Waldorf Frommer Rechtsanwälte (München): Klageverfahren nach Abmahnung vor dem Amtsgericht Magdeburg – Ein pauschaler Verweis auf Erinnerungslücken genügt nicht den Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast

17:28 Uhr

Gegenstand des Verfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützter Filmaufnahmen. Der beklagte Anschlussinhaber hatte im genannten Verfahren eingewandt, „für sich selbst ausschließen zu können, ein Peer-to-Peer Netzwerk genutzt zu haben“. Weiterhin hätten sowohl seine Ehefrau, als auch seine zwei Kinder grundsätzlich Zugriff auf den Internetanschluss gehabt. An den konkreten Tattag könne er sich allerdings nicht mehr erinnern. Im Übrigen berief sich der Beklagte zum einen auf eine angeblich eingetretene Verjährung, und zum anderen auf eine fehlerhafte Ermittlung der IP-Adressen.

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Bericht

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Urteil als PDF:
https://news.waldorf-frommer.de/wp-content/uploads/2017/11/AG_Magdeburg_114_C_247_16_114.pdf

Autor:
Rechtsanwalt David Appel

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Das Gericht erachtete die Einlassungen des Beklagten als unzureichend und verurteilte den Beklagten – mangels Erfüllung der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast – als Täter der streitgegenständlichen Rechtsverletzung.

Das Gericht führte in seinen Entscheidungsgründen aus, der Beklagte müsse „darlegen und beweisen, dass eine andere Person als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommt“. Diesbezüglich habe jedoch „jeder Vortrag, als auch ein entsprechendes Beweisangebot der Beklagtenseite“ gefehlt. Die bloße Darlegung der Nutzungsmöglichkeit weiterer Familienmitglieder genüge nicht, um die sekundäre Darlegungslast zu erfüllen. Dass der Beklagte sich nicht mehr an den Tag der Rechtsverletzung erinnern könne, wertete das Gericht zu Lasten des Beklagten.

Auch den Einwand einer fehlerhaften Ermittlung wies das Gericht zurück. Der Internetanschluss des Beklagten wurde an vier verschiedenen Tagen sowie zu acht verschiedenen Zeitpunkten und unter acht verschiedenen IP-Adressen als Ursprung der Rechtsverletzung ermittelt. Ohne konkrete Anhaltspunkte für etwaige Fehler ging das Gericht zu Recht davon aus, dass eine Fehlerhaftigkeit der Ermittlungen „nach den Grundsätzen der Wahrscheinlichkeit“ auszuschließen sei.

Von Verjährung könne ebenfalls nicht ausgegangen werden. Der zwischenzeitlich ergangene Mahnbescheid sei nicht nur hinreichend bestimmt, sondern wurde auch innerhalb der Frist von drei Jahren beantragt.

Im Übrigen sah das Gericht sowohl die Höhe des geltend gemachten Lizenzschadens als auch der Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung als angemessen an. Unter Berücksichtigung der ebenfalls zu tragenden Verfahrenskosten verurteilte das Amtsgericht den Beklagten zu einer Gesamtzahlung in Höhe von über 2.000,00 EUR.

 

 

AG Magdeburg, Urteil vom 28.09.2017, Az. 114 C 247/16 (114)

 

(…) – Beglaubigte Abschrift –

 

Amtsgericht
Magdeburg

 

114 C 247/16 (114)

Verkündet am 28.09.2017
[Name], Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

Im Namen des Volkes

Urteil

 

In dem Rechtsstreit

[Name],
Kläger,

Prozessbevollmächtigte: Waldorf – Frommer Rechtsanwälte, Beethovenstraße 12, 80336 München,

gegen

[Name], 39175 Biederitz,
Beklagter,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte [Name], 39108 Magdeburg,

 

hat das Amtsgericht Magdeburg auf die mündliche Verhandlung vom 15.08.2017 durch den Richter am Amtsgericht [Name]

für Recht erkannt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 600,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%Punkten seit dem 08.05.2015 sowie 509,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%Punkten seit dem 08.05.2015 zu zahlen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherungsleistung in Höhe von120 % des zu vollstreckendes Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Urheberrechtsverletzung.

In der Zeit zwischen dem [Datum] und [Datum] wurde der Film [Name] in der Internettauschbörse „BitTorrent“ ohne Erlaubnis der Klägerin zum Herunterladen angeboten. Dies erfasste die von der Klägerin beauftragte Firma ipoque GmbH und stellte die IP-Adresse des anbietenden Nutzers fest. Mit Beschluss vom [Datum] gestattete das Landgericht Köln der Deutschen Telekom, der Klägerin Auskunft über die zu dieser IP-Adresse gehörenden Daten zu geben. Die Deutsche Telekom erteilte der Klägerin die Auskunft über die Zuordnung der IP-Adresse zu dem Beklagten. Die Klägerin forderte anwaltlich vertreten den Beklagten zur Unterlassung seines Verhaltens auf und forderte den Beklagten zur Zahlung von 956,00 EUR auf. Der Beklagte ging hierauf nicht ein. Die Klägerin leitete ein Mahnverfahren ein. Gegen den ihm am 07.07.2015 zugestellten Mahnbescheid des Amtsgerichts Coburg vom 02.07.2015 legte der Beklagte am 15.07.2015 Widerspruch ein.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie einen Schadensersatzbetrag in Höhe von 600,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.05.2015 zu zahlen und

den Beklagten zu verurteilen, an sie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 859,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.05.2015 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet,
der Internetanschluss sei durch weitere Familienmitglieder genutzt worden. Er habe seine Ehefrau sowie seine Tochter und seinen Sohn ausdrücklich darüber belehrt, dass sie keinerlei Internettauschbörsen nutzen sollen. Der Internetanschluss sei ordnungsgemäß mittels WPA2-Verschlüsselung und privatem Passwort geschützt gewesen. Bei der Rückverfolgung der IP-Adresse sei ein Fehler nicht auszuschließen. Zudem erhebt der Beklagte die Einrede der Verjährung.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien und der Beweisangebote wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 600,00 EUR gegen den Beklagte aus §§ 97 Abs. 2, 97a UrhG.

Danach ist dem Verletzten zum Ersatz des Schadens verpflichtet, wer vorsätzlich oder fahrlässig das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt. Dass die Klägerin aktivlegitimiert ist, hat sie hinreichend dargetan.

Der Beklagte haftet als Täter im Sinne des § 97 UrhG. Es spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist, deren IP-Adresse ihr zum fraglichen Zeitpunkt zugeteilt ist, wenn ein geschütztes Werk der Öffentlichkeit von dieser IP-Adresse aus zugänglich gemacht wird (BGH, Urt. v. 12.05.2010, I ZR 121/08). Jedoch ist eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers nicht begründet, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten (BGH, Urt. v. 08.01.2014, I ZR 169/12). Den Anschlussinhaber trifft insoweit eine sekundäre Darlegungslast. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet (BGH, Urt. v. 08.01.2014, I ZR 169/12, Rdn. 18, m.w.N.). Der Beklagte muss darlegen und beweisen, dass eine andere Person als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommt.

Hierzu fehlt jeder Vortrag sowie ein entsprechendes Beweisangebot seitens des Beklagten. Der Beklagte führt vielmehr aus, dass er sich an diesem Tag nicht mehr erinnern könne und hat damit weder konkret vorgetragen noch unter Beweis gestellt, dass eine andere Person als Täter in Betracht kommt.

Der Beklagte genügt damit seiner sekundären Beweislast nicht.

Auch der Einwand der Beklagten, die Ermittlung der IP-Adresse könne fehlerhaft sein, stellt eine bloße Vermutung dar, die nicht belegt ist. Nach den Grundsätzen der Wahrscheinlichkeit ist einer solche vermutete Fehlerhaftigkeit auszuschließen.

Schließlich kann sich der Beklagte auch nicht auf Verjährung berufen. Der Mahnbescheid war hinreichend bestimmt und die Klägerin hat den Antrag auf Erlass des Mahnbescheids rechtzeitig innerhalb der Frist von 3 Jahren gestellt.

Die Klägerin hat auch Anspruch auf Zahlung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 506,00 EUR aus § 97a UrhG. Insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf den klägerischen Vortrag Bezug genommen werden.

Der Zinsanspruch hat seine Rechtsgrundlage in den Grundsätzen des Verzuges.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 11 Alt. 2, 711 ZPO.

 

Rechtsbehelfsbelehrung

Diese Entscheidung kann mit der Berufung angefochten werden. Sie ist einzulegen innerhalb einer Notfrist von einem Monat bei dem

Landgericht Magdeburg,
Halberstädter Straße 8,
39112 Magdeburg.

Die Frist beginnt mit der Zustellung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Beschwerdegegenstand 600,00 EUR übersteigt oder das Gericht die Berufung in diesem Urteil zugelassen hat. Zur Einlegung der Berufung ist berechtigt, wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Die Berufung wird durch Einreichung einer Berufungsschrift eingelegt. Die Berufung kann nur durch einen Rechtsanwalt eingelegt werden.

[Name]
Richter am Amtsgericht

Beglaubigt
Magdeburg, 29.09.201
[Name], Justizangestellte
als Urkundsbeamtin/Urkundsbeamter des Amtsgerichts (…)

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AG Magdeburg, Urteil vom 28.09.2017, Az. 114 C 247/16 (114)

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