundig machen können und müssen. Dass dies tatsächlich erfolgt ist, wird von der Beklagten nicht vorgetragen.

b)

Als Rechtsfolge der begangenen Urheberrechtsverletzung hat die Beklagte der Klägerin Schadensersatz zu leisten.

Durch das Angebot zum Herunterladen des streitgegenständlichen Werks verursachte die Beklagte einen Schaden, den das Gericht gemäß § 287 ZPO der Höhe nach auf 600,00 EUR schätzt.

Bei der Verletzung von Immaterialgüterrechten kann der Schaden nach Wahl des Verletzten in Höhe einer angemessenen Lizenzgebühr berechnet werden (BGH GRUR 1990, 1008, 1009). Bei der Berechnung der angemessenen Lizenzgebühr ist darauf abzustellen, was ein vernünftiger Lizenzgeber bei vertraglicher Einräumung der Rechte gefordert und ein vernünftiger Lizenznehmer gewährt hätte, wenn beide im Zeitpunkt der Entscheidung die gegebene Sachlage gekannt hätten.

Demnach sind die von der Klagepartei im vorliegenden Fall als Mindestbetrag des Schadensersatzes geforderten 600,00 EUR angemessen. Der Sachvortrag der Klägerin bietet insoweit eine ausreichende Schätzgrundlage. Insbesondere war bei der Schätzung auf die gerichtsbekannte Funktionsweise einer Internettauschbörse abzustellen, die mit jedem Herunterladen eine weitere Downloadquelle eröffnet.

2.

Der Klägerin steht zudem ein Anspruch aus § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG a.F. auf Ersatz der für die Abmahnung entstandenen Kosten von 506,00 EUR zu.

a)

Die Abmahnung war formell wirksam. Insbesondere wurden die geltend gemachte Rechtsgutsverletzung sowie der Rechteinhaber konkret benannt, so dass für den Abgemahnten klar erkennbar war, gegen welche Verletzungshandlung sich diese Abmahnung richtete.

b)

Der angesetzte Gegenstandswert für die Abmahnung in Höhe von 10.000,00 EUR ist angemessen und begegnet bei einem Werk wie dem vorliegenden keinen Bedenken. Der Ansatz einer 1,3 Geschäftsgebühr für die streitgegenständliche Abmahnung ist angemessen.

3.

Der Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen folgt aus §§ 97, 97a UrhG, 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1, 288 BGB. Mit Schreiben vom 01.10.2015 ist die Beklagte mit der Klageforderung in Verzug geraten.

III.

Die Kostenentscheidung folgt § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600,00 EUR übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem

Landgericht München I
Prielmayerstraße 7
80335 München

einzulegen.
Die Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung der Entscheidung.

Die Berufung muss mit Schriftsatz durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt eingelegt werden. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Berufung eingelegt werde.

Die Berufung muss binnen zwei Monaten mit Anwaltsschriftsatz begründet werden. Auch diese Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung.

Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 EUR übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.

Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem

Amtsgericht München
Pacellistraße 5
80333 München

einzulegen.

Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.

Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.

gez.
[Name]
Richter

Verkündet am 09.06.2017
gez.
[Name] JAng
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Für die Richtigkeit der Abschrift München, 13.06.2017
[Name], JAng
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Durch maschinelle Bearbeitung beglaubigt – ohne Unterschrift gültig (…)

 

 

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AG München, Urteil vom 09.06.2017, Az. 231 C 25600/16

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