Waldorf Frommer Rechtsanwälte (München): Das Landgericht Köln zur Haftung eines Anschlussinhabers wegen illegaler Tauschbörsennutzung durch Minderjährige

16:29 Uhr

Gegenstand des Verfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützter Filmaufnahmen. Das Landgericht Köln hat die Verurteilung eines Familienvaters wegen einer durch seinen minderjährigen Sohn begangenen Urheberrechtsverletzung bestätigt.

 

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Autorin:
Rechtsanwältin Carolin Kluge

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Im Rahmen ihrer Aufsichtspflicht haben Eltern nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ihre Kinder zu beaufsichtigen, um eine Schädigung Dritter durch eine Urheberrechte verletzende Teilnahme des Kindes an Tauschbörsen zu verhindern. Handelt es sich um ein normal entwickeltes Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, so müssen Eltern das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten.

Nicht ausreichend ist es insoweit, dem Kind nur die Einhaltung allgemeiner Regeln zu einem ordentlichen Verhalten aufzugeben (BGH, Urteil vom 11.06.2015 – I ZR 7/14 – Tauschbörse II). Die Eltern trifft im Rahmen der Haftung nach § 832 BGB die volle Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der ausreichenden Belehrung. Der Anschlussinhaber hatte in diesem Verfahren in der ersten Instanz (AG Köln, Urteil vom 11.05.2016 – 137 C 478/15) vorgetragen, sein minderjähriger Sohn habe nach Erhalt der Abmahnung eingeräumt, für das illegale Filesharing verantwortlich zu sein. Der Vater machte geltend, seinen Sohn ausreichend belehrt zu haben und war der Ansicht, nicht für die Rechtsverletzung seines Kindes einstehen zu müssen. Bereits das Amtsgericht Köln war dieser Auffassung nicht gefolgt. Da der Beklagte bereits nicht vorgetragen habe, dass eine Belehrung zeitlich vor der Rechtsverletzung stattgefunden habe, sei diesbezüglich kein Beweis zu erheben. Der Beklagte wurde vollumfänglich verurteilt.

Hiergegen wendete sich der Beklagte mit der Berufung, im Rahmen derer er ergänzend zu der Belehrung seines Kindes vortrug. Das Landgericht Köln führte hierauf eine Beweisaufnahme mit der Familie durch. Dem Beklagten gelang es aber selbst mithilfe sämtlicher Familienangehöriger nicht, die Belehrung zur Überzeugung des Landgerichts nachzuweisen. Das Landgericht führte insofern aus, dem Beklagten sei insbesondere nicht der Nachweis über die Belehrung der Funktionsweise einer Tauschbörse gelungen. Vielmehr gaben die Beteiligten an, nicht genau zu wissen, wie eine solche funktioniere. Aus diesem Grund könne auch dahinstehen, ob der Sohn in diesem Fall nicht auch näher zu kontrollieren sei, da er sich nach Angaben seiner Mutter nicht immer an die Anweisungen der Eltern gehalten habe.

Der Beklagte wurde daher rechtskräftig zur Zahlung der außergerichtlichen Abmahnkosten, zum Ersatz des Lizenzschadens sowie zur Übernahme sämtlicher Verfahrenskosten beider Instanzen verurteilt.

 

 

LG Köln, Urteil vom 17.05.2018 – 14 S 34/16

 

(…) – Beglaubigte Abschrift –

14 S 34/16
137 C 478/15 Amtsgericht Köln

Verkündet am 17.05.2018
[Name], Justizbeschäftigte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

 

Landgericht Köln

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

 

In dem Rechtsstreit

des Herrn [Name], 80538 München,
Beklagten und Berufungsklägers,

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte [Name], 80802 München,

gegen

[Name],
Klägerin und Berufungsbeklagte,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Waldorf Frommer, Beethovenstraße 12, 80336 München,

 

hat die 14. Zivilkammer des Landgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 22.03.2018 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht [Name], die Richterin am Landgericht [Name] und den Richter [Name]

für Recht erkannt:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 11.05.2016, Az.: 137 C 478/15, wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 11.05.2016, Az.: 137 C 478/15, teilweise abgeändert und wird der Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere 100,00 EUR zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 20.03.2015 zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Dat Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

GRÜNDE:

 

I.

Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen Filmherstellerrechte an dem Film [Name] u.a. zur Vervielfältigung und öffentlichen Zugänglichmachung. Sie nimmt den Beklagten auf Zahlung von Lizenzschadensersatz in Höhe von 600,00 EUR sowie vorgerichtlicher Abmahnkosten in Zusammenhang mit illegalen Download-Angeboten des streitgegenständlichen Films im Rahmen einer sogenannten Filesharing-Tauschbörse in Anspruch.

Am [Datum] wurde um [Uhrzeit] Uhr und um [Uhrzeit] Uhr von dem mittels WPA2-Verschlüsselung gesicherten Internetanschluss des Beklagten der streitgegenständliche Film für andere Nutzer einer so genannten Filesharing-Tauschbörse, dem BitTorrent-Netzwerk, zum Download bereitgehalten. Zwischen den Parteien ist nunmehr unstreitig, dass die Rechtsverletzungen von dem damals 12jährigen Sohn des Beklagten, dem Zeugen [Name], begangen wurden.

Die Klägerin ließ den Beklagten mit Schreiben vom [Datum] (Anlage K 4-1, Bl. 48 ff.) abmahnen. Diesbezüglich begehrt die Klägerin Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 506,00 EUR.

Der Beklagte hat bestritten, für die streitgegenständliche Rechtsverletzung verantwortlich zu sein und behauptet, sein Sohn habe die Rechtsverletzung begangen. Er habe seine Kinder immer wieder belehrt, dass der Internetzugang nicht für illegale Dinge zu gebrauchen sei, insbesondere nicht für den Up- und Download von Filmen, Musik oder Spielen aus Tauschbörsen. Er selbst sei zur Tatzeit berufsbedingt ortsabwesend in Holland gewesen. Nach Erhalt der Abmahnung habe sein Sohn [Name] zugegeben, entgegen den Anweisungen seines Vaters gehandelt zu haben.

Das Amtsgericht hat der Klage i.H.v. 500,00 EUR Lizenzschadensersatz sowie 506,00 EUR vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin stünden die zuerkannten Ansprüche jedenfalls aus § 832 BGB wegen Verletzung der Aufsichtspflicht von Seiten des Beklagten zu. Der Beklagte habe nicht dargelegt, dass er seinen 12jährigen Sohn konkret und insbesondere vor der streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzung ausreichend belehrt habe.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil‘ Bezug genommen, § 540 Abs. 1 ZPO.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Der Beklagte rügt, dass das Amtsgericht seinen erstinstanzlichen Vortrag zu Zeitpunkt und Umfang der Belehrung nicht ausreichend gewürdigt habe. Insbesondere habe er bereits in erster Instanz vorgetragen, dass diese Belehrung vor der streitgegenständlichen Rechtsverletzung erfolgt sei, wie sich bereits daraus ergebe, dass sein Sohn [Name] eingeräumt habe, gegen die Anweisungen des Vaters Verstoßen zu haben. Der Beklagte ist ferner der Ansicht, er habe der ihn treffenden sekundären Darlegungslast genügt. Das Amtsgericht habe verkannt, dass die Beweislast für eine unzureichende Belehrung der Klägerin obliege.

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 11.05.2016 – 137 C 478/15 – teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Im Wege der unselbstständigen Anschlussberufung beantragt die Klägerin,
das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 11.05.2016 – 137 C 478/15 – teilweise abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin weitere 100,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.03.2015 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil, soweit von ihr nicht angegriffen. Sie macht sich das Vorbringen des Beklagten zur Täterschaft seines Sohnes zu eigen. Die Klägerin bestreitet eine ausreichende Belehrung des Sohnes [Name] und ist der Ansicht, der Beklagte hafte nach § 832 BGB. Es sei unwahrscheinlich, dass der Sohn des Beklagten die Anweisungen, nichts Illegales zu tun, überhaupt zutreffend in ihrer Reichweite erfasst habe.

Die Klägerin rügt ferner die teilweise Abweisung des von ihr geltend gemachten Anspruchs auf Zahlung von Lizenzschadensersatz. Sie ist der Ansicht, die Kürzung des Schadenersatzanspruchs sei willkürlich und nicht nachvollziehbar begründet. Im Hinblick darauf, dass bereits regelmäßig nach der obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung für das illegale Download-Angebot eines einzigen Songtitels bereits ein Schadensersatzanspruch von 200,00 EUR zugesprochen werde, liege der von ihr geltend gemachte Schadensersatz von 600,00 EUR am unteren Rand des nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs angemessenen Betrages.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze und die von den Parteien vorgelegten Unterlagen und Schriftstücke Bezug genommen.

Die Kammer hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 28.09.2017 (Bl. 266 GA) durch Einvernahme der Zeugen [Namen].

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.03.2018 (Bl. 286 ff. GA) Bezug genommen.

 

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Die zulässige Anschlussberufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg.

1.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten über den von dem Amtsgericht bereits zuerkannten Betrag von 500,00 EUR hinaus Anspruch auf Zahlung weiteren Lizenzschadensersatzes in Höhe von 100,00 EUR gemäß § 97 Abs. 2 UrhG i.V.m. §§ 15, 19a UrhG.

a)

Die Klägerin ist als Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an dem streitgegenständlichen Film [Name] aktivlegitimiert.

b)

Der Beklagte ist passivlegitimiert. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass über den Internetanschluss des Beklagten am [Datum] zu den von der Klägerin vorgetragenen Zeitpunkten (Anlage K2, Bl. 45 GA) der Film [Name] im Rahmen einer Filesharing-Tauschbörse anderen Nutzern zum Download angeboten wurde. Dies stellt eine öffentliche Zugänglichmachung im Sinne von §§ 15, 19a UrhG dar.

c)

Der Beklagte ist auch täterschaftlich dafür verantwortlich, dass der streitgegenständliche Film zu den hier fraglichen Zeitpunkten am [Datum] öffentlich zugänglich gemacht worden ist. Zwar trägt die Klägerin nach den allgemeinen Grundsätzen als Anspruchstellerin die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs auf (Lizenz-) Schadensersatz sowie auf Erstattung von Abmahnkosten erfüllt sind. Danach ist es grundsätzlich ihre Sache darzulegen und nachzuweisen, dass der Beklagte für die von ihr behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 15.11.2012 – I ZR 74/12, GRUR 2013, 511 Rn. 32 = WRP 2013, 799 Morpheus; Urteil vom 08.01.2014 – I ZR 169/12, BGHZ. 200, 76 Rn. 14 – BearShare; Urteil vom 11.06.2015 – 175/14 – Tauschbörse III; Urteil am 12.05.2016 – I ZR 48/15 – Everytime we touch). Allerdings spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen Internetanschluss benutzen konnten. Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde.

Im Hinblick auf die Verschlüsselung des Internetanschlusses des Beklagten mit dem Standard WPA2 bestehen keine Anhaltspunkte für den Zugriff eines unbefugten Dritten auf den Internetanschluss des Beklagten. Dies wird auch von keiner der Parteien geltend gemacht.

Der Beklagte hat zwar der ihm als Anschlussinhaber obliegenden sekundären Darlegungslast zur Nutzung das Internetanschlusses genügt, indem er vorgetragen hat, dass sein Sohn [Name] die Rechtsverletzung eigenständig begangen habe. Dies führt vorliegend jedoch nicht zu einer Entlastung des Beklagten. Im Ergebnis zu Recht hat das Amtsgericht den Beklagten gemäß § 832 BGB wegen Verletzung der Aufsichtspflicht zur Zahlung von Lizenzschadensersatz verurteilt.

Der Beklagte war kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über seinen damals 12jährigen und damit minderjährigen Sohn verpflichtet (§§ 1626- Abs. 1, 1631 Abs. 1 BGB). Gemäß § 832 Abs. 1 S. 1 BGB ist, wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die – hier – wegen Minderjährigkeit der Beaufsichtigung bedarf, zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt. Für die streitgegenständlichen Rechtsverletzungen haftet danach der Beklagte, weil, wie mittlerweile zwischen den Parteien unstreitig ist, der Sohn [Name] diese im Alter von zwölf Jahren begangen hat. Der Beklagte hat nicht den ihm nach § 832 Abs. 1 S. 2 BGB obliegenden Entlastungsbeweis geführt, dass er seiner Aufsichtspflicht genügt habe oder der Schaden auch bei gehöriger Aufsicht entstanden sein würde.

Zum Umfang und Zeitpunkt der Belehrung war Beweis zu erheben (§ 538 Abs. 1 ZPO), weil der Beklagte bereits in erster Instanz ausreichend substantiiert unter Beweisantritt zum Inhalt und Zeitpunkt der Belehrung vor der Rechtsverletzung vorgetragen hat (Schriftsatz vom 10.03.2016, Bl. 106 ff GA).

Entgegen der Ansicht des Beklagten trifft diesen als Aufsichtspflichtigen die Beweislast für die Erfüllung der Aufsichtspflicht (vgl. BGH NJW-RR 1987, 13; BGH, Urteil vom 15.11.2012 – I ZR 74/12 – Morpheus, juris Rn. 22) oder die fehlende Ursächlichkeit (Palandt – Sprau, BGB, 77. Aufl. 2018 § 832 Rn. 8 m.w.N.).

Diesen Entlastungsbeweis hat der Beklagte nicht zur Überzeugung des Gerichts geführt.

Zutreffend hat das Amtsgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausgeführt, dass Eltern verpflichtet sind die Internetnutzung ihres minderjährigen Kindes zu beaufsichtigen, um eine Schädigung Dritter durch das Kind zu verhindern. Dazu zählt die Verhinderung der Urheberrechte verletzenden Teilnahme des Kindes an Tauschbörsen (BGH, Urteil vom 15.11.2012 – I ZR 74/12, Morpheus, juris Rn. 22 ff.; Urteil vom 11.06.2015 – I ZR 7/14, Tauschbörse III, juris Rn. 32). Allerdings genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig. bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten (vgl. BGH, Urteil vom 11.06.2015 – I ZR 7/14.- Tauschbörse II, juris Rn. 32; BGH, Urteil vom 11.06.2015 – I ZR 75/14 – Tauschbörse III, juris Rn. 44). Da die Belehrung kein Selbstzweck ist, sondern die Erfüllung der Aufsichtspflicht sicher stellen soll, muss sie indes in der Weise erfolgen, dass das zu belehrende Kind / der Jugendliche den Inhalt der Anweisung, bezogen auf das konkret zu unterlassende Verhalten; auch tatsächlich versteht. Die Verwendung allgemeine Floskeln, wie der Hinweis „nichts Illegales zu tun“, sind aus diesem Grund allein nicht für eine den Aufsichtspflichtigen entlastende Belehrung ausreichend. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Aufsichtsbedürftige (noch) keine konkrete Vorstellung von dem zugelassenen Verhalten hat.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte oder seine Ehefrau, die Zeugin [Name] ihren damals minderjährigen Sohn [Name] in ausreichender Form belehrt haben. Die Zeugin [Name] hat hierzu bekundet, sie und ihr Mann hätten damals nichts vom Computer und vom Internet verstanden. Sie hätten von Bekannten gehört, man solle vorsichtig sein mit der Nutzung von Werbung, wo Spiele oder Filme anschauen könne und man bezahlen müsse, wenn solche Werbung angenommen werde. Sie hätten ihren Kindern mehrfach gesagt, dass sie das nicht machen sollten. Nach der Bekundung des Zeugen [Name] war die Belehrung der Söhne allgemein gehalten, des Inhaltes, dass diese „keine illegalen Dinge“ machen dürften. Ersichtlich war dem Sohn [Name] damals, und ist auch heute noch die konkrete Funktionsweise einer Filesharing-Tauschbörse nicht bekannt. Selbst nach sechs Jahren konnte der Zeuge [Name] nunmehr wesentlich älter, deren Funktionsweise nicht erklären noch erläutern, wie es letztendlich zu der Rechtsverletzung gekommen sei.

Hierzu bekundete der Zeuge [Name], dass er nicht mehr wisse, wie eine Tauschbörse funktioniere. Der Zeuge [Name] bekundete, dass ihm zum damaligen Zeitpunkt bekannt gewesen sei, wss eine Tauschbörse sei, dort könne man Musik und Ähnliches illegal herunterladen. Seiner Mutter, der Zeugin [Name], habe er den Inhalt des Abmahnschreibens jedoch erläutern müssen, weil sie diesen nicht verstanden habe.

Auf Grundlage dieser Bekundungen hat der Beklagte den ihm obliegenden Beweis, seinen Sohn [Name] ausreichend belehrt zu haben, nicht zur Überzeugung des Gerichts geführt. Keiner der Zeugen hat bekundet, dass der Zeuge [Name] von seinen Eltern vor den streitgegenständlichen Rechtsverletzungen auf die Besonderheit der Teilnahme an einer Internet-Tauschbörse hingewiesen worden wäre, insbesondere darauf, dass dabei nicht nur etwas heruntergeladen, sondern vor allen Dingen die urheberrechtlich geschützten Werke für alle anderen Teilnehmer einer Tauschbörse auch zum Download angeboten werden und gerade dies eine. schwerwiegende Rechtsverletzung darstellt. Augenscheinlich ist bis heute diese Komponente der Teilnahme an einer Tauschbörse weder den Zeugen [Name], noch der Zeugin [Name] selbst oder dem Zeugen [Name] bewusst, obgleich Letzterer doch angab, die Funktionsweise einer Tauschbörse zu kennen und bessere Kenntnisse zu haben als seine Eltern.

Auf Grundlage der Bekundungen der Zeugen ist nicht ersichtlich und von dem Beklagten nicht bewiesen, dass dieser oder seine Ehefrau im Zeitpunkt der Belehrung seines minderjährigen Sohnes [Name] selbst wussten, wie eine Tauschbörse funktionierte und sie deshalb überhaupt in der Lage gewesen wären, ihren Sohn [Name] ausreichend aufzuklären.

Da bereits eine ausreichende Belehrung nicht zur Überzeugung des Gerichts bewiesen ist, kann dahinstehen, ob der Beklagte nicht ohnehin gehalten war, die Internetnutzung seines Sohnes [Name] näher zu kontrollieren. Dies im Hinblick darauf, dass der Sohn [Name] sich nach seiner Aussage eben nicht an die Anweisungen gehalten hatte und dies, nach seinem Bekunden, von den Eltern auch bemerkt worden war und Anlass für wiederholte Ermahnungen „dies nicht zu tun“ gewesen war.

Auf das Verschulden des Aufsichtsbedürftigen kommt es grundsätzlich nicht an (Palandt – Sprau, BGB § 832 Rn. 7). Der Aufsichtspflichtige haftet für eigenes vermutetes schuldhaftes Handeln, nämlich, dass es seine Aufsichtspflicht schuldhaft verletzt hat, indem er die im konkreten Fall erforderlichen Handlungen ganz oder teilweise unterlassen hat.

d)

§ 832 BGB begründet eine Haftung für vermutetes Verschulden. Hingegen kommt es auf ein Verschulden des Aufsichtsbedürftigen nicht an. Vermutet wird ferner, dass zwischen der Verletzung der Aufsichtspflicht und dem entstandenen Schaden ein ursächlicher Zusammenhang besteht (Palandt – Sprau, BGB, § 832 Rn. 1, 7 m.w.N.).

e)

Der Klägerin steht gegen den Beklagten der Höhe nach der geltend gemachte Schadensersatzanspruch wegen des unberechtigten Anbietens des streitgegenständlichen Films in Filesharing-Netzwerken aus §§ 97 Abs. 2, 15 Abs. 2 i.V.m. 19a UrhG i.H.v. 600,00 EUR zu.

Für den Schadensersatzanspruch entspricht es der Rechtsprechung der Kammer, als Anhaltspunkt für die Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO auf die Beträge abzustellen, die für vergleichbare Nutzungsarten vereinbart werden. Der Kammer ist aus einer Reihe von Fällen gerichtsbekannt, dass bereits für die zeitlich und räumlich beschränkte Lizenz zum Anbieten eines einzelnen Musikstücks. im Internet Lizenzgebühren im vierstelligen Euro-Bereich vereinbart werden. Auch aus diesem Grund setzt die Kammer in ständiger Rechtsprechung für das Angebot von Musikaufnahmen über Filesharingnetzwerke im Internet für den Regelfall jeweils 200,00 EUR pro Musiktitel als angemessenen Schadensersatz an. Dies entspricht der obergerichtlichen (vergleiche etwa OLG Köln, Urteil vom. 06.12.2015 – 6 U 209/13; OLG Hamburg, Urteil vom 05.11.2013 – 5 U 222/10; OLG Frankfurt, Urteil vom 15.07.2014 – 11 U 115/13; Urteil vom 16.12.2014 – 11 U/14) und auch der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vergleiche BGH, Urteile vom 11.06.2015 zu I ZR 4/14, I ZR 19/14 und I ZR 75/14 – Tauschbörse I-III; Urteil vom 12.05.2016 – I ZR 48/15 – Everytime we touch).

In Anbetracht dessen hält die Kammer ebenfalls in ständiger Rechtsprechung das Verlangen von Lizenzschadensersatz im Bereich von 400,00 EUR – 600,00 EUR für das rechtswidrige Angebot eines Filmwerkes im Rahmen eines Filesharing-Netzwerkes nicht für übersetzt (vgl. etwa Urteil der Kammer vom 07.05.2015 – 14 S 44/14 und Urteil vom 06.08.2014 – 14 S 5/14).

Auch der von der Klägerin vorliegend geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Lizenzschadensersatz von 600,00 EUR erachtet die Kammer gemäß § 287 ZPO nicht für übersetzt. Anhaltspunkte für eine Kürzung des Anspruchs um 100,00 EUR, wie sie der das Amtsgericht vorgenommen hat, sind von dem Amtsgericht nicht nachvollziehbar dargetan, die Kürzung erscheint in der Sache nicht gerechtfertigt.

Dies vor dem Hintergrund, dass sich der streitgegenständliche Film, welcher ausweislich Anlage K1 (Bl. 63 GA) 2011 produziert worden ist, im Zeitpunkt der Rechtsverletzung Anfang 2012 (10.03.2012) noch in seiner aktuellen Verwertungsphase befand. Auch im Hinblick auf den Umfang des streitgegenständlichen Filmes, welcher eine Laufzeit von 84 Minuten hat (Anlage K 1, Bl. 63 GA), erscheint ein Lizenzschadensbetrag von 600,00 EUR keinesfalls übersetzt, denn dieser erreicht lediglich das Dreifache des Betrages, welcher regelmäßig für das illegale Download-Angebot einer Single in der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit 200,00 EUR für angemessen erachtet wird.(vgl. BGH, Urteil vom 12.05.2016 – I ZR 48/15 – Everytime we touch, juris. Rdnr. 56). Zu berücksichtigen ist hierbei ferner, dass eine Single weder nach Spieldauer, noch nach Produktionskosten auch nur annähernd die Werte erreicht wie Filme der streitgegenständlichen Art.

2.

Der Von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren für die Abmahnung vom 09.05.2012 ist gemäß § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG a.F. begründet. Die Klägerin berechnet ihren Anspruch zutreffend nach einem Gegenstandswert von 10.000,00 EUR in Höhe einer 1,0 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 W RVG zuzüglich einer Auslagenpauschale nach Nr. 7.002 VV RVG mit 506,00 EUR (S. 32 der Anspruchsbegründung, Bl. 39 GA).

3.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

 

III.

Die Kostenentscheidung beruht §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

 

IV.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht erfüllt. Die Kammer weicht mit dieser . Entscheidung weder von. einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs ab, noch hat die Sache über die Rechtsanwendung auf den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung oder ist zur Sicherung einer. einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (543 Abs. 2 ZPO).

Die Beschwer im Berufungsverfahren wird auf 1.106,00 EUR festgesetzt.

 

[Name]
Vorsitzenden Richter am Landgericht

[Name],
Richterin am Landgericht

[Name],
Richter

 

Beglaubigt
[Name]
Urkundsbeamter/in der Geschäftsstelle
Landgericht Köln (…)

 

 

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LG Köln, Urteil vom 17.05.2018 – 14 S 34/16

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