Waldorf Frommer Rechtsanwälte (München): Amtsgericht Charlottenburg – Unzureichende Nachforschungen in Tauschbörsenverfahren führen zur Verurteilung des Anschlussinhabers (Lebensgefährtin, Beklagter legte Berufung ein)

19:16 Uhr

Gegenstand des Verfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützter Filmaufnahmen. Der Beklagte trug vor, er habe die Rechtsverletzung nicht begangen. Im streitgegenständlichen Zeitraum habe er Besuch von seiner Lebensgefährtin gehabt, welche mittels eigenen Computers sowie auch über seinen Computer Zugang zu seinem Internetanschluss gehabt habe. Ob die Lebensgefährtin die Rechtsverletzung begangen habe, sei dem Beklagten nicht bekannt. Er war der Auffassung, Nachforschungen innerhalb seiner Familie seien ihm nicht zumutbar. Im Übrigen bestritt er auch die Aktivlegitimation der Klägerin, sowie die Richtigkeit der Ermittlungen.

 

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Bericht

Link:
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Urteil als PDF:
https://news.waldorf-frommer.de/wp-content/uploads/2017/10/AG_Charlottenburg_229_C_137_17.pdf

Autorin:
Rechtsanwältin Sandrine Schwertler

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Das Gericht folgte der Auffassung des Beklagten nicht. Es bejahte die Aktivlegitimation der Klägerin.

„Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Sie hat unter Bezugnahme auf die Anlagen […] ihre Rechteinhaberschaft konkret dargetan. Danach ist sie Inhaberin der Rechte an dem streitbefangenen Film. Ein Bestreiten mit Nichtwissen war damit nicht mehr zulässig. Der Beklagte hätte zumindest konkrete Anhaltspunkte vortragen müssen, die die Richtigkeit der Angaben der Klägerin in Zweifel ziehen. Dergleichen hat der Beklagte weder vorgetragen noch sind diese sonst ersichtlich.“

 

Im Hinblick auf die Haftung des Beklagten war das Gericht der Überzeugung, dass er im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast zu Nachforschungen verpflichtet gewesen wäre. Diesen Nachforschungspflichten war der Beklagte jedoch nicht nachgekommen.

„Vorliegend hatte der Beklagte seinen Internetanschluss bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen, nämlich seiner Lebensgefährtin. Danach kam zumindest auch diese Person als Täterin der Rechtsverletzung in Betracht. In dieser Konstellation ist der Beklagte in begrenztem Umfang zu Nachforschungen verpflichtet, die er vorliegend nicht erfüllt hat. Seine pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs auf den Internetanschluss durch seine Lebensgefährtin genügt hierbei nicht.

Auch wenn es sich bei der möglichen Nutzerin um seine Lebensgefährtin handelt, war der Beklagte zu Nachforschungen verpflichtet. Zumindest hätte er seine Lebensgefährtin danach befragen müssen, ob sie zu den angegebenen Zeiten das Internet genutzt hat und ggf. die Zugangsdaten an Dritte, wie etwa ihr eigenes Kind, weitergereicht hat. Das Ergebnis dieser Befragung wäre der Klägerin mitzuteilen gewesen.“

 

Das Amtsgericht Charlottenburg verurteilte den Beklagten daher vollumfänglich zur Zahlung von Schadensersatz, zum Ersatz der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten sowie zur Übernahme der gesamten Kosten des Rechtsstreits.

Der Beklagte hat gegen die Entscheidung das Rechtsmittel der Berufung eingelegt.

 

 

 

AG Charlottenburg, Urteil vom 08.08.2017, Az. 229 C 137/17

 

 

(…) – Beglaubigte Abschrift –

 

Amtsgericht Charlottenburg

Im Namen des Volkes

Urteil

 

Geschäftsnummer: 229 C 137/17
verkündet am: 08.08.2017
[Name], Justizbeschäftigte

In dem Rechtsstreit

[Name],
Klägerin,

– Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Waldorf Frommer, Beethovenstraße 12, 80336 München, –

gegen

den Herrn [Name], 10115 Berlin,
Beklagten,

– Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt [Name], 10435 Berlin, –

 

hat das Amtsgericht Charlottenburg, Zivilprozessabteilung 229, auf die mündliche. Verhandlung vom 07.07.2017 durch die Richterin am Amtsgericht [Name]

für Recht erkannt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.106,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21.08.2015 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des aufgrund des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche wegen einer behaupteten Urheberrechtsverletzung durch Ermöglichung eines Downloads der Bild- / Tonaufnahme [Name] am [Datum].

Die Klägerin beauftragte im streitgegenständlichen Zeitraum die Firma ipoque GmbH mit der Überwachung der Filesharing-Systeme (P2P-Tauschbörsen) bzgl. des streitgegenständlichen Films. Diese nutzte zur Ermittlung von Rechtsverletzungen das sogenannte „Peer-to-Peer Forensic System“ (PFS). Wegen der streitgegenständlichen Downloads erwirkte die Klägerin im zivilrechtlichen Gestattungsverfahren gemäß § 101 Abs.2 UrhG den Beschluss des Landgerichts München I zum dortigen Az. 7 0 100/13. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf die in Bezug genommene Anlage K 3, Bl. 39 d.A. und K4 – 1, Bl. 47 f. d.A., Bezug genommen. Mit diesem Beschluss wurde der Provider, Vodafone Kabel Deutschland, zur Auskunft angehalten. Nach der Auskunft des Providers sind die ermittelten IP-Adressen dem Beklagten zuzuordnen, vgl. Anlage K 2, K 3, Bl. 38 – 39 d.A..

Die Klägerin mahnte den Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom [Datum] wegen der aufgrund dieser Ermittlungen behaupteten Urheberrechtsverletzungen an dem streitgegenständliche Film am [Datum] ab, vgl. Anlage K 4 – 3, Bl. 52 f. d.A.. Daraufhin gab der Beklagte ohne Anerkennung einer rechtlichen Verpflichtung eine Unterlassungserklärung ab, vgl. Anlage K 4 – 2 , Bl. 51 d.A. Auf die vorgerichtlichen Zahlungsaufforderungen und Mahnungen zahlte der Beklagte nicht.

Die Klägerin beziffert ihren mit dieser Klage geltend gemachten in Anwendung der sog. Lizenzanalogie berechneten Mindestschaden auf 600,00 EUR, ausgehend von der Annahme, dass die entsprechende Lizenz für einen aktuellen Spielfilm nicht weniger als 5,88 EUR beträgt und je nach Laufzeit, Bekanntheit und Aktualität des Werks sowie der entsprechenden Bildqualität auch deutlich höher liegen kann. Ferner beziffert die Klägerin ihre durch die anwaltliche Abmahnung vom 28.08.2013 entstandenen Kosten unter Zugrundelegung eines Gegenstandswerts in Höhe von 10.000,00 EUR auf 506,00 EUR.
Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf die Berechnungen auf Seite 25 – 26 der Klageschrift, Bl. 33 – 34 d.A., Bezug genommen.

Die Klägerin behauptet,
sie sei ausschließliche Rechteinhaberin an dem streitgegenständlichen Film und beruft sich hierzu auf den Hersteller- bzw. Urhebervermerk, der sie ausdrücklich als Rechteinhaberin ausweise. Sie behauptet weiter, der Beklagte habe über seinen Internetanschluss Dritten diesen Film zum illegalen Download angeboten; die Daten seien dann auch übertragen und über das sog. P2P-Netz verteilt worden. Dies habe am [Datum] über die IP-Adresse des Beklagten [IP] stattgefunden. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf das als Anlage K 3 eingereichte sogenannte „Falldatenblatt“, Bl. 39 d. A., Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,
die beklagte Partei zu verurteilen, an die Klägerin einen angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 600,00 EUR betragen soll, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21.08.2015 sowie
506,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21.08.2015 zu zahlen.

Die beklagte Partei beantragt,
die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet,
in dem streitbefangenen Zeitraum habe er Besuch von seiner Lebensgefährtin, Frau [Name], gehabt, die Zugang zu seinem WLAN mittels ihres eigenen Rechners und auch Zugang zu seinem Rechner gehabt habe. Seine Lebensgefährtin und ihr Kind wohnten inzwischen bei ihm. Ob seine Lebensgefährtin die streitgegenständliche Datei zum Download angeboten habe, sei ihm nicht bekannt. Er ist weiter der Auffassung, es sei ihm nicht zumutbar innerhalb seiner Familie Nachforschungen nach Rechtsverletzungen durchzuführen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll zur mündlichen Verhandlung am 07.07.2017 Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Klage ist begründet.

1.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Erstattung eines Schadensersatzes in Gestalt eines Lizenzschadens in Höhe von 600,00 EUR. Der Klageantrag war dahingehend auszulegen, dass die Klägerin diesen Lizenzschaden als Mindestschaden begehrt, vgl. auch die Ausführungen hierzu in der Klageschrift, darin S. 17, Bl. 25 f. d.A., in der die Klägerin explizit auf das Urteil des BGH, in GRUR 1993, 55 – Tchibo / Rolex II Bezug nimmt. Die Klägerin erfüllt danach die Bestimmtheitsanforderungen, die das Gesetz in § 253 ZPO an den Klageantrag stellt, indem sie die nach § 287 ZPO zu schätzende Höhe des begehrten Mindestschadens beziffert.

Der Anspruch auf Erstattung des Lizenzschadens folgt aus §§ 97 Abs.2, 19a UrhG (in der bis zum 08.10.2013 geltenden Fassung).

Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Sie hat unter Bezugnahme auf die Anlagen K 1 und K 5 ihre Rechteinhaberschaft konkret dargetan. Danach ist sie Inhaberin der Rechte an dem streitbefangenen Film. Ein Bestreiten mit Nichtwissen war damit nicht mehr zulässig. Der Beklagte hätte zumindest konkrete Anhaltspunkte vortragen müssen, die die Richtigkeit der Angaben der Klägerin in Zweifel ziehen. Dergleichen hat der Beklagte weder vorgetragen noch sind diese sonst ersichtlich. Mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH hält es das Gericht für ausreichend, aber auch für erforderlich, dass die Klägerin konkrete Indizien benennt, die als mittelbare Tatsachen die Grundlage für die Annahme der Rechtsinhaberschaft liefern (vgl. BGH, Urteil vom 28.11.2002 – I ZR 168/00, BGHZ 153; 69, 79 f. „P-Vermerk“). Es würde die Durchsetzung des Leistungsschutzrechts unzumutbar erschweren, wenn auf ein bloßes Bestreiten mit Nichtwissen hin für jedes einzelne Werk sämtliche Einzelheiten dargelegt und bewiesen werden müssten (vgl. BGH, Urteil vom 11.06.2015, Az. I ZR 19/14 – Tauschbörse I). Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die Prozessordnung ein Bestreiten mit Nichtwissen grundsätzlich für prozessual zulässig erachtet, wenn eigene Erkenntnisse über die bestrittenen Tatsachen nicht vorliegen. Aufgrund des ungehinderten Zugriffs von Informationen im Internet kann vorliegend jedoch davon ausgegangen werden, dass der Beklagte, der nach seinen eigenen Angaben über einen WLAN Anschluss verfügt und damit Zugang zu den im Internet zur Verfügung stehenden Informationen hat, gegenteilige Indizien hätte vortragen können, wenn es diese denn gäbe und der Beklagte entsprechend recherchiert hätte. Mit einem schlichten Bestreiten mit Nichtwissen genügt der Beklagte seinen prozessualen Erklärungspflichten danach in der hier vorliegenden Fallkonstellation nicht.

Das Gericht hat seiner Entscheidung ferner die Annahme zugrunde zu legen, dass die Urheberrechtsverletzung vom Internetanschluss des. Beklagten ausging. Der Beklagte hat nicht dargelegt, welche sonstige IP-Adresse seinem Anschluss zugeordnet gewesen sein sollte. Auch an der Richtigkeit der Ermittlung der IP-Adresse bestehen keine Bedenken. Die Klägerin hat zweifach Verstöße über den IP-Anschluss des Beklagten ermittelt. Danach ist es unwahrscheinlich, dass es mehrfach zu einer fehlerhaften Ermittlung gekommen sein soll (vgl. auch OLG Köln, Beschluss vom 16.05.2012, Az. 6 U 239/11, juris). Der Beklagte hat auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür benannt, noch ist es sonst ersichtlich, dass der Anschluss mit der genannten Nutzerkennung nicht derjenige des Beklagten sein soll. Dabei verlangt die Rechtsprechung nicht einen zweifelsfreien Nachweis der vollständigen und fehlerfreien Auskunftserteilung. Nach der gängigen Formel bedarf es für eine den Anforderungen des § 286 Abs.1 ZPO genügenden richterlichen Überzeugung keiner absoluten oder unumstößlichen Gewissheit im Sinne des wissenschaftlichen Nachweises, sondern nur eines für das praktische Leben brauchbaren Grades an Gewissheit, der Zweifeln Einhalt gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Demnach genügt es gerade nicht, wenn der Beklagte auf abstrakte und mathematisch mögliche Fehlerquellen verweist, aber weiterhin keinerlei Anhaltspunkte in den Prozess einführt, die bezogen auf den hier zur Entscheidung vorliegenden Fall Zweifel an der Richtigkeit der Auskunftserteilung begründen. Das weitere Bestreiten des Beklagten der Richtigkeit der Ermittlungen durch die ipoque GmbH und deren verwendetes System PFS ist ebenfalls unbeachtlich, da es sich um pauschales Bestreiten – ohne Bezug zum konkreten Fall – handelt, womit der Beklagte seinen prozessualen Erklärungspflichten nicht genügt.

Der Beklagte ist passivlegitimiert. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH, der sich das erkennende Gericht anschließt, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diejenige Person, der eine IP-Adresse zum fraglichen Zeitpunkt zugeordnet worden ist, auch die Rechtsverletzung zu verantworten hat, wenn ein geschütztes Werk der Öffentlichkeit von dieser IP-Adresse aus zugänglich gemacht worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 12.05.2016, Az. I ZR 48/15 – Everytime we touch). So liegt der Fall auch hier. Der Beklagte hat diese Vermutung durch seinen Vortrag nicht entkräften können. Mit seiner pauschalen Behauptung, auch seine Lebensgefährtin habe Zugriff auf den Internetanschluss gehabt, ist der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen.

Bei der Inanspruchnahme eines Internet Anschlussinhabers wegen Urheberrechtsverletzungen trägt der Anspruchsteller nach den allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs auf Schadensersatz erfüllt sind. Er hat darzulegen und im Bestreitensfall nachzuweisen, dass der in Anspruch Genommene für die behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich ist (vgl. nur BGH, NJW 2017, 78 und NJW 2013, 1441). Für die Täterschaft des Anschlussinhabers spricht nicht etwa der Beweis des ersten Anscheins (Anscheinsbeweis). Es besteht allerdings zumindest eine tatsächliche Vermutung dahingehend, dass diejenige Person, der die IP-Adresse zugeordnet ist, von welcher die Rechtsverletzungen begangen wurden, auch für die Rechtsverletzungen verantwortlich ist (vgl. nur BGH, NJW 2014, 2360). Der Anschlussinhaber kann diese Vermutung nur entkräften, indem er im Rahmen der ihn treffenden sekundären Darlegungslast Umstände vorträgt, die einen abweichenden Geschehensablauf nahe legen (vgl. hierzu BGH, GRUR 2010, 633). Da es sich bei der Nutzung des Anschlusses um Interne des Anschlussinhabers handelt, von denen der Urheberrechtsberechtigte im Regelfall keine Kenntnis hat, obliegt dem Anschlussinhaber insoweit eine sekundäre Darlegungslast. Vorliegend hatte der Beklagte seinen Internetanschluss bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen, nämlich seiner Lebensgefährtin. Danach kam zumindest auch diese Person als Täterin der Rechtsverletzung in Betracht. In dieser Konstellation ist der Beklagte in begrenztem Umfang zu Nachforschungen verpflichtet, die er vorliegend nicht erfüllt hat.

Seine pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs auf den Internetanschluss durch seine Lebensgefährtin genügt hierbei nicht. Auch wenn es sich bei der möglichen Nutzerin um seine Lebensgefährtin handelt, war der Beklagte zu Nachforschungen verpflichtet. Zumindest hätte er seine Lebensgefährtin danach befragen müssen, ob sie zu den angegebenen Tatzeiten das Internet genutzt hat und ggf. die Zugangsdaten an Dritte, etwa ihr eigenes Kind, weitergereicht hat. Das Ergebnis dieser Befragung wäre der Klägerin mitzuteilen gewesen (vgl. auch BGH, Urteil vom 30.03.2017, I ZR 19/16). Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Grundrechtspositionen der Parteien, da zugunsten des Beklagten hier zwar womöglich der Schutz der Familie gemäß Art. 7 EU-Grundrechtecharta (GRCh) und Art. 6 Abs. GG streitet, hingegen zugunsten der Klägerin das Recht auf geistiges Eigentum nach Art. 17 Abs.2 GRCh und Art. 14 GG sowie auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Art. 57 GRCh zu berücksichtigen ist. Gegenüber der Lebensgefährtin entsteht auch kein Wertungswiderspruch zu §§ 383 ff ZPO. Denn diese könnte sich gerade nicht zugunsten des Beklagten auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen, da sie gerade nicht zum Kreis der nahen Familienangehörigen gehört.

An einem hinreichenden Entlastungsvortrag des Beklagten fehlt es hier, so dass die tatsächliche Vermutung weiterhin gegen den Beklagten streitet. Erst wenn der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen wäre, wäre es wieder Sache der Klägerin, die für eine Haftung des Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen (vgl. BGH, Urt. v. 06. Okt. 2016 – I ZR 154/15, BeckRS 116060; NJW 2014, 2360).

Der Beklagte ist mithin als aktiver Täter. anzusehen.

Der Beklagte handelte schuldhaft. Im Urheberrecht ist dabei ein strenger Maßstab anzulegen. Er handelte zumindest fahrlässig.

Soweit man die Höhe des Schadensersatzanspruchs im Wege der Lizenzanalogie ermittelt, ist die Berechnung der Klägerin und die Geltendmachung eines Mindestschadens nicht zu beanstanden. Angesichts der Tatsache, dass es sich um einen aufwändig produzierten Film handelt, der . zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung durchaus noch Aktualität aufwies, erachtet das Gericht mit der Klägerin einen Lizenzschaden von 600,00 EUR als angemessen, aber auch ausreichend, § 287 ZPO. Auch der folgende Ansatz rechtfertigt einen Mindestschaden in erhobener Höhe:

„Für einen Spielfilm ist der geltend gemachte Lizenzschaden von 600,00 EUR nach ständiger Rechtsprechung der Berliner Urheberrechtskammern angemessen, zumal bei einem Upload in Filesharing-Netzwerken mit einer Vervielfachung des Verletzungspotentials bei zahlreichen dort zu erwartenden Vervielfältigungen mittels Upload anderer User zu rechnen ist, was der beklagten Partei zuzurechnen ist (so LG Berlin, Urteil vom 03.11.2015, Az.15 S 5/15; Urteil vom 08.04.2016, Az. 15 S.27/15 und Landgericht Berlin, 09.09.2016, Az. 15 S 50/15).“

2.

Ferner besteht ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 506,00 EUR.

Der Anspruch folgt aus § 97 Abs. 2 UrhG (a.F.), d.h. als Teil des Schadensersatzes; ferner aber auch aus § 97a UrhG (a.F.) und den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag.

Aus den vorbezeichneten Gründen haftet der Beklagte der Klägerin als Täter. Die Klägerin durfte sich der Durchsetzung ihres Schadensersatzanspruchs eines Rechtsanwalts bedienen. Auszugehen ist dabei von einem Gegenstandswert von bis zu 10.000,00 EUR bei einer 1,0 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VVRVG zuzüglich der Pauschale nach Nr. 7002 VVRVG.

Den Gegenstandswert für den Unterlassungsanspruch schätzt das Gericht (nach §§ 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, 3 ZPO) auf 10.000,00 EUR. Ausgangspunkt für die Bemessung des Wertes einer Unterlassungsklage ist das Interesse der Klägerin an der Rechtsdurchsetzung bei einer „ex ante“ Betrachtung, wobei dieses Interesse vom Gericht nach freiem Ermessen geschätzt werden muss, § 3 ZPO. Zu berücksichtigen ist im Urheberrecht deshalb, wie und in welchem Umfang das geschützte Recht verletzt wird und inwieweit dadurch das wirtschaftliche Interesse des Urheberrechtsinhabers betroffen ist. Maßgeblich sind dabei der wirtschaftliche Wert des Urheberrechts und der Angriffsfaktor der Rechtsverletzung. Bereits dieser Ansatz macht deutlich, dass diese Bewertungsfaktoren nicht für alle Urheberrechtsverletzungen zu einem mehr oder weniger einheitlichen Streitwert führen. Zu beachten ist nämlich, dass das Interesse des Urhebers an der Unterlassung unterschiedlich geprägt sein kann. Handelt es sich um ein Urheberrecht an einem Werk, das der Urheber vermarktet, zielt sein Unterlassungsanspruch gegen nicht genehmigte Nutzungen im Wesentlichen darauf ab, dieses Lizenzinteresse zu sichern. Bei einer solchen Interessenlage vermag es durchaus sachgerecht erscheinen, für die Streitwertbemessung auf den vorn Urheber aufgezeigten drohenden Lizenzschaden abzustellen (vgl. etwa OLG Braunschweig, GRURPrax 2011, 516). Ein solcher war hier allerdings noch gar nicht bekannt, der Umfang (Art, Anzahl, Dauer der Nutzung etc.) nicht abzusehen. Das wirtschaftliche Interesse der Klägerin, den drohenden Schaden, bemisst das Gericht unter Ansehung der Verletzungsintensität und der weiteren Umstände, wie Aktualität und Bekanntheit etc., auf zumindest 10.000,00 EUR.

Eine 1,0 Gebühr nach Nr. 2300 VVRVG ist nicht zu beanstanden. Diese liegt sogar unterhalb des (gekappten) Mittelwertes von 1,3. Der Beklagte trägt keine Umstände vor, die gegen die Gewährung der unter der Mittelgebühr liegenden „gekappten Mittelgebühr‘ sprechen würden. Allein der Umstand, dass es sich um Massenverfahren handelt, ist insoweit nicht ausreichend. Darüber hinaus steht dem Rechtsanwalt in einem begrenzten Umfang ein Ermessensspielraum zu. Eine Deckelung nach § 97a Abs. 3 S. 2 UrhG n.F. hat nicht zu erfolgen; maßgeblich kommt es insoweit auf den Zeitpunkt der Abmahnung an, weshalb dahinstehen kann, ob in Fällen wie dem vorliegenden nicht ohnehin die Öffnungsklausel nach § 97a Abs. 3 S. 4 UrhG n.F. anzuwenden ist. Hinzu kommt die Pauschale nach Nr. 7002 VVRVG. Eine Deckelung nach § 97a Abs. 2 UrhG a.F. hat nicht zu erfolgen. Nach Auffassung des Gerichts kann in derartigen Fällen (P2P-Tauschbörse) nicht von einem einfach gelagerten Fall ausgegangen werden.

3.

Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 288 Abs.1, 286 Abs.1 S. 1, 280 BGB.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs.1, 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO.

 

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen die Entscheidung können Sie, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder die Berufung vom Gericht, das die Entscheidung getroffen hat, zugelassen worden ist, Berufung einlegen, wenn Sie durch die Entscheidung in Ihren Rechten beeinträchtigt sind.

Im Berufungsverfahren müssen Sie sich von einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt vertreten lassen.

Dies gilt für das Einlegen der Berufung und die Begründung.

Die Berufung muss schriftlich in deutscher Sprache durch Ihre Rechtsanwältin oder Ihren Rechtanwalt beim

Landgericht Berlin
Littenstraße 12-17
10179 Berlin

oder

Landgericht Berlin
Tegeler Weg 17-21
10589 Berlin

oder

Landgericht Berlin,
Turmstraße 91,
10559 Berlin

eingelegt werden.

Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Berufung eingelegt wird.

Die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift müssen von Ihrer Rechtsanwältin / Ihrem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Die Berufung ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat bei dem oben genannten Gericht einzulegen.

Die Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung der Entscheidung, wenn die Entscheidung nicht zugestellt werden konnte.

Die Berufungsschrift muss innerhalb der Frist beim Gericht eingegangen sein.
Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, innerhalb von zwei Monaten schriftlich zu begründen.

Auch diese Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung.

[Name]
Richterin am Amtsgericht

Für die Richtigkeit der Abschrift
Berlin, den 09.08.2017
[Name], Justizbeschäftigte

 

Hinweis zur Sicherheitsleistung

Kann aufgrund der vorliegenden gerichtlichen Entscheidung eine Partei Sicherheit feisten, so ist diese durch die schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts oder durch Hinterlegung zu bewirken. Die Hinterlegung ist bei der Hinterlegungsstelle eines Amtsgerichts – in Berlin nur bei dem

Amtsgericht Tiergarten,
Turmstraße 91,
10559 Berlin –

auf dem dort erhältlichen Vordruck zu beantragen. Bei Antragstellung ist eine Abschrift der gerichtlichen Entscheidung vorzulegen. Die Vordruckbenutzung ist nicht vorgeschrieben, ist aber wegen der notwendigen Formalien dringend zu empfehlen. Ohne einen Antrag kann nicht wirksam hinterlegt werden.

Anstelle der Hinterlegung kann auch eine andere Form der Sicherheitsleistung in Betracht kommen, wenn dies in der gerichtlichen Entscheidung zugelassen ist oder wenn sich die Parteien hierüber geeinigt haben.

Dient die Sicherheitsleistung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung, kann es zweckmäßig sein, die gegnerische Partei bzw. deren Verfahrensbevollmächtigten über die erfolgte Hinterlegung zu unterrichten.

Bei Geldhinterlegungen ist Bareinzahlung vorteilhaft, da das Einreichen von Schecks das Verfahren wesentlich verzögern kann. (…)

 

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AG Charlottenburg, Urteil vom 08.08.2017, Az. 229 C 137/17

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