WALDORF FROMMER: Das Amtsgericht Charlottenburg zur Haftung in Tauschbörsenverfahren bei unzureichender Darlegung eines alternativen Geschehensablaufs – illegales Angebot eines Kinofilms kein Bagatellverstoß!

01:46 Uhr

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Bericht

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Urteil als PDF:
http://news.waldorf-frommer.de/wp-content/uploads/2016/04/AG_Charlottenburg_206_C_585_15.pdf

Autorin:
Rechtsanwältin Claudia Lucka

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Die in diesem Verfahren in Anspruch genommene Anschlussinhaberin hatte ihre Verantwortlichkeit für die Rechtsverletzung bestritten und darauf verwiesen, dass sie ihren Internetzugang mit Mitbewohnern geteilt hätte. Der verwendete WLAN-Router sei verschlüsselt gewesen. Naturgemäß könne, so die Beklagte, aber auch bei Beachtung aller Sicherheitsanforderungen nicht ausgeschlossen werden, dass Dritte den Zugang missbräuchlich genutzt hätten.

Dieser Vortrag befreite die Beklagte aber nicht aus ihrer Haftung.

Das Amtsgericht Charlottenburg erkannten insbesondere nicht die ausreichende Darlegung eines alternativen Geschehensablaufs :

„Sie [Anmerkung: die Beklagte] trägt insoweit lediglich vor, sie selbst habe die Urheberrechtsverletzung nicht begangen, in Betracht kämen Dritte, wohl insbesondere ihre „Mitbewohner“. Damit hat die Beklagte nicht im Ansatz substantiiert zu einem alternativ in Betracht kommenden Geschehensablauf vorgetragen. Sie legt weder dar, um wen es sich bei den „Mitbewohnern“ handelte (Name? Alter? Beziehung zur Beklagten?), noch auf welche Weise diese Zugang zu dem Internetanschluss hatten, oder welche PCs, Laptops etc. in dem Haushalt vorhanden waren. Zu den konkreten Tagen fehlt ebenfalls jeglicher Vortrag.“

Auch die anhaltslose Spekulation der Beklagten zu einem vermeintlichen Missbrauch ihres Anschlusses konnte das Amtsgericht nicht überzeugen:

„Unbekannte Dritte scheiden schon deswegen aus, weil der Internetanschluss nach dem eigenen Vortrag der Beklagten ausreichend gesichert war und ein unberechtigter Zugriff von außen unter diesen Umständen nicht plausibel ist.“

Aufgrund des insgesamt pauschalen Vorbringens verbleibe es bei der Vermutung der Täterhaftung der Beklagten als Anschlussinhaberin, so das Amtsgericht.

Gegen den angesetzten Schadensersatz in Höhe von EUR 600,00 für die illegale Verbreitung eines Filmwerkes hatte das Amtsgericht keine Bedenken. Im Gegenteil:

„Ausgehend von den vorstehenden Grundsätzen erscheint eine Lizenzgebühr von 600,00 EUR für einen erfolgreichen Kinofilm nicht nur angemessen, sondern eher niedrig, § 278 ZPO.“

Auch gegen den angesetzten Streitwert in Höhe von 10.000,00 EUR bestanden keine Bedenken. Das Amtsgericht befand den klägerseits angesetzten Betrag als angemessen und hat darüber hinaus klargestellt, dass eine Deckelung nach § 97 a Abs. 2 UrhG keinesfalls in Betracht kommt.

„Eine Deckelung gemäß § 97 a Abs. 2 UrhG kommt nicht in Betracht, da es sich weder in qualitativer noch in quantitativer Hinsicht um eine unerhebliche Rechtsverletzung handelt. Das Anbieten eines erfolgreichen Kinofilms stellt nicht ansatzweise einen Bagatellverstoß dar.“

Die Beklagte wurde antragsgemäß verurteilt und hat darüber hinaus auch sämtliche Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

 

Amtsgericht Charlottenburg, Urteil vom 22.03.2016, Az. 206 C 585/15

 

(…) hat das Amtsgericht Charlottenburg, Zivilprozessabteilung 206, auf die mündliche Verhandlung vom 08.03.2016 durch die Richterin am Amtsgericht [Name] für Recht erkannt
1. Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgericht Coburg vom 26.11.2015 wird aufrecht erhalten.
2. Die Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem Film [Name].

Am [Name] Datum von [Uhrzeit] Uhr bis [Uhrzeit] Uhr und am nächsten Tag von [Uhrzeit] Uhr bis [Uhrzeit] Uhr wurde der Film ohne Erlaubnis der Klägerin von der IP-Adresse [IP-Adresse] bzw. aus auf einer Internet-Tauschbörse zum Download angeboten. Dies wurde durch Recherchen einer von der Klägerin beauftragten Firma festgestellt. Die Klägerin führte ein Auskunftsverfahren in Bezug auf die genannte IP-Adresse durch Ihr wurde von dem Provider die Auskunft erteilt, dass die genannte IP-Adresse zu den oben angegebenen Zeitpunkten dem Anschluss der Beklagten zugeordnet gewesen sei.

Mit anwaltlichem Schreiben der jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom [Datum] (BI. 59ff d.A ) wurde die Beklagte im Auftrag der Klägerin wegen Anbietens des streitgegenständlichen Films abgemahnt sowie zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 600,00 EUR und zum Ersatz von Anwaltskosten in Höhe von 506,00 EUR aufgefordert Die Beklagte gab daraufhin ohne Anerkennung einer Rechtspflicht eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, leistete aber keine Zahlungen an die Klägerin.

Die Klägerin behauptet:

Die Beklagte habe den Film wie zutreffend ermittelt zum Download angeboten.

Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe eine fiktive Lizenzgebühr in Höhe von mindestens 600,00 EUR zu, ferner Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung nach einem Gegenstandswert in Höhe von 10.000,00 EUR (1,0 Geschäftsgebühr, 20,00 EUR Auslagenpauschale).

Mit Vollstreckungsbescheid des Amtsgericht [Name] vom 26.112015 – zugestellt am 02.12.2015 – ist die Beklagte zur Zahlung von 1.106,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.03.2015 verpflichtet worden. Hiergegen hat sie mit am 09.12.2015 eingegangenem Schriftsatz Einspruch eingelegt.

Die Klägerin beantragt,
den Vollstreckungsbescheid des Amtsgericht Coburg vom 26.11.2015 ([Aktenzeichen]) aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte beantragt,
den Vollstreckungsbescheid des Amtsgericht Coburg vom 26.11.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet:

Sie sei für die angeblich über ihren Internetanschluss begangene Rechtsverletzung nicht verantwortlich. Zu berücksichtigen sei insoweit, dass die Beklagte einen WLAN-Router mit Verschlüsselung verwende; den Zugang teile sie sich mit ihren Mitbewohnern. Trotz Beachtung aller Sicherheitsanforderungen könne sie es naturgemäß nicht vollständig ausschließen, dass möglicherweise Dritte den Zugang missbräuchlich genutzt hätten.

Die Beklagte halt die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten für überhöht.

Entscheidungsgründe

Aufgrund des form- und fristgemäßen Einspruchs der Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid ist der Prozess in die Lage vor deren Säumnis zurückversetzt worden (§§ 700, 338 ff, 342 ZPO) Der Einspruch führt jedoch nicht zu einer Abänderung des Vollstreckungsbescheides.

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß §§ 97 Abs. 2 UrhG Anspruch auf Schadensersatz wegen unerlaubten Anbietens des Filmwerks [Name] auf einer Internet-Tauschbörse in der geltend gemachten Höhe.

Die Klägerin ist als Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrecht an dem streitgegenständlichen Filmwerk, bei dem es sich um ein geschütztes Werk im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 UrhG bzw. um ein Filmwerk, an dem Leistungsschutzrechte gemäß §§ 88, 89 UrhG bestehen, handelt, aktivlegitimiert.

Die Beklagte ist als Täterin der in Rede stehenden Urheberrechtsverletzung anzusehen.

Das Filmwerk ist gemäß § 19 a UrhG von ihrem Internetanschluss aus öffentlich zugänglich gemacht worden. Die ist unbestritten geblieben und ist zudem aufgrund der Mehrfachermittlungen als sicher anzusehen.

Steht aber fest, dass die Urheberrechtsverletzung über einen bestimmten Internetanschluss begangen wurde, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Anschlussinhaber, von dessen Anschluss aus die Urheberrechtsverletzung begangen wurde für die Rechtsverletzung verantwortlich ist (BGH, GRUR 2010, 912, „Sommer unseres Lebens“), hier mithin die Beklagte. Diese Vermutung beruht auf der Annahme eines der Lebenserfahrung entsprechenden Geschehensablaufs, wonach in erster Linie der Anschlussinhaber seinen Internetzugang nutzt, jedenfalls über die Art und Weise der Nutzung bestimmt und diese mit Tatherrschaft bewusst kontrolliert.

Aus dieser tatsächlichen Vermutung ergibt sich eine sekundäre Darlegungslast der Anschlussinhabers, der geltend macht, er habe die Rechtsverletzung nicht begangen. Die Annahme kann mithin erschüttert und die Vermutungsgrundlage beseitigt werden, wenn der Anschlussinhaber Umstände darlegt, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs ergibt (BGB, a.a.O., LG Köln, Urteil vom 11.09.2012, recherchiert unter juris).

Einen solchen anderen Geschehensablauf hat die Beklagte nicht ausreichend dargelegt Sie trägt insoweit lediglich vor, sie selbst habe die Urheberrechtsverletzung nicht begangen, in Betracht kämen Dritte, wohl insbesondere ihre „Mitbewohner“. Damit hat die Beklagte nicht im Ansatz substantiiert zu einem alternativ in Betracht kommende Geschehensablauf vorgetragen. Sie legt weder dar, um wen es sich bei den „Mitbewohnern“ handelte (Name? Alter? Beziehung zur Beklagten?), noch auf welche Weise diese Zugang zu dem Internetanschluss hatten, oder welche PCs, Laptops etc. in dem Haushalt vorhanden waren. Zu den konkreten Tagen fehlt ebenfalls jeglicher Vortrag.

Unbekannte Dritte scheiden schon deswegen aus, weil der Internetanschluss nach dem eigenen Vortrag der Beklagten ausreichend gesichert war und ein unberechtigter Zugriff von außen unter diesen Umständen nicht plausibel ist. Damit bleibt es bei der Vermutung der Täterhaftung der Beklagten als Anschlussinhaberin. Von einer schuldhaften Verletzung des Urheberrechts ist ebenfalls auszugehen.

Der Höhe nach ist die Klägerin berechtigt, den Schadensersatz auf Basis der Lizenzanalogie gemäß § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG zu berechnen. Für diese Art der Schadensberechnung ist der Eintritt eines konkreten Schadens nicht erforderlich. Der Verletzer hat vielmehr dasjenige zu zahlen, was vernünftige Parteien bei Abschluss eines fiktiven Lizenzvertrages in Kenntnis der wahren Rechtslage und der Umstände des konkreten Einzelfalles als angemessene Lizenzgebühr vereinbart hätten (vgl. nur Dreier / Schulze, UrhG, 3 Aufl., § 97 Rn. 61 m.w.N.). Anhaltspunkt für die Bemessung der Höhe der angemessenen Lizenzgebühr kann ein branchenüblicher Tarif sein. Existiert kein branchenüblicher Tarif, so ist von derjenigen Vergütung auszugehen, die nach Art und Umfang der Verwertung am nächsten liegt. Ausgehend von den vorstehenden Grundsätzen erscheint eine Lizenzgebühr von 600,00 EUR für einen erfolgreichen Kinofilm nicht nur angemessen, sondern eher niedrig, § 287 ZPO. Angesichts der unbeschränkten und kostenlosen Weiterverbreitung des geschützten Werkes im Rahmen einer Internet-Tauschbörse und angesichts der Erwerbskosten eines einzigen Vervielfältigungsstückes des streitgegenständlichen Werks geht das Gericht von einer fiktiven Lizenzgebühr aus, welche den geltend gemachten Betrag jedenfalls nicht unterschreitet.

Des Weiteren schuldet die Beklagte die durch die Einschaltung von Rechtsanwälten angefallenen Abmahnkosten, und zwar sowohl als Schadensersatz gemäß § 97 Abs. 2 UrhG, als auch als Aufwendungsersatz gemäß § 97a UrhG a F. Die Abmahnung war begründet, da die mit ihr gerügte Rechtsverletzung tatsächlich gegeben war. Sie war auch berechtigt, da sie objektiv erforderlich war, um dem Beklagten den kostengünstigsten Weg aus dem Konflikt aufzuzeigen.

Die insoweit geltend gemachten 506,00 EUR sind höhenmäßig nicht zu beanstanden. Eine Deckelung gemäß § 97a Abs. 2 UrhG kommt nicht in Betracht, da es sich weder in qualitativer noch in quantitativer Hinsicht um eine unerhebliche Rechtsverletzung handelt. Das Anbieten eines erfolgreichen Kinofilms stellt nicht ansatzweise einen Bagatellverstoß dar. Auch handelt es sich bei den Filesharing-Fallen nach einhelliger Rechtsprechung im Hinblick auf den Arbeitsaufwand nicht um einfach gelagerte Fälle.

Der zugrunde gelegte Gegenstandswert von 10.000,00 EUR ist angemessen. Dies begründet bei Ansatz einer angemessenen 1,0 Geschäftsgebühr und einer Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 EUR einen Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in der geltend gemachten Höhe von 506,00 EUR.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 291 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 1, 711 ZPO. (…)

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AG Charlottenburg, Urteil vom 22.03.2016, Az. 206 C 585/15

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