JurPC (Wiesbaden): Amtsgericht Bochum – Sicherheitslücke im Router – Beklagter haftet als Täter (Lizenzgebühr von 200,00 EUR für pornografisches Filmwerk angemessen)

10:39 Uhr

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Prof. Dr. Maximilian Herberger (mh)
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Bericht

JurPC Web-Dok. 163/2017

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Beklagtenvertreter:

Schulz – Sozien, Rechtsanwälte, Notare, Fachanwälte (Essen)

Link:
http://st-sozien.de/aktuelles/news-detail/ag-bochum-sicherheitsluecke-im-router/

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AG Bochum, Urteil vom 26.09.2017, Az. 65 C 281/17

 

(…) – Abschrift –

65 C 281/17

Verkündet am 26.09.2017
[Name], Justizbeschäftigte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

 

Amtsgericht Bochum

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

 

In dem Rechtsstreit

[Name],
Klägerin,

Prozessbevollmächtigter: [Name],

gegen

[Name],
Beklagten,

Prozessbevollmächtigter: [Name],

 

hat das Amtsgericht Bochum auf die mündliche Verhandlung vom 26.09.2017 durch den Richter am Amtsgericht [Name]

für Recht erkannt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 465,70 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.06.2017 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 60 % und der Beklagte zu 40 %. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Schadensersatzerstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten wegen des unerlaubten Anbietens zum Download des Filmwerks [Name] am 02.02.2013 über den Internetanschluss des Beklagten in einer sog. Tauschbörse.

Die Klägerin trägt vor,
der Beklagte sei Täter der über seinen Internetanschluss begangenen Rechtsverletzung. Insoweit sei er zum Schadensersatzanspruch in Höhe von mindestens 500,00 EUR verpflichtet. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten seien nach einem Gegenstandswert in Höhe von 10.000,00 EUR, der in jedem Fall anzusetzen sei, zu berechnen. Insoweit ergibt sich ein Erstattungsanspruch in Höhe von 651,80 EUR.

Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.151,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte,
die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor,
er habe die Rechtsverletzung nicht begangen. Zur angegebenen Tatzeit habe er sich nicht zu Hause, sondern bei seiner damaligen Lebensgefährtin aufgehalten. Auch seinen Laptop habe er mitgenommen. Der Beklagte lebe allein, Familienangehörige kämen als Täter nicht in Betracht. Der Anschluss sei auch nach dem aktuellen Sicherheitsstandard WPA2 gesichert gewesen. Nach seiner Erinnerung habe er zum angegebenen Zeitpunkt einen Anschluss bei der Firma [Name] und nicht bei der Fa. [Name] bzw. [Name] gehabt. Gegebenenfalls sei soweit die Zuordnung der IP-Adresse unzutreffend erfolgt. Zudem hätten zum damaligen Zeitpunkt die Router beider Anbieter schwerwiegende Sicherheitslücken aufgewiesen. Der Beklagte gehe daher davon aus, dass aufgrund der Sicherheitslücke Dritte in sein WLAN eingebrochen seien und den Anschluss für Urheberrechtsverletzungen missbraucht hätten. Jedenfalls seien die Ansprüche der Höhe nach nicht gerechtfertigt. Schließlich erhebt der Beklagte Einrede der Verjährung.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Die Klägerin kann von dem Beklagten gem. § 97, 97a UrhG Schadensersatz und Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten verlangen.

Unstreitig ist die Klägerin Inhaberin der Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem Filmwerk [Name]. Dieses Filmwerk wurde am 02.02.2013 über die IP-Adresse [IP] in einer Tauschbörse zum Download angeboten. Nach Auskunft des Providers, der Fa. [Name], war diese IP-Adresse zum Tatzeitpunkt dem Anschluss des Beklagten zugeordnet. Das Bestreiten des Beklagten, zum damaligen Zeitpunkt überhaupt in vertraglicher Beziehung zur Fa. [Name] bzw. [Name] gestanden zu haben, ist offensichtlich ins Blaue hinein erfolgt und damit unerheblich. Der Beklagte trägt selbst vor, er habe mehrfach seinen Anbieter gewechselt und nach seiner Erinnerung sei sein Anbieter damals die [Name] gewesen. Konkrete Daten trägt der Beklagte jedoch nicht vor, auch Vertragsunterlagen, die seinen Vortrag stützen könnten, hat er nicht vorgelegt. Es bestehen damit keine Zweifel, dass die Rechtsverletzung über den Internetanschluss des Beklagten begangen worden ist.

Seiner sekundären Darlegungslast hat der Beklagte nicht genügt. Dass er zum damaligen Zeitpunkt nicht zu Hause gewesen sein will, steht einer täterschaftlichen Haftung nicht entgegen. Denn Tauschbörsenprogramme können so programmiert werden, dass eine persönliche Anwesenheit nicht erforderlich ist. Sonstige Familienangehörige kommen als Täter nicht in Betracht, da der Beklagte allein lebt. Nach seinem Vortrag war der Anschluss auch ordnungsgemäß WPA2 gesichert. Es mag sein, dass der zur Verfügung gestellte Router erhebliche Sicherheitslücken aufwies. Diese Sicherheitslücken sind jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt in der Öffentlichkeit bekannt geworden. Insoweit kommt im Zeitpunkt der Rechtsverletzung nur eine kleine Zahl von Kundigen in Betracht, die die Sicherheitslücke ausgenutzt habe könnte. Tatsächliche Anhaltspunkte für einen solchen Missbrauch sind von der Beklagtenseite jedoch nicht vorgetragen. Insoweit erscheint es höchst unwahrscheinlich, dass ein Dritter die Sicherheitslücke nur ausgenutzt haben soll, um einen pornografischen Film downzuloaden. Ein solcher Missbrauch kommt ernsthaft nicht in Betracht und steht der gegen den Beklagten sprechenden Vermutung nicht entgegen.

Der Verletzte kann den ihm entstanden Schaden im Wege der Lizenzanalogie ersetzt verlangen. Hierfür ist der objektive Wert der angemaßten Benutzungsberechtigung zu ermitteln, der in der angemessenen und üblichen Lizenz besteht. Da von der Klägerin ein Anbieten des streitgegenständlichen Films in einer Tauschbörse nicht lizenziert wird, kann auf eine eigene Vertragspraxis des Verletzten nicht abgestellt werden. Im Rahmen der Schätzung der Höhe der angemessenen Lizenz gern. § 287 ZPO sind die wesentlichen und schnell erkennbaren wertbildenden Faktoren zu berücksichtigen. Die hier bei gegebenen Schwierigkeiten entbinden das Gericht nicht von einer Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung des Vortrags der Parteien. Insoweit erscheint er nicht möglich, davon abzusehen, einzelfallabhängige Schadensersatzbeträge zu ermitteln.Vielmehr sind bei Bemessung der Schadenshöhe insbesondere die wirtschaftliche Bedeutung des Films einerseits und der konkrete Umfang der Verletzungshandlung nach Zeit, Ort, Art und Intensität andererseits zu berücksichtigen. Angaben zum wirtschaftlichen Wert des Films hat die Klägerin nicht gemacht. Es ist offen, ob sich der Film zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung in seiner aktuellen Vermarktungsphase befand. Dies gilt auch für die Höhe der Produktionskosten und dem Preis, für den das Filmwerk legal als DVD erworben werden konnte. Der Schadensersatz wird zudem allein auf die Verletzung vom 02.02.2013 um 08:48:50 Uhr gestützt. Weitere im Schreiben vom 18.09.2017 aufgeführte Rechtsverletzungen sind nicht streitgegenständlich. Wie viele User zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung online waren und wie viele konkrete Zugriffe erfolgt sind, hat die Klägerseite nicht vorgetragen. Auch wenn es das Wesen einer Tauschbörse ist, dass die Teilnehmer von verschiedenen Festplatten Fragmente herunterladen und so sich die gesamte Datei zusammensetzen, kommt für die einzelne Rechtsverletzung einer schadensrechtlichen Gleichsetzung mit dem Angebot ganzer Werke nicht in Betracht. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der von den Rechteinhabern vielfach herangezogen „schneeballartigen Verbreitung“.

Eine solche Verbreitung ist von den einzelnen Teilnehmern weder verursacht noch beinflussbar oder gewollt. Unter Berücksichtigung aller Umstände hält das Gericht im Einzelfall einen Schadensersatz in Höhe von 200,00 EUR für angemessen und ausreichend.

Auch die Abmahnkosten stellen grundsätzlich einen erstattungsfähigen Schaden dar. Nach der neuern Rechtsprechung des BGH kann der Gegenstandswert des vorgerichtlich geltend gemachten Unterlassungsanspruchs nicht schematisch bemessen werden. Vielmehr ist der Gegenstand der Abmahnung nach dem Interesse der Klägerin an der Unterbindung künftiger Rechtsverletzungen unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Angesichts des dargelegten wirtschaftlichen Wertes für die Klägerin, der Aktualität und Popularität des Films einerseits, der Intensität und Dauer der Urheberrechtsverletzung und der subjektiven Umstände auf Seiten des Verletzers andererseits, geht das Gericht von einem berechtigten Gegenstandswert in Höhe von bis zu 2.000,00 EUR für den Unterlassungsanspruch aus, vgl. LG Bochum, Urteil vom 16.12.2016, Az. 5 S 75/16. Hinzuzurechnen ist der berechtigte Schadensersatzanspruch in Höhe von 200,00 EUR, so dass sich insgesamt ein Gegenstandswert in Höhe von 2.200,00 EUR ergibt. Auf dieser Grundlage beläuft sich 1,3 Geschäftsgebühr nebst Auslagenpauschale auf 265,70 EUR. Insgesamt ergibt sich damit ein berechtigter Anspruch in Höhe von 465,70 EUR.

Die von dem Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch. Die Verjährungsfrist von 3 Jahren endete mit Ablauf des 31.12.2016. Am 16.12.2016 ist der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids bei dem Mahngericht eingegangen. Der Mahnbescheid vom 19.12.2016 ist dem Beklagten am 21.12.2016 zugestellt worden.

Mit Zustellung des Mahnbescheids wurde die Verjährung gehemmt. Die Nachricht über den gesamten Anspruch ist am 27.12.2016 an den Klägervertreter abgesandt worden. Am 22.06.2017 ist der restliche Gerichtskostenvorschuss eingezahlt worden und am 23.06.2017 erfolgte die Abgabe an das Streitgericht. Damit ist das Verfahren vor Ablauf der Hemmung von Klägerseite weiter betrieben worden.

Insgesamt war daher der Klage in Höhe von 465,00 Euro stattzugeben. Im Übrigen war sie dagegen abzuweisen.

Der Zinsanspruch in gesetzlicher Höhe folgt aus dem Geschichtspunkt des Verzuges.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem

Landgericht Bochum,
Westring 8,
44787 Bochum,

eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Bochum zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Bochum durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

[Name]
Richter am Amtsgericht (…)

 

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AG Bochum, Urteil vom 26.09.2017, Az. 65 C 281/17

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