Waldorf Frommer Rechtsanwälte (München): Amtsgericht München – Pauschaler Fingerzeig auf dritte Personen genügt nicht zur Erschütterung der Täterschaftsvermutung

23:28 Uhr

Gegenstand des Verfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützter Filmaufnahmen. Im vorstehenden Verfahren gab die Beklagte an, ihr ehemaliger Ehemann habe die in Frage stehende Rechtsverletzung begangen und dies ihr gegenüber nach Erhalt der Abmahnung zugegeben. Sie selbst käme nicht als Täterin in Betracht, da sie zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung bereits geschlafen habe.

 

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Bericht

Link:
https://news.waldorf-frommer.de/waldorf-frommer-amtsgericht-muenchen-pauschaler-fingerzeig-auf-dritte-personen-genuegt-nicht-zur-erschuetterung-der-taeterschaftsvermutung/

Urteil als PDF:
https://news.waldorf-frommer.de/wp-content/uploads/2017/11/AG_M%C3%BCnchen_264_C_4216_17.pdf

Autorin:
Rechtsanwältin Cornelia Raiser

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Der betreffende Ex-Partner wurde im weiteren Verfahren seitens des Amtsgerichts als Zeuge vernommen. Im Rahmen dessen gab dieser jedoch an, die Rechtsverletzung nicht begangen zu haben. Er habe erst im Zuge der Abmahnung von der Rechtsverletzung erfahren und gegenüber der Beklagten niemals seine Täterschaft eingestanden.

Im Nachgang zu der erfolgten Beweisaufnahme änderte die Beklagte ihren Vortrag dahin gehend, dass die beiden Kinder des Zeugen die Rechtsverletzung begangen haben könnten.

Diesen Vortrag sah das Gericht allerdings als verspätet sowie zu pauschal an und verurteilte die Beklagte vollumfänglich.

Zwar ist die Nennung des tatsächlichen Täters grundsätzlich zur Erfüllung der sekundären Darlegungslast geeignet. Allerdings hat sich der diesbezügliche Vortrag der Beklagten vorliegend nicht bestätigt. Denn nach Ansicht des Gerichts hat der Zeuge glaubhaft bekundet, dass er die Rechtsverletzung nicht begangen habe.

In Bezug auf die Kinder des Zeugen fehlt es hingegen an einem detaillierten Sachvortrag.

 

„Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass die Kinder zum Tatzeitpunkt tatsächlich Zugriff auf den PC hatten, auch fehlt Vortrag zum konkreten Nutzungsverhalten der Kinder zum Tatzeitpunkt oder zu sonstigen Hinweisen der Kinder (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.09.2015, 2 BvR 1979/15). Insoweit ist das Vorbringen der Beklagten zudem widersprüchlich, da sie zunächst ausschließlich den Zeugen […] als Rechtsverletzer benannt hat.“

 

Im Übrigen bestätigte das Gericht die Höhe der geforderten außergerichtlichen Anwaltskosten von 506,00 EUR. Ein Gegenstandswert von weniger als 10.000,00 EUR kommt nach Ansicht des Gerichts nicht in Betracht.

 

 

 

AG München, Urteil vom 06.10.2017, Az. 264 C 4216/17

 

 

(…) – Beglaubigte Abschrift –

Amtsgericht München

Az.: 264 C 4216/17

 

IM NAMEN DES VOLKES

 

In dem Rechtsstreit

[Name],
– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Waldorf Frommer, Beethovenstraße 12, 80336 München,

gegen

[Name], 85221 Dachau,
– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte [Name], 85221 Dachau,

wegen Forderung

 

erlässt das Amtsgericht München durch den Richter [Name] aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 07.09.2017 folgendes

Endurteil

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.106,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.08.2015 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss:
Der Streitwert wird auf 1.106,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatz und Abmahnkosten wegen der illegalen Vervielfältigung geschützter Bild- / Tonaufnahmen.

Am [Datum] wurde im Zeitraum von [Uhrzeit] bis [Uhrzeit] Uhr über den Internetanschluss der Beklagten der Film [Name] über das Internet in einer Tauschbörse zum Download angeboten. Zum diesem Zeitpunkt wohnten in der Wohnung der Beklagten auch ihr damaliger Ehemann, der Zeuge [Name] mit seinen beiden Kindern im Alter von damals 13 und 15 Jahren sowie das gemeinsame dreijährige Kind. Die Klägerin ist im Hersteller- bzw. Urhebervermerk als Rechteinhaberin ausgewiesen und auf dem Video-on-Demand Portal maxdome als Rechteinhaberin des streitgegenständlichen Films angegeben. Der Beklagten wurden bzgl. des streitgegenständlichen Films keinerlei Verwertungsrechte und keine Erlaubnis zur Verwertung in Tauschbörsen eingeräumt. Eine entsprechende Lizenz für einen aktuellen Spielfilm wie dem streitgegenständlichen kostet je nach Bekanntheit, Aktualität, Laufzeit und Bildqualität regelmäßig zwischen 5,88 EUR und 9,99 EUR netto.

Mit Schreiben der Klägervertreter wurde die Beklagte am [Datum] zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zur Zahlung von Schadensersatz und der Erstattung außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten aufgefordert. Die Beklagte gab daraufhin die Unterlassungserklärung ab, lehnte aber eine Zahlung auch nach mehrfacher Mahnung und letztmaliger Fristsetzung bis zum [Datum] ab. Sie behauptete im Schreiben an die Klägervertreter vom [Datum] (Anl. B1), dass „möglicherweise zwei minderjährige Kinder am PC waren, welche um diese Zeit bei Besuch zu ihr waren“.

Die Klägerin behauptet,
sie sei aktivlegitimiert. Die Beklagte sei für die Rechtsverletzung verantwortlich. Sie ist der Ansicht, für die Berechnung des Schadens sei die Methode der Lizenzanalogie anzuwenden. Sie hält einen Gegenstandswert von 10.000,00 EUR für angemessen.

Sie beantragt:
Die Beklagtenseite wird verurteilt, an die Klägerseite einen angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 600,00 EUR betragen soll, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21.08.2015 sowie 506,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.08.2015 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.

Sie behauptet,
der Zeuge [Name] habe den Film heruntergeladen und dies ihr gegenüber nach Erhalt der Abmahnung auch zugegeben. Sie selbst sei mit dem gemeinsamen kleinen Kind immer spätestens gegen 22:00 Uhr schlafen gegangen. Sie wisse auch nicht, wie das Herunterladen eines Films funktioniere. Sie ist der Auffassung, es handle sich nur um ein bagatellartiges Vergehen, da der Film nur ca. 20 Minuten angesehen wurde und es sich nicht um einen Gewerbebetrieb mit vielen Zuschauern handle.

Das Gericht hat auf Antrag der Klägerin Beweis erhoben über die Behauptung, der Zeuge habe den Film in die Tauschbörse gestellt, durch Vernehmung des besagten Zeugen. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.09.2017 verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 28.09.2017 behauptet die Beklagte nach Schluss der mündlichen Verhandlung erstmals im Prozess, die Kinder des Zeugen [Name] hätten die Rechtsverletzung begangen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf alle zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 09.05.2017 und vom 07.09.2017 sowie auf sonstige Aktenbestandteile Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist begründet, die Klägerin hat einen Anspruch auf Aufwendungsersatz in Höhe von 506,00 EUR aus § 97a Abs. 3 UrhG sowie auf 600,00 EUR Schadensersatz aus § 97 UrhG.

1.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung vom [Datum] zu. Der Anspruch setzt eine berechtigte Abmahnung des Verletzten voraus. Eine Abmahnung ist berechtigt, wenn sie begründet war, also der geltend gemachte Unterlassungsanspruch bestand und sie zugleich erforderlich war, um dem Abgemahnten den kostengünstigsten Weg aus dem Konflikt aufzuzeigen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

a)

Der Kläger ist nach Überzeugung des Gerichts Rechteinhaber und damit aktivlegitimiert, wie sich aus Anlage K1 ergibt. Hierfür reichen die von der Klägerin vorgetragenen Indizien aus (vgl. BGH GRUR 2016, 176). Die Klägerin ist im Hersteller- bzw. Urhebervermerk als Rechteinhaberin ausgewiesen und auf der bekannten Website maxdome als Rechteinhaber angegeben, es erscheint dem Gericht ausgeschlossen, dass ein tatsächlicher Rechteinhaber das entgeltliche Zurverfügungstellen des Werks auf einer bekannten Website dulden würde, so dass die Aktivlegitimation gemäß § 94 Abs. 4 UrhG i.V.m. § 10 Abs. 1 UrhG zu vermuten ist. Jedenfalls aber hätte die Beklagte angesichts des konkreten Vortrags und der genannten Anhaltspunkte der Klägerin die Aktivlegitimation substantiiert bestreiten und konkrete Anhaltspunkte benennen müssen, die gegen eine Rechteinhaberschaft der Klägerin sprechen. Dies ist nicht erfolgt.

b)

Der Film ist auch nach § 95 UrhG urheberrechtlich geschützt. Die Beklagte hat dieses Recht der öffentlichen Zugänglichmachung, § 19a UrhG, verletzt, indem sie den Film zum Download in einer Tauschbörse angeboten hat.

aa)

Unstrittig wurde der besagte Film über den Internetanschluss der Beklagten zum Download auf einer Tauschbörse angeboten, obwohl die Beklagte hierzu nicht berechtigt war.

bb)

Die Beklagte ist nach Überzeugung des Gerichts auch für das öffentliche Zugänglichmachen des Films verantwortlich. Die Klägerin trägt nach den allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs-und Beweislast für die Voraussetzungen des Anspruchs. Daher muss sie auch nachweisen, dass die Beklagte für die behauptete Urheberrechtsverletzung verantwortlich ist. Allerdings spricht eine tatsächliche Vermutung für die Täterschaft des Anspruchsinhabers, wenn keine andere Person diesen Internetanschluss benutzen konnte. Diese Vermutung wird widerlegt, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt auch von anderen Personen benutzt werden konnte. In diesen Fällen trifft den Anschlussinhaber eine sekundäre Darlegungslast (vgl. BGH GRUR 2014, 657; GRUR 2016, 1280). Dieser sekundären Darlegungslast hat die Beklagte entsprochen, indem sie konkret und substantiiert einen anderen Geschehensablauf vorgetragen hat und den Zeugen [Name] als Rechtsverletzer benannt hat. Damit verbleibt es bei der Beweislast der Klägerin, da die Vermutung der Täterschaft nicht zu einer Beweislastumkehr führt. Diesen Beweis durch die Klägerin sieht das Gericht allerdings als erbracht an.

Der Zeuge [Name] hat bei seiner Vernehmung glaubhaft ausgesagt, dass er den Film nicht heruntergeladen habe. Er habe erst durch die Abmahnung von der Rechtsverletzung erfahren und diese gegenüber seiner Frau nicht zugegeben. Er hat zudem ausgesagt, dass seine Frau zwar für gewöhnlich früh ins Bett gehe, dass aber zum Zeitpunkt der behaupteten Rechtsverletzung häufig Gäste anwesend waren wegen des orthodoxen Weihnachtsfestes. Der Zeuge hat nach Ansicht des Gerichts schlüssig und nachvollziehbar seine Täterschaft verneint. Auch wenn der Zeuge ein Interesse daran hatte, seine eigene Täterschaft zu bestreiten, sieht das Gericht aufgrund der Vernehmung keine Anhaltspunkte, an der Aussage des Zeugen zu zweifeln. Der Zeuge hat keinen Belastungseifer gegenüber seiner Ehefrau erkennen lassen und zugegeben, dass seine Kinder als Täter in Betracht kommen. Zudem handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Film um einen Film, der für gewöhnlich eher von einem jüngeren Publikum angesehen wird, was gegen eine Täterschaft des Zeugen [Name] spricht.

cc)

Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 28.09.2017 vorträgt, die Töchter des Zeugen hätten die Rechtsverletzung begangen, ist dies zum einen unsubstantiiert, zum anderen auch verspätet. Die Beklagte ist hinsichtlich der Kinder ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen und hat die Vermutung der Täterschaft auch insofern nicht widerlegt. Eine Entkräftung der tatsächlichen Vermutung erfordert hinsichtlich des fraglichen Tatzeitpunkts Sachvortrag, nach dem die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass allein ein Dritter und nicht auch der Anschlussinhaber den Internetzugang für die behauptete Rechtsverletzung genutzt hat (vgl. BGH NJW 2013, 1441). Der Anschlussinhaber muss seine Verantwortlichkeit deshalb im Rahmen des ihm Zumutbaren substantiiert bestreiten sowie Tatsachen darlegen und ggf. beweisen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs – nämlich die Alleintäterschaft eines anderen Nutzers des besagten Internetanschlusses – ergibt (OLG Köln MMR 2014, 338). An die im Rahmen der sekundären Darlegungslast vorgebrachten Tatsachen ist hierbei bezüglich Detailgrad und Plausibilität ein strenger Maßstab anzulegen (LG München I, 22.03.2013, Az. 21 S 28809/11), worauf die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 09.05.2017 durch das Gericht auch hingewiesen wurde. Den so skizzierten Anforderungen genügt der Vortrag der Beklagten nicht, insbesondere ersetzt der pauschale Verweis auf die Aussage des Zeugen [Name] nicht den eigenen Tatsachenvortrag. Die Beklagte hat nicht detailliert dargelegt, dass die Kinder zum Tatzeitpunkt tatsächlich Zugriff auf den PC hatten, auch fehlt Vortrag zum konkreten Nutzungsverhalten der Kinder zum Tatzeitpunkt oder zu sonstigen Hinweisen auf eine Täterschaft der Kinder (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.09.2015, 2 BvR 1979/15). Insoweit ist das Vorbringen der Beklagten zudem widersprüchlich, da sie zunächst ausschließlich den Zeugen Mals Rechtsverletzer benannt hat.

Jedenfalls aber ist der Vortrag hinsichtlich der Kinder verspätet. Die Beklagte hat erstmals nach Schluss der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 28.09.2017 im Prozess behautet, dass die Kinder die Rechtsverletzung begangen haben, dies ist gemäß § 296a ZPO verspätet.

c)

Die Abmahnung war auch objektiv erforderlich, um dem Beklagten einen Weg zu weisen, den Streit ohne gerichtliche Hilfe zu beenden.

d)

Die Höhe der geforderten Abmahngebühren von 506,00 EUR ist nicht zu beanstanden. Der Wert des Unterlassungsanspruchs bestimmt sich nach dem Interesse des Anspruchsstellers an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße. Dieses Interesse ist pauschalierend unter Berücksichtigung des Einzelfalls zu berücksichtigen. Vorliegend hat die Beklagte einen populären, finanziell erfolgreichen Film zum Download angeboten, der zum Zeitpunkt des Angebots in der Tauschbörse auch aktuell war. Hinzu kommt, dass Tauschbörsen die Gefahr begründen, dass Filme massenhaft weiter verbreitet werden, da das Werk einer unbestimmten Vielzahl von Dritten zugänglich gemacht wird (vgl. BGH NJW 2016, 942), so dass ein Gegenstandswert von weniger als 10.000,00 EUR nicht in Betracht kommt. Die Begrenzung des § 97a Abs. 3 S. 2 UrhG ist vorliegend nicht anwendbar, da diese Vorschrift am 09.10.2013 und damit erst nach der Abmahnung vom 15.01.2013 in Kraft getreten ist (vgl. BGH MMR 2012, 39; OLG Köln BeckRS 2014, 03437).

Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt auch keine bloße unerhebliche Rechtsverletzung i.S.v. § 97a Abs. 2 a.F. UrhG vor. Davon war gemäß der Vorschrift in der Fassung vor dem 09.10.2013 auszugehen, wenn die Rechtsverletzung sich nach Art und Ausmaß auf einen geringfügigen Eingriff beschränkt und deren Folgen durch schlichte Unterlassung beseitigt werden können. Allein die Tatsache, dass es sich um ein Handeln im Privatbereich handelt, genügt hierfür jedoch nicht, da dies schon Tatbestandsvoraussetzung des § 97a Abs. 2 a.F. UrhG ist (Wandtke / Bullinger, UrhG, 3. Aufl., § 97a Rn. 36). Der Begriff der Unerheblichkeit ist eng auszulegen, in der Regel indiziert die Erforderlichkeit der Abmahnung die Erheblichkeit der Rechtsverletzung. Erfasst sind der Norm nur einfach gelagerte Fälle, die in qualitativer und quantitativer Hinsicht unerheblich sind (BT-Drs. 16/5048, S. 49). Dies ist bei einer Tauschbörse nicht der Fall, da es gerade deren Sinn und Zweck ist, urheberrechtlich geschützte Inhalte einer unbegrenzten Anzahl von Personen kostenlos zur Verfügung zu stellen. Eine Vervielfältigung wird dadurch unbegrenzt ermöglicht.

2.

Die Beklagte haftet ferner gemäß § 97 Abs. 1 S. 1 Abs. 2 Urhebergesetz auf Schadensersatz in Höhe von 600,00 EUR da die Urheberrechtsverletzung schuldhaft begangen wurde. Die Beklagte hat die Rechtsverletzung zumindest fahrlässig begangen, weil sich, wer einen fremden, urheberrechtlich geschützten Film nutzen will, über den Bestand und Umfang des bestehenden Schutzes informieren muss. Die Beklagte hätte sich daher vergewissern müssen, dass sie berechtigt ist, den Film in einer Tauschbörse anzubieten. Auch die Höhe des Schadensersatzanspruchs von 600,00 EUR hält das Gericht für angemessen. Die Klägerin kann ihren Schadensersatzanspruch gemäß § 97 Abs. 2 S. 3 UrhG nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnen (vgl. BGH NJW 2017, 814 m.w.N.). Für den konkreten Fall schätzt das Gericht den Betrag gemäß § 287 Abs. 1 ZPO auf Basis der von der Klägerin in der Klageschrift mitgeteilten Schätzgrundlage. Unbestritten würde eine Lizenzgebühr bei einer Mindestabruflizenz von 5,88 EUR selbst bei nur 200 Abrufen mehr. als 1.000,00 EUR kosten. Der Eingriff beschränkt sich aber im Falle der Bereitstellung eines Werks über eine Internettauschbörse nicht nur auf die Erlangung einer Einzelkopie durch den in Anspruch genommenen Nutzer. Vielmehr erhält durch die Bereitstellung über die Tauschbörse zugleich eine Vielzahl von Nutzern Zugriff auf das Werk. Diesem Umstand ist bei der Bemessung des Schadensersatzes Rechnung zu tragen Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob das Werk tatsächlich von Dritten heruntergeladen wurde, ausreichend ist, dass der Zugriff auf das Werk eröffnet wird (BGH GRUR 2016, 176).

Zu Gunsten der Beklagten spricht hierbei allerdings, dass der Film nur für 20 Minuten zum Download angeboten wurden. Das Gericht hält daher unter Berücksichtigung dieser Tatsache den von der Klägerin geforderten Mindestbetrag von 600,00 EUR für angemessen.

3.

Die Zinsentscheidung ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286, 288 BGB. Verzugsbeginn war der 21.08.2017, da die Klägerin eine Zahlungsfrist bis 20.08.2015 gesetzt hat.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600,00 EUR übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem

Landgericht München I
Prielmayerstraße 7
80335 München

einzulegen.

Die Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung, spätestens, mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung der Entscheidung.

Die Berufung muss mit Schriftsatz durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt eingelegt werden. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Berufung eingelegt werde.

Die Berufung muss binnen zwei Monaten mit Anwaltsschriftsatz begründet werden. Auch diese Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung.

Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 EUR übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.

Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem

Amtsgericht München
Pacellistraße 5
80333 München

einzulegen.

Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.

Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.

gez.
[Name]
Richter

Verkündet am 06.10.2017
gez.
[Name], JAng
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (…)

 

 

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AG München, Urteil vom 06.10.2017, Az. 264 C 4216/17

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