.rka Rechtsanwälte Reichelt Klute GbR: Landgericht Berlin – Gesteigerte Anforderungen an den Anschlussinhaber bei Mehrfachabmahnungen wegen Filesharing (Haftung aus § 832 BGB)

15:28 Uhr

Hamburg / Berlin, 29.03.206 (eig.). Der Anschlussinhaber, der zeitlich nacheinander mehrfach Abmahnungen erhält, ist gesteigerten Sorgfalts- und Überprüfungsanforderungen ausgesetzt. Dies hat das Landgericht Berlin in einem heute bekannt gewordenen Urteil entschieden (LG Berlin, Urt. v. 03.03.2016, Az. 16 O 46-15).

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Rechtsanwalt Nikolai Klute
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Bericht

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Urteil als PDF:
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Das Landgericht Berlin urteilte:

„Die Beklagte zu 1) schuldet der Klägerin aus § 832 Abs. 1 BGB Schadensersatz. Nach dieser Vorschrift ist derjenige, der kraft Gesetzes zur Aufsicht über eine minderjährige Person verpflichtet ist, zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt hat. Davon ist hier nicht auszugehen. Es mag zu Gunsten der Beklagten zu 1) unterstellt werden, dass sie ihrem Sohn bereits im Jahr 2010 in allgemeiner Form die Teilnahme an Internettauschbörsen untersagte. Darauf kommt es nicht an, weil mit dem Erhalt der Abmahnung vom 03. Januar 2013 konkrete Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass der Sohn das Verbot nicht befolgte. Da sie ausweislich des Schriftsatzes vom 02. September 2013 von der Spielleidenschaft ihres Sohnes Kenntnis hatte, hätte sie seiner Antwort, die in dem Schreiben genannte Rechtsverletzung nicht begangen zu haben, mit einem gewissen Misstrauen begegnen und konkrete Maßnahmen für den Fall ergreifen müssen, dass sich ihr Sohn möglicherweise doch an Internettauschbörsen beteiligte. Wenn die Beklagte zu 1) in diesem Zusammenhang vortragen lässt, sie habe nach Erhalt der ersten Abmahnung den Computer ihres Sohnes überprüft und in der Folge stichprobenartige Kontrollen der auf dem PC installierten Software durchgeführt, so steht diese Einlassung in deutlichem Widerspruch zu ihren eigenen Äußerungen. So bekundete sie in ihrem eigenen Schreiben vom 08. März 2015, ihr technischer Sachverstand in Bezug auf das Internet sei so gering, dass sie nicht einmal die Klagschrift verstehe, geschweige denn überprüfen könne, „was hier gelaufen sei“. Wie unter diesen Umständen eine zielführende Überprüfung des Computers auf Tauschbörsensoftware möglich sein soll, bleibt unverständlich. (…) Eine Belehrung dahin, dass der Sohn im Internet nichts Verbotenes tun dürfe, genügt den Anforderungen nicht. Sie liegt auf einer Linie mit der Aufstellung von Regeln zu „ordentlichem Verhalten“, die der BGH in der Entscheidung vom 11. Juni 2015 – I ZR 7/14 – Tauschbörse II – Tz 38 für nicht genügend erachtete.“

„Das Landgericht Berlin liegt damit voll auf der Linie des Bundesgerichtshofs“, erklärt der Hamburger Rechtsanwalt Nikolai Klute von „.rka Rechtsanwälte“ (www.rka-law.de), „und hat die Anschlussinhaberin nicht nur zur Unterlassung, sondern auch auf Schadensersatz verurteilt. Dabei haben die Richter in ihren Entscheidungsgründen deutlich gemacht, dass der verlangte und ausgeurteilte Betrag von EUR 1.000,00 in Ansehung des Verletzungsumfanges und in Anbetracht der Berechnungen des Bundesgerichtshofs in vergleichbaren Fällen durchaus hätte höher ausfallen können.“

Dass neben den geltend gemachten Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen auch die Kosten der Abmahnung zu übernehmen waren, machte das Landgericht Berlin ebenso deutlich. Dabei addierte es dem Unterlassungsstreitwert von 1.000,00 EUR den Wert für die Geltendmachung von Schadensersatz- und Auskunftsansprüchen hinzu und folgte der Auffassung der Klägerin, dass auch jene Ansprüche bei der Bemessung der Berechnungsgrundlage für den Erstattungsanspruch zu Grunde zu berücksichtigen seien. Die Beklagten wurden deswegen zu einem weiteren Betrag von 243,60 EUR verurteilt.

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Landgericht Berlin, Urteil vom 03.03.2016, Az. 16 O 46-15 (Volltext)

 

(…) Landgericht Berlin

im Namen des Volkes

Anerkenntnisteil- und Schlussurteil

Geschäftsnummer: 16 0 46115
verkündet am :    03.03.2016

[Name], Justizbeschäftigte

in dem Rechtsstreit der

[Name]
Klägerin,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte rka Rechtsanwälte, Johannes-Brahms-Platz 1, 20355 Hamburg,

gegen
1. die Frau [Name]
2. den Herrn [Name]

beide Beklagte,

Prozessbevollmächtigter zu 1): Rechtsanwalt [Name]
Prozessbevollmächtigte zu 2): Rechtsanwälte [Name]

hat die Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin in Berlin – Mitte, Littenstraße 12-17, 10179 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 03.03.2016 durch die Richterin am Landgericht [Name] als Einzelrichterin für Recht erkannt:

1. Das Versäumnisurteil des Landgerichts Berlin vom 13. August 2015 – 16 0 46/15 – wird aufrecht erhalten, zu Ziff. 2 mit der Maßgabe, dass die Beklagte zu 1) als Gesamtschuldnerin neben dem Beklagten zu 2) verurteilt wird.

2. Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, als Gesamtschuldner mit der Beklagten zu 1) an die Klägerin einen Betrag von 243,60 EUR nebst jährlicher Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. August 2015 zu zahlen.

3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 1.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen, die Beklagte zu 1) seit dem 13. August 2015 und der Beklagte zu 2) seit dem 24. Februar 2014.

4. Wegen des weitergehenden Zinsanspruchs wird die Klage abgewiesen.

5. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin hat die Beklagte zu 1) zu tragen, davon 6 % als Gesamtschuldnerin. Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin hat der Beklagte zu 2) 6 % als Gesamtschuldner zu tragen. Hiervon ausgenommen sind die durch die Säumnis der Beklagten zu 1) entstandenen Kosten, die sie selbst zu tragen hat. Seine außergerichtlichen Kosten hat jeder Beklagte selbst zu tragen.

6. Das Urteil ist hinsichtlich des Beklagten zu 2) ohne Sicherheitsleistung und hinsichtlich der Beklagten zu 1) zu Ziff. 1) des Versäumnisurteils (Unterlassungstenor) nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 EUR und im Übrigen nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zzgl. 10 % vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt werden.

Tatbestand

Die Klägerin beansprucht die ausschließlichen Nutzungsrechte an dem Computerspiel „[Name]“. Sie ist auf dem Datenträger und der Verpackung des Spiels wie aus den Anlagen K 3 und K 4 ersichtlich in Verbindung mit dem Zeichen © genannt. Die Beklagte zu 1) unterhält einen Internetanschluss, den auch ihr am 01. Juli 1997 geborener Sohn, der Beklagte zu 2), nutzt.

Mit Schreiben vom 03. Januar 2013 erhob die Klägerin gegen die Beklagte zu 1) den Vorwurf, dass über ihren Internetanschluss das Spiel „[Name]“ auf Tauschbörsen illegal zum Download bereit gehalten worden sei. Die Einzelheiten des Inhalts sind der Anlage K 5 zu entnehmen.

Die Klägerin beauftragte die Fa. Excipio GmbH mit der Ermittlung von IP-Adressen, über die das Computerspiel „[Name]“ zum Download angeboten wird. Die Fa. Excipio GmbH kam zu dem Ergebnis, dass ein Nutzer das Spiel am 30. August 2013 um 22:55:38 Uhr und am 31. August 2013 um 01:57:39 über die IP-Adresse [IP-Adresse] zum Download bereit hielt. Nach Auskunft des Providers Deutsche Telekom AG war die IP-Adresse zu diesem Zeitpunkt dem Internetanschluss der Beklagten zu 1) zugeordnet.

Die Klägerin mahnte die Beklagte zu 1) wegen illegalen Bereithaltens des Spiels auf Tauschbörsen mit Schreiben vom 10. Februar 2014 ab. Die Einzelheiten sind der Anlage K 7 zu entnehmen. Hierfür verlangt sie in Bezug auf den geltend gemachten Unterlassungsanspruch Kosten in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr nach einem Gegenstandswert von 1.000,00 und für die Geltendmachung des Schadenersatzfeststellungs- und Auskunftsanspruchs unter Berücksichtigung der Gebührenprogression 119,60 EUR. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf Seite 10 und 11 der Klageschrift Bezug genommen.

Die Klägerin nimmt die Beklagte zu 1) auf Unterlassung, Erstattung vorgerichtlicher Kosten und erststelligen Teilschadenersatz und den Beklagten zu 2) auf Erstattung vorgerichtlicher Kosten und Teilschadenersatz in Anspruch. Die Höhe des Teilschadenersatzes bemisst sie nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 04. November 2015 Bezug genommen.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte zu 1) sei ihrer Aufsichtspflicht über ihren damals noch minderjährigen Sohn nicht hinreichend nachgekommen.

Die Beklagte zu 1) hat sich nach Zustellung der Klage mit dem an das Landgericht Berlin adressierten Schreiben vom 08. März 2015 geäußert, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.

Das Gericht hat die Beklagte zu 1) durch Versäumnisurteil vom 13. August 2015 verurteilt,

1. es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, Dritten zu ermöglichen, das Computerspiel „[Name]“ ohne Einwilligung der Klägerin über den eigenen Internetanschluss in Peer-to-Peer-Netzwerken zum Herunterladen bereit zu haften,

2. an die Klägerin eine Betrag von 243,60 EUR nebst jährlicher Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05. März 2015 zu zahlen.

Gegen dieses ihr am 19. August 2015 zugestellte Versäumnisurteil hat die Beklagte zu 1) am 02. September 2015 Einspruch eingelegt.

Die Klägerin beantragt im Wege der Klageerweiterung,

1. das Versäumnisurteil vom 13. August 2015, Az. 16 0 46/15, mit der Maßgabe aufrecht zu erhalten, dass die Beklagte zu 1) den Klageantrag zu 2) im Verhältnis zum Beklagten zu 2) gesamtschuldnerisch gegenüber der Klägerin schuldet,

2. den Beklagten zu 2) als Gesamtschuldner mit der Beklagten zu, 1) zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von EUR 243,60 EUR nebst jährlicher Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von EUR 1.000,00 nebst jährlicher Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24. Februar 2014 zu zahlen.

Die Beklagte zu 1) beantragt,

das Versäumnisurteil des Landgerichts Berlin – Standort Littenstraße – vom 13. August 2015 zu Aktenzeichen 16 0 46/15 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 2) hat die Ansprüche anerkannt.

Die Beklagte zu 1) behauptet, die Methode zur Ermittlung der 9-Adresse sei ungeeignet und fehleranfällig. Üblicherweise genutzte Peer-to-Peer-Programme sähen unstreitig die Möglichkeit vor, den Upload vollständig einzustellen. Die Klägerin hätte daher darlegen sollen, welcher Dateiteil getauscht bzw. ihr zur Verfügung gestellt worden sein soll.

Anlässlich der Berichterstattung in der Presse über die Musiktauschbörse „Napster“ habe sie ihrem Sohn, dem Beklagten zu 2), bereits im Jahr 2010 das Prinzip der Tauschbörsen allgemein erklärt und ein striktes Teilnahmeverbot ausgesprochen, verbunden mit dem Hinweis, dass die Nutzung derartiger Internettauschbörsen rechtswidrig sei. Sie habe ihn auch nach Erhalt der ersten Abmahnung vom 03. Januar 2013 befragt. Er habe die Teilnahme an einer Internettauschbörse geleugnet. Daraufhin habe sie in Anwesenheit ihres Sohnes seinen Computer daraufhin überprüft, ob entsprechende Tauschbörsensoftware und / oder das Computerspiel „[Name]“ installiert gewesen wären. Beides sei nicht installiert und mit der Suchfunktion des Betriebssystems nicht auffindbar gewesen. Sie habe sodann in regelmäßigen zeitlichen Abständen die Belehrungen ihres Sohnes wiederholt und stichprobenartigen die auf seinem Computer installierte Software überprüft.

Wegen des übrigen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Der Beklagte zu 2) war seinem Anerkenntnis gemäß durch Anerkenntnisteilurteil zu verurteilen, § 307 ZPO.

II.

1.

Auf den nach 338, 339, 340 ZPO statthaften, form- und fristgerecht eingelegten Einspruch der Beklagten zu 1) hin war das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten, weil sich auch nach Zurückversetzung des Verfahrensstandes in die Zeit vor Säumnis in Ansehung des weiteren Vorbringens der Beklagten zu 1) keine andere Beurteilung ergibt.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu 1) aus §§ 97, 69 c Abs. 1 Nr. 4, 19 a UrhG zu. Sie ermöglichte es dem Beklagten zu 2), das Computerspiel „[Name]“ über ihren Internetanschluss mittels eines Tauschbörsenprogramms herunterzuladen und dadurch für jeden Teilnehmer des Tauschbörsenprogramms öffentlich zugänglich zu machen.

Die in dem Spiel implementierte Befehlsfolge genießt als Computerprogramm Schutz nach § 69 a UrhG, denn sie beruht auf einer individuellen geistigen Leistung. Es gilt der Maßstab der kleinen Münze.

Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an dem Computerspiel. Hierfür begründet bereits der zu Gunsten der Klägerin auf dem Datenträger und dem Cover angebrachte ©-Vermerk gemäß § 10 Abs. 3 UrhG eine gesetzliche, mindestens aber eine tatsächliche Vermutung (LG Köln, ZUM 2012, 315, Tz. 17 zitiert nach juris). Darüber hinaus hat die Klägerin die Verträge, auf die sie sich zur Begründung ihrer Aktivlegitimation stützt, vorgelegt und umfangreich dazu vorgetragen. Unter diesen Umständen genügt das einfache Bestreiten mit Nichtwissen nicht, sondern die Beklagte zu 1) hätte substantiierte Einwendungen gegen die beanspruchte Rechteinhaberschaft der Klägerin vortragen müssen.

Indem das Spiel über den Internetanschluss der Beklagten zu 1) in einer Tauschbörse zur Verfügung gestellt wurde, wurde in das ausschließliche Nutzungsrecht der Klägerin aus §§ 69 c Abs. 1 Nr. 4, 19 a UrhG unerlaubt eingegriffen. Soweit die Beklagte zu 1) pauschal die zur Ermittlung der IP-Adresse eingesetzte Ermittlungsmethode als ungeeignet und fehleranfällig rügte, darf dieser Einwand als überholt gelten, nachdem der Beklagte zu 2) die ihm vorgeworfene Handlung einräumte. Im Übrigen widerspricht es ohnehin jeder Lebenserfahrung, dass das System zu zwei verschiedenen Zeitpunkten dasselbe fehlerhafte Ergebnis, nämlich dieselbe vermeintlich falsche IP-Adresse aufgefunden haben sollte.

Die Beklagte zu 1) kann auch nicht mit dem Argument gehört werden, dass die Klägerin es versäumt habe, den konkret angebotenen Dateiteil genau zu bezeichnen. Es ist zwar richtig, dass der Unwertgehalt beim Einsatz von Tauschbörsensoftware nicht an das Herunterladen anknüpft, sondern an die Zurverfügungstellung der Dateien für Dritte, nämlich die anderen Teilnehmer des Tauschbörsennetzwerks. Es entspricht aber dem Funktionsprinzip derartiger Netzwerke, dass jeder Teilnehmer, der selbst einen Inhalt herunterlädt, seinen Internetanschluss damit zugleich auch für die Weiterleitung von Dateien bzw. Dateiteilen an Dritte öffnet. Der Hinweis auf die technische Möglichkeit, die Uploadrate auf Null zu setzen, hilft nicht weiter, weil die Beklagte zu 1) schon nicht konkret vorträgt, dass ihr Sohn vor dem Herunterladen des Spiels „[Name]“ eine solche Einstellung vornahm.

Eine genaue Bezeichnung des Dateiteils erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als erforderlich. Da der urheberrechtliche Schutz an das Computerprogramm, also die Befehlsabfolge anknüpft, sich die an die Maschine gerichteten Befehle aber in jedwedem Teil des Computerprogramms befinden, ist kein Fall denkbar, in dem Dateiteile ohne schutzfähigen Inhalt heruntergeladen werden können.

Die Beklagte zu 1) haftet für die Rechtsverletzung unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung, weil sie es versäumte, zumutbaren Prüfungspflichten nachzukommen.

Eine täterschaftliche Handlung scheidet aus, weil sie das Spiel nicht selbst über eine Tauschbörse einem breiten Publikum zur Verfügung stellte und mangels Vorsatzes auch nicht als Mittäterin als Teilnehmerin der von ihrem Sohn vorgenommenen rechtsverletzenden Handlung angesehen werden kann.

Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt (BGH, Urt. v. 18.10.2001 – I ZR 22/99, GRUR 2002, 618, 619 = WRP 2002, 532 – Meißner Dekor I; BGH, Urt. v. 30.4.2008 -1 ZR 73/05, GRUR 2008, 702 Tz. 50 = WRP 2008, 1104 – Internet-Versteigerung III). Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers nach der Rechtsprechung des BGH die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 -1 ZR 121/08 -, GRUR 2010, 633 Tz. 19 – Sommer unseres Lebens – m. w. N.)

Hier verletzte die Beklagte zu 1) Prüfpflichten, indem sie es ihrem Sohn gestattete, ihren Internetanschluss weiterhin einschränkungslos zu nutzen, obwohl sie auf Grund der zuvor empfangenen Abmahnung deutliche Anhaltspunkte dafür hatte, dass der Beklagte zu 2) ihren Verboten und Belehrungen nicht Folge leistete. Auf die nachfolgenden Ausführungen wird Bezug genommen.

2.

Die Beklagte zu 1) schuldet der Klägerin aus § 832 Abs. 1 BGB Schadenersatz. Nach dieser Vorschrift ist derjenige, der kraft Gesetzes zur Aufsicht über eine minderjährige Person verpflichtet ist, zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt hat. Davon ist hier nicht auszugehen. Es mag zu Gunsten der Beklagten zu 1) unterstellt werden, dass sie ihrem Sohn bereits im Jahr 2010 in allgemeiner Form die Teilnahme an Internettauschbörsen untersagte. Darauf kommt es nicht an, weil mit dem Erhalt der Abmahnung vom 03. Januar 2013 konkrete Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass der Sohn das Verbot nicht befolgte. Da sie ausweislich des Schriftsatzes vom 02. September 2013 von der Spielleidenschaft ihres Sohnes Kenntnis hatte, hätte sie seiner Antwort, die in dem Schreiben genannte Rechtsverletzung nicht begangen zu haben, mit einem gewissen Misstrauen begegnen und konkrete Maßnahmen für den Fall ergreifen müssen, dass sich ihr Sohn möglicherweise doch an Internettauschbörsen beteiligte. Wenn die Beklagte zu 1) in diesem Zusammenhang vortragen lässt, sie habe nach Erhalt der ersten Abmahnung den Computer ihres Sohnes überprüft und in der Folge stichprobenartige Kontrollen der auf dem PC installierten Software durchgeführt, so steht diese Einfassung in deutlichem Widerspruch zu ihren eigenen Äußerungen.

So bekundete sie in ihrem eigenen Schreiben vom 08. März 2015, ihr technischer Sachverstand in Bezug auf das Internet sei so gering, dass sie nicht einmal die Klageschrift verstehe, geschweige denn überprüfen könne, „was hier gelaufen ist“. Wie unter diesen Umständen eine zielführende Überprüfung des Computers auf Tauschbörsensoftware möglich sein soll, bleibt unverständlich. Auch auf die diesbezüglichen Fragen des Gerichts im Termin am 13. August 2015 äußerte sich die Beklagte zu 1) nur in allgemeiner Form. Eine Belehrung dahin, dass der Sohn im Internet nichts Verbotenes tun dürfe, genügt den Anforderungen nicht. Sie liegt auf einer Linie mit der Aufstellung von Regeln zu „ordentlichem Verhalten“, die der BGH in der Entscheidung vom 11. Juni 2015 – I ZR 7/14 Tauschbörse 11 – Tz. 38 für nicht genügend erachtete. Die Frage nach der Art und Weise, in der sie den Computer ihres Sohnes kontrolliert habe, beantwortete sie dahin, dass sie auf den Bildschirm geschaut habe. Das steht im Einklang mit dem Inhalt der Erklärung des Beklagten zu 2), die der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 2) im Termin verlas. Allein die Frage, ob das auf dem Bildschirm gerade laufende Spiel aus einer Internettauschbörse stamme, genügt aber unter den hier gegebenen Umständen nicht zur Erfüllung der Aufsichtspflicht, zumal es dann nahe gelegen hätte, wenigstens positiv gewendet zu fragen, woher das Spiel sonst stamme. Die Beklagte zu 1) hätte unter den hier gegebenen Umständen einer bereits zugegangenen Abmahnung auch technische Maßnahmen ergreifen müssen, um weiteren Rechtsverletzungen entgegen zu wirken. Es ist der Beklagten zu 1) nicht vorzuwerfen, dass sie nach eigenem Eingeständnis selbst nur über nur geringe Kenntnisse in Bezug auf die Internettechnik verfügt. Vielen Menschen, die nicht mit dem Internet aufgewachsen sind, ergeht es ähnlich. Es ist der Beklagten zu 1) aber vorzuwerfen, dass sie angesichts des sich aufdrängenden Problems keinen Rat bei Dritten einholte, die sich mit dieser Materie besser auskennen und, sich an neutraler Stelle darüber erkundigte, welche technischen Maßnahmen sie ergreifen kann, um Teilnahmen an Tauschbörsen entgegen zu wirken. Ferner wäre es geboten gewesen, bei dieser Gelegenheit auch Rat dazu einzuholen, wie eine Überprüfung des Computers ihres Sohnes zielführend gestaltet werden kann. Die Beklagte zu 1) verließ sich letztlich ausschließlich auf die Angaben ihres Sohnes. Das ist menschlich verständlich, genügt aber nicht den rechtlichen Anforderungen.

Die Klägerin trifft entgegen der Ansicht der Beklagten zu 1) auch kein Mitverschulden unter dem Gesichtspunkt der Abgabe eines für Erwachsene ab 18 Jahren frei gegebenen Spiels an Minderjährige. Ein derartiges Mitverschulden scheidet abgesehen von einer Reihe weiterer Fragen hier schon deshalb aus, weil die Klägerin das Spiel nicht über illegale Tauschbörsen vertreibt und damit auch keine Verantwortung dafür trägt, wenn sich Minderjährige das Spiel auf diesem Weg verschaffen.

Der Klägerin ist durch die unerlaubte Handlung des Beklagten zu 2) ein Schaden zunächst in Höhe der für die Abmahnung der Anschlussinhaberin aufgewendeten Kosten entstanden. Die Höhe der Kosten steht nicht im Streit. Sie ist auch sonst nicht zu beanstanden. Insbesondere hat die Klägerin bei der Berechnung die Vorgabe des § 97 a Abs. 3 S. 2 UrhG beachtet, wonach sich der Ersatz der für anwaltliche Dienstleistungen aufgewendeten Kosten gegenüber natürlichen Personen außerhalb einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit nach einem Gegenstandswert von 1.000,00 EUR für den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch beschränken. Da die Klägerin im vorprozessualen Schreiben vom 10. Februar 2014 zugleich Schadenersatz- und Auskunftsansprüche anmeldete, war der Wert unter Beachtung der Gebührenprogression wie geschehen zu erhöhen.

Der Klägerin entstand durch die unerlaubte Handlung des Beklagten zu 2) ferner deswegen ein Schaden, weil die Verbreitung des Spiels über Tauschbörsen den entgeltlichen Absatz deutlich schmälert. Dieser Schaden kann im Wege der Lizenzanalogie bemessen. werden (BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – 1 ZR 7/14 – Tauschbörse II – Tz. 39). Danach ist als Schadenersatz dasjenige zu zahlen, was vernünftige Parteien bei Abschuss eines Lizenzvertrages in Kenntnis der wahren Rechtslage und der Umstände des konkreten Einzelfalls als angemessene Lizenzgebühr vereinbart hätten (BGH GRUR 1990, 1008, 1009 – Lizenzanalogie -). Da es für das Angebot von Werken über Tauschbörsen keine branchenüblichen Vergütungssätze oder Tarife gibt, ist der Schaden unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls gemäß § 287 ZPO zu schätzen.

Für die Bemessung des Schadenersatzes ist von Bedeutung, dass das Spiel „[Name]“ nach der unbestrittenen Angabe der Klägerin erst im August 2013 erschienen ist, der Beklagte zu 2) es aber bereits am 30. und 31. August 2013 und mithin in der ersten Verwertungsphase in einer Tauschbörse anbot. Ferner ist mangels anderer Anhaltspunkte davon auszugehen, dass er das Spiel in einem Zeitraum von etwa drei Stunden (von 22:55 Uhr bis 01:57 Uhr) anbot.

In der bereits mehrfach zitierten Entscheidung BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – 1 ZR 7/14 Tauschbörse II – hat der BGH in Bezug auf Musiktitel die Annahme von mindestens 400 möglichen Abrufen durch unbekannte Tauschbörsenteilnehmer gebilligt (aa0 Tz. 44). Diese Zahl wird sich auf Computerspiele nicht ohne weiteres übertragen lassen, weil es hier um größere Datenmengen als bei einem einzelnen Musiktitel geht und es sich insgesamt um einen anderen Markt handelt. Legt man daher – unter Berücksichtigung eines erheblichen Sicherheitsabschlages – für Computerspiele eine vorsichtige Schätzung von (nur) 100 Abrufen zu Grunde und geht man ferner davon aus, dass der Preis für einen Download mit geschätzten 20,00 EUR geringer anzusetzen ist als der von der Klägerin mitgeteilte Einzelhandelspreis von 50,00 EUR, so erscheint ein Betrag in Höhe von 1.000,00 EUR keinesfalls übersetzt.

Der Zinsanspruch beruht auf §§ 288, 291 BGB.

Ein früherer Zinsbeginn für die Schadenersatzforderung scheidet aus, weil das Abmahnschreiben vom 10. Februar 2014 keine bezifferte Schadenersatzforderung enthielt und die darin bis 23. Februar 2014 gesetzte Frist schon deshalb keinen Verzug begründen kann. Wegen des weitergehenden Zinsanspruchs war die Klage daher abzuweisen.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1, 100 Abs. 2, 344 ZPO.

Hinsichtlich des Beklagten zu 2) lagen die Voraussetzungen des § 93 ZPO nicht vor, weil es sich nicht um ein sofortiges Anerkenntnis handelt. Dieses hätte nach der Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens bereits innerhalb der Frist abgegeben werden müssen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 1, 709 S. 1 und 2 ZPO. (…)

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LG Berlin, Urteil vom 03.03.2016, Az. 16 O 46-15