Waldorf Frommer Rechtsanwälte (München): Das Amtsgericht Stuttgart verurteilt Anschlussinhaber nach Abmahnung – „Vortäuschung“ einer IP-Adresse stellt keinen ernsthaft möglichen Geschehensablauf dar (Beklagter legt Berufung ein)

17:55 Uhr

Gegenstand des Verfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützter Filmaufnahmen. Im vorstehenden Verfahren hatte der beklagte Anschlussinhaber behauptet, die streitgegenständliche Urheberrechtsverletzung nicht begangen zu haben. Er habe sich zum fraglichen Zeitpunkt mit seiner Ehefrau im Ausland aufgehalten. Das im Haushalt vorhandene internetfähige Gerät werde zudem nur von der Ehefrau genutzt. Der Beklagte gehe daher davon aus, dass die ermittelte IP-Adresse durch einen unbekannten Dritten „gefakt“ worden sei und dieser sich somit der „Internetidentität“ des Beklagten bedient habe. Zudem erhob er die Einrede der Verjährung.

 

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Bericht

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Autorin:
Rechtsanwältin Franziska Hörl

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Das erkennende Gericht erachtete den Vortrag des Beklagten als nicht ausreichend, um die Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast zu erfüllen. Insoweit sei die pauschal behauptete Möglichkeit, dass die IP-Adresse „gefälscht“ worden sein könnte, nicht ernsthaft in Betracht zu ziehen.

Auch im Übrigen sei in keiner Weise ersichtlich, welche Personen ernsthaft die Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung zu begehen. Diesbezüglich sei der Beklagte zu konkreten Nachforschungen verpflichtet gewesen.

„Dieser sekundären Darlegungslast ist der Beklagte nicht nachgekommen. Er hat schriftsätzlich und in der Sitzung am […] lediglich darauf hingewiesen, dass er die Urheberrechtsverletzung nicht begangen habe, der Internetanschluss von seiner Ehefrau […] genutzt worden sei und sie sich am [..] in Kroatien aufgehalten hätten. Damit bleibt weitgehend offen, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen.“

Dass der Beklagte sich zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung im Ausland aufgehalten haben möchte, bewertete das Amtsgericht als unerheblich, da dies nicht ausschließe, dass der Computer in Betrieb gewesen sei. Der Beklagte sei demnach verpflichtet, der Klägerin den entstandenen Schaden zu ersetzen. Gegen den geltend gemachten Betrag in Höhe von 1.000,00 EUR bestanden keine Bedenken. Auch die Geltendmachung der Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung war berechtigt. Zuletzt verneinte das Gericht auch das Eintreten der Verjährung. Das Amtsgericht verurteilte daher die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von Schadensersatz, zum Ersatz der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten sowie zur Übernahme der gesamten Verfahrenskosten.

Der Beklagte hat gegen die Entscheidung zwischenzeitlich das Rechtsmittel der Berufung eingelegt.

 

 

AG Stuttgart, Urteil vom 02.02.2018 – 2 C 2623/17

 

(…) – Beglaubigte Abschrift –

Aktenzeichen: 2 C 2623/17

 

Amtsgericht Stuttgart

Im Namen des Volkes

Urteil

 

In dem Rechtsstreit

[Name],
– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Waldorf Frommer Rechtsanwälte, Beethovenstraße 12, 80336 München,

gegen

[Name], 73431 Aalen,
– Beklagter –

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte [Name], 73430 Aalen,

wegen Urheberrecht

 

hat das Amtsgericht Stuttgart durch den Präsidenten des Amtsgerichts [Name] aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.10.2017

für Recht erkannt:

1. Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Coburg vom 18.05.2017 (Aktenzeichen: [Az.]) wird aufrechterhalten.
2. Der Beklagte trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Streitwert: 1.107,50 EUR.

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen einer Urheberrechtsverletzung im Rahmen einer sogenannten Tauschbörse auf Schadensersatz und Erstattung der Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Anspruch.

Die Klägerin besitzt die ausschließlichen Nutzungsrechte für den Film [Name]. Den Wert einer Lizenz für einen solchen Film beziffert die Klägerin auf mindestens 5,88 EUR.

Die Klägerin trägt vor,
dass mit Hilfe des Peer-to-Peer Forensic Systems festgestellt worden sei, dass der Film am [Datum] von [Uhrzeit] Uhr bis [Uhrzeit] Uhr über den Internetanschluss des Beklagten zum illegalen Download angeboten worden sei. Im Auskunftsverfahren habe sich herausgestellt, dass der Beklagte Inhaber der IP-Adresse gewesen sei. Der Beklagte habe, was unstreitig ist, bislang keine wirksame Unterlassungserklärung abgegeben. Sie habe daher gemäß §§ 97, 19a UrhG Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von mindestens 1.000,00 EUR, wobei der Berechnungsmethode die Lizenzanalogie zugrunde zu legen sei (5,88 EUR x 2 x 400).

Für die außergerichtliche Rechtsverfolgung macht die Klägerin Kosten in Höhe von 215,00 EUR geltend. Hierbei geht sie von einem Gegenstandswert für den Unterlassungsanspruch gemäß 97a Absatz 3 S. 3 UrhG von 1.000,00 EUR und für den Schadensersatzanspruch von 600,00 EUR aus. Außerdem legt die Klägerin dem Anspruch eine 1,3 Gebühr zugrunde. Von den sich hieraus ergebenden Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 215,00 EUR macht die Klägerin 107,50 EUR als Nebenforderung geltend.

Die Klägerin beantragt,
Der Vollstreckungsbescheid wird aufrechterhalten.

Der Beklagte beantragt,
den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Coburg vom 18.05.2017 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor,
dass er die Urheberrechtsverletzung nicht begangen habe. Er habe sich zum fraglichen Zeitpunkt in Begleitung seiner Ehefrau [Name] in Kroatien aufgehalten. Dort habe er keinen Internetzugang gehabt. Im übrigen werde das Pad nur von seiner Ehefrau benutzt. Die durch das Peer-to-Peer Forensic System festgestellte dynamische IP-Adresse könne „gefakt“ worden sein. Dies bedeute, dass das PFS zwar die richtige IP-Adresse festgestellt habe, diese aber nicht dem Beklagten zuzuordnen sei. Außerdem werde die Einrede der Verjährung erhoben.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

1.

Der Beklagte hat nicht bestritten, dass die Klägerin Rechteinhaberin des Films ist, dass durch das PFS-System festgestellt wurde, das über die IP-Adresse [IP] am [Datum] zwischen [Uhrzeit] Uhr und [Uhrzeit] Uhr eine Rechtsverletzung begangen wurde und dass der Klägerin hierdurch ein Schaden in Höhe von mindestens 1.000,00 EUR entstanden ist.

2.

Der Beklagte ist für diese Rechtsverletzung verantwortlich.

a)

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. etwa BGH, Urteil vom 11.06.2015, I ZR 75/14, Tauschbörse III, Rdnr. 37 bei juris; BGH, Urteil vom 27.07.2017, I ZR 68/16, Ego-Shooter, Rdnr. 12 f. bei juris) spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen Internetanschluss benutzen konnten. Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. In diesen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses jedoch eine sekundäre Darlegungslast. Diese führt zwar weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat. Die pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs von im Haushalt lebenden Dritten auf den Internetanschluss genügt hierbei nicht. Der Inhaber eines Internetanschlusses hat vielmehr nachvollziehbar vorzutragen, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen.

b)

Dieser sekundären Darlegungslast ist der Beklagte nicht nachgekommen. Er hat schriftsätzlich und in der Sitzung am 27.10.2017 lediglich darauf hingewiesen, dass er die Urheberrechtsverletzung nicht begangen habe, der Internetanschluss von seiner Ehefrau [Name] genutzt worden sei und sie sich am [Datum] in Kroatien aufgehalten hätten. Damit bleibt weitgehend offen, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen.

Der Beklagte hätte seine Ehefrau befragen müssen, ob sie die Urheberrechtsverletzung begangen hat. Hätte sie dies verneint, wäre er zwar zu weiteren Erkundigungen und Nachprüfungen gegenüber der Ehefrau nicht verpflichtet gewesen (vgl. BGH, Urteil vom 06.10.2016, 1 ZR 154/15, Afterlife, Rdnr. 26 bei juris). Er hätte aber prüfen müssen, ob Dritte für die Urheberrechtsverletzung in Betracht kommen. Der Hinweis, dass die beiden erwachsenen Kinder nicht mehr zu Hause wohnen, genügt hierfür nicht. Außerdem hätte er den Verschlüsselungsstandard des Routers zum Zeitpunkt der Urheberrechtsverletzung feststellen müssen. Ein entsprechender Vortrag ist, worauf das Gericht mehrfach hingewiesen hat, nicht erfolgt.

Ob sich der Beklagte mit seiner Ehefrau zum Zeitpunkt der Urheberrechtsverletzung in Kroatien aufgehalten hat, ist unerheblich. Denn dies schließt nicht aus, dass der Computer zum Zeitpunkt der Urheberrechtsverletzung in Betrieb war.

c)

Über die Behauptung des Beklagten, dass die von der Klägerin festgestellte IP-Adresse „gefakt“ gewesen sein könnte, ist kein Beweis zu erheben. Dem Gericht ist nicht bekannt, dass eine solche technische Möglichkeit ernsthaft in Betracht zu ziehen ist. Es handelt sich um eine Behauptung ins Blaue hinein. Auch hierauf hat das Gericht hingewiesen. Der vom Beklagten angekündigte Vortrag zu „gefakten“ IP-Adressen ist trotz Verlängerung der Frist zur Stellungnahme nicht erfolgt.

3.

Der Beklagte ist deshalb verpflichtet, den der Klägerin durch die illegale öffentliche Zugänglichmachung ihrer Bild- / Tonaufnahme entstandenen Schaden zu ersetzen, §§ 97, 19a UrhG. Gegen den von der Klägerin geltend gemachten Pauschalbetrag in Höhe von 1.000,00 EUR bestehen keine Bedenken. Auch der Beklagte hat solche Bedenken nicht geäußert.

Auch gegen die Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 215,00 EUR, die von dem Beklagten gemäß §§ 97 Absatz 2, 97a UrhG zu erstatten sind, sind Bedenken nicht zu erkennen. Dies gilt sowohl für den Streitwert in Höhe von 1.600,00 EUR (1.000,00 EUR für das Unterlassungsbegehren und 600,00 EUR für den vorgerichtlich geltend gemachten Schadensersatz) als auch für die angesetzte 1,3 Gebühr. Hiervon macht die Klägerin die Hälfte, also 107,50 EUR, als Hauptforderung und die andere Hälfte als Nebenforderung geltend.

4.

Weshalb der im Jahr 2014 entstandene Anspruch verjährt sein soll, ist nicht erkennbar.

5.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 280 Absatz 1 und 2, 286 Absatz 2 Nr. 1, 288 Absatz 1 BGB. Auf das Schreiben des Klägervertreters vom 10.11.2016 (Bl. 80) wird Bezug genommen. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600,00 EUR übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem

Landgericht Stuttgart
Urbanstraße 20
70182 Stuttgart

einzulegen.

Die Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung der Entscheidung.

Die Berufung muss mit Schriftsatz durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt eingelegt werden. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Berufung eingelegt werde.

Die Berufung muss binnen zwei Monaten mit Anwaltsschriftsatz begründet werden. Auch diese Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung.

Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 EUR übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.

Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem

Amtsgericht Stuttgart
Hauffstraße 5
70190 Stuttgart

einzulegen.

Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.

Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.

Rechtsbehelfe können auch als elektronisches Dokument eingelegt werden. Eine Einlegung per E-Mail ist nicht zulässig. Wie Sie bei Gericht elektronisch einreichen können, wird auf www.ejustice-bw.de beschrieben.

[Name],
Präsident des Amtsgerichts

Verkündet am 02.02.2018
[Name], JS’in
Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

Beglaubigt
Stuttgart, 06.02.2018
[Name], Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Durch maschinelle Bearbeitung beglaubigt
– ohne Unterschrift gültig (…)

 

 

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AG Stuttgart, Urteil vom 02.02.2018 – 2 C 2623/17

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