NIMROD RECHTSANWÄLTE Bockslaff Strahmann GbR (Berlin): Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht zur Frage nach der Höhe einer Vertragsstrafe (Berufungsurteil vom 05.10.2017, Az. 6 U 47/16) – Vertragsstrafe von 3.000,00 EUR ist unangemessen niedrig!

00:48 Uhr

Wieder einmal hat das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht die Rechtserfassung der Nimrod Rechtsanwälte bestätigt und einen Raubkopierer zur Zahlung von:

– 6.000,00 EUR Vertragsstrafe und
– 1.239,40 EUR Kosten der Abmahnung verurteilt.

 

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NIMROD RECHTSANWÄLTE
Bockslaff Strahmann GbR

Emser Straße 9 | 10719 Berlin
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Bericht

Link:
https://nimrod-rechtsanwaelte.de/2017/10/18/5989/

Urteil als PDF:
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Was war geschehen:

Der Beklagte gab auf Grundlage einer Abmahnung der Nimrod Rechtsanwälte eine Unterlassungserklärung ab. Diese wurde angenommen. Nach der Annahme stellte sich heraus, dass der Beklagte weiterhin Rechtsverletzungen zulasten der Mandantin der Nimrod Rechtsanwälte begann. Daraufhin setzten die Nimrod Rechtsanwälte eine Vertragsstrafe fest und mahnten erneut ab.

Außergerichtlich konnte keine Lösung gefunden werden.

Das erkennende Gericht meinte zu Unrecht, die Mandantin der Nimrod Rechtsanwälte könne allenfalls eine Vertragsstrafe von 3.000,00 EUR und deutlich geringere Kosten der zweiten Abmahnung. Ging es gegen dieses Urteil legten die Nimrod Rechtsanwälte Rechtsmittel ein.

Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht stellt insbesondere fest, dass die vom Landgericht Flensburg festgesetzten Vertragsstrafe von 3000,00 EUR unangemessen niedrig ist. Zu Recht weisen die Nimrod Rechtsanwälte darauf hin, dass eine Vertragsstrafe einen doppelten Zweck hat, nämlich die Erfüllung der Verbindlichkeit als Druckmittel zu sichern und dem Gläubiger den Schadensersatz zu ersparen (BGH, Urteil vom 23.06.1988, VII ZR 117/87; BGHZ 105, 24,720).

Das Gericht nahm vor diesem Hintergrund zur Messung des Schadenersatzes einen Faktor von 400 des jeweiligen Verkaufspreises an und erhöhte diesen entsprechend.

 

 

OLG Schleswig, Urteil vom 05.10.2017, Az. 6 U 47/16

 

 

(…) -Beglaubigte Abschrift –

6 U 47/16
8 O 108/15 LG Flensburg

Verkündet am 05.10.2017
gez.
[Name], JAng
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

 

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht

Urteil

Im Namen des Volkes

 

In dem Rechtsstreit

[Name],
– Klägerin und Berufungsklägerin –

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte NIMROD Rechtsanwälte Bockslaff & Strahmann GbR, Emser Straße 9, 10719 Berlin,

gegen

[Name]
– Beklagter und Berufungsbeklagter –

Prozessbevollmächtigte: [Name],

wegen Vertragsstrafe und Ersatz von Abmahnkosten

 

hat der 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. [Name] als Einzelrichter auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 21.09.2017

für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Flensburg vom 26. Oktober 2016, Az. 8 O 108/15, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird unter Änderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Flensburg vom 26. Oktober 2016, Aktenzeichen 8 O 108/15, verurteilt,
1. die Klägerin von dem Vergütungsanspruch der Rechtsanwälte NIMROD, Rechtsanwälte, Bockslaff Strahmann GbR, Emser Straße 9, 10719 Berlin, wegen der Abmahnung des Urheberrechtsverstoßes vom 4. Dezember 2014 in Höhe von 1.239,40 EUR freizustellen,
2. an die Klägerin eine Vertragsstrafe in Höhe von 6.000,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. Mai 2015 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurück- und die Klage wird abgewiesen.

Der Beklagte hat 60 % und die Klägerin hat 40 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Dieses Urteil und das mit der Berufung angefochtene Urteil, soweit es in Folge der teilweisen Zurückweisung der Berufung aufrechterhalten bleibt, sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Freistellung von rechtsanwaltlichen Abmahnkosten und auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Anspruch. Wegen des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat einen Anspruch auf Freistellung von dem rechtsanwaltlichen Vergütungsanspruch wegen der streitgegenständlichen Abmahnung in Höhe von 865,00 EUR sowie auf eine Vertragsstrafe in Höhe von 3.000,00 EUR festgestellt. Die Klägerin habe den Beklagten zu Recht abgemahnt, nachdem der Sohn des Beklagten trotz einer bereits im März 2013 abgegebenen Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung das Computerspiel „[Name]“ erneut am 4. Dezember 2014 mithilfe eines Filesharingprogramms im Internet zugänglich gemacht habe.

Der Beklagte hafte als Störer auf Unterlassen, weil er den Eingriff in die Rechte der Klägerin rechtswidrig verursacht habe. Aufgrund der bereits im Februar 2013 erfolgten ersten Abmahnung sei der Beklagte zu Maßnahmen verpflichtet gewesen, eine erneute Rechtsverletzung durch seinen Sohn zu verhindern. Er habe nicht nur alles zu unterlassen gehabt, was zu einer Verletzung habe führen können, sondern habe auch alles tun müssen, was im konkreten Fall erforderlich und zumutbar gewesen wäre, um künftige andauernde Verletzungen zu verhindern oder rückgängig zu machen. Der Anspruch auf Schuldbefreiung folge aus § 257 BGB. Die Höhe des Anspruchs sei aber auf Grundlage eines niedrigeren Gegenstandswerts zu ermitteln. Angemessen sei ein Gegenstandswert von 15.000,00 EUR. Der von der Klägerin angenommene Gegenstandswert von 65.000,00 EUR sei unangemessen hoch. Wertbestimmend für einen Unterlassungsantrag sei die zu schätzende Schwere der Beeinträchtigung, die wegen des beanstandeten Verhaltens verständigerweise zu besorgen sei und unterbunden werden solle. Im Urheberrecht sei hierfür der Wert des verletzten Schutzrechts und die Gefährlichkeit der Verletzungshandlung- der sogenannte Angriffsfaktor – maßgeblich, die sich aus Art und Schwere der begangenen und der drohenden weiteren Verletzungshandlungen und der Schwere des Verschuldens ergebe. Zu berücksichtigen sei, dass der durch eine rechtswidrige öffentliche Zugänglichmachung des Werks verursachte Schaden erheblich sei. Die am 4. Dezember 2014 begangene Verletzungshandlung sei 14 Monate nach der Veröffentlichung des Spiels am 19. September 2013 und damit zu einem Zeitpunkt erfolgt, als das Spiel noch nicht aus der kommerziellen Erstverwertung ausgeschieden gewesen sei. Streitwertermäßigend wirke sich aus, dass der Beklagte nicht als Täter, sondern lediglich als Störer auf Unterlassung genommen werden könne. Auch könne ihm keine vorsätzliche, sondern lediglich eine weniger schwerwiegende fahrlässige Verletzung vorgeworfen werden. Eine Erhöhung des Gegenstandswertes könne nicht mit dem Umstand gerechtfertigt werden, die streitgegenständliche Abmahnung habe der Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs wegen eines wiederholten rechtswidrigen Angriffs in das klägerische Verwertungsrecht gegolten. Sie habe nicht dem Rechtsverletzer, sondern nur dem Beklagten als Störer wegen der Verletzung von Prüfungsobliegenheiten eines Internetanschlussinhabers gegolten. Für den Beklagten habe es sich um den erstmaligen Verstoß gegen solche Prüfungsobliegenheiten gehandelt. Die Annahme eines Gegenstandswerts von 15.000,00 EUR entspreche im Übrigen den Festsetzungen anderer Gerichte. Die Klägerin könne lediglich eine 1,3 Geschäftsgebühr nach § 2 Abs. 2, § 13 RVG in Verbindung mit Nr. 2300 W verlangen. Unter Berücksichtigung der Post- und Telekommunikationspauschale ergebe sich ein maximaler Gebührenanspruch gegen die Klägerin in Höhe von 865,00 EUR. Der Freistellungsanspruch könne nicht verzinst werden.

Ferner könne die Klägerin eine Vertragsstrafe lediglich in Höhe von 3.000,00 EUR beanspruchen. Die Vertragsstrafe sei zwar verwirkt. Allerdings sei der von der Klägerin angenommene Betrag von 10.000,00 EUR unbillig hoch. Dem Bestimmungsberechtigten stehe bei der Bemessung der Strafhöhe ein Ermessensspielraum zu. Ein Gericht könne erst die Bestimmung vornehmen, wenn die durch § 315 Abs. 3 BGB gezogene Grenze überschritten sei. Im Rahmen von § 315 Abs. 3 BGB bestehe daher nur ein beschränktes Kontrollrecht. Bei der Billigkeitskontrolle sei zu beachten, dass die Vertragsstrafe so hoch sein müsse, dass sich ein Verstoß für den Verletzer voraussichtlich nicht mehr lohne. Wie hoch hierzu die Vertragsstrafe bemessen sein müsse, lasse sich nicht allgemein, sondern immer nur unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls beantworten. Dabei sei auf die Schwere und das Ausmaß der begangenen Zuwiderhandlung, auf deren Gefährlichkeit für den Gläubiger, auf das Verschulden des Verletzers sowie die Art und Größe des Unternehmens des Schuldners abzustellen. Eine Vertragsstrafe von 10.000,00 EUR nehme nicht hinreichend darauf Rücksicht, dass der Beklagte eine Privatperson sei. Angesichts des Marktpreises des Computerspiels von 9,99 EUR bei der Markteinführung sei eine abschreckende Wirkung schon bei einem Zehntel der von der Klägerin festgesetzten Vertragsstrafe zu erwarten. Die Vertragsstrafe in Höhe von 3.000,00 EUR entspreche dem 300-fachen Satz des Verkaufspreises und dem 6-fachen Satz einer fiktiven Lizenzgebühr von 510,00 EUR, die regelmäßig als Schadensersatz für die rechtswidrige öffentliche Wiedergabe von Computerspielsoftware zuerkannt worden sei. Dies sei ausreichend und angemessen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Das Landgericht habe die durch die zweite Abmahnung entstandenen Anwaltskosten rechtswidrig reduziert und habe den Zinsanspruch zu Unrecht abgelehnt. Hinsichtlich der Höhe der Vertragsstrafe habe es sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt.

Der vom Landgericht zu Grunde gelegte Gegenstandswert von 15.000,00 EUR habe nicht zwischen einer Erst- und einer Zweitverletzung unterschieden. Der Angriffsfaktor auf das verletzte Rechtsgut sei vorliegend um ein erhebliches höher als bei der erstmaligen Verletzung des Rechtsguts. Hinzu komme, dass das fragliche Computerspiel im Verletzungszeitpunkt gerade veröffentlicht worden sei, nämlich am 12. Oktober 2012. Die Rechtsverletzung habe im Dezember 2012 begonnen und habe erst Ende Juni 2014 geendet. Vor diesem Hintergrund sei ein Angriffsfaktor gerechtfertigt, der zu dem von der Klägerin angenommenen Streitwert von 55.000,00 EUR führe, der zudem um die Vertragsstrafe von 10.000,00 EUR zu erhöhen sei. Es ergebe sich mithin ein Gegenstandswert von insgesamt 65.000,00 EUR. Auch habe das Landgericht den Erfolg des streitgegenständlichen Computerspiels nicht berücksichtigt. Insoweit werde Bezug genommen auf die Ausführungen in dem Schriftsatz vom 13. Oktober 2015. Immerhin sei das Computerspiel über 300.000 Mal seit Erscheinen verkauft worden.

Das Landgericht habe den Zinsanspruch zu Unrecht verneint. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs würden Freistellungsansprüche in Zahlungsansprüche „kippen“, wenn die gesetzliche Grundlage des Zahlungsanspruchs einen Anspruch auf Vorschuss vorsehe. Vorliegend werde auf Grundlage des RVG abgerechnet. § 9 RVG sehe einen Anspruch auf Vorschuss vor, sodass ein Zahlungsanspruch bestanden habe. Dieser sei auch fällig gewesen. Die Klägerin habe Befreiung von der Verbindlichkeit zum 26. Mai 2015 begehrt. Da der Beklagte dem nicht nachgekommen sei, habe Verzug bestanden.

Zutreffend habe das Landgericht angenommen, dass die Vertragsstrafe eine nochmalige Rechtsverletzung verhindern solle. Die Vertragsstrafe enthalte aber auch einen schadensersatzrechtlichen Teil. Allein aus diesem Grunde sei die Vertragsstrafe mit mindestens 10.000,00 EUR zu bemessen. Die Höhe des Schadensplatzes richte sich nach den Grundsätzen der sogenannten Lizenzanalogie. Dessen Höhe richtet sich nach der Frage, zu welchem Preis die Klägerin dem Beklagten an Lizenz erteilt hätte. Nach der Rechtsprechung sei der 400-fache Wert einer Einzellizenz anzusetzen. Ausgehend von dem Umstand, dass das Spiel zum Zeitpunkt der Erstverletzung 25,00 EUR gekostet habe, sei ein Schadensatz von 10.000,00 EUR angemessen. Das Landgericht habe stattdessen einen Verkaufspreis von 9,99 EUR angenommen. Das Landgericht habe zu recht die Unbilligkeit der von der Klägerin bestimmten Vertragsstrafe angenommen. Der bloße Hinweis darauf, dass der Beklagte eine Privatperson sei, die nicht gewerblich handele und der Verstoß gegen das Vertragsstrafeversprechen angeblich nicht durch eine Gewinnerzielungsabsicht motiviert gewesen sei, genüge dazu nicht. Entscheidend sei vielmehr, wie lang die Rechtsverletzungen angedauert habe. Diesen Umständen werde der geltend gemachte Betrag von 10.000,00 EUR gerecht.

Das streitgegenständliche Computerspiel sei 2.162 Nachfragenden über einen Zeitraum von zwei Jahren zur Verfügung gestellt worden. Würde mit diesem Faktor statt des vom Bundesgerichtshof angenommenen Faktors von 400 gerechnet, ergebe sich bei einem Verkaufspreis von 9,99 EUR ein Schadensersatzbetrag von 21.598,38 EUR und bei einem Verkaufspreis von 25,00 EUR sogar von 54.050,00 EUR.

Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Änderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Flensburg vom 26. Oktober 2016, Aktenzeichen 8 0 108/15, zu verurteilen,
1. die Klägerin von dem Vergütungsanspruch der Rechtsanwälte NIMROD, Rechtsanwälte, Bockslaff Strahmann GbR, Emser Straße 9, 10719 Berlin, wegen der Abmahnung des Urheberrechtsverstoßes vom 4. Dezember 2014 in Höhe von 1.892,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Mai 2015 freizustellen,
2. an die Klägerin eine Vertragsstrafe in Höhe von 10.000,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. Mai 2015 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Entgegen der Auffassung der Berufung habe das Landgericht sehr wohl die Erheblichkeit der Rechtsverletzung und insbesondere die zeitliche Nähe zur Erstverwertung berücksichtigt. Auch der Wiederholungsumstand sei berücksichtigt worden. Das Landgericht stelle in seiner Entscheidung dar, dass der Beklagte nicht als Rechtsverletzer, sondern lediglich als Störer wegen erstmaliger Verletzung seiner Prüfpflichten in Anspruch genommen worden sei. Nach der maßgebenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei zwar im Wesentlichen auf das Interesse des Anspruchstellers eines Unterlassungsanspruchs an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße abzustellen, es müsse aber auch anderen Aspekten Rechnung getragen werden, nämlich dem Grad der Wahrscheinlichkeit zukünftiger Zuwiderhandlungen. Vorliegend sei es unbeabsichtigt zur Zurverfügungstellung des Computerspiels durch den Sohn des Beklagten nach der erstmaligen Abmahnung gekommen. Von einer künftigen Zuwiderhandlung könne daher nicht mehr ausgegangen werden. Die Störungsquelle sei beseitigt worden. Unschlüssig sei ferner der Wunsch der Klägerin, eine Vertragsstrafe in Höhe von 10.000,00 EUR in den Gegenstandswert einzubeziehen. Gemäß § 97 Abs. 3 Satz 1 UrhG könne der Abmahnende den Ersatz der notwendigen Aufwendungen verlangen. Sinn der Abmahnung nach § 97 Abs. 1 Urhebergesetz sei es, die Unterlassung eines Verhaltens zu erreichen. Die Geltendmachung einer Vertragsstrafe erfülle diesen Zweck nicht. Diese könne nicht in den Gegenstandswert einbezogen werden. Maximal sei Gegenstandswert von 15.000,00 EUR angemessen.

Der Freistellungsanspruch könne nicht verzinst werden. Es handele sich um keinen Zahlungsanspruch. Ein etwaiges „kippen“ des Freistellungsanspruchs in einen Zahlungsanspruch ändere daran nichts.

Die von der Klägerin verlangte Vertragsstrafe sei übersetzt. Zu Recht habe das Landgericht diese als unbillig eingestuft und herabgesetzt. Zwar solle eine Vertragsstrafe eine Straf- und Ersatzfunktion erfüllen. Dem entspreche aber das Urteil des Landgerichts. Das Landgericht habe den 300-fachen Wert einer Einzellizenz angesetzt.

II.

Die zulässige Berufung hat lediglich zum Teil Erfolg. Der zur Berechnung der Abmahnkosten zu Grunde zu legende Gegenstandswert ist höher zu bemessen, als es das Landgericht getan hat. Außerdem hat das Landgericht die Vertragsstrafe zu niedrig bemessen.

1.

Der Anspruch der Klägerin auf Freistellung von den Abmahnkosten geht über den vom Landgericht angenommenen Betrag von 865,00 EUR hinaus und beträgt 1.239,40 EUR. Der Freistellungsanspruch ist aber nicht zu verzinsen.

a.

Maßgebend zur Bestimmung der Höhe des Freistellungsanspruchs ist der der Abmahnung zu Grunde liegende Gegenstandswert. Das Landgericht hat einen Gegenstandswert von 15.000,00 EUR angenommen. Das Landgericht hat zur Wertbemessung zwar im Ausgangspunkt zu Recht zum einen den Wert des verletzten Schutzrechts und zum anderen die Gefährlichkeit der Verletzungshandlung – sogenannter Angriffsfaktor – berücksichtigt, die sich aus Art und Umfang der begangenen und drohender weiterer Verletzungshandlungen und der Schwere des Verschuldens ergibt (Senat, Beschluss vom 14.06.2016, Az. 6 W 6/16). Der vom Landgericht angesetzte Wert wird der Schwere der Beeinträchtigung, die wegen des beanstandeten Verhaltens zu besorgen ist und unterbunden werden soll, aber nicht gerecht. Das mit dem Unterlassungsbegehren verfolgte Interesse des Anspruchstellers ist darauf gerichtet, in Zukunft weitere oder fortgesetzte Rechtsverletzungen zu unterbinden. Der Gefährlichkeit der bereits begangenen Verletzungshandlung kommt bei der Wertbemessung Indizwirkung zu. Allerdings kann auch anderen, von der Verletzungshandlung unabhängigen Faktoren – etwa dem Grad der Wahrscheinlichkeit künftiger Zuwiderhandlungen – Rechnung zu tragen sein (BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 – I ZR 43/15, juris Rn. 25 m.w.N.).

Der Senat hat sich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs angeschlossen, der bei der Berechnung des Streitwerts von urheberrechtlichen Unterlassungsklagen in „Filesharing“-Fällen nicht wie sonst üblich auf die Vervielfachung des Lizenzschadensbetrages mit einem bestimmten Faktor abstellt. Der Wert des verletzten Schutzrechts und dessen drohende Beeinträchtigung durch künftige Verletzungen wird nicht allein durch die für eine konkrete Nutzungshandlung zu erzielende fiktive Lizenzeinnahme, sondern auch durch die dem Rechtsinhaber insgesamt zu Gebote stehende Auswertungsmöglichkeit bestimmt, deren Verwirklichung durch künftige Rechtsverletzungen beeinträchtigt zu werden droht. Bei der Bewertung des Interesses des Rechtsinhabers an der Abwehr künftiger Verletzungshandlungen muss nicht nur dem Interesse an der Verhinderung fortgesetzter nicht lizenzierter Nutzungen Rechnung getragen werden, sondern es ist auch das einer fortgesetzten Rechtsverletzung innewohnende Gefährdungspotenzial für das Schutzrecht und seine wirtschaftliche Auswertung zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 19/14, GRUR 2016, 176, 184 Rn. 80 – Tauschbörse I; Senat, Urteil vom 25. Januar 2017 – Az. 6 U 9/16).

Der Bundesgerichtshof hat als Orientierungspunkt für die Bestimmung des Gegenstandswertes eines Unterlassungsanspruchs bezüglich eines Computerspiels einen Betrag von nicht unter 15.000,00 EUR angegeben (BGH, Urteil vom 12. Mai 2016, a.a.O. Rn. 48), wobei er zu Grunde gelegt hat, dass es sich hierbei um ein durchschnittlich erfolgreiches Computerspiel, welches nicht allzu lange nach seinem Erscheinungstermin öffentlich zugänglich gemacht wurde, handelt. Der Senat hat in dem bereits zitierten Beschluss vom 13. Juni 2016 den Unterlassungsanspruch hinsichtlich eines seinerzeit streitgegenständlichen Computerspiels ebenfalls mit 15.000,00 EUR bewertet.

Gegenstand der streitgegenständlichen zweiten Abmahnung sind Urheberrechtsverletzungen, die nach Abschluss der Unterlassungsvereinbarung vom 12. März 2013 begangen wurden. Mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2015 hat die Klägerin ausgeführt, dass das Programm nach Abgabe der Unterlassungserklärung bis zum 2. März 2014 nicht mehr zum Tausch angeboten worden sei (GA 33). Erst mit dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 12. Oktober 2016 (GA 59) hat sie erklärt, das Computerspiel sei von Dezember 2012 bis Ende Juni 2014 zum Abruf bereitgehalten worden. Diesen Vortrag hat das Landgericht seinen Feststellungen nicht zu Grunde gelegt, sondern hat im unstreitigen Tatbestand lediglich festgestellt, dass der volljährige Sohn des Beklagten der streitgegenständliche Computerspiel am 4. Dezember 2014 mithilfe eines Filesharing-Programms im Internet öffentlich zugänglich gemacht habe (LGU 3). Der nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung gehaltene Sachvortrag ist vom Landgericht gemäß § 296 a ZPO zu Recht nicht berücksichtigt worden.

Entsprechendes gilt für die Ausführungen in der Berufungsbegründung. Die auch dort angesprochenen angeblichen Rechtsverletzungen zwischen Dezember 2012 und dem 1. März 2014 (GA 94) sind nicht mehr zu berücksichtigen. Die Klägerin legt nicht dar, weshalb andere als die vom Gericht des 1. Rechtszugs festgestellten Tatsachen zu berücksichtigen sein sollten; § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Die verspätet vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel sind präkludiert und können in der Berufungsinstanz nur nach Maßgabe von § 531 Abs. 2 ZPO geltend gemacht werden. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass der verspätete Vortrag einen Gesichtspunkt betrifft, der vom Landgericht übersehen wurde. Auch ist ein Verfahrensmangel im 1. Rechtszug nicht festzustellen. Insbesondere hat das Landgericht keine Hinweispflichten gemäß § 139 ZPO verletzt. Im Übrigen hat auch die Klägerin nicht hinreichend dargetan, dass die Nichtgeltendmachung dieses Vortrags nicht auf ihrer Nachlässigkeit beruht hat; § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO. Der Senat hat daher wie das Landgericht davon auszugehen, dass es zu der erneuten Verletzung erst 14 Monate nach der Erstveröffentlichung des Spiels gekommen ist. Zwar war zu diesem Zeitpunkt die kommerzielle Erstverwertung noch nicht abgeschlossen, doch ergibt sich aus der von der Klägerin vorgelegten Übersicht über die Preisentwicklung (Anlage K 9, GA 97), wonach der Preis bei Erstveröffentlichung Ende 2012 von ursprünglich knapp 25,00 EUR auf etwa 10,00 EUR im Dezember 2014 gesunken ist, dass die Attraktivität des Spiels bereits nachgelassen hatte. Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf den Umstand, dass dem Beklagten lediglich eine fahrlässige Verletzung seiner Prüf- und Überwachungspflichten vorzuwerfen ist, ist lediglich eine moderate Erhöhung des Wertes wegen der erneuten Urheberrechtsverletzung vorzunehmen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann nicht davon ausgegangen werden, dass mit der streitgegenständlichen Abmahnung erstmals ein Verstoß gegen die Prüfungsobliegenheiten des Beklagten gerügt wurde. Die Rechtsanwälte des Beklagten haben bereits im Rahmen ihrer Erwiderung auf die erste Abmahnung aus dem Jahr 2013 gerade auch im Hinblick auf die potentielle Störerhaftung ein Vergleichsangebot unterbreitet (Anlage K6, Anlagenband) und letztlich die Unterwerfungserklärung abgegeben (Anlage K7 R, Anlagenband). Vor diesem Hintergrund ist eine Indizwirkung der wiederholten Verletzung des Rechts der Klägerin für eine höhere Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung des Urheberrechts durch weitere Beeinträchtigungen nicht auszuschließen, was zu einer Erhöhung des Gegenstandswertes führt.

Unter Berücksichtigung aller vorstehenden Aspekte ist der von der Klägerin angesetzte Streitwert von 65.000,00 EUR gleichwohl übersetzt. Ausgehend von dem vom Bundesgerichtshof vorgegebenen Orientierungspunkt von einem Wert von 15.000,00 EUR ist vorliegend ein Wertfestsetzung auf 25.000,00 EUR ausreichend, um das Interesse der Klägerin abzubilden. Dieser Betrag ist um die geltend gemachte Vertragsstrafe in Höhe von 10.000,00 EUR zu erhöhen. Entgegen der Auffassung des Beklagten in der Berufungserwiderung ist die Vertragsstrafe bei der Bemessung des Gegenstandswerts zu berücksichtigen, wenn diese Gegenstand des Abmahnschreibens war. Unstreitig hat die Klägerin die Abmahnung mit der Geltendmachung der Vertragsstrafe kombiniert, sodass es zur Addition des Werts der Streitgegenstände kommt. Ausweislich der Erörterung in der mündlichen Verhandlung sollte sich der Antrag auch nicht lediglich auf die Freihaltung von den Abmahnkosten i.e.S. beschränken, sondern sämtliche Kosten des wegen des Urheberrechtsverstoßes vom 4. Dezember 2014 veranlassten Schreibens umfassen.

Ausgehend von der vom Landgericht zu Recht angesetzten 1,3 Geschäftsgebühr nach §§ 2 Abs. 2, 13 RVG in Verbindung mit Nr. 2300 W RVG, wogegen die Berufung nichts erinnert, ergibt sich unter Hinzurechnung der Post- und Telekommunikationspauschale gemäß Nr. 7002 W RVG in Höhe von 20,00 EUR ein Gebührenanspruch gegen die Klägerin in Höhe von 1.239,40 EUR, von dem sie freizuhalten ist.

b.

Der Freistellungsanspruch ist nicht zu verzinsen. Zwar kann der Befreiungsschuldner nach den Regeln des Schuldnerverzuges zum Ersatz eines Verzögerungsschadens verpflichtet sein, doch ist in Bezug auf die Verzinsung des Befreiungsanspruchs die vorherige Umwandlung desselben in den Zahlungsanspruch unumgänglich (vgl. Staudinger / Bittner (2014), § 257 BGB Rn. 21). Ungeachtet der Frage, ob es vorliegend bereits zu der Umwandlung des Anspruchs gekommen sein könnte, ist ein zu verzinsender Zahlungsanspruch nicht streitgegenständlich. Dass sich die Klägerin gegenüber ihren Prozessbevollmächtigten in Verzug befindet, so dass eine Freihaltung von dieser Zinsforderung beansprucht werden könnte, ist nicht dargetan.

2.

Die vom Landgericht festgesetzte Vertragsstrafe von 3.000,00 EUR ist unangemessen niedrig. Zu Recht weist die Klägerin darauf hin, dass eine Vertragsstrafe den doppelten Zweck hat, die Erfüllung der Hauptverbindlichkeit als Druckmittel zu sichern und dem Gläubiger den Schadensbeweis zu ersparen (BGH, Urteil vom 23. Juni 1988 – VII ZR 117/87, BGHZ 105, 24, 27 [juris Rn. 22]).

Dem zu Grunde zu legenden Vortrag der Klägerin lässt sich nicht nehmen, zu wie vielen Rechtsverletzungen es infolge der Einstellung des Computerspiels auf der Filesharing Plattform tatsächlich gekommen ist. Zwar legt die Klägerin mit dem Schriftsatz vom 18. August 2017 (GA 118 f) dar, dass der Anschluss des Beklagten für 2.162 Nachfragende Quelle gewesen sei, doch betreffen die Nachfragen lediglich den Zeitraum vom 15. Dezember 2012 bis zum 20. Juni 2014. Maßgebend ist ausweislich des zugrunde zu legenden unstreitigen Tatbestands des landgerichtlichen Urteils indes lediglich die Feststellung, dass der Sohn des Beklagten das streitgegenständliche Computerspiel am 4. Dezember 2014 der Öffentlichkeit mithilfe des Filesharing-Programms zugänglich machte. Die weitergehenden Ausführungen in dem Schriftsatz vom 18. August 2017 (GA 118 f) sind im Hinblick auf die den Senat bindenden Feststellungen des Landgerichts nicht zu berücksichtigen.

Unter Zugrundelegung eines Marktpreises von 9,99 EUR für das streitgegenständliche Computerprogramm im Dezember 2014 und eines bei der Berechnung des fiktiven Lizenzschadens ausweislich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vertretbaren Faktors von 400 (BGH, Urteil vom 11. Juni 2015, a.a.O. Rn. 61) ergibt sich ein Schadensatzbetrag von 3.996,00 EUR, der bei der Bemessung der Vertragsstrafe als Anhaltspunkt dient. Dieser Betrag ist zu erhöhen, um die Erfüllung der Hauptverbindlichkeit als Druckmittel zu sichern. Die Bemessung der Vertragsstrafe mit 6.000,00 EUR reicht nach Auffassung des Senats hierzu aus, zumal der Beklagte lediglich als Störer zur Verantwortung gezogen wird.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Dr. [Name]
Richter am Oberlandesgericht

Beglaubigt
[Name], JAng
– maschinell erstellt, ohne Unterschrift gültig – (…)

 

 

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OLG Schleswig, Urteil vom 05.10.2017, Az. 6 U 47/16

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