WALDORF FROMMER: Widersprüchlicher Vortrag und unterlassene Nachforschungen führen zu Verurteilung in Filesharing Verfahren – 900,00 EUR Schadenersatz angemessen

00:29 Uhr

Gegenstand des Verfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützter Musikaufnahmen

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

WALDORF FROMMER Rechtsanwälte

Beethovenstraße 12 | 80336 München
Telefon: 089 / 52 05 72 10 | Telefax: 089 / 52 05 72 30
E-Mail: web@waldorf-frommer.de | Web: www.waldorf-frommer.de

Bericht

Link:
http://news.waldorf-frommer.de/waldorf-frommer-widerspruechlicher-vortrag-und-unterlassene-nachforschungen-fuehren-zu-verurteilung-in-filesharingverfahren-eur-90000-schadenersatz-angemessen/

Urteil als PDF:
http://news.waldorf-frommer.de/wp-content/uploads/2016/04/AG_Muenchen_173_C_22251_15.pdf

Autorin:
Rechtsanwältin Carolin Kluge

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Der Beklagte hatte die eigene Tatbegehung bestritten und vor dem Verhandlungstermin zunächst pauschal vorgetragen, dass sowohl Gäste, als auch seine damalige Lebensgefährtin Zugriff auf seinen verschlüsselten Internetanschluss gehabt hätten.

Im weiteren Verlauf konkretisierte der beklagte Anschlussinhaber seinen Vortrag insoweit, als dass er die Lebensgefährtin als mögliche Nutzerin seines Anschlusses zum Tatzeitpunkt benannte und weitere Nutzer ausschloss. Er sei weder als Störer noch als Täter haftbar, da er nicht zur anlasslosen Überwachung der Internetnutzung seiner damaligen Freundin und gleichzeitigen Untermieterin verpflichtet gewesen sei. Hierfür hätte es keinen Anlass gegeben. Zudem sei er an einem der Rechtsverletzungszeitpunkte bereits in der Arbeit gewesen und käme folglich als Täter der Urheberrechtsverletzung nicht in Betracht.

In der mündlichen Verhandlung war sich der Anschlussinhaber dann doch nicht mehr sicher, ob zum Tatzeitpunkt nicht auch Übernachtungsgäste seinen Anschluss hätten nutzen können. Weiterhin gab er zu Protokoll, dass er sein WLAN-Passwort auch an seine Nachbarn gegeben habe. Er wisse aber nicht, ob dies vor oder nach der Verletzungshandlung geschehen sei. Seine Freundin habe er nach der Abmahnung befragt, diese habe die Begehung der Rechtsverletzung abgestritten. Weiterhin kam in der mündlichen Verhandlung zu Tage, dass der beklagte Anschlussinhaber bereits vor der streitgegenständlichen Rechtsverletzung wegen illegaler Tauschbörsennutzung abgemahnt worden war.

Das Amtsgericht wertete den Sachvortrag des Beklagten im Ergebnis als widersprüchlich und daher nicht geeignet, die dem Beklagten obliegende sekundäre Darlegungslast zu erfüllen.

„Die Darstellung des Beklagten zu dem Personenkreis, der abstrakt und konkret zu den gegenständlichen Zeitpunkten Zugriff auf den WLAN-Anschluss hatte, ist zu pauschal, lückenhaft und widersprüchlich. […] Bezüglich seiner damaligen Lebensgefährtin hat der Beklagte nur sehr begrenzt nachgeforscht, er hat nicht einmal sagen können, ob die Musik zu ihr passe und sich trotz der nach seinem geänderten Vortrag kurz zuvor erhaltenen ersten Abmahnung offenkundig mit einer sehr knappen Antwort zufrieden gegeben.

Vor allem jedoch hat der Beklagte eingeräumt, den WLAN-Schlüssel einer von ihm offensichtlich nicht mehr eingrenzbaren Vielzahl von Personen zur Verfügung gestellt zu haben. Nachbarn, Freunden und Gästen vom Couchsurfing. Insoweit hat der Beklagte nicht konkret vorgetragen, um welche Personen es sich handelt und nicht abgeklärt, inwieweit welche Mitteilungen der Zugangsdaten in den Zeitraum von rund zwei Monaten nach der behaupteten Änderung des WLAN-Schlüssels fallen. Dass der Beklagte auf Nachforschungen zum damaligen Zeitpunkt keinen gesteigerten Wert gelegt hat, hat er selbst zum Ausdruck gebracht, wenn er einräumt, es sei ihm ehrlich gesagt ein bisschen egal gewesen, ob das Bestreiten seiner Lebensgefährtin stimme.

Diese nur rudimentäre Einholung von Erkundigungen ist gerade vor dem Hintergrund nicht nachvollziehbar, als der Beklagte seinen Vortrag im Lauf des Verfahrens dahingehend geändert hat, er habe bereits rund zwei Monate vor den gegenständlichen Zeitpunkten eine Abmahnung bekommen und danach sein WLAN-Kennwort geändert. lm Hinblick auf den Zugang der gegenständlichen Abmahnung rund 1 1/2 Monate nach der gegenständlichen Verletzungshandlung hätte der Beklagte unverzüglich abklären können und müssen, wer als potenzieller Täter in Betracht kommt.“

Das Amtsgericht erachtete sowohl den beantragten Schadenersatz, als auch den angesetzten Gegenstandswert als angemessen.

„Das erkennende Gericht, das mit einer Vielzahl von gleichartigen Tauschbörsenverfahren befasst war und ist, besitzt hinreichend Sachkunde, um zu beurteilen, dass ein Schadensersatz in Höhe von 900,00 EUR angemessen ist. Die Höhe entspricht der in vergleichbaren Fällen.
[…]
Die Klägerin kann Kostenerstattung in Höhe von 506,00 EUR verlangen.  Gegen den angesetzten Gegenstandswert sowie die geltend gemachte Geschäftsgebühr bestehen keine Bedenken, maßgeblich für den Gegenstandswert ist das Interesse der Klägerin am Unterbleiben zukünftiger Rechtsverletzungen. Eine Beschränkung der vorgerichtlichen Kosten gem. § 97a Abs. 2 a.F. UrhG scheitert am Nicht-Vorliegen einer unerheblichen Rechtsverletzung, die Regelung des § 97a Abs. 3 n.F. UrhG ist auf die Abmahnung nicht anwendbar.“

Im Ergebnis hat der Beklagte neben der Leistung von Schadenersatz, der Erstattung der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten auch die vollen Kosten des Rechtsstreits in Gesamthöhe von über EUR 2.000,00 zu tragen.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Amtsgericht München, Urteil vom 04.02.2016, Az. 173 C 22251/15

 

(…) erlässt das Amtsgericht München durch den Richter am Amtsgericht [Name] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2015 folgendes

 

Endurteil

 

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.406,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.02.2015 zu zahlen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

 

Beschluss:
Der Streitwert wird auf 1.406,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

 

Die Parteien streiten um die Erstattung von Schadensersatz und Aufwendungsersatz der Klägerin wegen unberechtigter Verwertung zweier Musikalben in einer Internettauschbörse.

Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen Verwertungsrechte an den streitgegenständlichen Musikalben. Dem Beklagten hat die Klägerin keine Verwertungsrechte eingeräumt.

Am [Datum] wurden zwischen [Uhrzeit] Uhr und [Uhrzeit] Uhr das Musikalbum [Name], und zwischen [Uhrzeit] Uhr und [Uhrzeit] Uhr das Musikalbum [Name] über den Internet-Anschluss des Beklagten in einer Internettauschbörse zum Download angeboten.

Die Prozessvertreter der Klägerin mahnten den Beklagten mit Schreiben vom [Datum] (Anlage K 4-1) ab und forderten ihn auf, eine Unterlassungserklärung abzugeben sowie Schadensersatz und Kostenerstattung zu leisten. Mit Schreiben vom [Datum] (Anlage K 4-2) gab der Beklagte „ohne Anerkennung einer rechtlichen Verpflichtung dazu und ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage“ eine Unterlassungserklärung ab.

Die Klägerin mahnte die Zahlung in der Folge mehrfach erfolglos an. Mit Schreiben vom 19.02.2015 (Anlage K 4-5) forderte die Klägerin unter Fristsetzung bis 26.02.2015 Schadensersatz in Höhe von 900,00 EUR und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 506,00 EUR.

Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte habe die ihn als Anschlussinhaber treffende tatsächliche Vermutung, persönlich für die streitgegenständliche Rechtsverletzung verantwortlich zu sein, nicht widerlegen können und der ihn als Anschlussinhaber treffenden sekundären Darlegungslast nicht genügt.

Die Klägerin beantragt:
Die Beklagtenseite wird verurteilt, an die Klägerseite

1. einen angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 900,00 EUR betragen soll, zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 27.02.2015, sowie
2. 506,00 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 27.02.2015 zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, er habe die streitgegenständliche Rechtsverletzung nicht begangen. Zum Konsum von Musik und Filmen nutze er kostenpflichtige Dienste. Am [Datum] sei er von ca. 07:30 bzw. 08:00 Uhr bis 18:00 Uhr in der Arbeit gewesen. Sein Internetanschluss sei auch von seiner damaligen Lebensgefährtin [Name] genutzt worden. Im Übrigen habe er zu verschiedenen Zeitpunkten auch ausländischen Gästen, Freunden und Nachbarn die Nutzung seines Internet-Anschlusses gestattet.

Der Beklagte hat den in der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2015 geschlossenen Vergleich fristgemäß widerrufen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2015 (BI. 96/100), die wechselseitigen Schriftsätze und das Vorbringen der Parteien sowie auf den Akteninhalt Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

 

I.

Die Klage ist zulässig.

Das AG München ist örtlich und sachlich zuständig, §§ 1, 3, 12, 13 ZPO, § 23 Nr. 1 GVG, §§ 104a, 105 Abs. 2 UrhG, § 45 Abs. 1 GZVJu.

II.

Die Klage ist auch begründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten aus § 97 Abs. 2 S. 1 UrhG i.V.m. § 19a UrhG einen Anspruch auf Schadensersatz in Hohe von 900,00 EUR. Die Klägerin kann zudem von dem Beklagten, gem. § 97 Abs. 2 S. 1 UrhG sowie gem. § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG a.F. Erstattung vorgerichtlicher Kosten in Höhe von 506,00 EUR verlangen.

1.)

Die Klägerin ist unstreitig Inhaberin der ausschließlichen Verwertungsrechte an den streitgegenständlichen Musikalben, insbesondere des Rechts zur öffentlichen Zugänglichmachung gern § 19a UrhG.

2.)

Die streitgegenständlichen Rechtsverletzungen erfolgten unstreitig über den Internetanschluss des Beklagten.

Die allgemeinen Ausführungen des Beklagtenvertreters, eines Fachanwalts für IT-Recht, auf S. 1 der Klageerwiderung (BI. 44) zur dynamischen IP-Adresse stellen schon kein Bestreiten dar, da die Klägerin gerade dargelegt hat, dass die IP-Adresse zum Verletzungszeitpunkt dem Anschluss des Beklagten zugeordnet war. Ein etwaiges Bestreiten wäre angesichts des umfangreichen Vorbringens der Klägerin auch nicht substantiiert.

3.)

Der Beklagte ist seiner sekundären Darlegungslast als Inhaber des Internetanschlusses, über den die streitgegenständliche Rechtsverletzung erfolgt ist, trotz richterlichen Hinweises vom 13.11.2015 (BI. 58/61) nicht nachgekommen.

a)

Den Beklagten trifft nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine tatsächliche Vermutung dahingehend, dass er als Inhaber des fraglichen Internetanschlusses auch für über seinen Anschluss begangene Rechtsverletzungen verantwortlich ist (BGH, Urteil vom 12.05.2010, I ZR 121/08, RN 12 – „Sommer unseres Lebens“). Eine Entkräftung der tatsächlichen Vermutung setzt hinsichtlich aller fraglicher Tatzeitpunkte Sachvortrag voraus, nach dem die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass allein ein Dritter und nicht auch der Anschlussinhaber den Internetzugang für die behauptete Rechtsverletzung genutzt hat (vgl. BGH, Urteil vom 15.11.2012, Az. I ZR 74/12, RN 34 – „Morpheus“). Zwar wird eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft der Anschlussinhabers nicht begründet, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten (vgl. BGH, Urteil vom 18.01.2014, Az. I ZR 169/12 „BearShare“, RN 15). Den Anschlussinhaber trifft jedoch auch eine sekundäre Darlegungslast, der er dadurch genügt, dass er vortragt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. An die im Rahmen der sekundären Darlegungslast vorgebrachten Tatsachen, welche der Beklagte nicht beweisen muss, ist bezüglich Detailgrad und Plausibilität ein strenger Maßstab anzulegen (Landgericht München I, Urteil vom 22.03.2013, 21 S 28809/11, RN 35 sowie Urteil vom 18.06.2014, Az. 21 S 22103/13). Im Regelfall ist es nicht ausreichend, wenn der Beklagte nur pauschal angibt, dass noch weitere oder welche weitere Personen (auch intensiven) Zugriff auf den Internetzugang hatten, ohne sich näher zu den zum streitgegenständlichen Zeitpunkt herrschenden konkreten Umständen in ihrer Sphäre zu äußern (vgl. BGH, Urteil vom 11.06.2015, Az. I ZR 75/14 „Tauschbörse III“, RN 42 und LG München I, Beschluss vom 09.04.2013, Az. 21 T 4138/13). Im Rahmen des Zumutbaren besteht auch eine Pflicht zu Nachforschungen und Mitteilung der hierbei gewonnenen Kenntnisse (vgl. BGH, Urteil vom 11.06.2015, Az I ZR 75/14 „Tauschbörse III“, RN 42 sowie BGH, Urteil vom 08.01.2014, Az. I ZR 169/12 „BearShare“, RN 18). Die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufes bedeutet nach Auffassung des Gerichts auch, dass ein solcher Ablauf wahrscheinlich gewesen sein muss.

b)

Der Beklagte hat zu den gegenständlichen Verstößen Folgendes ausgeführt:

aa)

Auf S. 1/2 der Klageerwiderung (BI. 45) hat der Beklagte bestritten, die Verstöße begangen zu haben. Zum gegenständlichen Zeitpunkt habe seine damalige Lebensgefährtin [Name] selbstständig mit internetfähigen Geraten seinen Anschluss mitgenutzt. Weiterhin habe er vor Erhalt der Abmahnung verschiedenen ausländischen Gästen, welche bei ihm übernachtet hatten, seinen verschlüsselten WLAN-Zugang zur Nutzung mit eigenen Geräten während der Dauer ihres Aufenthalts bei ihm gestattet.

Auf S. 2 des Schriftsatzes vom 03.12.2015 (BI. 94) hat der Beklagte ausgeführt, dass zum streitgegenständlichen Zeitpunkt keine Gäste oder Freunde bei ihm zu Hause gewesen seien. Er sei am [Datum] in der Arbeit gewesen, seine Arbeitszeit beginne zwischen 07:30 und 08:00 Uhr und ende gegen 18:00 Uhr.

bb)

In der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2015 (Protokolls auf BI. 96/100) hat der Beklagte über seine bisherigen Angaben hinaus im Wesentlichen Folgendes angegeben:

Er selbst habe Musik und Filme zum streitgegenständlichen Zeitpunkt über die Dienste netflix und spotify konsumiert.

Zum damaligen Zeitpunkt habe er viele Freunde vom Couchsurfing gehabt, er habe viele Leute bei sich beherbergt. Er wisse jetzt nicht sicher, ob am [Datum] bei ihm jemand vom Couchsurfing da gewesen sei. Manchen Leuten vom Couchsurfing gebe er einfach seinen Wohnungsschlüssel, wenn er ihnen vertraue, anderen gebe er diesen nicht.

Er habe Nachbarn den WLAN-Schlüssel gegeben, ebenso jeweils Freunden, die zu ihnen gekommen seien. Ob damals die Nachbarn schon den WLAN-Schlüssel gehabt hätten, wisse er nicht. Er habe Personen in WG’s, die bei ihm im Haus seien, den WLAN-Schlüssel natürlich gegeben. Welche Personen das genau gewesen wären, wisse er nicht mehr. Es seien Leute gewesen, die gekommen seien und gesagt hätten, dass sie noch kein WLAN hatten. Nicht viele Leute, vielleicht 2 Personen. Er könne die wahrscheinlich erkennen, kenne jetzt aber ihren Namen nicht.

Seine Lebensgefährtin habe auf seine Nachfrage abgestritten, die gegenständlichen Alben zum Download zur Verfügung gestellt zu haben. Ob das stimme, sei ihm damals ehrlich gesagt ein bisschen egal gewesen, da er nicht gedacht habe, dass es soweit komme. Natürlich habe er ihr geglaubt, sie sei seine Freundin gewesen Ob die Musik zu ihr passe, könne er nicht sagen.

An einem Donnerstag gehe er normalerweise um viertel vor 07:00 Uhr in die Arbeit. Er komme normal um 06:00 Uhr oder 07:00 Uhr, und an den Tagen wenn er schwimme oder ins Fitnessstudio gehe, um 09:00 Uhr nach Hause. Konkret zum [Datum] wisse er nichts mehr.

Seine Lebensgefährtin habe er wahrscheinlich an dem gleichen Tag gefragt. Andere Leute, also Nachbarn, habe er nicht gefragt.

Ende [Jahreszahl] habe er bezüglich Anfang [Jahreszahl] eine Abmahnung der Kanzlei [Name] bekommen, daraufhin den WLAN-Schlüssel geändert und auch seine Lebensgefährtin befragt.

cc)

Im Schriftsatz vom 23.12.2015 (BI. 101/102) hat der Beklagte ausgeführt, er habe das Passwort nach seinem Einzug in [Name] ein oder zwei Nachbarn gegeben. Die Abmahnung der Kanzlei [Name] stamme vom [Datum] und beziehe sich auf einen Tatzeitpunkt vom [Datum]. Nach dieser Abmahnung habe er das Passwort zu seinem WLAN-Router geändert, so dass die Nachbarn, welche zuvor Zugriff gehabt hatten, anschließend nicht mehr hätten zugreifen können.

c)

Seiner sekundären Darlegungslast hat der Beklagte durch sein Vorbringen nicht genügt.

aa)

Die Darstellung des Beklagten zu dem Personenkreis, der abstrakt und konkret zu den gegenständlichen Zeitpunkten Zugriff auf den WLAN-Anschluss hatte, ist zu pauschal, lückenhaft und widersprüchlich.

Während auf S. 2 der Klageerwiderung (BI. 45) noch ausgeführt wird, vor der gegenständlichen Urheberrechtsverletzung sei Derartiges nie vorgekommen, wird erstmals in der mündlichen Verhandlung eine konkret bezeichnete Abmahnung erwähnt, die dem Beklagten nur rund zwei Monate vor dem gegenständlichen Vorfall zugegangen und sogar Anlass zur Änderung des WLAN-Schlüssels gewesen sein soll.

Die Ausführungen auf S. 2 der Klageerwiderung durften so zu verstehen sein, dass auch ausländische Gäste zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung in der Wohnung des Beklagten genächtigt haben könnten. Dies wird auf S. 2 des Schriftsatzes vom 3.12.2015 (BI. 94) berichtigt. In der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2015 gab der Beklagte hingegen an, hier nicht sicher zu sein.

Dass potenziell auch Nachbarn als Täter in Betracht kommen könnten, wird erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2015 angeführt.

Bezüglich seiner damaligen Lebensgefährtin [Name] hat der Beklagte nur sehr begrenzt nachgeforscht, er hat nicht einmal sagen können, ob die Musik zu ihr passe und sich trotz der nach seinem geänderten Vortrag kurz zuvor erhaltenen ersten Abmahnung offenkundig mit einer sehr knappen Antwort zufrieden gegeben.

Vor allem jedoch hat der Beklagte eingeräumt, den WLAN-Schlüssel einer von ihm offensichtlich nicht mehr eingrenzbaren Vielzahl von Personen zur Verfugung gestellt zu haben. Nachbarn, Freunden und Gästen vom Couchsurfing. Insoweit hat der Beklagte nicht konkret vorgetragen, um welche Personen es sich handelt und nicht abgeklärt, inwieweit welche Mitteilungen der Zugangsdaten in den Zeitraum von rund zwei Monaten nach der behaupteten Änderung des WLAN-Schlüssels fallen. Dass der Beklagte auf Nachforschungen zum damaligen Zeitpunkt keinen gesteigerten Wert gelegt hat, hat er selbst zum Ausdruck gebracht, wenn er einräumt, es sei ihm ehrlich gesagt ein bisschen egal gewesen, ob das Bestreiten seiner Lebensgefährtin stimme.

Diese nur rudimentäre Einholung von Erkundigungen ist gerade vor dem Hintergrund nicht nachvollziehbar, als der Beklagte seinen Vortrag im Lauf des Verfahrens dahingehend geändert hat, er habe bereits rund zwei Monate vor den gegenständlichen Zeitpunkten eine Abmahnung bekommen und danach sein WLAN-Kennwort geändert. Im Hinblick auf den Zugang der gegenständlichen Abmahnung rund 1 1/2 Monate nach der gegenständlichen Verletzungshandlung hätte der Beklagte unverzüglich abklären können und müssen, wer als potenzieller Täter in Betracht kommt. Den aufgrund der Änderung des Schlüssels nach seiner Einlassung möglicherweise eingeschränkten Personenkreis hätte er angesichts der vorherigen Abmahnung nachdrücklich mit der zweiten begangenen Urheberrechtsverletzung konfrontieren müssen.

bb)

Das Vorbringen des Beklagten im Schriftsatz vom 23.12.2015 (BI. 101/102), wonach aufgrund der Änderung des WLAN-Schlüssels keiner der Nachbarn Zugriff gehabt hätte, ist nicht zu berücksichtigen, § 296a ZPO.

Es war auch keine Wiedereröffnung gemäß § 156 ZPO veranlasst, vgl. Prütting, Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 296a ZPO, RN 6:

„Dabei ist das Gericht nach ständiger Rechtsprechung des BGH zur Wiedereröffnung nur verpflichtet, wenn sich aus dem neuen Vorbringen ergibt, dass die bisherige Verhandlung lückenhaft war und in der letzten mündlichen Verhandlung bei sachgemäßem Vorgehen Veranlassung zur Ausübung des Fragerechts bestanden hätte, ferner wenn durch andere Fehler oder Versäumnisse des Gerichts eine vollständige und sachgerechte Erklärung der Parteien unterblieben ist Dagegen ist die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht geboten, wenn diese ohne Verfahrensfehler geschlossen wurde und eine Partei in unzulässiger Weise entgegen dem § 296a neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel nachreicht, die ihrerseits aufklärungsbedürftig waren.“

Das Gericht hat den Beklagten bereits mit Verfügung vom 13.11.2015 (BI. 58/61) auf seine umfangreiche Nachforschungspflicht hinsichtlich der Personen, welche den Anschluss nutzen konnten, hingewiesen und ihn anschließend in der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2015 ausführlich befragt.

Im Übrigen ist das Vorbringen im Schriftsatz vom 23 12.2015 auch irrelevant, da der Beklagte nichts dazu schreibt, inwieweit zum Verletzungszeitpunkt welche Freunde oder Couchsurfing-Gäste (wieder) über das Passwort verfügt haben.

Weiterhin besteht erneut ein Widerspruch zum bisherigen Vorbringen, wenn der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2015 äußert, er wisse nicht, ob die Nachbarn zum Verletzungszeitpunkt „schon“ den WLAN-Schlüssel hatten und er nunmehr schreibt, sie hätten ihn bereits vier Jahre vorher gehabt und zum Verletzungszeitpunkt gerade nicht mehr.

d)

Da der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast nicht genügt hat, kommt es auf die Stellungnahme der Klägerin zum Vortrag des Beklagten in dem innerhalb einer Schriftsatzfrist gemäß § 283 ZPO eingereichten Schriftsatz der Klägerin vom 8.1.2016 (BI. 104/121) nicht an.

4.)

Der Beklagte handelte rechtswidrig und schuldhaft

Die Rechtswidrigkeit ist regelmäßig durch die Verletzungshandlung indiziert. Der Beklagte handelte zumindest fahrlässig, § 276 Abs. 2 BGB

5.)

Durch das Angebot der streitgegenständlichen Werke ist der Klägerin ein Schaden entstanden, den das Gericht auf 900,00 EUR schätzt, § 287 ZPO. Es besteht auch eine ausreichende Schätzungsgrundlage. Es ist gerichtsbekannt, dass die Klägerin keine Lizenzen für die Verwertung ihrer Werke in Internettauschbörsen vergibt. Die Klägerin kann bei der Verletzung von Immaterialgüterrechten wegen der besonderen Beweisschwierigkeiten des Verletzten gemäß § 97 Abs. 2 S. 3 UrhG den Schaden auch in Höhe einer angemessenen Lizenzgebühr berechnen. Bei der von der Klägerin gewählten Lizenzanalogie ist rein objektiv darauf abzustellen, was bei vertraglicher Einräumung der Rechte ein vernünftiger Lizenznehmer gefordert und ein vernünftiger Lizenzgeber gewährt hätte, wenn beide im Zeitpunkt der Entscheidung die gegebene Sachlage gekannt hatten. Dies folgt der Erwägung, dass derjenige, der ausschließliche Rechte anderer verletzt, nicht besser stehen soll, als er im Falle einer ordnungsgemäß erteilten Erlaubnis durch den Rechtsinhaber gestanden hätte. Dabei spielt es keine Rolle, in welchem Ausmaß und Umfang es tatsächlich zu einem Schaden gekommen ist. Das erkennende Gericht, das mit einer Vielzahl von gleichartigen Tauschbörsenverfahren befasst war und ist, besitzt hinreichend Sachkunde, um zu beurteilen, dass ein Schadensersatz in Hohe von 900,00 EUR angemessen ist. Die Höhe entspricht der in vergleichbaren Fällen. Vorliegend handelt es sich um zwei zum gegenständlichen Zeitpunkt noch aktuelle Musikalben bekannter Künstler. Berücksichtigung finden muss zudem der Umstand, dass mit jedem Herunterladen eines urheberrechtlich geschützten Werkes in einer Tauschbörse je eine weitere Downloadmöglichkeit geschaffen wird. Denn zwingend hätten ein vernünftiger Lizenzgeber und Lizenznehmer diese Möglichkeit der für den Rechteinhaber unwägbaren kostenlosen Weiterverbreitung ihrer Vereinbarung zu Grunde gelegt. Vernünftige Parteien eines derartigen Lizenzvertrages hätten dieses Risiko abgegolten.

6.)

Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten stützt sich auf § 97 Abs. 2 S. 1 UrhG und § 97a Abs 1 S. 2 UrhG a. F , so dass es irrelevant ist, inwieweit auch die Voraussetzungen der GoA vorgelegen haben. Die anwaltliche Abmahnung der Klägerin vom 13.4.2012 war ohne weiteres berechtigt und auch inhaltlich ausreichend.

Die Klägerin kann Kostenerstattung in Höhe von 506,00 EUR verlangen. Gegen den angesetzten Gegenstandswert sowie die geltend gemachte Geschäftsgebühr bestehen keine Bedenken, maßgeblich für den Gegenstandswert ist das Interesse der Klägerin am Unterbleiben zukünftiger Rechtsverletzungen. Eine Beschrankung der vorgerichtlichen Kosten gern. § 97a Abs. 2 a.F. UrhG scheitert am Nicht-Vorliegen einer unerheblichen Rechtsverletzung, die Regelung des § 97a Abs. 3 n.F. UrhG ist auf die Abmahnung nicht anwendbar.

7.)

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

IV.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG, § 3 ZPO.

 

Rechtsbehelfsbelehrung:

 

Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600,00 Euro übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem

Landgericht München I
Prielmayerstraße 07
80335 München

einzulegen. (…)

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

AG München, Urteil vom 04.02.2016, Az. 173 C 22251/15

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~