Dr. Wachs Rechtsanwälte: Amtsgericht Frankfurt am Main weist BaumgartenBrandt Klage ab (Mitnutzer zwischenzeitlich verstorben)

10:33 Uhr

Die Hamburger Kanzlei „Dr. Wachs Rechtsanwälte“ informiert über eine Klageabweisung durch das Amtsgericht Frankfurt am Main (Urt. v. 16.06.2016, Az. 29 C 945/16 (46)) mit traurigen Hintergund.

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Rechtsanwalt Dr. Alexander Wachs

 

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Die beklagte Anschlussinhaberin haftet weder als Störerin, noch als Täterin bzw. Teilnehmerin. Zum Zeitpunkt der Abmahnung im Jahr 2010 lebte die Beklagte gemeinsam mit ihren Vater in einem Haushalt. Dabei nutzte der Vater das Internet mit und verbrachte seine überwiegende Zeit am Rechner. Aufgrund einer schweren Krankheit verstarb der Vater leider 2011. Das Amtsgericht Frankfurt am Main wendete strikt die Rechtsprechung des BGH an und stellte fest, dass die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast gerecht wurde.

 

(…) Hier hat die Beklagte vorgetragen und zur Überzeugung des Gerichts im Rahmen der Beweisaufnahme durch Eingabe der schriftlichen Zeugenaussage von Frau [Name] hinreichend belegt, dass neben ihr im fraglichen Zeitraum auch ihr – offensichtlich erwachsener – Vater Zugang zu dem streitgegenständlichen Internetanschluss hatte. (…)

 

Amtsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 16.06.2016, Az. 29 C 945/16 (46)

 

(…) – Beglaubigte Abschrift –

Amtsgericht Frankfurt am Main
29 C 945/16 (46)

Verkündet – lt. Prot. – am: 16.06.2016
[Name], JAe
Urkundsbeamtin- / beamter der Geschäftsstelle

URTEIL

Im Namen des Volkes

In dem Rechtsstreit

[Name],
Klägerin

Prozessbevollmächtigte: [Name],

gegen

[Name],
Beklagte

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. Alexander Wachs, Osterstraße 116, 20259 Hamburg,

hat das Amtsgericht Frankfurt am Main durch Richterin am Amtsgericht [Name] im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzschluss vom 02.06.2016 für Recht erkannt:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils vollstreckbaren Betrags leistet.

IV. Der Streitwert wird festgesetzt auf 956,00 EUR.

 

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Schadensersatz wegen Verletzung eines urheberrechtlich geschützten Rechts.

Die Klägerseite ist ausweislich des Ausdrucks der IMDb Co-Produzentin des Films „[Name]“.

Die Beklagte war im November 2009 Anschlussinhaberin eines Internetanschlusses mit der IP-Adresse 79.xxx.xxx.81. In diesem Zeitraum lebte sie in ihrer Wohnung zusammen mit ihrem Vater, Herrn [Name], der im Januar 2011 [Grund] verstorben ist.

Mit anwaltlichem vorgerichtlichem Schriftsatz vom 29. März 2010 mahnte die Klägerseite die Beklagte wegen Verletzung des Urheberrechts im Internet bezogen auf den Film „[Name]“ ab.

Die Klägerin behauptet, Inhaberin ausschließlicher Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem Filmwerk zu sein. Dieses sei unerlaubt am xx.11.2009 um [Uhrzeit] Uhr über die IP-Adresse der Beklagten im Internet öffentlich zugänglich gemacht worden. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte jedenfalls im Rahmen der Störerhaftung schadensersatzpflichtig sei.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagtenseite zu verurteilen, an die Klägerseite einen angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch insgesamt nicht weniger als 400,00 EUR betragen soll, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, sowie

die Beklagtenseite zu verurteilen, an die Klägerseite einen Betrag in Höhe von 555,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, ihr Vater habe ihren Internetanschluss mitbenutzt und viel Zeit in seinem PC verbracht.

Das Gericht hat Beweis erhoben aufgrund des Beweisbeschlusses vom 05.02.2016 (vgl. BI. 179 d.A.) durch die schriftliche Zeugenvernahme der Zeugin [Name], siehe BI. 191 f. d.A..

Ergänzend wird auf die Eingaben der Parteien nebst Anlagen, die gerichtlichen Verfügungen sowie die übrigen Aktenbestand wird Bezug genommen.

Die Parteien haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gem. § 128 Abs. 2 ZPO zugestimmt.

 

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Unabhängig von der rechtlichen, sachlichen und prozessual schwierigen Frage der Aktivlegitimation der Klägerseite und der nicht unumstrittenen Problematik der Qualität der Recherchedienstleistungen der klägerseits in Anspruch genommenen Limited ist der Beklagten jedenfalls keine Rechtsverletzung gem. § 97 UrhG vorzuwerfen.

Die grundsätzliche Vermutung dafür, dass die Beklagte als Anschlussinhaberin die Klägerseite vorgeworfene Rechtsverletzung anzulasten sei, hat die Beklagte hinreichend zur Überzeugung des Gerichts (vgl. § 286 ZPO) im Rahmen des Rechtsstreits zu erschüttern vermocht.

Die entsprechende Vermutung zu Lasten des Anschlussinhabers stellt eine Beweiserleichterung dar. Da der durch eine Rechtsverletzung Betroffene keinen Einblick in die näheren Verhältnisse beim Anschlussinhaber hat, soll ihm mit dem Instrument der tatsächlichen Vermutung und der daraus folgenden sekundären Darlegungslast des Anschlussinhabers eine Rechtsverfolgung im Grundsatz ermöglicht werden (kritisch dazu Zimmermann, MMR 2014, 368, 369 f.). Dabei ist das Ergebnis der Vermutung bei Einzelanschlüssen, dass zunächst davon ausgegangen wird, dass der Anschlussinhaber für die Tat im Sinne von § 97 Abs. 1, 2 UrhG verantwortlich ist, dass er sie also durch eigenes Handeln begangen hat. Diese Vermutung greift aber nur dann, wenn nicht die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass ein anderer als der vermutete Täter die Tat begangen hat (BGH GRUR 2014, 657 = K&R 2014, 513 – „BearShare“).

Es ist insoweit anerkannt, dass es bei einer Mehrzahl von Personen, die einen Anschluss nutzen, ohne diesen gemeinsam angemeldet zu haben, möglich ist, dass nicht der Anschlussinhaber, sondern der Dritte die Tat begangen hat. In diesem Fall soll die Beweiserleichterung zu Gunsten des Verletzten nicht greifen. Dabei hat der BGH insbesondere anerkannt, dass der Dritte ohne Wissen und ohne Zutun des Anschlussinhabers die Tat begangen haben kann. Dementsprechend ist der Dritte als (möglicher) eigenständiger Täter neben dem Anschlussinhaber anzusehen, so dass dem Anschlussinhaber selbst eine Tatbegehung mit der Folge der Haftung nach § 97 UrhG nicht mehr vorzuwerfen und dementsprechend eine Vermutung zu seinen Lasten nicht begründet ist (vgl. nur BGH K&R 2014, 513 Rn. 15 ff. – „BearShare“). Auch hat der BGH nicht bereits das Anmelden eines Internetanschlusses und die Einräumung der Möglichkeit der Mitnutzung nicht als ausreichend angesehen, da sonst die vom BGH aufgestellte Vermutung entbehrlich wäre.

Hier hat die Beklagte vorgetragen und zur Überzeugung des Gerichts im Rahmen der Beweisaufnahme durch Eingabe der schriftlichen Zeugenaussage von Frau [Name] hinreichend belegt, dass neben ihr im fraglichen Zeitraum auch ihr – offensichtlich erwachsener – Vater Zugang zu dem streitgegenständlichen Internetanschluss hatte. Die Dezernentin ist infolge der Eingaben der Beklagtenseite und nach dem Studium der schriftlichen Zeugenaussage von Frau [Name] bezüglich derer das Gericht keinen Anlass hat an ihnen zu zweifeln, ohne begründbaren Zweifel davon überzeugt, dass neben der Beklagten auch der zwischenzeitlich verstorbene Herr [Name] als Täter in Betracht käme. Für das Gericht stets in diesem Zusammenhang fest, dass der Vater der Beklagten Zugang im Rahmen der Internetnutzung der entsprechenden IP-Adresse hatte und als möglicher Täter der behaupteten Urheberrechtsverletzung infrage kommt.

Mit ihrem Vortrag hat die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH (vgl. GRUR 2014, 657 = K&R 2014, 513 – „BearShare“) hinreichend Genüge getan. Sie hat vorgetragen, dass und welche andere Person selbstständigen Zugang zu ihrem Internetanschluss hatte und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kam.

Die klägerseits erhobenen weiteren Anforderungen an diese sekundäre Darlegungs- und Beweislast finden keine Untermauerung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung und waren folglich in diesem konkreten Einzelfall als überzogen einzustufen.

Die Beklagte haftet auch nicht als Störerin für die behauptete Rechtsverletzung. Unabhängig von der Frage der Verschlüsselung des Internetzugangs im Jahr 2009 kommt nach Vortrag der Beklagten als Täter der Rechtsverletzung andere erwachsene Person als die Beklagte, nämlich ihr Vater, in Betracht. In diesem Zusammenhang sind der Beklagten keine etwaigen Rechtsverletzungen vorzuwerfen.

Nach der Rechtsprechung des BGH müssen erwachsene Familienmitglieder nicht separat belehrt werden (BGH GRUR 2014, 657 = K&R 2014, 513 Rn. 24 – „BearShare“, OLG Frankfurt, Urt. v. 22.3.2013 – Az. 11 W 8/13, GRUR-RR 2013, 246; OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.3.2013 – Az. 1-20 U 63/12, ZUM 2014, 406; OLG Köln, Urt. v. 16.5.2012 – Az. 6 U 239/11, K&R 2012, 526; s. auch schon OLG Frankfurt, Urt. v. 20.12.2007 – Az. 11 W 58/07, K&R 2008, 113).). Dementsprechend oblag es der Beklagten nicht, ihren Vater ohne konkrete Anhaltspunkte für eine bereits begangene oder bevorstehende Urheberrechtsverletzung darüber zu belehren, keine Rechtsverletzungen über den gemeinsam benutzten Internetanschluss zu begehen. Es sind keine entsprechenden Hinweise aktenkundig, dass eine Ausnahme zu dieser Regelung vorgelegen hätte.

Infolgedessen dass die ernsthafte Möglichkeit der Nutzung des Anschlusses durch den Vater der Beklagten bestand, kam es auf die rein potenzielle Möglichkeit der Nutzung durch Dritte und die entsprechende Sicherung des Anschlusses nicht mehr für die Entscheidungsfindung an.

II.

Die klägerseits begehrten Abmahnkosten teilen das Schicksal des abgewiesenen Hauptantrags.

III.

Die Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 91 ZPO und folgt dem klägerischen Unterliegen.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung erfolgt unter Beachtung der Klageanträge gemäß § 48 GKG i.V.m. §§ 2,4 ZPO.

 

Rechtsbehelfsbelehrung

Diese Entscheidung kann mit der Berufung angefochten werden. Sie ist einzulegen innerhalb einer Notfrist von einem Monat bei dem

Landgericht Frankfurt am Main,
Gerichtsstraße 2,
60313 Frankfurt am Main.

Die Frist beginnt mit der Zustellung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Beschwerdegegenstand 600,00 EUR übersteigt oder das Gericht die Berufung in diesem Urteil, zugelassen hat. Zur Einlegung der Berufung ist berechtigt, wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Die Berufung wird durch Einreichung einer Berufungsschrift eingelegt. Die Berufung kann nur durch einen Rechtsanwalt eingelegt werden.

Diese Entscheidung kann hinsichtlich der Streitwertfestsetzung mit der Beschwerde angefochten werden. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache rechtskräftig geworden ist oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem

Amtsgericht Frankfurt am Main,
Gerichtsstraße 2,
60313 Frankfurt am Main

eingeht.

Wird der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt, kann die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung der Festsetzung bei dem Gericht eingelegt werden.

Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zu diesem Beschluss zugelassen hat.

Beschwerdeberechtigt ist, wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des genannten Gerichts eingelegt. Sie kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts erklärt werden, wobei es für die Einhaltung der Frist auf den Eingang bei dem genannten Gericht ankommt. Sie ist von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen. Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Soll die Entscheidung nur zum Teil angefochten werden, so ist der Umfang der Anfechtung zu bezeichnen.

[Name]
Richterin am Amtsgericht

[Dienstsiegel]

Beglaubigt
Frankfurt am Main, 17.06.2016
[Name], Justizangestellte (…)

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Amtsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 16.06.2016, Az. 29 C 945/16 (46)

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