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Hamburg/Lübeck, 29.12.2016 (eig). Die Tatverneinung weiterer Nutzungsberechtigte eines Internetanschlusses führt in Filesharingfällen zur Haftung des Anschlussinhabers. Dies hat das Amtsgericht Lübeck in einer jüngst ergangenen Entscheidung befunden (Urt. v. 28.11.2016, Az. 20 C 15/16).
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Rechtsanwalt Nikolai Klute
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
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Bericht
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Der Beklagte wurde als Anschlussinhaber für Rechtsverletzungen in Anspruch genommen, die von seinem Internetanschluss aus begangen worden waren. Er selbst stellte die Tatbegehung in Abrede und verwies auf den Mieter in seinem Haus, auf seine beiden Kinder und die Ehegattin als weitere Nutzungsberechtigte des Internetanschlusses. In der Beweisaufnahme stellten alle weiteren Nutzungsberechtigten ihre Tatverantwortung in Abrede.
Das Gericht erachtete die Aussagen der Zeugen als glaubhaft und die Zeugen selbst als im hohen Maße glaubwürdig (der Mieter war Polizeibeamter). Somit aber war nach Auffassung des Lübecker Richters die gegen den Beklagten streitende Täterschaftsvermutung nicht ent- sondern bekräftigt. Alternative Geschehensabläufe oder die ernsthafte Möglichkeit der Täterschaft eines anderen lägen nicht vor, und da damit feststand, „dass kein Dritter den Internetanschluss des Beklagten zur Tatzeit genutzt hat, lebt die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Beklagten wieder auf, die weder durch die Erklärung des Beklagten, nicht der Täter zu sein noch durch die Bekundung der Zeugin …, dass ihr Mann Computerspiele nicht leiden könne, beseitigt wird“, so das Amtsgericht in seinem Urteil.
Dabei unterstrich das Gericht die besondere Glaubwürdigkeit der tatverneinenden Familienangehörigen als Zeugen, deren Aussagen zusätzliche Beweiskraft aufgrund des Umstandes erlangt hätten, dass sie von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht keinen Gebrauch gemacht haben. „Für Anschlussinhaber ergibt sich aus diesem Urteil eine prekäre Situation“, erläutert Rechtsanwalt Nikolai Klute aus der Kanzlei .rka Rechtsanwälte, „denn sagen Familienangehörige aus und verneinen die eigene Täterschaft folgt daraus die Haftung des Beklagten. Machen sie von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, haftet der Anschlussinhaber, weil die ernsthafte Möglichkeit eines alternativen Geschehensablaufs nicht bewiesen ist.“
Entsprechendes jedenfalls hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 12.05.2016, I ZR 48/15 – „Everytime we touch“, in diesem Jahr geurteilt und damit den Versuchen der Anschlussinhaber, sich selbst aus der Haftung zu begeben ohne zu viel von Dritten als möglichen Tätern preis geben zu müssen und diese zu schützen, einen Riegel vorgeschoben.
AG Lübeck, Urteil vom 28.11.2016, Az. 20 C 15/16
(…) 20 C 15/16
Verkündet am 28.11.2016
gez.
[Name], JFAnge
als Urkundsbeamtin der GeschäftsstelleAmtsgericht Lübeck
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit
[Name],
– Klägerin –Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte .rka Rechtsanwälte Reichelt Klute GbR, Johannes-Brahms-Platz 1, 20355 Hamburg,
gegen
[Name],
– Beklagter –Prozessbevollmächtigte: [Name],
wegen Urheberrecht
hat das Amtsgericht Lübeck durch den Richter am Amtsgericht Dr. [Name] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 31.10.2016
für Recht erkannt:
Das Versäumnisurteil vom 11.07.2016 wird aufgehoben.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.351,80 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.09.2016 zu zahlen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Hiervon ausgenommen sind die durch den Erlass des Versäumnisurteils entstandenen Kosten, die die Klägerin zu tragen hat.
Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.351,80 EUR festgesetzt.Tatbestand
Die Klägerin verlangt vom Beklagten wegen öffentlicher Zugänglichmachung eines Computerspiels in einem Filesharing-Netzwerk Schadensersatz und Ersatz vorprozessualer Rechtsverfolgungskosten.
Vom Internetanschluss des Beklagten wurde am 06.04.2013 gegen 04:34 Uhr (also in der Nacht von Freitag auf Samstag) eine Datei mit dem Computerspiel „[Name]“ über ein Filesharing-Netzwerk Dritten zum Download bereitgehalten. Die Erstveröffentlichung dieses Computerspiels war am 27.04.2012 erfolgt.
Mit Anwaltsschreiben vom 27.06.2013 mahnte die Klägerin den Beklagten ab und forderte ihn unter Fristsetzung zum 08.07.2013 zur Abgabe einer Unterlassungserklärung wegen der streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzung und zur Zahlung von Schadensersatz und Abmahnkosten – zugleich unter Abgabe eines Vergleichsangebots in Höhe von 900,00 EUR – auf. Der Beklagte gab daraufhin lediglich eine Unterlassungserklärung ab.
Die Klägerin begehrt Anwaltskosten für die Abmahnung in Höhe von 651,80 EUR (Gegenstandswert 10.000,00 EUR) und Schadensersatz in Höhe von 700,00 EUR.
Die Klägerin behauptet, aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung mit der Entwicklerin des Computerspiels, der Firma [Name] ausschließliche Inhaberin der Nutzungsrechte an dem Spiel zu sein. Sie behauptet ferner, die Rechtsverletzung sei durch den Beklagten und nicht durch die Familienangehörigen des Beklagten oder durch den Mieter des Beklagten begangen worden.
Mit Versäumnisurteil vom 11.07.2016, zugestellt am 19.07.2016, hat das Gericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat hiergegen mit am 01.08.2016 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Einspruch eingelegt.
Die Klägerin beantragt,
das Versäumnisurteil vom 11.07.2016 aufzuheben und den Beklagten zur Zahlung von 651,80 EUR sowie weiterer 700,00 EUR, jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.09.2013, an die Klägerin zu verurteilen.Der Beklagte beantragt,
das Versäumnisurteil vom 11.07.2016 aufrecht zu erhalten.Der Beklagte trägt vor, er habe die Rechtsverletzung nicht begangen; auf seinem Computer habe sich weder die Spieldatei – ganz oder teilweise – noch ein Filesharing-Progamm befunden. Zur Tatzeit hätten mehrere Personen Zugriff auf den Internetanschluss gehabt. Zum einen sein im Dachgeschoss lebender Mieter, zum anderen seine Familienmitglieder, namentlich seine Ehefrau, seine damals volljährige Tochter und sein damals kurz vor dem 18. Geburtstag stehender Sohn. Alle hätten zur Tatzeit über eigene Computer und dadurch über Zugang zum Internetanschluss des Hauses verfügt. Befragt nach der streitgegenständlichen Rechtsverletzung hätten alle Personen bekundet, das Spiel nicht zu kennen und es auch nicht heruntergeladen zu haben. Ihm sei zuvor niemals eine Abmahnung ins Haus gekommen. Er habe auch keinen Anlass gehabt, die Internetnutzung der anderen Bewohner zu überwachen. Der WLAN-Anschluss des Hauses sei hierneben per WPA-PSK verschlüsselt und mit individuell gewähltem, aus Groß- und Kleinbuchstaben, Zahlen und Sonderzeichen bestehendem Passwort gesichert.
Der Beklagte ist der Ansicht, der der Abmahnung zugrunde liegende Gegenstandswert von 10.000,00 EUR sei ebenso übersetzt wie der begehrte Lizenzschaden in Höhe von 700,00 EUR. Er bestreitet ferner mit Nichtwissen, dass die Klägerin die Anwaltskosten bereits bezahlt hat.
Das Gericht hat den Beklagten angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung des Mieters sowie der Familienangehörigen des Beklagten. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll der Sitzung vom 31.10.2016 (Bl. 104 ff. d. A.) verwiesen. Ergänzend wird auf alle zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Durch den zulässigen, insbesondere fristgerechten Einspruch der Klägerin wurde der Prozess in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befand, § 342 ZPO.
Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.
I.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Erstattung des Lizenzschadens in Höhe von 700,00 EUR aus § 97 Abs. 2 UrhG zu. Nach dieser Vorschrift ist derjenige, der das Urheberrecht oder ein anderes nach dem Urhebergesetz geschütztes Recht widerrechtlich und schuldhaft verletzt, zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass der Klägerin die ausschließlichen Nutzungsrechte an dem Computerspiel „[Name]“ zustehen. Diese Überzeugung stützt sich zum einen auf den unstreitigen Umstand, dass auf dem Datenträger des Spiels und seiner Verpackung die Klägerin als Inhaberin des Copyrights ausgewiesen ist, zum anderen auf den unstreitigen Umstand, dass in allen öffentlich zugänglichen Handelsquellen – etwa bei „Amazon.de“ – die Klägerin als Rechteinhaberin des Spiels bezeichnet wird, und schließlich auf den unstreitigen Umstand, dass in der vorgelegten Vertragskopie zwischen der Klägerin und der Entwickler-Firma der Klägerin die ausschließlichen, weltweiten und zeitlich unbeschränkten Verwertungsrechte an dem Spiel eingeräumt werden. Angesichts dessen bestehen – auch mit Blick auf den Umstand, dass der Beklagte die Aktivlegitimation lediglich vorsorglich mit Nichtwissen bestreitet – keine vernünftigen Zweifel daran, dass die Klägerin aktivlegitimiert ist.
Der Beklagte ist passivlegitimiert.
Nach den allgemeinen Grundsätzen trägt die Klägerin als Anspruchstellerin die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs erfüllt sind. Sie hat demgemäß darzulegen und im Bestreitensfall nachzuweisen, dass der Beklagte für die behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich ist. Allerdings spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen Internetanschluss benutzen konnten oder benutzt haben (ständige Rechtsprechung, zuletzt BGH v. 12.05.2016, 1 ZR 48/15 – „Everytime we touch“).
Dass zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung kein Dritter – namentlich keines der Familienmitglieder und auch nicht der Mieter des Beklagten – den Internetanschluss des Beklagten benutzt hat, steht zur Überzeugung des Gerichts mit der für das Beweismaß des § 286 ZPO erforderlichen Sicherheit fest.
Nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. Dabei setzt die Überzeugung von der Wahrheit einer beweisbedürftigen Tatsache keine absolute oder unumstößliche Gewissheit voraus, da eine solche nicht zu erreichen ist. Es genügt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGH, Urteil vom 14.12.1993 – VI ZR 221/92, NJW-RR 1994, 567, 568 m.w.N.).
Danach ist vorliegend aufgrund der Beweisaufnahme davon auszugehen, dass kein Dritter den Internetanschluss des Beklagten zur Tatzeit genutzt hat – mit der Folge, dass damit wieder die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Beklagten auflebt.
Der Zeuge [Name], der Mieter des Beklagten, hat bekundet, er habe das Computerspiel nicht heruntergeladen. Beruflich – als Hauptkommissar bei der Bundespolizei und Fachlehrer an der Bundespolizeiakademie – stehe er bereits den halben Tag auf dem Schießstand und habe daher abends kein Bedürfnis, Schießspiele zu spielen, zumal er privat Pazifist sei und nur gelegentlich ins Internet gehe. An dem Wochenende habe er sich zudem um seine Tochter gekümmert, die sich bei ihm zu Hause von einer Mandel-OP erholt habe. Von daher könne er sich sogar noch daran erinnern, dass es sich bei der betreffenden Nacht um eine ruhige Nacht gehandelt habe.
Die Zeugin [Name], die Ehefrau des Beklagten, hat bekundet, das Computerspiel nicht heruntergeladen zu haben. Sie kenne das Spiel nicht. Mit der Möglichkeit, so etwas runterzuladen, kenne sie sich zudem nicht aus.
Die Zeugin [Name], die Tochter des Beklagten, hat bekundet, keine Angabe dazu machen zu können, wer das Spiel heruntergeladen habe. Sie selber sei es jedenfalls nicht gewesen. Sie habe damals zwar einen internetfähigen Laptop besessen, könne heute aber schon nicht mehr mit Sicherheit sagen, ob sie den überhaupt dabei gehabt habe.
Der Zeuge [Name], der Sohn des Beklagten, hat bekundet, nach so langer Zeit zwar nicht mehr mit Sicherheit sagen zu können, was er zu der Tatzeit gemacht habe, aber davon ausgehe, dass er morgens um 04:00 Uhr geschlafen habe. Das Computerspiel sei ihm jedenfalls erst durch das Verfahren bekannt geworden. Er habe das Spiel nicht heruntergeladen. Er habe, nachdem er in 2013 von seinem Vater wegen der Abmahnung angesprochen worden sei, seinen Computer sogar nochmals genau untersucht und nichts gefunden.
Aufgrund der Aussagen der Zeugen ist das Gericht mit der für das Beweismaß des § 286 ZPO erforderlichen Sicherheit davon überzeugt, dass keiner der Zeugen das Computerspiel heruntergeladen hat. Dass einer der Zeugen das Spiel heruntergeladen hat und sich heute nicht mehr daran erinnert – mithin irrtümlich/fahrlässig die Unwahrheit bekundet hat -, kann ausgeschlossen werden, ohne dass dies der näheren Erörterung bedarf, zumal der Beklagte alle Zeugen bereits im Zusammenhang mit der Abmahnung, also nur wenige Wochen nach der Rechtsverletzung, auf diese angesprochen hat. Das Gericht schließt aber auch aus, dass einer der Zeugen vorsätzlich die Unwahrheit gesagt hat. Alle Zeugen haben dem Gericht sehr glaubhaft den Eindruck vermittelt, nach bestem Wissen und Gewissen ihre Erinnerung an die Tatnacht wiederzugeben. Die Aussagen der Zeugen waren allesamt schlüssig und widerspruchsfrei. Da die Zeugen im Wesentlichen eine Negativtatsache bekundet haben (nämlich, dass sie den Rechtsverstoß nicht begangen haben), war eine besonders ausführliche und detailhafte Aussage auch nicht zu erwarten. Soweit es die Aussage der Familienangehörigen des Beklagten betrifft, verleiht deren Aussage zusätzliche Beweiskraft der Umstand, dass sie (überhaupt) ausgesagt haben, obwohl sie von der primär beweisbelasteten Klägerseite als Zeugen benannt wurden und damit im Ergebnis gegen ihren Ehemann und Vater ausgesagt haben, anstatt sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht (über das sie belehrt wurden) zu berufen und die Klägerseite damit in unüberbrückbare Beweisnot zu bringen. Schließlich vermittelte auch das Auftreten der Zeugen vor Gericht und ihr Aussageverhalten dem Gericht den belastbaren Eindruck, dass die Zeugen subjektiv die Wahrheit bekunden. Alle Zeugen haben ihre Aussagen in ruhiger, entspannter Weise und ohne auffällige Emotionalität oder Nervosität getätigt.
Da damit feststeht, dass kein Dritter den Internetanschluss des Beklagten zur Tatzeit genutzt hat lebt die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Beklagten wieder auf, die weder durch die Erklärung des Beklagten, nicht der Täter zu sein, noch durch die Bekundung der Zeugin [Name], dass ihr Mann Computerspiele nicht leiden könne, beseitigt wird.
Das für einen Schadensersatzanspruch erforderliche Verschulden liegt beim Einsatz einer Tauschbörse jedenfalls in Form einfacher Fahrlässigkeit vor, ohne dass dies näherer Erläuterung bedarf.
Der danach der Klägerseite dem Grunde nach zustehende Schadensersatzanspruch besteht jedenfalls in Höhe der geltend gemachten 700,00 EUR. Die Schadensschätzung des Gerichts erfolgt da auf bestehende Tarifwerke nicht zurückgegriffen werden kann – nach freiem Ermessen des Gerichts unter Berücksichtigung aller Umstände (§ 287 ZPO). Dabei ist u.a. zu berücksichtigen der Umstand, dass die Rechtsverletzung noch innerhalb eines Jahres nach der Erstveröffentlichung des – damit mithin noch aktuellen – Spiels erfolgt ist. Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 11.06.2015 (BGH I ZR 19/14 – „Tauschbörse I“) die Annahme unbeanstandet gelassen, dass ein Musiktitel rund 400 mal von der Filesharingquelle herunter geladen wurde. Der BGH ist so bei einem Downloadwert von 50 ct / Titel auf einen Betrag von 200,00 EUR / Titel gekommen. Bei einem hier nicht fernliegenden Downloadpreis für das vorliegende Computerspiel von 10,00 EUR ergäbe sich der geltend gemachte Schadensersatz schon bei 70 Downloads. Hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte, die im Streitfall zu einem niedrigeren Ansatz führen müssten, sind jedenfalls weder dargetan noch ersichtlich.
II.
Der Klägerin steht ferner ein Anspruch gegen den Beklagten aus § 97 Abs. 2 UrhG in Höhe von 651,80 EUR, berechnet nach einer 1,3 Geschäftsgebühr zzgl. Post- und Telekommunikationspauschale und auf Grundlage eines Streitwerts von 10.000,00 EUR zu, und zwar unabhängig davon, ob die Klägerin die entstandenen Anwaltskosten bereits bezahlt hat. Denn die Abmahnung war – wie oben ausgeführt – in vollem Umfang gerechtfertigt. Der in diesem Fall bestehende Befreiungsanspruch gegenüber dem Verletzer nach § 249 BGB verwandelt sich in einen Zahlungsanspruch, wenn dieser eindeutig zu erkennen gibt, dass er die Erfüllung ablehnt. Ein solches Verweigern stellt jedenfalls der mit einer Begründung versehene Klageabweisungsantrag dar (LG Hamburg v. 12.02.2014, Az. 308 0 227/13 RN 38 ff. m.w.N.- juris).
Der von der Klägerin in Ansatz gebrachte Gegenstandswert in Höhe von 10.000,00 EUR ist für das öffentliche Zugänglichmachen eines unter einem Jahr auf dem Markt befindlichen Computerspiels nicht zu beanstanden. Bei der Bemessung des maßgeblichen Gegenstandswerts ist nicht nur auf das Wertinteresse des Gläubigers, sondern auch auf die Angriffsintensität abzustellen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass hier nicht lediglich eine Störerhaftung, sondern eine täterschaftliche Begehung des Beklagten gegeben ist, so dass ein Gegenstandswert von 10.000,00 EUR angemessen erscheint (vgl. LG Berlin v. 24.01.2014, Az. 15 S 16/12, ZUM 2014, 821 ff.; OLG Köln v. 03.04.2009, Az. 6 W 20/09 – juris).
III.
Die zugesprochenen Zinsen hinsichtlich Schadensersatzanspruch und Anwaltskosten ergeben sich aufgrund der Zahlungsaufforderung in der Abmahnung mit Fristsetzung zum 08.07.2013 aus §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1, 288 BGB.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 709, 91, 344 ZPO.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600,00 EUR übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem
Landgericht Flensburg
Südergraben 22
24937 Flensburgeinzulegen.
Die Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung der Entscheidung.
Die Berufung muss mit Schriftsatz durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt eingelegt werden. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Berufung eingelegt werde.
Die Berufung muss binnen zwei Monaten mit Anwaltsschriftsatz begründet werden. Auch diese Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung.
Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 EUR übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.
Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem
Amtsgericht Lübeck
Am Burgfeld 7
23568 Lübeckeinzulegen.
Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.
Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.
Dr. [Name]
Richter am Amtsgericht (…)
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AG Lübeck, Urteil vom 28.11.2016, Az. 20 C 15/16
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