Waldorf Frommer Rechtsanwälte (München): Das Amtsgericht Magdeburg entscheidet – Bloße Nutzungsmöglichkeit weiterer Familienmitglieder lässt die Haftung des Anschlussinhabers nicht entfallen

23:11 Uhr

Gegenstand des Verfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützter Filmaufnahmen. Die vor dem Amtsgericht Magdeburg auf Rechtsanwaltskosten und Schadensersatz in Anspruch genommene Anschlussinhaberin hatte im Rahmen des Verfahrens vorgetragen, sie selbst habe die Rechtsverletzung nicht begangen. Der streitgegenständliche Internetanschluss sei zur Tatzeit nicht von ihr alleine genutzt worden. Zugriff hätten vielmehr auch der in ihrem Haushalt lebende Ehemann sowie die gemeinsame Tochter gehabt. Diese hätten sich zur konkreten Tatzeit auch in den Räumlichkeiten der gemeinsamen Wohnung aufgehalten. Allerdings würden sie ebenfalls als Täter der Rechtsverletzung ausscheiden, da sie gemeinsam einen Fernsehabend verbracht hätten.

 

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Bericht

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Urteil als PDF

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Autorin:
Rechtsanwältin Anamaria Scheuneman

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Das Amtsgericht Magdeburg hat in seinem Urteil bestätigt, dass eine generelle Zugriffsmöglichkeit dritter Personen nicht ausreicht, um der einem Anschlussinhaber obliegenden sekundären Darlegungslast zu genügen. Dies gelte umso mehr, wenn sämtliche weiteren Nutzer nach dem eigenen Parteivorbringen nicht als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen, da es insoweit an einem möglichen alternativen Geschehensverlauf mangele. Die Täterschaft der Beklagten sei vor diesem Hintergrund tatsächlich zu vermuten.

„Denn wenn ein geschütztes Werk der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht wird, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, so spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. (…)

Dies gilt dann nicht, wenn zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung auch andere Personen den Anschluss nutzen konnten, weil er entweder nicht hinreichend gesichert war oder der Anschluss bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde.

Die Beklagte selbst trägt vor, dass der Anschluss ausreichend gesichert und ihre weiteren Familienangehörigen, die die Möglichkeit gehabt hätten, Zugriff zu nehmen, die Verletzungshandlung aber nicht begangen hätten. Anhaltspunkte, dass unbefugte Dritte den Anschluss seinerzeit genutzt haben, sind nicht ersichtlich. Auch der Umstand, dass die Beklagte an einem Fernsehabend mit der Familie teilgenommen hat, lässt die tatsächliche Vermutung für die Täterschaft der Anschlussinhaber nicht entfallen. Denn die persönliche Anwesenheit der Beklagten ist für die Begehung der Rechtsverletzung nicht erforderlich. Entsprechend bedurfte es auch einer Beweisaufnahme nicht.“

Auch an der Angemessenheit der geltend gemachten Forderungen hatte das Amtsgericht keine Zweifel. Die Beklagten wurde daher antragsgemäß zur Zahlung der außergerichtlichen Abmahnkosten, eines Lizenzschadensersatzes in Höhe von 1.000,00 EUR sowie zur Übernahme der gesamten Verfahrenskosten verurteilt.

 

 

AG Magdeburg, Urteil vom 27.04.2018 – 140 C 995/17 (140)

 

(…) – Beglaubigte Abschrift –

Amtsgericht Magdeburg

140 C 995/17 (140)

Verkündet am 27.04.2018
[Name], Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftssteile

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

[Name],
Klägerin

Prozessbevollmächtigte: Waldorf – Frommer Rechtsanwälte, Beethovenstraße 12, 80336 München,

gegen

Frau [Name], 06463 Falkenstein/Harz
Beklagte

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte [Name], 39114 Magdeburg,

hat das Amtsgericht Magdeburg auf die mündliche Verhandlung vom 14.02.2018 durch die Richterin am Amtsgericht [Name]

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag i.H.v. 1.000,00 EUR zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 28.10.2016, weitere 107,50 EUR zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 28.10.2016, sowie weitere 107,50 EUR zuzüglich Zinsen Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 28.10.2016 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz wegen einer Urheberrechtsverletzung sowie die Zahlung vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten.

Mit anwaltlichem Schreiben vom [Datum] wurde die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, zur Zahlung von Schadensersatz sowie zur Erstattung der Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung aufgefordert. Die Beklagte verpflichtete sich durch die Abgabe einer Unterlassungserklärung, künftige Rechtsverletzungen zu unterlassen.

Die Klägerin verfügt über die ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem Filmwerk [Name].

In dem Zeitraum vom [Datum], [Uhrzeit] Uhr bis zum [Datum], [Uhrzeit]Uhr wurde dieses Filmwerk über die der Beklagten zugeordnete IP- Adresse [IP] öffentlich zum Download zugänglich gemacht.

Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass die Familienangehörigen der Beklagten die Rechtsverletzung nicht begangen haben.

Mit anwaltlichem Schreiben wurde die Beklagte mehrfach zur Zahlung vergeblich aufgefordert. Letztmalig mit Schreiben vom 20.10.2016 unter Fristsetzung bis zum 26.10.2016.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe dieses Filmwerk im oben genannten Zeitraum zum Download öffentlich zugänglich gemacht. Sie ist der Ansicht, ein Schadensersatzanspruch i.H.v, 1.000,00 EUR sei angemessen, gleiches gelte für den angenommenen Gegenstandswert für die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von insgesamt 1.600,00 EUR.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagtenseite zu verurteilen, an die Klägerseite an angemessen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 1.000,00 EUR betragen soll, zuzüglich Zinsen Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 28. Oktober 2016, 107,50 EUR als Hauptforderung zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 28.10.2016, sowie weitere 107,50 EUR als Nebenforderung zuzüglich Zinsen Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 28.10.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie behauptet zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung gemeinsam mit ihrem Ehemann sowie Ihrer Tochter einen Fernsehabend verbracht zu haben. Zudem sei der Anschluss ausreichend gesichert gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin kann von der Beklagten gemäß § 97 Abs. 2 UrhG die Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 1.000,00 EUR verlangen.

Die Beklagte ist passiv legitimiert. Über den Internetzugang ist das Filmwerk [Name] im Zeitpunkt der Verletzungshandlung zum Download angeboten worden. Die Beklagte handelte auch rechtswidrig und schuldhaft. Erhebliche Einwendungen hat die Beklagte nicht erhoben. Denn wenn ein geschütztes Werk der Öffentlichkeit von einer IP- Adresse aus zugänglich gemacht wird, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, so spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Diese Voraussetzungen liegen vor. Die IP-Adresse war zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung unstreitig der Beklagten zugeordnet.

Dies gilt nur dann nicht, wenn zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung auch andere Person den Anschluss nutzen konnten, weil er entweder nicht hinreichend gesichert war oder der Anschluss bewusst anderen Person zur Nutzung überlassen wurde.

Die Beklagte selbst trägt vor, dass der Anschluss ausreichend gesichert und ihre weiteren Familienangehörigen, die die Möglichkeit gehabt hätten, Zugriff zu nehmen, die Verletzungshandlung aber nicht begangen hätten. Anhaltspunkte, dass unbefugte Dritte den Anschluss seinerzeit genutzt haben, sind nicht ersichtlich. Auch der Umstand, dass die Beklagte an einem Fernsehabend mit der Familie teilgenommen hat, lässt die tatsächliche Vermutung für die Täterschaft der Anschlussinhaberin nicht entfallen. Denn die persönliche Anwesenheit der Beklagten ist für das Begehen einer Rechtsverletzung nicht erforderlich. Entsprechen bedurfte es auch einer Beweisaufnahme durch Vernehmung der benannten Zeugen nicht.

Die Höhe des geltend gemachten Anspruchs hat das Gericht gemäß § 287 ZPO unter Berücksichtigung der Ausführungen der Klägerin auf 1.000,00 EUR geschätzt. Auch die Höhe des angenommenen Gegenstandswertes ist nicht zu beanstanden.

Die Abmahnkosten sowie die weiteren Nebenforderungen finden ihre Rechtsgrundlage in §§ 97 Abs. 2, 97a UrhG, §§ 280 ff., 286 ,288 BGB. Die Beklagte befand sich ab dem 28.10.2016 mit der von ihr geschuldeten Forderung im Verzug.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11,711 ZPO.

Rechtsbehelfsbelehrung

Diese Entscheidung kann mit der Berufung angefochten werden. Sie ist einzulegen innerhalb einer Notfrist von einem Monat bei dem

Landgericht,
Halberstädter Str. 8,
39112 Magdeburg.

Die Frist beginnt mit der Zustellung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Beschwerdegegenstand 6 W Euro übersteigt oder das Gericht die Berufung in diesem Urteil zugelassen hat. Zur Einlegung der Berufung ist berechtigt, werde ich diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Die Berufung wird durch Einreichung einer Berufungsschrift eingelegt. Die Berufung kann nur durch einen Rechtsanwalt eingelegt werden.

Diese Entscheidung kann ab dem 01.01.2018 auch als elektronisches Dokument, das für die Bearbeitung durch die Gerichte geeignet ist, eingelegt und begründet werden. Hierzu muss die Entscheidung von der verantwortenden Person mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen oder signiert auf einem der in § 130 a Abs. 4 ZPO (in der ab dem 01.012018 geltenden Fassung) beschriebenen sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Eine einfache E-Mail reicht nicht aus. Einzelheiten zum Dateiformat und zu den technischen Anforderungen sind der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) sowie den Informationen zum elektronischen Rechtsverkehr auf der Internetseite www.justiz.de zu entnehmen.

[Name]
Richterin am Amtsgericht

Beglaubigt
Magdeburg, 03.05.2018
[Name], Justizangestellte
als Urkundsbeamtin/Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Amtsgerichts (…)

 

 

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AG Magdeburg, Urteil vom 27.04.2018 – 140 C 995/17 (140)

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