16:58 Uhr
In einem von unserer Kanzlei geführten Filesharing Verfahren hat das Amtsgericht (AG) Charlottenburg entschieden, dass ein unberechtigt abgemahnter Anschlussinhaber keine Aufklärungspflichten gegenüber einer Abmahnkanzlei hat. Es hat daher eine Klage von Waldorf Frommer abgewiesen.
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Rechtsanwalt Christian Solmecke, LL. M.
WILDE BEUGER SOLMECKE Rechtsanwälte GbR
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Bericht
Urteil als PDF:
https://www.wbs-law.de/wp-content/uploads/2017/10/Volltext-AG-Charlottenburg-206-C-236-17-.pdf
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Die Münchner Kanzlei Waldorf Frommer hatte eine Mutter wegen Filesharing abgemahnt. Die Abmahnung erfolgte, weil über ihren Anschluss der Film „Die Bestimmung – Divergent“ im Wege des Filesharing heruntergeladen worden war. Waldorf Frommer verlangte daher von ihr Schadensersatz und Ersatz der Abmahnkosten.
Abgemahnte war in Urlaub
Nachdem die Kanzlei die Mutter verklagt hatte verteidigte sie sich damit, dass weder sie noch ihr Sohn die vorgeworfene Urheberrechtsverletzung begangen haben konnten. Denn Beide waren zum vermeintlichen Tatzeitpunkt im Urlaub.
Gast hatte illegales Filesharing eingeräumt
Vielmehr sei diese Tat durch eine französische Gaststudentin begangen worden, die sich in diesem Zeitraum in der Wohnung der Familie aufgehalten hatte. Dies konnte die Anschlussinhaberin durch Vorlage einer schriftlichen Bescheinigung nachweisen.
Unberechtigt Abgemahnte soll für Rechtsstreit aufkommen
Doch damit gab sich Waldorf Frommer nicht zufrieden. Die Kanzlei verlangte, dass der Anschlussinhaberin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden. Dies begründeten die Abmahnanwälte damit, dass sie bereits nach Erhalt der Abmahnung hätte erwähnen müssen, dass die Gaststudentin die Täterin gewesen sei. Infolgedessen hätte sie die ihr obliegende Aufklärungspflicht verletzt. Diese habe aufgrund eines gesetzlichen Schuldverhältnisses bestanden, das durch die Abmahnung entstanden sei.
Das Amtsgericht Charlottenburg erteilte dieser wenig überzeugenden Argumentation der Gegenseite jedoch eine Absage. Es entschied mit Urteil vom 22.09.2017, Az. 206 C 236/17, dass eine Kostentragungspflicht der Anschlussinhaberin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht käme.
Filesharing: Aufklärungspflicht nur bei begründeter Abmahnung
Ein Kostenerstattungsanspruch unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes nach § 280 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) scheide aus, da bei einer unberechtigten Abmahnung wegen Filesharings keine Antwortpflicht bestünde. Denn eine Aufklärungspflicht komme unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nur bei einer begründeten Abmahnung infrage. Dies setze voraus, dass die abgemahnte Anschlussinhaberin eine Urheberrechtsverletzung begangen habe. Dies war hier jedoch nicht der Fall. Eine Heranziehung kam daher weder als Täter noch im Wege der Störerhaftung infrage. Ebenso wenig ergab sich eine Aufklärungspflicht aus § 826 BGB bzw. aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag nach § 683 BGB.
Fazit:
Diese Entscheidung erscheint uns wenig überraschend. Mit einer ähnlichen Argumentation war bereits die Kanzlei Rasch vor dem Amtsgericht Hamburg gescheitert. Es wies mit Beschluss vom 10.10.2016, Az. 25b C 20/16 darauf hin, dass es bei einer unberechtigten Abmahnung keine Antwortpflicht des Anschlussinhabers gegenüber einem Abmahnanwalt besteht. Hierfür fehlt es an der notwendigen Sonderverbindung. Näheres erfahren Sie in unserem Beitrag „Keine Antwortpflicht des Abgemahnten bei Filesharing Abmahnung„. Unberechtigt Abgemahnte sollten sich daher nicht von geschäftstüchtigen Abmahnkanzleien einschüchtern lassen, sondern immer die eigenen Erfolgschancen juristisch abklären lassen.
Über weitere gewonnene Filesharing-Verfahren unserer Kanzlei können Sie sich unter folgendem Link informieren:
Siegreiche Filesharing-Verfahren der Kanzlei WBS
(hab)
AG Charlottenburg, Urteil vom 22.09.2017, Az. 206 C 236/17
(…) – Beglaubigte Abschrift –
Amtsgericht Charlottenburg
Im Namen des Volkes
Urteil
Geschäftsnummer: 206 C 236/17
verkündet am: 22.09.2017
[Name], JustizsekretärinIn dem Rechtsstreit
[Name],
Klägerin,– Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Waldorf Frommer, Beethovenstraße 12, 80336 München, –
gegen
[Name],
Beklagte,– Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Wilde, Beuger, Solmecke, Kaiser-Wilhelm-Ring 27-29, 50672 Köln, –
hat das Amtsgericht Charlottenburg, Zivilprozessabteilung 206, im schriftlichen Verfahren, bei dem Schriftsätze bis zum 08.09.2017 eingereicht werden konnten, durch die Richterin am Amtsgericht [Name]
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin ist nach ihrer Behauptung (streitig) die alleinige Lizenznehmerin und Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem Filmwerk „[Name]“. Bei „www.maxclomestore.de“ ist die Klägerin als Rechteinhaberin in Bezug auf diesen Film angegeben.
Sie beauftragte die Digital Forensics GmbH mit der Überwachung von Internettauschbörsen zwecks Ermittlung von Urheberrechtsverletzungen. Diese stellte fest, dass der vorgenannte Film am 04.08.2014 zwischen [Uhrzeit] und [Uhrzeit] Uhr unter der IP-Adresse [IP] zum Download für Dritte bereitgestellt wurde.
Aufgrund Gestaltungsbeschlusses des Landgerichts [Name] vom 07.08.2014 teilte die [Name] der Klägerin mit, dass die o.g. IP-Adresse zu dem maßgeblichen Zeitpunkt dem Internetanschluss der Beklagtenseite zugeordnet war.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 22.08.2014 wurde die Beklagtenseite wegen Anbietens dieses Film in einer Internet-Tauschbörse abgemahnt und zur Zahlung von Schadensersatz und Ersatz von Anwaltskosten in Höhe eines Pauschalbetrages von 815,00 EUR aufgefordert (Anlage K 4-1, Bl. 43 ff. d.A).
Im Zeitpunkt der Verletzungshandlung waren weder die Beklagte noch ihr mit im Haushalt lebender Sohn [Name] anwesend. Sie selbst befand sich in ihrem Landhaus in [Name] und der Sohn bei seinem Vater in Italien. Während ihrer Abwesenheit wohnte eine französische Studentin, die Zeugin [Name], die in der Zeit vom 03.08.2014 bis zum 24.08.2014 einen Sprachkurs absolvierte, in der Wohnung der Beklagten. Diese hatte Zugang zu dem WLAN-Anschluss und nutzte diesen mit ihrem eigenen PC. Die streitgegenständliche Verletzungshandlung wurde – dies war zuletzt unstreitig – von der Zeugin begangen, was diese schriftlich bestätigte (Anlage B 1, Bl. 142, 143 d.A.).
Diesen Sachverhalt teilte die Beklagte der Klägerin jedoch vorprozessual nicht mit, sondern berief sich hierauf erstmals im Rechtsstreit.
Die Klägerin behauptet:
Sie sei Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an dem streitgegenständlichen Film. Wegen der Einzelheiten des klägerischen Vortrags zur Rechtsinhaberschaft wird auf den Schriftsatz vom 20.06.2017 (Bl. 108 bis 110 d.A.) Bezug genommen.Mit der Klage hat die Klägerin zunächst einen Lizenzschaden nach der Lizenzanalogie in Höhe von mindestens 1.000,00 EUR sowie 215,00 EUR Rechtsanwaltskosten (1,3 Geschäftsgebühr aus 1.600,00 EUR zzgl. 20,00 EUR Auslagenpauschale), die für die Abmahnung angefallen sind, geltend gemacht. Nachdem die Beklagte zur Täterschaft der Zeugin vorgetragen hatte, hat sie die Klage umgestellt auf Feststellung der Kostentragungspflicht.
Die Klägerin trägt insoweit vor:
Sie gehe davon aus, dass die Beklagtenseite bereits nach Erhalt der klägerischen Abmahnung von der Täterschaft der Schülerin gewusst habe. Wider besseren Wissens sei als erste Reaktion , auf die Abmahnung die bereits bekannte Täterschaft der Schülerin nicht erwähnt worden. Hierdurch habe die Beklagtenseite die ihr obliegende Aufklärungspflicht, die aufgrund des gesetzlichen Schuldverhältnisses, entstanden durch die Abmahnung, verletzt. Gestützt werde der Anspruch auf §§ 280, 242 BGB, hilfsweise auf § 826 BGB und weiter hilfsweise auf GoA.Die Klägerin beantragt nunmehr,
festzustellen, dass die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.Wegen des weiteren Vorbringens wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die geänderte Klage ist unbegründet.
Die Klägerin gegen die Beklagte hat keinen Anspruch auf Feststellung, dass diese die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Eine Kostentragungspflicht der Beklagten besteht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.
Die Klage scheitert allerdings nicht schon an der fehlenden Aktivlegitimation der Klägerin. Diese hat mit Schriftsatz vom 20.06.2017 substantiiert dazu vorgetragen, wie sie die ausschließlichen Nutzungsrechte an dem streitgegenständlichen Film erworben hat. Zudem befindet sich bei Online-Videothek „www.maxdome.de“ ein Vermerk, der die Klägerin als Rechteinhaberin ausweist, was zumindest ein Indiz für deren Rechtsinhaberschaft darstellt. Unter diesen Umständen hätte die Beklagte näher dazu vortragen müssen, worauf sich ihre Zweifel an der Aktivlegitimation begründen.
I.
Ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch unter Schadensersatzgesichtspunkten aus § 280 BGB besteht nicht.
Entgegen der Ansicht der Klägerin traf die Beklagte keine Pflicht zur Antwort auf die vorgerichtliche Abmahnung der Klägerin. Zwar ist im Grundsatz anerkannt, dass die Abmahnung ein gesetzliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung zwischen dem Abmahnenden und dem Rechtsverletzer begründet (BGH, GRUR 1990, 381, 382, juris). Aus diesem Schuldverhältnis können sich für den Abgemahnten aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) Aufklärungspflichten ergeben. Stets können Aufklärungspflichten aber nur bei einer begründeten Abmahnung hergeleitet werden, also dann, wenn eine Rechtsverletzung durch den Abgemahnten tatsächlich gegeben ist (Wandtke / Bullinger / Kefferpütz, 4. Auflage 2014, UrhG § 97a Rn. 29), Vorliegend war die Abmahnung jedoch unberechtigt, da die Beklagte unstreitig weder als Täterin, noch als Störerin haftet, so dass es – anders als beispielsweise in dem vom Landgericht Hamburg zu beurteilenden Fall (dort Störerhaftung, Urteil vom 04.04.2014, Az. 310 O 409/11, juris) – an einem gesetzlichen Schuldverhältnis fehlt, welches geeignet wäre, irgend welche Pflichten zu begründen.
II.
Ebenso wenig kann die Klägerin einen solchen Anspruch aus § 826 BGB herleiten. § 826 BGB setzt eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Klägerin durch die Beklagte voraus. Als Tathandlung kommt nur das Unterlassen der Auskunft nach Erhalt der Abmahnung in Betracht. Dies setzt jedoch eine Pflicht zum Handeln voraus, woran es vorliegend fehlt; auf die obigen Ausführungen zu Ziffer 1 wird Bezug genommen. Darüber hinaus verletzt ein Untertassen die guten Sitten nur, wenn das geforderte Tun einem sittlichen Gebot entspricht. Es müssen besondere Umstände hinzutreten, die das Verhalten als verwerflich erscheinen lassen (Palandt, 76. Auflage, Rn. 7 zu § 826 BGB). Derartige Umstände sind nicht ersichtlich.
III.
Und schließlich scheiden auch Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag, etwa aus § 683 BGB, aus, da es bei einer unberechtigten Abmahnung bereits an einer berechtigten Geschäftsführung fehlt.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen die Entscheidung können Sie, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder die Berufung vom Gericht, das die Entscheidung getroffen hat, zugelassen worden ist, Berufung einlegen, wenn Sie durch die Entscheidung in Ihren Rechten beeinträchtigt sind.
Im Berufungsverfahren müssen Sie sich von einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt vertreten lassen. Dies gilt für das Einlegen der Berufung und die Begründung. Die Berufung muss schriftlich in deutscher Sprache durch Ihre Rechtsanwältin oder Ihren Rechtanwalt beim
Landgericht Berlin
Littenstraße 12-17
10179 Berlinoder
Landgericht Berlin
Tegeler Weg 17-21
10589 Berlinoder
Landgericht Berlin,
Turmstraße 91,
10559 Berlineingelegt werden.
Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Berufung eingelegt wird.
Die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift müssen von Ihrer Rechtsanwältin / Ihrem Rechtsanwalt unterschrieben sein.
Die Berufung ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat bei dem oben genannten Gericht einzulegen.
Die Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung der Entscheidung, wenn die Entscheidung nicht zugestellt werden konnte. Die Berufungsschrift muss innerhalb der Frist beim Gericht eingegangen sein.
Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, innerhalb von zwei Monaten schriftlich zu begründen.
Auch diese Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung.
[Name]
Richterin am AmtsgerichtFür die Richtigkeit der Abschrift
Berlin, den 22.09.2017
[Name], Justizsekretärin
Durch maschinelle Bearbeitung beglaubigt – ohne Unterschrift gültig. (…)
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AG Charlottenburg, Urteil vom 22.09.2017, Az. 206 C 236/17
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