15:16 Uhr
Das Amtsgericht Charlottenburg hat mit Urteil vom 10.07.2017 die Klage der Kanzlei „Schulenberg & Schenk Rechtsanwälte und Steuerberatung“ aus Hamburg gegen einen von uns vertretenen Betreiber eines Internetcafés abgewiesen (Az. 213 C 67/17). Demnach haftete der Anschlussinhaber weder als Täter noch als Störer.
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Rechtsanwalt Carl Christian Müller, LL.M.
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
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Bericht
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Das Amtsgericht hat damit die Rechte von Internetcafé Betreibern gestärkt. Zum Vortrag der Verteidigung gegenüber der von der Kanzlei Schulenberg und Schenk erhobenen Vorwürfe, genügte der Verweis des Anschlussinhabers auf seine berufliche Tätigkeit. Um die Störerhaftung auszuschließen reiche es zudem aus, dass der Betreiber die Höhe des Nutzungsentgelts an der Benutzungszeit bemisst und damit das Filesharing in seinen Räumlichkeiten unattraktiv erscheine.
Kanzlei forderte 1051,80 EUR wegen Urheberrechtsverletzung
Die Kanzlei Schulenberg und Schenk hatte mit der Klage Ansprüche über Schadensersatz und außergerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 1051,80 EUR geltend gemacht. Vorausgegangen war dem Verfahren eine Abmahnung, die im Auftrag der KSM GmbH wegen einer vermeintlichen Urheberrechtsverletzung unseres Mandanten ausgesprochen wurde. Unser Mandant hat die Anschuldigung den Film „The Tortured“ über seinen Internetanschluss in einer Tauschbörse zur Verfügung gestellt zu haben, mit Verweis auf seine berufliche Tätigkeit bestritten. Unser Mandant hatte nachweislich zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung den Anschluss nicht selbst genutzt. Die KSM GmbH hat der Kanzlei Schulenberg und Schenk die vermeintlichen Ansprüche abgetreten, sodass es der Kanzlei aus abgetretenem Recht möglich war gerichtlich gegen unseren Mandanten vorzugehen.
Dreh und Angelpunkt: Wer trägt die Beweislast?
Knackpunkt in Filesharing Fällen ist stets die Frage, wer die in Rede stehenden Urheberrechtsverletzungen zu beweisen hat. Grundsätzlich ist der Kläger im Zivilprozess in der Pflicht diejenigen Umstände darzulegen, die seinen Anspruch beweisen. In Filesharing Fällen können die Rechteinhaber zwar regelmäßig nachvollziehbar dokumentieren, von welchem Internetanschluss eine Urheberrechtsverletzung begangen wurde, jedoch können sie nicht darlegen, wer den Anschluss tatsächlich genutzt hat. Um dieses rechtliche Schlupfloch zu schließen, geht die Rechtsprechung zunächst davon aus, dass der Anschlussinhaber seinen Anschluss selbst nutzt und damit auch als Täter haftet. Es besteht für Anschlussinhaber dann im Rahmen der sogenannten sekundären Darlegungslast die Möglichkeit Umstände vorzutragen, die ihn entlasten können.
Strittig ist dabei die Frage wie weit die sekundäre Darlegungslast reicht.
Internetcafé Betreiber können nicht alle Nutzer benennen
Das Amtsgericht Charlottenburg hat in der von uns erstrittenen Entscheidung festgestellt, dass unser Mandant seiner sekundären Darlegungslast in vollem Umfang genügt hat. Dem Gericht reichte der Vortrag aus, dass unser Mandant ein Internetcafé betreibt und deshalb weiteren Personen Zugang zu seinem Anschluss eröffnet. Das Gericht kam dabei zur lebensnahen Deutung, dass es Internetcafé-Betreibern praktisch nicht möglich ist alle Nutzer für eine in Rede stehende Rechtsverletzung zu benennen.
Dem Anschlussinhaber sind in diesen Fällen keine weiteren Vorträge zur eigenen Entlastung aufzubürden. Die weitere Darlegungs- und Beweislast trägt in diesen Fällen der Kläger.
Haftung als Störer besteht nur in engen Grenzen
Die Haftung des Internetcafé Betreibers als Störer schloss das Gericht ausdrücklich aus. Zwar sei die Haftung als Störer – also eine Haftung ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – grundsätzlich beim Filesharing denkbar, jedoch bewege sich diese Haftung in engen Grenzen. Einschlägig ist die Störerhaftung in Fällen, in denen Anschlussinhaber einen Beitrag zur Rechtsverletzung leisten indem sie zum Beispiel Prüfpflichten verletzen. Einen solchen Beitrag konnte das Amtsgericht im vorliegenden Fall nicht erkennen. Vielmehr habe der Internetcafé Betreiber das Filesharing über seinen Anschluss unattraktiv gestaltet, da sich bei seinem Angebot die Höhe des Nutzungsentgeltes an der konkreten Nutzungsdauer orientierte. Das Herunterladen eines Langspielfilms mit entsprechend größeren Speicherkapazitäten verursacht entsprechend hohe Kosten. Nach Ansicht des Gerichts werde dem Filesharing durch die höhere Kostenbelastung die Attraktivität genommen.
Wir meinen, dass das Amtsgericht Charlottenburg mit diesem Urteil Internetcafé Betreibern deutlich entgegenkommt. Bei lebensnaher Betrachtung ist es für Betreiber schlicht unmöglich jeden einzelnen Nutzer zu erfassen. Wird der Anschluss eines Internetcafé Betreibers für Filesharing missbraucht, kann das nicht unter allen Umständen zu Lasten des Anschlussinhabers gehen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da die Kanzlei Schulenberg und Schenk Berufung dagegen eingelegt hat.
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AG Charlottenburg, Urteil vom 10.07.2017, Az. 213 C 67/17
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