Rechtsanwalt Dr. Bernhard Knies: Eltern müssen ihre Kinder verraten. Der Bundesgerichtshof hat die von unserer Kanzlei vorgetragene Revision im „Loud“ Fall abgewiesen

23:39 Uhr

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Rechtsanwalt Dr. Bernhard Knies

 

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Bericht

Link:
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BGH I ZR 19/16 – „Loud“:
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Schriftliche Urteilsgründe im „Loud“ Fall BGH I ZR 19/16 veröffentlicht

Der BGH hat in der Grundsatzentscheidung I ZR 19/16 „Loud“ nunmehr die lang erwarteten schriftlichen Entscheidungsgründe der „Loud“ Entscheidung veröffentlicht, nach denen Eltern im Filesharing Prozess ihre Kinder verraten müssen. Doch was bringen diese schriftlichen Urteilsgründe an neuen Erkenntnissen im Vergleich zu den vorangegangenen Entscheidungen?

In der Rz. 19 führt der BGH zunächst einmal aus, dass es keinen hinreichend typischen Geschehensablauf gebe, dass der Inhaber eines Internetanschlusses immer Täter einer Urheberrechtsverletzung sei, die über seinen Anschluss begangen wurde, dies deshalb weil es ja naheliege, dass der Anschlussinhaber Dritten Zugriff auf seinen Anschluss eingeräumt haben könne.

Da aber die Nutzung des Anschlusses ein Interna des Anschlussinhabers sei treffe diese eben auch die sekundäre Darlegungslast. Doch wie weit reichte diese?

 

„Die Bestimmung der Reichweite der dem Anschlussinhaber obliegenden sekundären Darlegungslast hat mit Blick darauf zu erfolgen, dass erst die Kenntnis von den Umständen der Anschlussnutzung durch den Anschlussinhaber dem Verletzten, dessen urheberrechtliche Position unter dem grundgesetzlichen Schutz des Art. 17 Abs. 2 der EU-Grundrechtscharta und des Art. 14 Abs. 1 GG steht, (…) eine Rechtsverfolgung ermöglicht.“ (Rz. 20 des Urteils)

 

Der BGH verweist in der Rz. 20 der Urteilsgründe auch auf Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums. Dies mag eine Reaktion auf den Vorlagebeschluss des LG München I an den EuGH zur Afterlife Entscheidung des BGH sein, in dem ja das Landgericht München die Meinung vertritt, dass schon durch die Afterlife Entscheidung des BGH eine effektive Rechtsdurchsetzung nicht mehr gegeben sei. Der BGH tut sich auch ersichtlich schwer mit der folgenden Abwägung der betroffenen Grundrechte des Schutzes der Familie auf der Seite der Beklagten und des Eigentumsgrundrechts auf der Seite der Klägerin:

Der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG umfasse, so der BGH auch das Verhältnis zwischen Eltern und ihren volljährigen Kindern.

 

„Werden dem Anschlussinhaber zur Abwendung seiner täterschaftlichen Haftung im Rahmen der sekundären Darlegungslast im Zivilprozess Auskünfte abverlangt, die das Verhalten seines Ehegatten oder seiner Kinder betreffen und diese dem Risiko einer zivil- und strafrechtlichen Inanspruchnahme aussetzen, ist der Schutzbereich dieser Grundrechte berührt (vgl. BGH, GRUR 2017, 386, Rn. 23 – Afterlife).“ (Rn. 21 der Entscheidungsgründe)

 

In den folgenden Absätzen bemüht sich der BGH um die notwendige Abwägung zwischen den betroffenen Grundrechten. Schonend konnte sie in diesem Fall nicht sein, denn es gab nur ein „Entweder – Oder“ darauf hatte der Senat ja schon in der mündlichen Urteilsbegründung hingewiesen (s.u.).

Der BGH beginnt zunächst in der Rz. 23 mit seinen in der „Afterlife“-Entscheidung gefundenen Grundsätzen, wonach Art. 6 Abs. 1 GG jedenfalls einer Pflicht des Anschlussinhabers entgegenstehe, zur Abwendung seiner Haftung „die Internetnutzung seines Ehegatten einer Dokumentation zu unterwerfen“. Ebenso unzumutbar sei es „dem Anschlussinhaber die Untersuchung des Computers seines Ehegatten in Hinblick auf die Existenz von Filesharing Software abzuverlangen“.

Warum muss der Anschlussinhaber zwar den Rechner seines Ehegatten nicht untersuchen, sehr wohl aber seine Kinder als Täter verraten? Darauf bleiben auch die nachfolgenden Gründe der Entscheidung letztlich eine befriedigende Antwort schuldig:

 

„Die Beklagten waren gehalten, im Rahmen der sekundären Darlegungslast das Kind zu benennen, welches Ihnen gegenüber die Rechtsverletzung zugegeben hatte.“ (Rz. 24)

 

Die Abwägung der Grundrechte also des Eigentumsgrundrechts und des Schutzes der Familie führe zu einem Vorrang des Informationsinteresses der Klägerin. (Rz. 25).

 

„Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Mitteilung des Namens des für das Filesharing verantwortlichen Kindes durch die Eltern mit Blick auf die möglichen Folgen – der zivilrechtlichen oder gar strafrechtlichen Inanspruchnahme des Kindes – eine erhebliche Beeinträchtigung des Familienfriedens nach sich ziehen kann. Die Eltern unterliegen jedoch keinen Zwang zur Auskunft. Sie haben vielmehr die Wahl, ob sie die Auskunft erteilen oder ob sie davon absehen, das Kind anzugeben, dass die Rechtsverletzung begangen hat, und insoweit auf eine Rechtsverteidigung verzichten. Dass sie infolge eines Verteidigungsverzichts selbst für die Rechtsverletzung haften, weil ohne Erfüllung der sekundären Darlegungslast die tatsächliche Vermutung ihrer Haftung als Anschlussinhaber eingreift, erlangt im Rahmen der Grundrechtsabwägung kein entscheidendes Gewicht.“ (Rz. 26 des Urteils)

 

Das Recht, im Zivilprozess wegen der familiären Bindung zu einer Partei Angaben zu verweigern, stehe nur dem Zeugen, nicht aber einer Prozesspartei zu. Habe die Partei in dieser Konstellation die Möglichkeit von (wahrheitsgemäßen) Angaben abzusehen, so habe sie die mit dem Verzicht auf den entsprechenden Vortrag verbundenen prozessualen Folgen – etwa das Risiko einer für sie ungünstigen Tatsachenwürdigung – in Kauf zu nehmen. (Rz. 27).

So verhalte es sich auch im Falle der Nichterfüllung der sekundären Darlegungslast: Die betroffene Partei habe die Folgen ihres unzureichenden Vortrages zu trage, weil ihr einfaches Bestreiten unwirksam ist und die Geständniswirkung des § 138 Abs. 3 ZPO eintrete. (Rz. 27).

In der Rz. 28 stellt der BGH noch einmal die Positionen gegenüber: Während dem klagenden Rechteinhaber im Falle einer Weigerung der Eltern ihr Kind preiszugeben eine effektive Verfolgung des Rechtsverstoßes praktisch unmöglich bleibe, hätten es die Eltern doch in der Hand, eine Störung des Familienfriedens zu verhindern, indem sie nämlich darauf verzichten das Kind zu benennen und dann eben als Täter verurteilt werden.

Auch dieses Ergebnis stimmt aber nicht ganz: Denn die beklagten Eltern hatten ja im Prozess die Namen ihrer Kinder genannt, aber nur nicht mitgeteilt, welches Kind die Verletzungshandlung gestanden hatte. Die Klägerin hätte also prozessual die Möglichkeit gehabt, die beiden benannten Kinder ebenfalls mit zu verklagen. Dann hätten beide Kinder im Prozess sich verteidigen müssen und eben vortragen, ob sie es waren oder nicht. Auf diesem Weg wäre die Klägerin also sehr wohl zu ihrem Recht gekommen.

Vergleicht man zudem das hier gefundene Ergebnis mit dem, das der BGHB in der Afterlife Entscheidung begründet hat, gerade jüngst bestätigt durch die Entscheidung I ZR 68/16 dann vermag das Ergebnis von Loud beim besten Willen nicht zu befriedigen: Der Anschlussinhaber gewann in dem Sachverhalt der Entscheidung I ZR 68/16, obwohl er seinen Ehegatten noch nicht einmal direkt der Tathandlung beschuldigte und musste auch dessen Rechner nicht durchsuchen. Im Verhältnis zu seinen Kindern muss er diese aber der Tat bezichtigen, und wird andernfalls als Täter verurteilt.

Das Ergebnis der hier gefundenen täterschaftlichen Haftung der Eltern ist dogmatisch auch deswegen so befremdlich, weil es ja im Prozess unstreitig war, dass eines der Kinder die Tat begangen hatte. Der Begriff des „Täters“ im Urheberrecht ist aber identisch mit dem des Täters im Strafrecht.

Im Kommentar von Schricker zum Urheberrecht schreibt Mathias Leistner: „Passivlegitimiert sind als Verletzer der Täter, der die Urheberrechtsverletzung unmittelbar oder als mittelbarer Täter im strafrechtlichen Sinne begeht (§25 StGB), sowie Teilnehmer, d.h. Anstifter oder Gehilfen (§§ 830 Abs. 2 BGB; 26, 27 StGB) (vgl. Schricker / Löwenheim Leistner, § 97, Rz. 57). Kann eine täterschaftliche Haftung nicht nachgewiesen werden, so wird im Urheberrecht nachrangig eine Störerhaftung geprüft (vgl. dazu Schricker / Löwenheim Leistner, § 97, Rz. 54), die allerdings auf den Unterlassungsanspruch begrenzt ist. In der Tat hätte es in einem Fall wie dem vorliegenden wohl näher gelegen, eine Störerhaftung zu prüfen, als die beklagten Eltern, die es ja unstreitig nicht gewesen sein konnten, auf dem Umweg der Beweislastregel der sekundären Darlegungslast als Täter zu verurteilen.“

 

Die mündliche Urteilsbegründung des BGH „Loud“

Mit Urteil vom 30. März 2017 hat der Bundesgerichtshof das Urteil des OLG München bestätigt und der Musik- und Abmahnindustrie einen fragwürdigen Sieg beschert. Danach müssen Eltern ihre eigenen Kinder verraten, wenn sie verhindern wollen, dass sie selber verurteilt werden. Die FAZ kommentiert das Urteil als „bizarren juristischen Sieg“ der Musikindustrie unter dem Titel „Der Ehrliche ist der Dumme“.

Der BGH hatte noch kurz zuvor in der Afterlife Entscheidungen die familiäre Sphäre gegenüber Abmahnungen gestärkt, weicht aber von dieser Linie klar wieder ab: Auch aus der „Afterlife“ Entscheidung, so der BGH, ergebe sich nichts anderes. Diese führe zwar dazu, dass es innerhalb der Familie keine vertieften Nachforschungspflichten mehr gebe und etwa Rechner von Familienmitgliedern nicht durchsucht werden müssten. Das, so der BGH, ergebe die Abwägung der hier wiederstreitenden Grundrechte, einmal des Eigentumsrechts des klagenden Tonträgerherstellers und auf der anderen Seite des grundrechtlichen Schutzes von Ehe und Familie aus Art. 6 GG.

In Fällen, in denen wie im vorliegenden Fall, die Eltern aber wissen, wer für die Rechtsverletzung verantwortlich ist, seien sie im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast verpflichtet, die Identität ihres Kindes preiszugeben, es also zu verraten. Andernfalls werden die Eltern – wie hier – selber als Täter der Urheberrechtsverletzung verurteilt.

Das Urteil ist bedauerlich, führt es doch dazu, dass es für Familienanschlüsse eine Art Störerhaftung konstituiert, die dazu führt, dass abgemahnte Familien letztlich immer bezahlen müssen, wenn sie nicht behaupten wollen, sie wüssten nicht wer für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Das Urteil des BGH kann noch mit der Verfassungsbeschwerde zum BVerfG angefochten werden.

 

Sachverhalt der „Loud“ Entscheidung

Über den Internetanschluss des beklagten Ehepaars war am 02. Januar 2010 illegal über eine Filesharing Tauschbörse das Musikalbum der Künstlerin Rihanna „Loud“ getauscht und damit auch angeboten worden. Wenig später erhielten die Beklagten von der auf Abmahnungen spezialisierten Kanzlei Rasch Rechtsanwälte eine Abmahnung wegen Filesharings, in der von Ihnen die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und die Zahlung von Schadensersatz und Anwaltskosten verlangt wurde. Die von unserer Kanzlei vertretenen Beklagten hatten auf diese Abmahnung allerdings nur eine modifizierte Unterlassungserklärung abgegeben und die Zahlung von Schadensersatz und Anwaltskosten verweigert. Erheblich später wurden die Beklagten dann von dem Tonträgerhersteller Universal Music und deren Kanzlei Rasch auf Zahlung von Anwaltskosten und Schadensersatz verklagt.

Im Prozess haben sich die Beklagten damit verteidigt, dass sie damals gemeinsam mit ihren drei volljährigen Kindern wohnten. Am fraglichen Abend hatten sie Besuch eines befreundeten Ehepaars und mit diesem gemeinsam im Wohnzimmer zu Abend gegessen und den Abend verbracht, ihr eigener Rechner im Wohnzimmer war ausgeschaltet gewesen. Zudem hatten sie keinerlei Interesse an dem heruntergeladenen Material, da sie selber nur klassische Musik hörten. Während des Abends hatten aber ihre Kinder Zugriff auf ihr WiFi Netzwerk. Nach Eingang der Abmahnung hatten die beklagten Eltern ihre Kinder befragt und eines ihrer Kinder hatte daraufhin die Urheberrechtsverletzung in der Tauschbörse zugegeben. Das hatten die Eltern auch vor Gericht vorgetragen, sie waren allerdings der Meinung, dass sie schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht verpflichtet seien die Identität des Kindes preiszugeben, das den Verstoß begangen hatten, denn zum einen würden sie dadurch ihr Kind der Gefahr einer Strafverfolgung preisgeben, als auch zivilrechtliche Haftungsansprüche gegen dieses Kind begünstigen.

 

Bewertung der „Loud“ Entscheidung:

Die „Loud“ Entscheidung des BGH ist juristisch zu bedauern. Es bleibt abzuwarten, ob der „bizarre Sieg“ der Musikindustrie vielleicht noch politische Debatten auslöst, ob eine derart weite Störerhaftung der Familie für Tauschbörsen in Deutschland wirklich politisch gewünscht ist.

Dr. Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen) hatte im Bundestag noch im Sommer 2016 bei der Diskussion über die (bisher wirkungslose) Abschaffung der Störerhaftung für W-LANs durch den Gesetzgeber die Entscheidung des BGH „Sommer unseres Lebens“ von Mai 2010 zitiert, mit der die Störerhaftung für private W-LAN-Betreiber erschaffen wurde. Daraus seien zu aller Leidwesen „sechs Jahre unseres Lebens“ geworden. Mit seinem „Loud“-Urteil hat der BGH nun eine neue Familien-Störerhaftung geschaffen, von der man nur hoffen kann, dass sie nicht ebenfalls so lange überdauert.

 

Vorinstanzen der „Loud“ Entscheidung

Landgericht München (Urteil vom 01.07.2015, Az. 37 O 5349/14)
OLG München (Urteil vom 14. Januar 2016, Az. 29 U 2593/15)

 

 

BGH, Urteil vom 30. März 2017 – I ZR 19/16 – „Loud“

 

(…) BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

I ZR 19/16

Verkündet am: 30. März 2017
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit
1. [Name]
2. [Name]

beide wohnhaft [Anschrift],
Beklagte und Revisionskläger,

– Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. Geisler –

gegen

[Name],
Klägerin und Revisionsbeklagte,

– Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Prof. Dr. Rohnke und Dr. Winter –

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. März 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Dr. Kirchhoff, Prof. Dr. Koch, die Richterin Dr. Schwanke und den Richter Feddersen

für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 14. Januar 2016 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand:

Der Klägerin, einer Tonträgerherstellerin, stehen die ausschließlichen Verwertungsrechte an den auf dem Musikalbum „Loud“ enthaltenen elf Musiktiteln der Sängerin Rihanna zu. Das am 12. November 2010 veröffentlichte Album war acht Wochen lang unter den Top Ten der Charts gelistet.

Am 2. Januar 2011 um 23:16 Uhr wurde das Album über einen Internetanschluss; dessen Inhaber die beklagten Eheleute sind, mittels einer Filesharing Software ohne Zustimmung der Klägerin zum Herunterladen angeboten.

Die Beklagten haben auf die Abmahnung der Klägerin vom 16. März 2011 eine Unterlassungserklärung abgegeben.

Die Klägerin hat behauptet, die Beklagten hätten die Rechtsverletzung begangen. Sie verlangt im vorliegenden Verfahren Schadensersatz in angemessener Höhe, mindestens 2.500,00 EUR, sowie Erstattung der Abmahnkosten nach einem Streitwert von 50.000,00 EUR in Höhe von 1.379,80 EUR.

Die Beklagten haben bestritten, die Rechtsverletzung begangen zu haben. Sie haben geltend gemacht, ihre im Tatzeitpunkt bei ihnen wohnenden volljährigen drei Kinder hätten jeweils eigene Rechner besessen und über einen mit einem individuellen Passwort versehenen WLAN-Router Zugang zum Internetanschluss gehabt. Sie wüssten, von welchem Kind die Verletzungshandlung vorgenommen worden sei, wollten dies jedoch nicht mitteilen.

Das Landgericht hat der Klägerin Schadensersatz in Höhe von 2.500,00 EUR sowie Abmahnkosten in Höhe von 1.044.40 EUR zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen (Landgericht München I, ZUM-RD 2016, 308). Die Berufung der Beklagten hatte – soweit für die Revision von Bedeutung – keinen Erfolg (Oberlandesgericht München, WRP 2016, 385). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

 

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche im vom Landgericht zuerkannten Umfang für begründet erachtet. Hierzu hat es ausgeführt:

Die Beklagten hafteten als Täter für die geltend gemachte Rechtsverletzung. Die Beklagten seien der Behauptung der Klägerin, die Beklagten hätten allein auf den Internetanschluss Zugriff gehabt, zwar entgegengetreten. Sie hätten jedoch der ihnen obliegenden sekundären Darlegungslast nicht genügt. Hierzu wäre es erforderlich gewesen mitzuteilen, welche Kenntnisse sie über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hätten, mithin welches ihrer Kinder die Verletzungshandlung begangen habe. Indem sich die Beklagten weigerten, diese Angaben zu machen, beriefen sie sich lediglich pauschal auf eine bloß generell bestehende Zugriffsmöglichkeit ihrer Kinder auf den Internetanschluss. Das Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG stehe der Annahme einer solchen zivilprozessualen Obliegenheit nicht entgegen, weil dem zugunsten der Klägerin wirkenden Schutz des Art. 14 GG im Streitfall ein überwiegendes Gewicht zukomme. Die Beklagten hätten die gegen sie sprechende tatsächliche Vermutung nicht erschüttert, weil sich ihre von ihnen als Zeugen benannten Kinder auf das ihnen zustehende Zeugnisverweigerungsrecht berufen hätten. Einer Beweisaufnahme durch Vernehmung der von den Beklagten benannten Zeugen, die am Abend des Tattags bei ihnen zu Gast gewesen seien, habe es nicht bedurft. Die Behauptung, wegen des Besuchs keine Möglichkeit gehabt zu haben, die Verletzungshandlung zu begehen, sei nicht entscheidungserheblich, weil der rechtsverletzende Vorgang bereits vor Eintreffen der Gäste oder durch kurzzeitige Nutzung eines derjenigen Computer, die sich außerhalb des Wohnzimmers befanden, hätte in Gang gesetzt werden können. Der Höhe nach sei der Schadensersatz mit 2.500,00 EUR angemessen bewertet. Eine Begrenzung der Abmahnkosten auf 100 gemäß § 97a Abs. 2 UrhG aF komme nicht in Betracht, da es sich weder um einen einfach gelagerten Fall noch um eine nur unerhebliche Rechtsverletzung handele.

II.

Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche auf Schadensersatz (dazu nachfolgend II 1) und Abmahnkostenerstattung (dazu nachfolgend II 2) zu Recht zuerkannt.

1.

Das Berufungsgericht hat die Beklagten zu Recht als nach § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG zum Schadensersatz verpflichtet angesehen. Nach dieser Vorschrift ist, wer das Urheberrecht oder ein anderes nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht widerrechtlich sowie vorsätzlich oder fahrlässig verletzt, dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

a)

Von der Revision unbeanstandet hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Klägerin Inhaberin der ausschließlichen Verwertungsrechte gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG an den Musiktiteln des Albums „Loud“ ist und die Klage deshalb auf ein nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht gestützt ist. Nach § 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG hat der Hersteller eines Tonträgers das ausschließliche Recht, den Tonträger zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen.

b)

Keine rechtlichen Bedenken bestehen gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, dass die auf dem genannten Album enthaltenen Musiktitel am 2. Januar 2011 um 23:16 Uhr über einen den Beklagten zuzuordnenden Internetanschluss mittels einer Filesharing-Software ohne Zustimmung der Klägerin zum Herunterladen angeboten worden sind, Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das Anbieten von Tonaufnahmen mittels eines Filesharing-Programms in so genannten “Peer-to-Peer“-Netzwerken im Internet das Recht auf öffentliche Zugänglichmachung des Herstellers des Tonträgers verletzt, auf dem die Tonaufnahme aufgezeichnet ist (BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – 1 ZR 19/14, GRUR 2016, 176 Rn. 14 = WRP 2016, 57 – Tauschbörse 1; Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 7/14, GRUR 2016, 184 Rn. 15 = VVRP 2016, 66 – Tauschbörse II; Urteil vom 12. Mai 2016 – l ZR 48/15, GRUR 2016, 1280 Rn. 19 = VVRP 2017, 79 – Everytime we touch). Dagegen erhebt die Revision keine Rügen.

c)

Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagten hafteten als Täter der geltend gemachten Urheberrechtsverletzungen.

aa)

Die Klägerin trägt nach den allgemeinen Grundsätzen als Anspruchstellerin die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs auf Schadensersatz erfüllt sind. Sie hat darzulegen und im Bestreitensfall nachzuweisen, dass die Beklagten für die von ihr behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich sind (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 2012 – I ZR 74/12, GRUR 2013, 511 Rn. 32 = WRP 2013, 799 – Morpheus; Urteil vom 8. Januar 2014 – I ZR 169/12, BGHZ 200, 76 Rn. 14 – BearShare; Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 75/14, GRUR 2016, 191 Rn. 37 = WRP 2016, 73 – Tauschbörse UI; BGH, GRUR 2016, 1280 Rn. 32 – Everytime we touch). Allerdings spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen Internetanschluss benutzen konnten (BGHZ 200, 76 Rn. 15 – BearShare; BGH, GRUR 2016, 191 Rn. 37 – Tauschbörse III). Diese tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers kommt auch dann in Betracht, wenn der Internetanschluss – wie bei einem Familienanschluss – regelmäßig von mehreren Personen genutzt wird (BGH, GRUR 2016, 191 Rn. 39 – Tauschbörse III; GRUR 2016, 1280 Rn. 34 – Everytime we touch).

Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. In solchen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses jedoch eine sekundäre Darlegungslast. Diese führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat. Die pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs von im Haushalt lebenden Dritten auf den Internetanschluss genügt hierbei nicht. Der Inhaber eines Internetanschlusses hat vielmehr nachvollziehbar vorzutragen, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen. Entspricht der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache der Klägerin als Anspruchstellerin, die für eine Haftung der Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen (BGHZ 200, 76 Rn. 15 ff. – BearShare, m.w.N.; BGH, GRUR 2016, 191 Rn. 37 und 42 – Tauschbörse 111; GRUR 2016, 1280 Rn. 33 f. – Everytime we tauch; BGH, Urteil vom 6. Oktober 2016 – I ZR 154/15, GRUR 2017, 386 Rn. 15 WRP 2017, 448 – Afterlife). Mit diesen Grundsätzen steht das Berufungsurteil im Einklang.

bb)

Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagten hätten der ihnen obliegenden sekundären Darlegungslast nicht genügt.

(1)

Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagten seien der Behauptung der Klägerin, allein die Beklagten hätten Zugriff auf ihren Internetanschluss gehabt, mit dem Hinweis darauf entgegengetreten, ihre Kinder hätten ebenfalls auf den Internetanschluss zugreifen können. Dies reiche zur Erfüllung der den Beklagten obliegenden sekundären Darlegungslast nicht aus, weil die Beklagten sich zugleich geweigert hätten, ihr Wissen darüber, welches ihrer Kinder die Rechtsverletzung begangen habe, offenzulegen. Das Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG stehe dieser Beurteilung nicht entgegen, weil es keinen schrankenlosen Schutz gegen jede Art von Beeinträchtigung familiärer Belange gewähre. Im Streitfall überwögen die mit Blick auf Art. 14 GG geschützten Eigentumsinteressen der Klägerin, weil andernfalls Urheberrechtsinhaber bei Rechtsverletzungen über von Familien genutzten Internetanschlüssen ihre Ansprüche regelmäßig nicht durchsetzen könnten. Weil die Beklagten ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen seien, sei von der tatsächlichen Vermutung auszugehen, dass die Beklagten als Anschlussinhaber die Rechtsverletzung als Täter begangen hätten. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

(2)

Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Annahme der täterschaftlichen Haftung des Anschlussinhabers erst in Betracht kommt, wenn der Anschlussinhaber der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast hinsichtlich der Nutzung des Anschlusses durch Dritte nicht genügt. Hingegen besteht keine generelle Vermutung, dass der Anschlussinhaber Täter einer Urheberrechtsverletzung ist, die von seinem Anschluss aus begangen worden ist und die er widerlegen oder erschüttern müsste, nur weil er Inhaber des Anschlusses ist. Dies kommt nur in Betracht, wenn für die Täterschaft des Anschlussinhabers der bei typischen Geschehensabläufen eingreifende Beweis des ersten Anscheins (Anscheinsbeweis) spricht.

Für die Annahme, der Inhaber eines Internetanschlusses sei ohne das Hinzutreten weiterer Umstände regelmäßig der Täter einer mittels dieses Anschlusses begangenen Urheberrechtsverletzung, fehlt es an einer hinreichenden Typizität des Geschehensablaufs. Angesichts der naheliegenden Möglichkeit, dass der Anschlussinhaber Dritten Zugriff auf seinen Anschluss einräumt, besteht für die Annahme der Täterschaft des Anschlussinhabers keine hinreichend große Wahrscheinlichkeit (vgl. BGH, GRUR 2017, 386 Rn. 18 ff. – Afterlife). Da es sich bei der Nutzung des Anschlusses um Interna des Anschlussinhabers handelt, von denen der Urheberrechtsberechtigte im Regelfall keine Kenntnis hat. obliegt dem Anschlussinhaber insoweit allerdings eine sekundäre Darlegungslast (vgl. BGH GRUR 2017, 386 Rn. 20 – Afterlife).

(3)

Die Bestimmung der Reichweite der dem Anschlussinhaber obliegen den sekundären Darlegungslast hat mit Blick darauf zu erfolgen, dass erst die Kenntnis von den Umständen der Anschlussnutzung durch den Anschlussinhaber dem Verletzten, dessen urheberrechtliche Position unter dem grundrechtlichen Schutz des Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta und des Art. 14 Abs. 1 GG steht (vgl. EuGH, Urteil vom 27. März 2014 – C-314/12, GRUR 2014, 468 Rn. 47 = WRP 2014, 540 – UPC Telekabel; Wendt in Sachs, Grundgesetz, 7. Aufl., Art. 14 Rn. 20a, 24 m.w.N.), eine Rechtsverfolgung ermöglicht. Nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft und Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Rechtsbehelfe zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums vorzusehen. Art. 47 EU-Grundrechtecharta gewährleistet zudem das Recht auf Einlegung eines wirksamen Rechtsbehelfs.

Auf Seiten des Anschlussinhabers schützen die Grundrechte gemäß Art. 7 EU-Grundrechtecharta und Art. 6 Abs. 1 GG das ungestörte eheliche und familiäre Zusammenleben vor staatlichen Beeinträchtigungen. Diese Grundrechte verpflichten den Staat, Eingriffe in die Familie zu unterlassen, und berechtigten die Familienmitglieder, ihre Gemeinschaft nach innen in familiärer Verantwortlichkeit und Rücksicht frei zu gestalten (vgl. BVerfGE 66, 84, 94; 80, 81, 92; 81, 1, 6; Jarass, Charta der Grundrechte der EU, 3. Aufl. Art. 7 Rn. 19 f.: v. Coelln in Sechs a.a.O. Art. 6 Rn. 22). Der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG erfasst auch das Verhältnis zwischen Eltern und ihren volljährigen Kindern (vgl. BVerfG 80, 81, 90). Das Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG entfaltet Ausstrahlungswirkung auf die gesamte Rechtsordnung und muss auch bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts zum Tragen kommen (vgl. BVerfGE 61, 18. 25; Stern / Sachs / Dietlein. Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, S. 493). Werden dem Anschlussinhaber zur Abwendung seiner täterschaftlichen Haftung im Rahmen der sekundären Darlegungslast im Zivilprozess Auskünfte abverlangt, die das Verhalten seines Ehegatten oder seiner Kinder betreffen und diese dem Risiko einer zivil- oder strafrechtlichen Inanspruchnahme aussetzen, ist der Schutzbereich dieser Grundrechte berührt (vgl. BGH, GRUR 2017, 386 Rn. 23 – Afterlife).

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union obliegt es, wenn mehrere unionsrechtlich geschützte Grundrechte einander widerstreiten, den Behörden oder Gerichten der Mitgliedstaaten, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen diesen Rechten sicherzustellen (vgl. EuGH, Urteil vom 29. Januar 2008 – C-275/06, Sig. 2008, 1-271 = GRUR 2008, 241 Rn. 68 – Promusicae: EuGH, GRUR 2014, 468 Rn. 46 – UPC Telekabel; EuGH. Urteil vom 15. September 2016 – C-484/14, GRUR 2016, 1146 Rn. 83 = WRP 2016, 1486 – Sony Music / McFadden). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Konflikt zwischen grundrechtlich geschützten Positionen verschiedener Grundrechtsträger nach dem Grundsatz praktischer Konkordanz zu lösen, der fordert, dass nicht eine der widerstreitenden Rechtspositionen bevorzugt und maximal behauptet wird, sondern alle einen möglichst schonenden Ausgleich erfahren (vgl. BVerfGE 28, 243, 260 f.; 41, 29, 50; 52, 223, 247, 251; 93, 1, 21).

Auch unter Berücksichtigung des für den Urheberrechtsinhaber sprechenden Eigentumsschutzes (Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta und Art. 14 Abs. 1 GG) steht der zugunsten des Anschlussinhabers wirkende grundrechtliche Schutz von Ehe und Familie (Art. 7 EU-Grundrechtecharta und Art. 6 Abs. 1 GG) der Annahme von Nachforschungs- und Mitteilungspflichten entgegen, die den Inhaber eines privaten Internetanschlusses dazu zwingen, zur Abwendung seiner täterschaftlichen Haftung die Internetnutzung seines Ehegatten einer Dokumentation zu unterwerfen. Ebenfalls unzumutbar ist es, dem Anschlussinhaber die Untersuchung des Computers seines Ehegatten im Hinblick auf die Existenz von Filesharing-Software abzuverlangen (vgl. BGH, GRUR 2017, 386 Rn. 26 – Afterlife).

(4)

Im Streitfall hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass die Beklagten ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt haben, indem sie nur darauf verwiesen haben, ihre drei volljährigen Kinder hätten Zugang zum Internetanschluss gehabt. Die Beklagten waren gehalten, im Rahmen der sekundären Darlegungslast das Kind zu benennen, welches ihnen gegenüber die Rechtsverletzung zugegeben hatte.

Die Abwägung der im Streitfall auf Seiten der Klägerin betroffenen Grundrechte des Eigentumsschutzes (Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta und Art. 14 Abs. 1 GG) und des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf (Art. 47 EU-Grundrechtecharta) mit dem zugunsten der Beklagten wirkenden Grundrecht auf Schutz der Familie (Art. 7 EU-Grundrechtecharta und Art. 6 Abs. 1 GG) führt zu einem Vorrang des Informationsinteresses der Klägerin.

Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Mitteilung des Namens des für das Filesharing verantwortlichen Kindes durch die Eltern mit Blick auf die möglichen Folgen – der zivilrechtlichen oder gar strafrechtlichen Inanspruchnahme des Kindes – eine erhebliche Beeinträchtigung des Familienfriedens nach sich ziehen kann. Die Eltern unterliegen jedoch keinem Zwang zur Auskunft. Sie haben vielmehr die Wahl, ob sie die Auskunft erteilen oder ob sie davon absehen, das Kind anzugeben, das die Rechtsverletzung begangen hat, und insoweit auf eine Rechtsverteidigung zu verzichten. Dass sie infolge eines solchen Verteidigungsverzichts selbst für die Rechtsverletzung haften, weil ohne Erfüllung der sekundären Darlegungslast die tatsächliche Vermutung ihrer Haftung als Anschlussinhaber eingreift, erlangt im Rahmen der Grundrechtsabwägung kein entscheidendes Gewicht. Hierbei handelt es sich um einen aus der gesetzlichen Wertung des § 138 Abs. 3 ZPO folgenden Nachteil, der jede prozessual ungenügend vortragende Partei trifft.

Das Recht, im Zivilprozess wegen der familiären Beziehung zu einer Partei Angaben zu verweigern, steht gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 und § 384 Nr. 1 und 2 ZPO allein dem Zeugen, nicht aber einer Prozesspartei zu. Die Partei eines Zivilprozesses unterliegt der Wahrheitspflicht des § 138 Abs. 1 ZPO, die allenfalls insofern Einschränkungen erfährt, als die Partei sich selbst oder einen Angehörigen einer Straftat oder Unehrenhaftigkeit bezichtigen müsste (vgl. MünchKomm.ZPO / Fritsche, 5. Aufl., § 138 Rn. 14; Kern in Stein/Jonas, ZPO. 23. Aufl., § 138 Rn. 13; Zöller / Greger, ZPO, 16. Aufl., § 138 Rn. 3; Gerken in Wieczorek / Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 138 Rn. 15; Seiler in Thomas / Putzo, ZPO, 38. Aufl., § 138 Rn. 7; Stadler in Musielak / Voit, ZPO, 14. Aufl., § 138 Rn. 3). Hat die Partei in dieser Konstellation die Möglichkeit, von (wahrheitsgemäßen) Angaben abzusehen, so hat sie die mit dem Verzicht auf den entsprechenden Vortrag verbundenen prozessualen Folgen – etwa das Risiko einer für sie ungünstigen Tatsachenwürdigung – in Kauf zu nehmen (vgl. BVerfGE 56, 37, 44; MünchKomm.ZPO / Fritsche a.a.O. § 138 Rn. 14; Gerken in Wieczorek / Schütze a.a.O. § 138 Rn. 15; Zöller / Greger a.a.O. § 138 Rn. 3). So verhält es sich im Falle der Nichterfüllung der sekundären Darlegungslast; die betroffene Partei hat die nachteiligen Folgen ihres unzureichenden Vortrags zu tragen, weil ihr einfaches Bestreiten unwirksam ist und die Geständniswirkung des § 138 Abs. 3 ZPO eintritt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 19. Februar 201 – I ZR 230/12, GRUR 2014, 578 Rn, 14 = WRP 2014, 697 – Umweltengel für Tragetasche; Urteil vom 12. November 2015 – I ZR 167/14, GRUR 2016, 836 Rn. 111 = WRP 2016, 985 – Abschlagspflicht II).

Demgegenüber ist dem Rechtsinhaber im Falle der Weigerung der Eltern, die Anschlussinhaber sind, Auskunft über den Namen des für das Filesharing verantwortlichen Kindes zu erteilen, eine effektive Verfolgung des Rechtsverstoßes regelmäßig praktisch unmöglich, weit die Identität des Verletzers ungeklärt bleibt. Mithin wird das Eigentumsrecht des Urheberrechtsinhabers gemäß Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta und Art. 14 Abs. 1 GG und sein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Art. 47 EU-Grundrechtecharta im Falle der unterbliebenen Auskunft im Regelfall vereitelt, wohingegen die Eltern durch die Auskunftsverweigerung unter Inkaufnahme prozessualer Nachteile eine jedenfalls erhebliche – Beeinträchtigung ihres Grundrechts auf Schutz der Familie gemäß Art. 7 EU-Grundrechtecharta und Art. 6 Abs. 1 GG abwenden können. in dieser Konstellation überwiegen die auf Seiten des Urhebers oder des Inhabers eines verwandten Schutzrechts – hier des Tonträgerherstellers – in Rede stehenden Grundrechte das Grundrecht der Eltern auf Schutz der Familie.

(5)

Haben die Beklagten die ihnen im Streitfall obliegende sekundäre Darlegungslast zur Nutzung ihres Internetanschlusses durch einen Familienangehörigen im Tatzeitpunkt nicht erfüllt, greift die tatsächliche Vermutung, sie hafteten als Anschlussinhaber täterschaftlich für die begangene Rechtsverletzung.

cc)

Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht dem von den Beklagten angebotenen Zeugenbeweis zur Frage ihrer Täterschaft nicht nachgegangen ist. Die Beklagten hatten unter Beweisantritt durch Zeugenbeweis behauptet, im Tatzeitpunkt sei der im Wohnzimmer befindliche Computer ausgeschaltet, sie seien mit der Bewirtung der Gäste beschäftigt und die Kinder seien im Hause gewesen. Dieser Vortrag ist nicht entscheidungserheblich, weil er eine Rechtsverletzung durch die Beklagten nicht ausschließt.

Das Berufungsgericht hat angenommen, einer Beweisaufnahme durch Vernehmung der von den Beklagten benannten Zeugen, die am Abend des Tattags zu Gast gewesen seien, habe es nicht bedurft. Auf die Behauptung, während des Besuchs keine Möglichkeit gehabt zu haben, die Verletzungshandlung zu begehen. komme es nicht an. weil der rechtsverletzende Vorgang bereits vor Eintreffen der Gäste und durch Nutzung eines der Computer, die sich außerhalb des Wohnzimmers befanden, hätte in Gang gesetzt werden können.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Selbst wenn der im Wohnzimmer befindliche Computer der Beklagten im Tatzeitpunkt ausgeschaltet gewesen sein sollte, bestand – wie das Landgericht und das Berufungsgericht richtig ausgeführt haben – die Möglichkeit, den beanstandeten Filesharingvorgang von einem der anderen im Haushalt der Beklagten vorhandenen Computer aus zu starten. Zutreffend ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, die Durchführung der Verletzungshandlung habe keine dauernde Anwesenheit vor dem Computer erfordert. Eine Beweisaufnahme war danach mangels Entscheidungserheblichkeit nicht erforderlich.

d)

Gegen die Bemessung der Höhe des Schadensersatzes durch das Berufungsgericht auf 2.500,00 EUR erhebt die Revision keine Rügen. Rechtsfehler sind auch insoweit nicht ersichtlich.

2.

Das Berufungsgericht hat der Klägerin nach § 97 Abs. 1 UrhG a.F. zu Recht einen Anspruch auf Ersatz von Abmahnkosten in Höhe von 1.044,40 EUR zuerkannt.

a)

Auf den mit der Klage geltend gemachten Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten ist § 97a UrhG in der bis zum 8. Oktober 2013 geltenden Fassung anzuwenden. Die durch das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken vom 1. Oktober 2013 (BGBl I, S. 3714) mit Wirkung ab dem 9. Oktober 2013 eingeführten Neuregelungen zur Wirksamkeit der Abmahnung und zur Begrenzung der erstattungsfähigen Kosten nach § 97a Abs. 2 und 3 Satz 2 und 3 UrhG n.F. gelten erst für Abmahnungen, die nach Inkrafttreten des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken ausgesprochen worden sind. Für den Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten kommt es auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Abmahnung an (vgl. zu § 97a Abs. 1 Satz 2 UrhG aF BGH, GRUR 2016. 191 Rn. 56 – Tauschbörse III, mwN). Nach § 97a Abs. 1 UrhG a.F. soll der Verletzte den Verletzer vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens auf Unterlassung abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen. Soweit die Abmahnung berechtigt ist, kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden.

Im Streitfall war die Abmahnung berechtigt, weil die Beklagten zur Unterlassung verpflichtet waren (siehe Rn. 10 ff. [11 1]). Gegen die Formalitäten der Abmahnung sowie die Bemessung ihres Gegenstandswerts auf 23.000,00 EUR erhebt die Revision keine Rügen. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich (vgl. hierzu BGH, GRUR 2016, 184 Rn. 72 ff. – Tauschbörse 11; BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 -1ZR 1/15. GRUR 2016, 1275 Rn. 20 ff., 33 ff. = WRP 2016, 1525 – Tannöd; BGH, GRUR 2016, 1280 Rn. 61 ff. – Everytime we tauch).

b)

Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht den Ersatz von Abmahnkosten nicht gemäß § 97a Abs. 2 UrhG a.F. auf 100,00 EUR begrenzt hat.

Nach § 97a Abs. 2 UrhG in der bis zum 8. Oktober 2013 geltenden Fassung beschränkt sich der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen für die erstmalige Abmahnung in einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs auf 100,00 EUR. Das Angebot eines urheberrechtlich geschützten Werkes zum Herunterladen über eine Internettauschbörse stellt allerdings regelmäßig keine nur unerhebliche Rechtsverletzung im Sinne dieser Vorschrift dar (vgl. BGH, GRUR 2016, 1275 Rn. 33 ff. – Tannöd). Dass im vorliegenden Fall aufgrund besonderer Umstände von dieser Regel eine Ausnahme zu machen wäre, hat die Revision nicht aufgezeigt.

III.

Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst. Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt oder zweifelsfrei zu beantworten ist (vgl. EuGH. Urteil vom 6. Oktober 1982 – C-283/81, Sig. 1982, 3415 = NJW 1983, 1257, 1258 – C.I.L.F.I.T.; Urteil vom 1. Oktober 2015 – 0-452/14, GRUR Int. 2015, 1152 Rn. 43 – AIFA / Doc Generic. Insbesondere ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt, dass es Sache der Gerichte der Mitgliedstaaten ist, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen widerstreitenden Grundrechten der Parteien sicherzustellen (vgl. EuGH, GRUR 2008, 241 Rn. 68 – Promusicae: GRUR 2014, 468 Rn. 46 – UPC Telekabel; GRUR 2016, 1146 Rn. 83 – Sony Music / McFadden).

IV.

Danach ist die Revision zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Büscher

Kirchhoff

Koch

Schwanke

Feddersen

 

Vorinstanzen:

LG München I, Entscheidung vom 01.07.2015 – Az. 37 O 5349/14
OLG München, Entscheidung vom 14.01.2016 – Az. 29 U 2593/15 – (…)

 

 

 

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BGH, Urteil vom 30. März 2017 – I ZR 19/16 – „Loud“

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