WALDORF FROMMER: Das Landgericht Leipzig bestätigt erneut strenge Anforderung an die sekundäre Darlegungslast – Die bloße Behauptung, weitere Familienmitglieder hätten den Anschluss im Verletzungszeitraum genutzt – ist keine konkrete Darlegung des Nutzungsverhaltens!

00:25 Uhr

Gegenstand des Berufungsverfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützter Filmaufnahmen. In dieser Sache hatte sich der Beklagte, als Familienvater von drei Kindern, bereits im erstinstanzlichen Verfahren mit dem Vortrag verteidigt, dass sämtliche Familienmitglieder im Verletzungszeitraum mit jeweils eigenen Computern auf den häuslichen Internetanschluss hätten zugreifen können. Eine Befragung der Ehefrau und der drei Kinder, nach Erhalt der Abmahnung, sei ergebnislos verlaufen. Vielmehr hätten sämtliche Familienmitglieder die Begehung der Rechtsverletzung abgestritten. Weitere Nachforschungsmaßnahmen habe der beklagte Familienvater nicht unternommen – schließlich könne er nicht in die Köpfe seiner Familie schauen.

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Bericht

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Urteil als PDF:
http://news.waldorf-frommer.de/wp-content/uploads/2016/12/LG_Leipzig_05_S_203_16.pdf

Autor:
Rechtsanwalt David Appel

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Zudem hatte sich der Beklagte, der einen WPA2 verschlüsselten und mit einem individuellen Passwort versehenen WLAN-Anschluss betrieben hatte, auf die Haftungsprivilegierung nach § 8 TMG berufen. In diesem Zusammenhang wurde seitens des Beklagten auch mehrfach die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH in der Sache C-484/14 – „Mc Fadden“ beantragt.

Im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens wurde zudem ein Sachverständigengutachten zur Ermittlung der streitgegenständlichen Rechtsverletzung durch das Peer-to-Peer Forensic System (PFS) eingeholt.

„Mit dem am 11.03.2016 verkündeten Urteil hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es stehe im Ergebnis der Beweisaufnahme zwar zur Überzeugung des Gerichts aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen […] fest, dass die behaupteten Handlungen über den Anschluss des Beklagten begangen wurden. Gleichwohl habe der Beklagte weder Schadensersatz zu leisten noch Rechtsanwaltskosten zu tragen, da die tatsächliche Vermutung seiner Täterschaft als Inhaber des Anschlusses erschüttert worden sei Der Beklagte sei seiner sekundären Darlegungslast hinsichtlich der Nutzung des Internetanschlusses gerecht geworden.“

Das Landgericht Leipzig hat in dem sich anschließenden Berufungsverfahren das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Leipzig aufgehoben und den Beklagten wegen dem illegalen Angebot eines aktuellen Filmwerkes zur Zahlung von Schadensersatz, Rechtsanwaltskosten sowie der Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen (samt der Kosten für das eingeholte Sachverständigengutachten) in Gesamthöhe von weit über 6.000,00 EUR verurteilt.

In seiner Begründung führte das Landgericht wörtlich aus:

„Ein Eingreifen der tatsächlichen Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers kommt, wie der BGH in seiner neuesten Entscheidung vom 12.05.2016 klargestellt hat, auch dann in Betracht, wenn der Internetanschluss wie bei einem Familienanschluss regelmäßig von mehreren Personen genutzt wird. Für die Frage, wer als Täter eines urheberrechtsverletzenden Downloadangebots haftet, kommt es nicht auf die Zugriffsmöglichkeit von Familienangehörigen im allgemeinen, sondern auf die Situation im Verletzungszeitpunkt I Tatzeitpunkt an. Der Inhaber eines Internetanschlusses wird der ihn treffenden sekundären Darlegungslast in Bezug darauf, ob andere Personen als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen, erst gerecht, wenn er nachvollziehbar vorträgt, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hätten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen (BGH, Urteil vom 12.05.2016, bei juris Rn. 34).“

Die Einlassungen des Beklagten genügen diesen, vom Bundesgerichtshof postulierten, Anforderungen nicht, so das Landgericht:

„Nach den so formulierten Anforderungen ist davon auszugehen, dass eine tatsächliche Vermutung für die täterschaftliche Verantwortung des Beklagten spricht. Welche Familienangehörigen im Verletzungszeitpunkt tatsächlich Zugriff auf den Internetanschluss hatte, hat der Beklagte zu keinem Zeitpunkt konkret vorgetragen. Seine Ehefrau, die als Zeugin vernommen wurde, scheidet offenbar auch nach Ansicht des Beklagten als Täterin der Rechtsverletzung aus. Der Vortrag des Beklagten (Schriftsatz vom 26.10.2015, Seite 1; Berufungserwiderung vom 13.07.2016, Seite 1 l.) ist pauschal und in seiner Allgemeinheit, „jedes Familienmitglied des Beklagten habe seinen eigenen Computer und das Internet über den Anschluss des Beklagten im Verletzungszeitraum selbständig genutzt“, auch unzutreffend. Letztlich hat der Beklagte gerade nicht eingeräumt, er und seine Ehefrau hätten zum konkreten Tatzeitpunkt den Internetanschluss genutzt. Eine Nutzung im „Verletzungszeitraum“ – vom [Datum] – ist keine konkrete Darlegung des Nutzungsverhaltens.“

Zudem habe der Beklagte weder Angaben zur eigenen Internetnutzung noch zum Nutzungsverhalten der übrigen Familienmitglieder gemacht. Auch die Frage, welches Familienmitglied zu den Zeiten der Rechtsverletzung überhaupt in der Wohnung gewesen sei und ob jemand das Filmwerk gesehen oder auf seinem Computer gespeichert hatte, blieb beklagtenseitig unbeantwortet. In der Gesamtschau habe der Beklagte der ihm obliegenden Darlegungslast nicht genüge getan, so dass seine Verantwortlichkeit für die streitgegenständliche Rechtsverletzung als zugestanden zu werten war, § 138 Abs. 3 ZPO:

„Jedenfalls hat der Beklagte der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast zur Frage der Internetnutzung durch andere Familienmitglieder (Dritte) zu den konkreten Tatzeitpunkten nicht genügt. Weder finden sich in seinen Ausführungen Angaben zur eigenen Internetnutzung noch zum Nutzungsverhalten der übrigen Familienmitglieder, Klärung der Anwesenheiten in der Wohnung zum Zeitpunkt der jeweiligen Rechtsverletzung, Recherchen der konkreten Nutzungssituation oder Ausführungen dazu, wer Filme wie den streitgegenständlichen innerhalb der Familie anschaut und ob das streitgegenständliche Filmwerk auf einem der Computer abgespeichert war oder noch ist. Ein Abstreiten ist oft nur ein Selbstschutz. […]

Vielmehr stellt er letztlich nur seine eigene Täterschaft in Abrede, während er sich im Hinblick auf seine im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienangehörigen auf deren Bestreiten der Rechtsverletzung bei generell bestehender Zugriffsmöglichkeit auf den Anschluss beruft. Dem im Rahmen der sekundären Darlegungslast gebotenen strengen Maßstab an den Detailgrad und die Plausibilität des Sachvortrags ist der Beklagte nicht nachgekommen. Da es an Tatsachen für eine ernsthafte Möglichkeit der Alleintäterschaft eines Dritten fehlt, gilt die Verantwortlichkeit des Beklagten für die streitgegenständliche Rechtsverletzung als zugestanden, § 138 Abs. 3 ZPO.“

Einer vom Beklagtenvertreter beharrlich behaupteten Anwendung des § 8 TMG bzw. der Entscheidung des EuGH (Az. C-484/14 – „Mc Fadden“) erteilte das Landgericht eine klare Absage:

„Eine Haftungsprivilegierung des Anschlussinhabers gem. § 8 TMG ergibt sich weder aus der Entscheidung des EuGH vom 15.9 2016 (C-484/14) noch aus der Entscheidung des Bundesgerichtshof vom 12.5.2014 (s.o.); der Beklagte wird schon nicht als Störer in Anspruch genommen.“

 

LG Leipzig, Urteil vom 18.11.2016, Az. 05 S 203/16

 

(…) Ausfertigung

Landgericht Leipzig

Zivilkammer

Aktenzeichen: 05 S 203/16
Amtsgericht Leipzig, 118 C 9093/14

Verkündet am: 18.11.2016
[Name], Urkundsbeamter/in der Geschäftsstelle

IM NAMEN DES VOLKES

ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

[Name],
– Klägerin und Berufungsklägerin –

Prozessbevollmächtigte: Waldorf Frommer Rechtsanwälte, Beethovenstraße 12, 80336 München,

gegen

[Name],
– Beklagter und Berufungsbeklagter –

Prozessbevollmächtigter: [Name],

wegen Schadensersatz

hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig durch Richterin am Landgericht [Name] als Einzelrichterin am 18.11.2016

für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Leipzig vom 11 03 2016 – Aktenzeichen: 118 C 9093/14 – abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Schadensersatz in Höhe von 600,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 06.12.2013 sowie weitere 506,00 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 06.12.2013 zu zahlen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:
Der Streitwert wird auf 1.106,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

1)

Die Klägerin begehrt vom Beklagten Schadensersatz gemäß Lizenzanalogie sowie den Ersatz von vorgerichtlichen Abmahnkosten wegen des Verbreitens des Filmwerks [Name] mittels Filesharing-Software. Die begehrten Rechtsverfolgungskosten berechnet der Klägervertreter aus einem Streitwert von 10.000,00 EUR mit einer 1,0 Geschäftsgebühr in Höhe von 506,00 EUR. Erstinstanzlich hat der Beklagte vorgetragen, jedes Familienmitglied in seinem Haushalt habe seinen eigenen Computer und könne das Internet über den Anschluss des Beklagten im Verletzungszeitraum selbstständig nutzen. Es habe ein Gespräch nach dem Erhalt der Abmahnung zwischen dem Beklagten und seinen Familienmitgliedern, der Ehefrau und den drei Kindern, gegeben. Alle hätten die Tat abgestritten. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien und der tatsächlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug, § 540 Abs. 1 ZPO.

Zweitinstanzlich hat der Beklagte seine Auffassung, er habe konkrete Auskünfte zur Internetnutzung im Verletzungszeitraum durch Nennung der weiteren Personen mit vollem Namen und Angabe ihrer Nutzungsgeräte erteilt, wiederholt und nochmals angegeben, alle Familienmitglieder hätten die Verletzungshandlung bestritten, und es sei nicht zumutbar, die einzelnen Familienmitglieder darum zu bitten, sich gemeinsam den Computer im Hinblick auf den heruntergeladenen Film anzusehen. Den Antworten seiner Familienmitglieder dürfe er vertrauen.

2)

Mt dem am 11.03.2016 verkündeten Urteil hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es stehe im Ergebnis der Beweisaufnahme zwar zur Überzeugung des Gerichts aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen [Name] fest, dass die behaupteten Handlungen über den Anschluss des Beklagten begangen wurden. Gleichwohl habe der Beklagte weder Schadensersatz zu leisten noch Rechtsanwaltskosten zu tragen, da die tatsächliche Vermutung seiner Täterschaft als Inhaber des Anschlusses erschüttert worden sei. Der Beklagte sei seiner sekundären Darlegungslast hinsichtlich der Nutzung des Internetanschlusses gerecht geworden. Im Ergebnis der Vernehmung der Zeugin [Name] ergebe sich eine ernsthafte Möglichkeit der Alleintäterschaft eines Dritten, da sie bestätigt habe, dass in dem Haushalt fünf Computer vorhanden seien, die ohne Überwachung auch von ihren Kindern genutzt werden könnten. Es genüge der Nachforschungspflicht, dass der Beklagte nach den glaubhaften Aussagen der Zeugin seine Kinder zu dem streitgegenständlichen Verstoß befragt habe, diese den Verstoß dann allerdings abgestritten hätten. Weitere Möglichkeiten der Erforschung der Wahrheit habe der Beklagte nicht gehabt. Wenn Mitnutzer des Internets den Verstoß bestreiten, seien die Möglichkeiten der Nachforschung für den Inhaber des Familienanschlusses am Ende. Die Behauptung der Klägerin, die Familienmitglieder des Beklagten hätten den Verstoß nicht begangen, sei nicht geeignet, den Anspruch zu begründen. Nach den Ausführungen der Zeugin [Name] sei das Gericht davon überzeugt, dass die Angehörigen des Beklagten die Begehung der Tat abstreiten. Wenn ein anderer möglicher Täter das Begehen der Tat bestreitet, lasse dies nicht den Rückschluss darauf zu, dass der Beklagte den Verstoß begangen habe. Es bestehe vorliegend die ernsthafte Möglichkeit des Verstoßes durch einen Dritten, nämlich eines der Kinder des Beklagten.

3)

Die Klägerin führt zur Begründung der Berufung aus, das Amtsgericht habe die Grundsätze der sekundären Darlegungslast fehlerhaft angewendet. Die pauschale Behauptung des Beklagten, auch seine Ehefrau sowie die drei gemeinsamen Kinder hätten den Internetanschluss im streitgegenständlichen Zeitraum nutzen können, sei nicht ausreichend. Verletzungsspezifischer Sachvortrag des Beklagten, bezogen auf die konkreten Verletzungsdaten, lägen jedoch nicht vor Eine einfache Befragung der Familienmitglieder genüge der Nachforschungspflicht nicht. In jedem Fall hätte das erstinstanzliche Gericht nach seiner Rechtsauffassung dem Beweisangebot der Klägerseite, dass die benannten Kinder des Beklagten zurzeit der streitgegenständlichen Rechtsverletzung keinen Zugriff auf den Internetanschluss genommen haben und die Rechtsverletzung nicht begangen haben (Schriftsatz vom 25.02.2015, Seite 9) nicht unberücksichtigt lassen dürfen. Die Überzeugungsbildung, dass die Angehörigen des Beklagten die Begehung der Tat abstreiten, sei eine unzulässige antizipierte Beweiswürdigung.

Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin:
1. einen angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 600,00 EUR betragen soll, zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 06.12.2013 sowie
2. 506,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 06.12.2013 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Das angegriffene Urteil des Amtsgericht Leipzig sei frei von Rechtsfehlern und berücksichtige die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Der Beklagte habe nicht nur pauschale, sondern ausreichend konkrete Angaben zur Nutzungssituation im Verletzungszeitraum getätigt. Ausreichend sei der Vortrag, dass alle Familienmitglieder die Verletzungshandlung bestreiten und auch der Beklagte selbst die Tat nicht begangen hat, er aber auch nicht in die Köpfe seiner Kinder und seiner Ehefrau „hineinsehen“ könne. Auch die Zeugin, die Ehefrau des Beklagten, habe bestätigt, dass nicht nur der Beklagte konkret das Internet im Verletzungszeitraum nutzte, sondern auch die Kinder und sie selbst. Die Computer müsse er nicht kontrollieren. Folglich scheide eine Täterhaftung des Beklagten aus, die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers sei erschüttert. Ein Mann mittleren Alters wie der Beklagte sei zudem nicht unbedingt die Zielgruppe für das streitgegenständliche Filmwerk. Darüber hinaus sei § 8 TMG anwendbar und hafte der Beklagte nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze erster und zweiter Instanz nebst vorgelegten Anlagen verwiesen und auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 29.09.2016 Bezug genommen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Das Amtsgericht hat in dem angefochtenen Urteil zu Unrecht einen Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz und Erstattung der Abmahnkosten verneint.

1.

Der Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten folgt aus § 97 Abs. 2 UrhG. Das streitgegenständliche Filmwerk genießt urheberrechtlichen Schutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 UrhG. Die Aktivlegitimation der Klägerin als Rechteinhaberin und die erstinstanzlich durch das eingeholte Sachverständigengutachten (Aktenseite 195 ff.) bestätigte Richtigkeit der Ermittlung der streitgegenständlichen Rechtsverletzung über den Internetanschluss des Beklagten ist in der zweiten Instanz auch nicht mehr angegriffen worden.

Für das öffentliche Zugänglichmachen des Filmwerks [Name] durch Anbieten mittels eines Filesharing-Programms zu den festgestellten Zeitpunkten am [Datum, Uhrzeit] (Seite 10 ff. der Klageschrift, Auskunft Anlage K 2) ist der Beklagte als Täter verantwortlich. In seiner Entscheidung vom 12.05.2016 („Everytime we touch“, Urteil vom 12.05.2016, Az. I ZR 48/15), auf die in der mündlichen Verhandlung vom 29.09.2016 hingewiesen und die zwischenzeitlich in vollem Wortlaut veröffentlicht wurde, hat der BGH klargestellt, dass die bloße Behauptung der Möglichkeit, ein Dritter könne die Rechtsverletzung begangen haben, das Eingreifen einer tatsächlichen Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers nicht ausschließt. Es ist plausibler Vortrag dazu erforderlich, dass der Internetanschluss von Dritten zur Teilnahme an Tauschbörsen genutzt werden konnte.

2)

Grundsätzlich gelten die Regeln der Beweislast auch für die Fälle urheberrechtswidrigen Verbreitens von Filmen im Internet mittels einer Filesharing-Software. Nach den allgemeinen Grundsätzen trägt die Klagepartei als Anspruchstellerin die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs erfüllt sind. Sie hat darzulegen und im Bestreitensfall nachzuweisen, dass der Beklagte für die von ihr behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich ist. Allerdings spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen Internetanschluss benutzen konnten (BGH GRUR 2016, 191 – „Tauschbörse III“). Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt bewusst auch anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde (BGH, Urteil vom 08.01.2014, Az. I ZR 169/12 – „BearShare“). In solchen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses eine sekundäre Darlegungslast, der er dadurch genügt, dass er vorträgt, ob und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Rechtsverletzung gewonnen hat.

Die pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs von im Haushalt des Beklagten lebenden Dritten auf seinen Internetanschluss wird den an die Erfüllung des sekundären Darlegungslast zu stellenden Anforderungen daher nicht gerecht. Entspricht der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache der Klägerin als Anspruchsteller, die für eine Haftung des Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen (BGH, „BearShare“, a.a.O.; BGH, „Tauschbörse III“, a.a.O.; BGH, „Everytime we touch“, a.a.O.). Folge einer Nichterfüllung der sekundären Darlegungslast ist, dass die Behauptung des primär Darlegungspflichtigen (Beklagter) als zugestanden gilt im Sinne des § 138 Abs. 3 ZPO.

Ein Eingreifen der tatsächlichen Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers kommt, wie der BGH in seiner neuesten Entscheidung vom 12.05.2016 klargestellt hat, auch dann in Betracht, wenn der Internetanschluss wie bei einem Familienanschluss regelmäßig von mehreren Personen genutzt wird. Für die Frage, wer als Täter eines urheberrechtsverletzenden Downloadangebots haftet, kommt es nicht auf die Zugriffsmöglichkeit von Familienangehörigen im allgemeinen, sondern auf die Situation im Verletzungszeitpunkt / Tatzeitpunkt an. Der Inhaber eines Internetanschlusses wird der ihn treffenden sekundären Darlegungslast in Bezug darauf, ob andere Personen als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen, erst gerecht, wenn er nachvollziehbar vorträgt, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hätten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen (BGH, Urteil vom 12.05.2016, bei juris Rn. 34).

3)

Nach den so formulierten Anforderungen ist davon auszugehen, dass eine tatsächliche Vermutung für die täterschaftliche Verantwortung des Beklagten spricht. Welche Familienangehörigen im Verletzungszeitpunkt tatsächlich Zugriff auf den Internetanschluss hatte, hat der Beklagte zu keinem Zeitpunkt konkret vorgetragen. Seine Ehefrau, die als Zeugin vernommen wurde, scheidet offenbar auch nach Ansicht des Beklagten als Täterin der Rechtsverletzung aus. Der Vortrag des Beklagten (Schriftsatz vom 26.10.2015, Seite 1; Berufungserwiderung vom 13.07.2016, Seite 1 I.) ist pauschal und in seiner Allgemeinheit, „jedes Familienmitglied des Beklagten habe seinen eigenen Computer und das Internet über den Anschluss des Beklagten im Verletzungszeitraum selbstständig genutzt“, auch unzutreffend. Letztlich hat der Beklagte gerade nicht eingeräumt, er und seine Ehefrau hätten zum konkreten Tatzeitpunkt den Internetanschluss genutzt. Eine Nutzung im „Verletzungszeitraum“ – vom [Datum]- ist keine konkrete Darlegung des Nutzungsverhaltens. Darüber hinaus trägt er vor, dass sämtliche Familienmitglieder „die Tat“ geleugnet hätten. Mt Rücksicht auf die Angaben der Ehefrau bei ihrer Zeugenvernehmung, wonach auch die Kinder hinsichtlich unerlaubten Downloadens mehrfach belehrt worden sein sollen, ist auch nicht plausibel, dass der Internetanschluss hinter dem Rücken des Beklagten von den Kinder für illegales Filesharing genutzt worden wäre Wenn der Beklagte vorträgt, er gehöre nicht zur Zielgruppe des Films so ist jedenfalls auch nichts dafür ersichtlich, dass das einzige minderjährige Kind der Familie als Alleintäter des fraglichen Downloadangebots in Betracht kommt.

Jedenfalls hat der Beklagte der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast zur Frage der Internetnutzung durch andere Familienmitglieder (Dritte) zu den konkreten Tatzeitpunkten nicht genügt. Weder finden sich in seinen Ausführungen Angaben zur eigenen Internetnutzung noch zum Nutzungsverhalten der übrigen Familienmitglieder, Klärung der Anwesenheiten in der Wohnung zum Zeitpunkt der jeweiligen Rechtsverletzung, Recherchen der konkreten Nutzungssituation oder Ausführungen dazu, wer Filme wie den streitgegenständlichen innerhalb der Familie anschaut und ob das streitgegenständliche Filmwerk auf einem der Computer abgespeichert war oder noch ist. Ein Abstreiten ist oft nur ein Selbstschutz. Für eine ernsthafte Möglichkeit eines von seiner Täterschaft abweichenden Geschehensablaufs genügt die theoretische Möglichkeit des Zugriffs von im Haushalt des Beklagten lebenden Dritten auf den Internetanschluss nicht. Umstände, aus denen darauf geschlossen werden könnte, dass die fraglichen Verletzungshandlungen von einem der Kinder mit alleiniger Tatherrschaft begangen worden sein könnten, finden sich im Vortrag des Beklagten nicht Letztlich ergibt sich daraus nicht einmal die Behauptung, eines seiner Kinder oder seine Ehefrau hätten die Rechtsverletzung begangen. Vielmehr stellt er letztlich nur seine eigene Täterschaft in Abrede, während er sich im Hinblick auf seine im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienangehörigen auf deren Bestreiten der Rechtsverletzung bei generell bestehender Zugriffsmöglichkeit auf den Anschluss beruft. Dem im Rahmen der sekundären Darlegungslast gebotenen strengen Maßstab an den Detailgrad und die Plausibilität des Sachvortrags ist der Beklagte nicht nachgekommen. Da es an Tatsachen für eine ernsthafte Möglichkeit der Alleintäterschaft eines Dutten fehlt, gilt die Verantwortlichkeit des Beklagten für die streitgegenständliche Rechtsverletzung als zugestanden, § 138 Abs. 3 ZPO.

Eine Haftungsprivilegierung des Anschlussinhabers gern. § 8 TMG ergibt sich weder aus der Entscheidung des EuGH vom 15.09.2016 (C-484/14) noch aus der Entscheidung des BGH vom 12.5.2014 (s.o.); der Beklagte wird schon nicht als Störer in Anspruch genommen.

4)

Der Beklagte haftet für das öffentliche Zugänglichmachen des Filmwerks auf Schadensersatz in Höhe der als Mindestschaden geltend gemachten 600,00 EUR (fiktive Lizenzgebühr). Ferner besteht Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten in geltend gemachter Höhe gemäß § 97a Abs. 1 Satz 2 UrhG a. F. Der Ansatz eines Gegenstandswertes in Höhe von 10.000,00 EUR für einen Unterlassungsanspruch wegen öffentlichen Zugänglichmachens eines Filmwerks orientiert sich an den wirtschaftlichen Interessen der Rechteinhaberin und ist aufgrund der Angriffsintensität im Rahmen der Beteiligung an illegalen Filesharing-Tauschbörsen der Höhe nach in der Rechtsprechung anerkannt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Mt den oben angeführten neuesten Entscheidungen des BGH sind die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast bei Filesharing-Fällen weitestgehend geklärt und eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erforderlich.

[Name]
Richterin am Landgericht (…)

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LG Leipzig, Urteil vom 18.11.2016, Az. 05 S 203/16

Vorinstanz:

AG Leipzig, Urteil vom 11.03.2016, Az. 118 C 9093/14

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