17:37 Uhr
Gegenstand des Verfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützter Filmaufnahmen. Im vorstehenden Verfahren gab die verklagte Anschlussinhaberin an, sich im streitgegenständlichen Zeitraum nicht in ihrer Wohnung befunden zu haben. Weitere Personen, welche den Internetanschluss berechtigt hätten nutzen können, habe es ebenfalls nicht gegeben. Daher läge es nahe, dass – trotz ausreichender Absicherung – Dritte unbefugt auf den Internetanschluss zugegriffen hätten. Zudem bestritt die Beklagte die Rechteinhaberschaft, die korrekte Ermittlung der Rechtsverletzung sowie die Höhe der geltend gemachten Forderungen.
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WALDORF FROMMER Rechtsanwälte
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Bericht
Urteil als PDF:
https://news.waldorf-frommer.de/wp-content/uploads/2017/12/AG_Muenchen_159_C_6350_17.pdf
Autorin:
Rechtsanwältin Franziska Hörl
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Das Gericht bejahte zunächst die Rechteinhaberschaft der Klägerin. Die Klägerin habe dargelegt, dass sie auf Online-Portalen für den legalen Download ausdrücklich als Rechteinhaberin verzeichnet sei, weshalb die Rechteinhaberschaft zu ihren Gunsten vermutet werden könne. Der Beklagten sei es hingegen nicht gelungen, diese Vermutung zu widerlegen.
Auch an der korrekten Ermittlung hatte das Gericht aufgrund des Umstands, dass die Rechtsverletzung an mehreren Tagen über mehrere IP-Adressen dokumentiert werden konnte, keine Zweifel.
Vor diesem Hintergrund sei von der eigenen Täterschaft der Beklagten auszugehen. Insoweit erachtete das Gericht den Sachvortrag der Beklagten als nicht geeignet, die Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast zu erfüllen.
Der Verweis auf eine bloße Ortsabwesenheit sei unerheblich:
„Eine persönliche Anwesenheit im Zeitpunkt des Hochladens ist nicht Voraussetzung für eine Urheberrechtsverletzung, da im Rahmen einer Tauschbörse ein zu einem anderen Zeitpunkt in Gang gesetzter Vorgang selbständig weiterlaufen kann (…). Insoweit ist es unerheblich, dass die Beklagte zu den streitgegenständlichen Zeitpunkten (ihren Sachvortrag unterstellt) nicht in ihrer Wohnung war.“
Da der Internetanschluss der Beklagten zudem ausreichend gesichert gewesen sei, wertete das Gericht die Vermutung der Beklagten, Dritte hätten sich unbefugt Zugang verschafft, als nicht plausibel.
„Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten war ihr Internetanschluss ausreichend gesichert, so dass die Vermutung der Beklagten, Dritte hätten sich unbefugt Zugang zu ihrem Anschluss verschafft, nicht plausibel ist. Da die Beklagte ihren Anschluss auch sonstigen Dritten nicht zur Verfügung gestellt hat, ergibt sich aus dem Sachvortrag der Beklagten nicht die ernsthafte Möglichkeit, dass allein ein Dritter und nicht auch sie selbst den Internetzugang für die behauptete Rechtsverletzung genutzt hat.“
Mangels Erfüllung der sekundären Darlegungslast gelte die eigene Täterschaft der Beklagten daher als zugestanden.
„Ist die Beklagte den Anforderungen der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen, gilt der Vortrag der Klägerseite gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (Greger in Zöller, ZPO, § 138, Rn. 8 b).“
Letztlich bestätigte das Gericht auch die Angemessenheit des geltend gemachten Mindestschadensersatzes in Höhe von 1.000,00 EUR. Dieser Betrag für ein Filmwerk stehe in einem angemessenen Verhältnis zu dem vom Bundesgerichtshof festgelegten Betrag in Höhe von 200,00 EUR für das Bereitstellen eines einzelnen Musiktitels.
Das Amtsgericht verurteilte daher die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von Schadensersatz, zum Ersatz der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten sowie zur Übernahme der gesamten Verfahrenskosten.
AG München, Urteil vom 05.09.2017, Az. 159 C 6350/17
(…) – Beglaubigte Abschrift –
Amtsgericht München
Az.: 159 C 6350/17
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
[Name]
– Klägerin –Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Waldorf Frommer, Beethovenstraße 12, 80336 München,
gegen
[Name], 85737 Ismaning
– Beklagte –Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte [Name], 85737 Ismaning,
wegen Forderung
erlässt das Amtsgericht München durch die Richterin am Amtsgericht [Name] aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 04.07.2017 folgendes
Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.107,50 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.09.2016 sowie weitere 107,50 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.09.2016 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.107,50 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Schadens- und Aufwendungsersatzansprüche wegen des Angebots eines urheberrechtlich geschützten Werks über die Tauschbörsensoftware BitTorrent.
Die Klägerin wertet zahlreiche nationale und internationale Bild- / Tonaufnahmen in Deutschland exklusiv aus und hat die Firma ipoque GmbH zur Feststellung von Urheberrechtsverletzungen mit der Überwachung der Internet-Tauschbörsen beauftragt. Die Firma ipoque GmbH verwendet hierzu die Analyse- und Protokollierungssoftware „PFS“ und ermittelte Urheberrechtsverletzungen an dem Film [Name].
Die Bevollmächtigten der Klägerin mahnten die Beklagte wegen Urheberrechtsverletzungen an dem gegenständlichen Film mit Schreiben vom [Datum] ab und forderten die Abgabe einer Unterlassungserklärung, Zahlung von Schadensersatz und den Ersatz von Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung. Die Beklagte gab zwar eine Unterlassungserklärung ab, erfüllte jedoch die geltend gemachten Zahlungsansprüche nicht.
Da sie ihren Anschluss dritten Personen nicht zur Verfügung gestellt hat, erstatte die Beklagte bei der Polizei Strafanzeige gegen Unbekannt.
Unter Klageandrohung forderten die klägerischen Prozessbevollmächtigten die Beklagte nochmals mit Schreiben vom 22.09.2016 zur Zahlung von mindestens 1.000,00 EUR Schadensersatz sowie weiterer 215,00 EUR Rechtsverfolgungskosten unter Fristsetzung zum 29.09.2016 auf.
Die Klägerin behauptet,
hinsichtlich des streitgegentständlichen Films über die Rechte des Filmherstellers nach § 94 UrhG zu verfügen und daher ausschließlich zu dessen Vervielfältigung und öffentlicher Zugänglichmachung berechtigt zu sein.Sie behauptet weiter,
die Beklagte habe am [Datum] den streitgegenständlichen Film zum illegalen Download angeboten. Die Firma ipoque GmbH habe zuverlässig mit Hilfe -der Analyse- und Protokollierungssoftware „PFS“ Urheberrechtsverletzungen an dem Film [Name] begangen am [Datum] [Uhrzeit] Uhr bis [Uhrzeit] Uhr unter der IP-Adresse [IP], am [Datum] [Uhrzeit] Uhr bis [Uhrzeit] Uhr unter der IP-Adresse [IP], sowie am [Datum] [Uhrzeit] Uhr bis [Uhrzeit] Uhr unter der IP-Adresse [IP] ermittelt. Aufgrund Beschlusses des Landgerichts München I, Az.: 21 O 28433/13, sei die Beklagte durch ihren Internetprovider Telefónica als Inhaberin des betreffenden Internetanschlusses zu den streitgegenständlichen Zeitpunkten identifiziert worden. Sie verlangt 1.000,00 EUR Schadensersatz im Wege der Lizenzanalogie sowie Erstattung der für die Abmahnung angefallenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 215,00 EUR, wobei sie eine 1,3-Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG aus einem Gegenstandswert von 1.600,00 EUR zugrunde legt, zuzüglich Auslagenpauschale.Die Klägerin beantragt:
1. Die Beklagtenseite wird verurteilt, an die Klägerseite einen angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 1.000,00 EUR betragen soll, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 30.09.2016,
2. 107,50 EUR als Hauptforderung zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.09.2016 sowie
3. 107,50 EUR als Nebenforderung zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.09.2016 zu zahlen.Die Beklagte beantragt,
Klageabweisung.Sie bestreitet,
den streitgegenständlichen Film über ihren Internetanschluss Dritten zum illegalen Download angeboten zu haben. Zum streitgegenständlichen Zeitpunkt sei sie nicht in ihrer Wohnung gewesen. Sie ist der Ansicht, dass Dritte unbefugt auf ihren Internetanschluss zugegriffen hätten. Außerdem meint sie, dass der klägerische Anspruch verwirkt sei.Wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 04.07.2017 (BI. 116/120 d.A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Das Amtsgericht München ist gemäß § 104a UrhG als Wohnsitzgericht der Beklagten örtlich zuständig.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 97 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 UrhG auf Schadensersatz in Höhe von 1.000,00 EUR.
Die Klägerin ist als Rechteinhaberin nach § 94 Abs. 1 UrhG aktivlegitimiert. Der Film [Name] genießt den Urheberschutz von § 2 Abs. 2 Nr. 6 UrhG. Ausweislich Anlage K1 ist sie beim maxdomestore als Rechteinhaberin verzeichnet, so dass gemäß § 10 UrhG zu ihren Gunsten vermutet wird, dass sie die Rechteinhaberin ist. Diese Vermutung hat die Beklagte nicht widerlegt.
Das Recht der Klägerin zur öffentlichen Zugänglichmachung des Films nach § 19a UrhG wurde seitens des Beklagten verletzt.
Die Teilnahme an Internettauschbörsen beinhaltet eine Vervielfältigungshandlung wie auch eine öffentliche Zugänglichmachung des betroffenen Films, § 19 a UrhG.
Zwar wurde seitens der Beklagten bestritten, dass die technischen Ermittlungen der Fa. ipoque GmbH, die zu den IP-Adressen geführt haben, ordnungsgemäß verliefen und ein richtiges Ergebnis erbrachten, sowie die ermittelten IP-Adressen dem Internetanschluss der Beklagten ordnungsgemäß zugeordnet wurden. Gleichwohl steht die Begehung der Rechtsverstöße über den Internetanschluss der Beklagten auch ohne entsprechende Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest. Denn zu 3 unterschiedlichen von der Klägerin ermittelten dynamischen IP-Adressen an 2 Tagen zu 4 Zeitpunkten wurde die Beklagte als verantwortliche Anschlussinhaberin beauskunftet. Dass es kurz nacheinander mehrfach zu Fehlern bei der Erfassung und Zuordnung gekommen sein soll, liegt so fern, dass Zweifel an der Richtigkeit der Anschlussidentifizierung schweigen, § 286 ZPO (vgl. OLG Köln NJW-RR 2012, 1327, OLG München Beschluss vom 01.12.2012 BeckRS 2013, 17282).
Die Beklagte hat die Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast nicht erfüllt.
Steht die Begehung der streitgegenständlichen Rechtsverletzungen über den Anschluss der Beklagten damit fest, so besteht eine tatsächliche Vermutung, dass die Beklagte als Inhaberin des Anschlusses auch für hierüber begangene Rechtsverletzungen persönlich verantwortlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 12.05.2010, Az.: I ZR 121/08, „Sommer unseres Lebens“).
Hintergrund der tatsächlichen Vermutung ist die Lebenserfahrung, dass in erster Linie der Anschlussinhaber seinen Internetzugang nutzt, die Art und Weise der Nutzung bestimmt und kontrolliert (vgl. OLG Köln, 02.08.2013, Az.: 6 U 10/13). Es wird deshalb eine Darlegungslast desjenigen angenommen, in dessen Herrschaftsbereich, i.e. über dessen Internetanschluss, die festgestellte Rechtsverletzung geschehen ist. Denn im Gegensatz zum Urheber, dessen Rechte verletzt wurden, ist er deutlich näher an der Verletzung dran und kann feststellen, wer die Urheberrechtsverletzung begangen hat. Eine derartige Feststellung ist demgegenüber dem Urheber in aller Regel nicht möglich, denn andere Daten als die IP-Adresse, über die der Rechteverletzer nach draußen kommunizierte, kann er nicht wissen noch in Erfahrung bringen. Der Urheber kann mithin nicht wissen, welche konkrete Person seine Rechte verletzt hat. Insoweit ist es Sache des Anschlussinhabers, im Rahmen seiner Darlegungslast dem Urheber die Verfolgung seiner Rechte zu ermöglichen. Als Anschlussinhaber, der über den Zugang zu seinem Internetanschluss bestimmt, muss er insoweit im Rahmen der Darlegungslast das Risiko für den Missbrauch seines Anschlusses tragen. Dürfte sich der Anschlussinhaber mit pauschalen Behauptungen und Verweisen auf Dritte zur Anspruchsabwehr begnügen, so würden die Urheber gegenüber Filesharing-Rechtsverletzungen de facto schutzlos gestellt und das Urheberrecht entwertet.
Eine Beweislastumkehr findet demgegenüber nicht statt, die Klägerseite trägt nach allgemeinen Grundsätzen vielmehr die Beweislast, dass die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (BGH, Az.: I ZR 75/14, „Tauschbörse III“), Rn. 37). Aus dieser tatsächlichen Vermutung, die entkräftet wird, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung auch andere Personen den Anschluss nutzen konnten (BGH, Az.: I ZR 169/12 „BearShare“), ergibt sich für die Beklagtenseite eine sekundäre Darlegungslast, die es ihr verwehrt, sich auf ein an sich zulässiges einfaches Bestreiten der Rechtsverletzung zu beschränken. Eine Entkräftung der tatsächlichen Vermutung erfordert vielmehr hinsichtlich aller fraglicher Tatzeitpunkte Sachvortrag, nach dem die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass allein ein Dritter und nicht auch der Anschlussinhaber den Internetzugang für die behauptete Rechtsverletzung genutzt hat (vgl. BGH, 15.11.2012, Az.: I ZR 74/12, „Morpheus“ BGH, Az.: I ZR 169/12, „BearShare“). In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen (BGH, „BearShare“) sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat (BGH, 06.10.2016, Az.: 1 ZR 154/15, „Afterlife“).
Eine persönliche Anwesenheit im Zeitpunkt des Hochladens ist nicht Voraussetzung für eine Urheberrechtsverletzung, da im Rahmen einer Tauschbörse ein zu einem anderen Zeitpunkt in Gang gesetzter Vorgang selbständig weiterlaufen kann (vgl. OLG München, 14.01.2016, Az.: 29 U 2593/15 unter Verweis auf BGH, „Tauschbörse I“, Az.: I ZR 19/14). Insoweit ist unerheblich, dass die Beklagte zu den streitgegenständlichen Zeitpunkten (ihren Sachvortrag unterstellt) nicht in ihrer Wohnung war.
Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten war ihr Internetanschluss ausreichend gesichert, so dass die Vermutung der Beklagten, Dritte hätten sich unbefugt Zugang zu ihrem Anschluss verschafft, nicht plausibel ist. Da die Beklagten ihren Anschluss auch sonstigen Dritten nicht zur Verfügung gestellt hat, ergibt sich aus dem Sachvortrag der Beklagten nicht die ernsthafte Möglichkeit, dass allein ein Dritter und nicht auch sie selbst den Internetzugang für die behauptete Rechtsverletzung genutzt hat.
Ist die Beklagte den Anforderungen der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen, gilt der Vortrag der Klägerseite gern. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (Greger in Zöller, ZPO, § 138, Rn. 8b).
Die Beklagte handelte auch fahrlässig, da sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht ließ. Wer ein fremdes urheberrechtlich geschütztes Werk nutzen will, muss sich über den Bestand des Schutzes wie auch über den Umfang der Nutzungsberechtigung Gewissheit verschaffen. Insoweit bestand eine Prüf- und Erkundigungspflicht der Beklagten (vgl. Dreier / Schulze, UrhG, § 97, Rdn. 57). Diese Sorgfaltspflicht variiert je nach Art der Nutzung und der damit verbundenen Gefahr potentiellen Urheberrechtsverletzungen. So sind an den Teilnehmer einer Filesharing Netzwerkes, der zunächst die Fileshare Software auf seinem Rechner installieren muss, deutlich höhere Anforderungen zu stellen als bei herkömmlicher Internetnutzung mittels Browsing bzw. Streaming, die ohne einen Download stattfindet und damit oftmals dem Nutzer eine einfache und zuverlässige Feststellung, ob eine Urheberrechtsverletzung stattfindet, d. h. eine offensichtlich rechtswidrige Quelle i.S.v. §§ 53a, 44a UrhG genutzt wurde, unmöglich macht (so auch Busch, GRUR 2011, 496, 502). Die Beklagte hätte sich daher über die Funktionsweise einer Internet Tauschbörse und auch über die Rechtmäßigkeit des Angebots kundig machen und vergewissern müssen. Hierzu wird von der Beklagten nichts vorgetragen.
Durch das Angebot zum Herunterladen des streitgegenständlichen Films verursachte die Beklagte einen Schaden, den das Gericht gemäß § 287 ZPO auf 1.000,00 EUR schätzt. Bei der Verletzung von Immaterialgüterrechten ermöglicht die Rechtsprechung dem Verletzten wegen der besonderen Beweisschwierigkeiten neben dem Ersatz des konkreten Schadens weitere Wege der Schadensermittlung. Danach kann der Schaden auch in Höhe einer angemessenen Lizenzgebühr berechnet werden (BGH GRUR 1990, 1008, 1009 – „Lizenzanalogie“). Der Verletzte hat das Wahlrecht, wie er seinen Schadensersatz berechnen will. Vorliegend hat die Klägerin die Berechnung im Wege der Lizenzanalogie gewählt. Bei der Berechnung der angemessenen Lizenzgebühr ist rein objektiv darauf abzustellen, was bei vertraglicher Einräumung der Rechte ein vernünftiger Lizenzgeber gefordert und ein vernünftiger Lizenznehmer gewährt hätte, wenn beide im Zeitpunkt der Entscheidung die gegebene Sachlage gekannt hätten. Diese Schadensberechnung beruht auf der Erwägung, dass derjenige, der ausschließliche Rechte anderer verletzt, nicht besser stehen soll, als er im Falle einer ordnungsgemäß erteilten Erlaubnis durch den Rechteinhaber gestanden hätte. Damit läuft die Lizenzanalogie auf die Fiktion eines Lizenzvertrages der im Verkehr üblichen Art hinaus. In welchem Ausmaß und Umfang es konkret zu einem Schaden gekommen ist, spielt keine Rolle. Gibt es, wie im streitgegenständlichen Fall, keine branchenüblichen Vergütungssätze und Tarife, so dass die Höhe der als Schadensersatz nach § 97 UrhG zu zahlenden Lizenzgebühr nach § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu bemessen ist (BGH, I ZR 19/14, „Tauschbörse I“).
Ein Schadensersatz von 1.000,00 EUR erscheint dem Gericht der Höhe nach angemessen. Der Sachvortrag der Klägerseite in der Klage bietet hierzu eine ausreichende Schätzungsgrundlage. Der angesetzte Betrag ist angesichts der gerichtsbekannten Funktionsweise einer Internet Tauschbörse, die mit jedem Herunterladen eine weitere Downloadquelle eröffnet, angemessen. Er steht in einem angemessenen Verhältnis zu den 200,00 EUR, die laut BGH, „Tauschbörse I – III“ für den Upload eines Songs als Schadensersatz anfallen (ebenso OLG München, 14.01.2016, s.o.). Das Gericht schätzt daher die angemessene Lizenz gemäß § 287 ZPO auf 1.000,00 EUR.
Daneben kann die Klägerin von der Beklagten Ersatz von Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung in Höhe von 215,00 EUR gemäß § 97a Abs. 1 Satz 2 UrhG verlangen.
Eine Urheberrechtsverletzung der Beklagten hinsichtlich des Leistungsschutzrechtes der Klägerin liegt, wie oben dargestellt, vor. Die Beklagte wurde daraufhin mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom [Datum] zu Recht abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zur Zahlung von Schadensersatz aufgefordert. Damit kann die Klägerin von dem Beklagten die Kosten der Abmahnung nach § 97a Abs. 1 Satz 2 UrhG verlangen, da dies die erforderlichen Aufwendungen für die berechtigte Abmahnung darstellen.
§ 97a Abs. 2 a.F. UrhG greift vorliegend hinsichtlich der Kosten der Abmahnung nicht ein. Bei der gegenständlichen Rechtsverletzung kann eine unerhebliche Rechtsverletzung nicht bejaht werden. Diese würde nämlich einen nach Art und Umfang geringfügigen Eingriff in die Rechte des Abmahnenden voraussetzen. Dies ist beim Anbieten eines gesamten Films in einer Internet Tauschbörse nicht der Fall (so auch OLG München, 14.01.2016, s.o.). Immanent einer derartigen Verletzungshandlung ist nämlich nicht nur die öffentliche Zugänglichmachung des Werkes, § 19a UrhG, sondern auch die unkontrollierbare, grenzüberschreitende Vervielfältigung des Werkes durch den Upload, § 16 UrhG.
Der von der Klägerin für die Abmahnung angesetzte Gegenstandswert von 1.600,00 EUR ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Streitwert des Unterlassungsanspruchs entspricht mit 1.000,00 EUR den gesetzlichen Vorgaben des § 97a Abs. 3 S. 2 UrhG. Diesem Unterlassungsanspruch ist der Wert des vorgerichtlich geltend gemachten Schadensersatzes von 600,00 EUR gemäß § 22 RVG hinzuzurechnen. Gegen die geltend gemachte 1,3-Geschäftsgebühr bestehen im Hinblick darauf, dass die Abmahnung in Bezug auf einen vollständigen Film erfolgte, Unterlassungserklärung sowie auch Schadensersatzansprüche geltend gemacht wurden, keine Bedenken.
Die Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche ist nicht nach § 242 BGB wegen Verwirkung ausgeschlossen. Insoweit fehlt es sowohl am Zeit- als auch am Umstandsmoment. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten ihre Rechte zeitnah geltend gemacht und zu keinem Zeitpunkt in der vorgelegten außergerichtlichen Korrespondenz zu erkennen gegeben, auf diese zu verzichten.
Die Zinsforderung ergibt sich aus §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Der Streitwert wurde gemäß §§ 3 ZPO, 39 Abs.1, 43, 63 Abs. 2 GKG festgesetzt. Soweit sich die außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten auf die Geltendmachung des Unterlassungsanspruch beziehen, stellen sie gemäß § 43 Abs. 2 GKG streitwerterhöhende Nebenforderungen dar, soweit sie sich auf die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs beziehen, sind sie gemäß § 43 Abs. 1 GKG nicht streitwerterhöhend.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600,00 EUR übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem
Landgericht München I
Prielmayerstraße 7
80335 Müncheneinzulegen.
Die Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung der Entscheidung.
Die Berufung muss mit Schriftsatz durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt eingelegt werden. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Berufung eingelegt werde.
Die Berufung muss binnen zwei Monaten mit Anwaltsschriftsatz begründet werden. Auch diese Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung.
Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 EUR übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.
Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem
Amtsgericht München
Pacellistraße 5
80333 Müncheneinzulegen.
Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.
Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.
gez.
[Name]
Richterin am AmtsgerichtVerkündet am 05.09.2017
gez.
[Name], JAng
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (…)
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AG München, Urteil vom 05.09.2017, Az. 159 C 6350/17
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