13:31 Uhr
Filesharing-Klagen sind derzeit in aller Munde. Vor wenigen Tagen hat der BGH einige Grundsatzurteile gefällt, von denen bislang lediglich Pressemitteilungen vorliegen. Doch auch wenn die Entscheidungsgründe der neuen BGH-Urteile veröffentlicht sind, dürften noch nicht alle Unklarheiten beseitigt sein. Der BGH hat festgelegt, in welchen Fällen Anschlussinhaber nicht für ein durch Dritte begangenes Filesharing haften. Hier gibt es eine ganze Reihe von Konstellationen, in denen eine Haftung nicht gegeben ist (Familienmitglieder, WLAN, WG, Besucher).
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So weit, so gut. Doch in der Praxis der Instanzgerichte stellt sich immer die Frage, welchen Vortrag der Anschlussinhaber bringen muss, um sich zu entlasten. Hier spielt die so genannte sekundäre Darlegungslast eine Rolle. Wenn ich als Anschlussinhaber weiß, wer den Verstoß begangen hat, kann ich diesen benennen und die gegen mich gerichtete Klage dürfte in vielen Fällen abgewiesen werden. Dann wendet sich der Rechteinhaber jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit an den Täter und stellt diesem gegenüber die Forderungen. Dies will man naturgemäß bei Angehörigen vermeiden. Daher stellt sich die Frage, was genau man vortragen muss. In vielen Fällen wird man nicht einmal genau wissen, wer denn genau der Täter war. Wie ist in solchen Fällen zu entscheiden?
Klagende Rechteinhaber wie die Kanzlei „Rasch Rechtsanwälte“ aus Hamburg verweisen immer gerne auf Urteile, in denen ein Gericht eine Haftung bejaht hat. So hat die Kanzlei „Waldorf Frommer Rechtsanwälte“ aus München vor kurzem ein Verfahren vor dem Landgericht Berlin gewonnen, nachdem noch in erster Instanz die Klage abgewiesen worden war (Landgericht Berlin, Urteil vom 10.03.2016, Aktenzeichen 16 S 31/15). In diesem Verfahren hatte der beklagte Anschlussinhaber auf die Zugriffsmöglichkeit Dritter verwiesen. Dies war aus Sicht des Gerichts nicht ausreichend, da der Anschlussinhaber nicht weiter nachgeforscht hatte, nachdem seine Haushaltsangehörigen den Verstoß bestritten hatten. Vielmehr hätte der Anschlussinhaber nachfragen oder den Sachverhalt selbst aufklären müssen. Das Filesharing-Urteil des Landgerichts Berlin können Sie auf der Homepage der Kanzlei „Waldorf Frommer Rechtsanwälte“ einsehen:
Klageabweisung Landgericht Berlin: Urteil vom 01.03.2016 (Aktenzeichen: 15 O 171/15)
Kanzleien wie „Rasch Rechtsanwälte“ oder „Waldorf Frommer Rechtsanwälte“ verweisen naturgemäß gerne auf dieses aktuelle Urteil. Doch dies ist sicherlich nur die eine Seite der Medaille. Unsere Kanzlei hat vor kurzem eine Klageabweisung in erster Instanz vor dem Landgericht Berlin erreichen können. Die Kanzlei Rasch Rechtsanwälte aus Hamburg hat wegen des vorgeworfenen Filesharings an 2 Musikalben im Namen der Universal Music GmbH Klage vor dem Landgericht Berlin erhoben und Zahlung von insgesamt 5.379,80 EUR beantragt. Das Landgericht Berlin ist jedoch unserer Rechtsauffassung gefolgt und hat die Klage abgewiesen, die Firma „Universal Music GmbH“ hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Anders als die 16. Zivilkammer lässt die 15. Zivilkammer des Landgerichts Berlin in diesem Filesharing-Prozess den Vortrag des Anschlussinhabers ausreichen, dass ein Haushaltsangehöriger (in unserem Falle die Lebensgefährtin) des Anschlussinhabers den Anschluss zum konkreten Verstoßzeitpunkt mitnutzen konnte. Wenn der Haushaltsangehörige – auf die Abmahnung angesprochen – den Vorwurf bestreitet und eine Überprüfung seines Computers ablehnt, kann kein weiterer Sachvortrag von dem beklagten Anschlussinhaber verlangt werden. Vielmehr hat dann der klagende Rechteinhaber (hier also die Firma „Universal Music GmbH“, vertreten durch die Kanzlei „Rasch Rechtsanwälte“), eine Täterschaft des Anschlussinhabers nachzuweisen. Gelingt dies nicht, ist die Klage abzuweisen.
Es ist also nach wie vor nichts eindeutig bei Filesharing-Klagen. Auch wenn einige Gerichte nach wie vor sehr streng urteilen (vgl. die Münchner Gerichte), kann ganz bestimmt nicht generell gesagt werden, dass ein Anschlussinhaber den konkreten Täter immer benennen muss, um sich selbst zu entlasten. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall, wie das aktuelle Filesharing-Urteil des Landgerichts Berlin vom 01.03.2016 zeigt. Aus unserer Sicht besonders erfreulich ist das Urteil auch deshalb, weil der Richter in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Berlin noch eine deutlich strengere Ansicht geäußert hatte.
Landgericht Berlin, Urteil vom 01.03.2016, Az 15 O 171/15
(…) Beglaubigte Abschrift
Geschäftsnummer: 15 0 171/15
verkündet am : 01.03.2016
[Name], JustizbeschäftigteLandgericht Berlin
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
[Name]
– Klägerin –– Prozessbevollmächtigte: [Name]
gegen den Herrn [Name]
– Beklagter -,– Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte F3S Rechtsanwälte, Landhausstraße 30, 69115 Heidelberg,-
hat die Zivilkammer 15 des Landgerichts Berlin in Berlin – Mitte, Littenstraße 12-17, 10179 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 12.01.2016 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht [Name] als Einzelrichter für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages zzgl. 10 % abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.Tatbestand
Die Klägerin macht gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche aus vermeintlich unerlaubter Verwertung geschützter Tonaufnahmen über ein Filesharing-Netzwerk sowie Kostenersatz wegen der durch die erfolgte Abmahnung entstandenen Rechtsanwaltskosten geltend. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin ist eine deutsche Tonträgerherstellerin. Sie ist Inhaberin von zahlreichen Leistungsschutz- und Urheberrechten an verschiedenen Musikstücken.
Der Beklagte ist Inhaber eines Internetanschlusses. Die klägerseits beauftragte Firma [Name] stellte zwei über die IP-Adresse „[IP-Adresse] “ am [Datum] um [Urzeit] Uhr vermeintlich begangene Urheberrechtsverletzungen fest, und zwar den mittels einer Filesharing-Software namens „BitTorrent“ angebotenen Musikalben „[Name] “ der Künstlergruppe [Name] sowie das Musikalbum „[Name] “ der Künstlerin [Name] mit 26 Musikaufnahmen.
Auf die Abmahnung vom 26.05.2011 gab der Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab.
Die Klägerin macht geltend, die genutzte IP-Adresse „[IP-Adresse] “ sei zum streitgegenständlichen Zeitpunkt dem Internetzugang des Beklagten zugeordnet gewesen. Dieser habe auch die ihm vorgeworfene Urheberrechtsverletzung selbst begangen.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie Wertersatz in Höhe von 4.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.01.2015 sowie Kostenersatz in Höhe von 1.379,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. Januar 2015 zu zahlen.Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.Er behauptet, er habe die streitgegenständlichen Musikalben nie über eine Tauschbörse heruntergeladen. Seine damalige Lebensgefährtin [Name] habe mit ihm in einer Wohnung gelebt und selbständig mittels ihres Computers auf den Internetanschluss zugreifen können. Am fraglichen Abend habe sie den Internetanschluss genutzt, als sie mit einer Freundin Umzugskisten gepackt habe. Er habe sie nach den streitgegenständlichen Rechtsverletzungen befragt, was diese verneint habe. Eine Prüfung ihres Laptops habe Frau [Name] abgelehnt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihren Prozessbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Dem Beklagten ist nachgelassen worden, auf den letzten Schriftsatz der Klägerin bis zum 02.022016 zu erwidern.
Der Beklagte hat am 25.02.2016 einen weiteren Schriftsatz vom selben Tage nachgereicht.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten kein Schadensersatzanspruch aus § 97 Abs. 2 UrhG zu.
Der Klägerin ist es nicht gelungen, eine etwaige Täterschaft des Beklagten hinreichend substantiiert darzulegen.
Wird ein geschütztes Werk der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, so spricht zwar eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist (BGH GRUR 2010, 633 – Sommer unseres Lebens, Rn. 12, Beck-online). Eine solche tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers ist hingegen nicht begründet, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen diesen Anschluss benutzen können. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Internetanschluss zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde (BGH GRUR 2014, 657 – BearShare, Rn. 15 m.w.N. – Beck-online).
Dem Beklagten als Inhaber des Internetanschlusses trifft für die Frage der Überlassung an Dritte nach der zuletzt genannten Entscheidung des BGH eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast. Diese führt allerdings weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 ZPO) hinausgehende Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt, ob und ggf. welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer evtl. Verletzungshandlung gewonnen hat (BGH a.a.O. Rn. 16 f, m.w.N.; Urteil vom 11.06.2015 – I ZR 75/14, Rn. 42 f m.w.N. – Tauschbörse III, zitiert nach juris).
Der Beklagte hat in diesem Zusammenhang dargelegt, die seinerzeitige Lebensgefährtin [Name] habe zum angeblichen Verstoßzeitpunkt einen eigenen Computer (Laptop) gehabt, mit welchem sie selbständigen Zugriff auf seinen Internetanschluss gehabt habe. Am 16.05.2011 sei die Zeugin zu Hause gewesen und habe bis zu seinem Eintreffen gegen 22.45 Uhr mit einer Freundin zusammen Umzugskisten gepackt und zu dieser Zeit auch das Internet benutzt. Nach Erhalt der Abmahnung auf den Vorfall angesprochen, habe Frau [Name] bestritten. Sie habe ihm, dem Beklagten, jedoch nicht erlaubt, ihren Computer zu überprüfen.
Mit diesem Vortrag ist der Beklagte seiner sekundären Darlegungs- und Beweislast sowie einer ihm etwaig obliegenden Nachforschungspflicht nachgekommen. Auch die Vernehmung der [Name] war nicht angezeigt, da die Klägerin die Behauptung des Beklagten, seine frühere Lebensgefährtin habe die Urheberrechtsverletzung in Abrede gestellt, unstreitig gestellt hat. Selbst wenn die Zeugin in der mündlichen Verhandlung bekunden würde, sie habe die fraglichen Musikstücke nicht von einer Internet-Tauschbörse über die IP-Adresse des Beklagten auf ihren Laptop heruntergeladen, wäre damit nicht im Umkehrschluss die Täterschaft des Beklagten bewiesen. Die Aussage der Zeugin ist mithin nicht entscheidungserheblich.
Aufgrund der Darlegungen des Beklagten wäre es vielmehr Aufgabe der Klägerin gewesen, ihrerseits durch Beweisantritt eine Täterschaft des Beklagten hinreichend substantiiert darzulegen. An einen derartigen Beweisantritt fehlt es jedoch, da die Zeugin [Name] dem Vortrag der Klägerin zufolge keinerlei Angaben über etwaige Tathandlungen des Beklagten machen kann.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91; 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Für die Richtigkeit der Abschrift
Berlin, den 07.03.2016[Dienstsiegel]
[Name]
Justizbeschäftigte (…)
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LG Berlin, Urteil vom 01.03.2016, Az 15 O 171/15
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