Wilde, Beuger, Solmecke Rechtsanwälte: Filesharing Sieg gegen Rasch – Einmalige Ermittlung reicht nicht

23:21 Uhr

Immer häufiger sind Gerichte in Filesharing Verfahren nicht automatisch von der Ermittlung des richtigen Anschlussinhabers überzeugt. Dies gilt besonders, wenn die zugehörige IP-Adresse nur einmal ermittelt wurde. So war es auch in einem Fall, in dem die Kanzlei Rasch gegen einen unserer Mandanten vorgegangen war.

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RA_Solmecke_2016

Rechtsanwalt Christian Solmecke, LL.M.

 

WILDE BEUGER SOLMECKE Rechtsanwälte GbR

Kaiser-Wilhelm-Ring 27-29 | 50672 Köln
Tel.: 0221 / 951 563 0 | Fax: 0221 / 400 675 52
E-Mail: info@wbs-law.de | Web: www.wbs-law.de

Bericht

Link:
https://www.wbs-law.de/abmahnung-filesharing/filesharing-sieg-gegen-rasch-einmalige-ermittlung-reicht-nicht-69052/

Urteil als PDF:
https://www.wbs-law.de/wp-content/uploads/2016/09/AG-K%C3%B6ln-137-C-65-16.pdf

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Rasch hatte in der Filesharing Abmahnung unserem Mandanten vorgeworfen, dass er das Musikalbum „Hallo Welt!“ des Künstlers Max Herre über eine Tauschbörse illegal zum Download angeboten haben soll. Die Abmahnung erfolgte im Auftrag der Universal Music GmbH. Aufgrund der einmalig festgestellten Urheberrechtsverletzung über seine IP-Adresse sollte er für die Abmahnkosten in Höhe von angeblich 1.286,20 Euro sowie für den Lizenzschaden in Höhe von 2.500,00 Euro aufkommen.

 

Filesharing: Abmahner muss ordnungsgemäße Ermittlung der IP Adresse beweisen

Doch Rasch scheiterte mit seiner Filesharing Klage gegen unseren Mandanten. Das Amtsgericht Köln wies sie mit Urteil vom 01.09.2016 (Az. 137 C 65/16) ab. Das Gericht begründete das damit, dass Rasch hier keinen Nachweis bezüglich der Ermittlung des richtigen IP-Adresse erbracht hat. Dieser wäre aufgrund der Feststellung einer einzigen Urheberrechtsverletzung über eine einzige IP-Adresse jedoch notwendig gewesen. In dieser Situation kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass es bei der Ermittlung und Zuordnung zu einem Fehler gekommen ist. Dieser kann viele Ursachen haben. Diese Unsicherheit geht zu Lasten des jeweiligen Rechteinhabers.

 

Unschuldige können schnell in die Fänge der Abmahnindustrie geraten

Diese Entscheidung des Amtsgerichtes Köln ist zu begrüßen. Ansonsten besteht gerade bei der einmaligen Ermittlung einer IP-Adresse schnell die Gefahr, dass Unschuldige zu Unrecht des Filesharing bezichtigt werden. Dies kann nur dadurch vermieden werden, dass hier die Musikindustrie die ordnungsgemäße Ermittlung mittels der eingesetzten Ermittlungssoftware nachweisen muss. Ebenso haben beispielsweise auch das Amtsgericht Köln mit Urteil vom 02.05.2016 (Az. 137 C 450/15) sowie das Amtsgericht Düsseldorf mit Urteil vom 30.07.2015 (Az. 57 C 9677/14) entschieden. Das Amtsgericht Frankfurt hatte sogar in einem Fall Zweifel gehabt, in dem die IP-Adresse eines Anschlussinhabers innerhalb von wenigen Stunden mehrfach ermittelt worden war (AG Frankfurt, Urteil vom 09.05.2016 (Az. 31 C 2860/15 (96)). (HAB)

 

AG Köln, Urteil vom 01.09.2016, Az. 137 C 65/16

 

(…) – Beglaubigte Abschrift –

Az. 137 C 65/16

Verkündet am 01 09 2016
[Name], Justizsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Amtsgericht Köln

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

[Name],
Klägerin,

Prozessbevollmächtigte: [Name],

gegen

[Name],
Beklagten,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Wilde, Beuger u.a., Kaiser-Wilhelm-Ring 27 – 29, 50672 Köln,

hat das Amtsgericht Köln auf die mündliche Verhandlung vom 11.08.2016 durch den Richter am Amtsgericht [Name] für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Mit der nach Durchführung des Mahnverfahrens am 19.032016 bei dem Amtsgericht Köln eingegangenen Klage begehrt die Klägerin von dem Beklagten Lizenzschadensersatz und Abmahnkosten für eine streitige Urheberverletzung durch Filesharing.

Von einem Internetanschluss wurde am 14.10.2012 das Musikalbum „[Name]“ des Künstlers [Name] in einem Peer-to-Peer-Netzwerk im Wege des Filesharing anderen Nutzern dieses Netzwerkes zum kostenlosen Herunterladen angeboten.

Mit Schreiben vom 28.08.2012 wandte sich die Klägerin an den Beklagten und mahnte diesen aufgrund dieser Urheberverletzung unter Zugrundelegung eines Gebührenstreitwertes von 42.500,00 EUR ab. Die hierdurch entstandenen Anwaltskosten in Höhe von 1.286,20 EUR verlangt diese nunmehr von dem Beklagten ersetzt. Darüber hinaus macht sie einen Lizenzschaden von 2:500,00 EUR geltend.

Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, alleinige Rechteinhaberin der streitgegenständlichen Musiktitel zu sein. Das Album sei unter der zutreffend und zuverlässig ermittelten und dem Beklagten zuzuordnenden IP-Adresse im Wege des Filesharing durch diesen zum Herunterladen angeboten worden; wegen der weiteren Einzelheiten ihres Vortrages wird auf die Schriftsätze Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt zuletzt,
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Wertersatz in Höhe von 2.500,00 EUR sowie 1.286,20 EUR Kostenersatz nebst jeweils Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er bestreitet im Wesentlichen die Rechtsverletzung begangen zu haben. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrages wird auf die Schriftsätze Bezug genommen.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und sonstigen Aktenbestandteilen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet, denn jedenfalls gelingt der darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin der Nachweis einer Urheberverletzung des Beklagten nicht, so dass ein Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz nach Lizenzanalogie (§ 97 Abs. 2 S. 3 UrhG) nicht besteht. Das Gericht geht nicht davon aus, dass der Beklagte das streitgegenständliche Musikalbum am 14.10.2012 in einem Peer-to-Peer-Netzwerk im Wege des Filesharing anderen Nutzern dieses Netzwerkes zum Herunterladen angeboten hat, so dass offen bleiben kann, ob die Klägerin tatsächlich Rechteinhaber ist, bzw. ob der Beklagte der sekundären Darlegungslast genüge getan hat. Im Einzelnen gilt Nachfolgendes:

Der BGH führt zuletzt im Urteil vom 11.06.2015 (Az. I ZR 75/14 „Tauschbörse III“) aus:

„Die Klägerinnen tragen nach den allgemeinen Grundsätzen als Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs erfüllt sind. Danach ist es grundsätzlich ihre Sache, darzulegen und nachzuweisen, dass der Beklagte für die von ihnen behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich ist (BGH, Urteil vom 15. November 2012 – I ZR 74/12, GRUR 2013, 511 Rn. 32 = WRP 2013, 799 – „Morpheus“; Urteil vom 8. Januar 2014 – I ZR 169/12, BGHZ 200, 76 Rn. 14 „BearShare“). Allerdings spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen Internetanschluss benutzen konnten. Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. In diesen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses jedoch eine sekundäre Darlegungslast. Diese führt zwar weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs, 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner. sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen verpflichtet. Entspricht der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache der Klägerinnen als Anspruchsteller, die für eine Haftung des Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen (BGHZ 200, 76 Rn. 15 ff. – „BearShare“, mwN; BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 75/14 -, Rn. 37, juris).

Der Inhaber eines Internetanschlusses, über den eine Rechtsverletzung begangen wird, genügt seiner sekundären Darlegungslast im Hinblick darauf, ob andere Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten, nicht dadurch, dass er lediglich pauschal die theoretische Möglichkeit des Zugriffs von in seinem Haushalt lebenden Dritten auf seinen Internetanschluss behauptet (Fortführung von BGH, Urteil vom 8. Januar 2014, 1 ZR 169/12, BGHZ 200, 76 – „BearShare“) (BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 75/14 -, Leitsatz, juris).“

Dies setzt indes voraus, dass feststeht, dass die Urheberverletzung vom Anschluss des Beklagten aus begangen wurde. Ermittelt wurde vorliegend jedoch nur eine einzige Verletzung unter Zuordnung zu einer einzigen IP-Adresse. Hierbei können Fehler der Ermittlung oder Zuordnung, die eine Vielzahl von Ursachen haben können, anders als bei Ermittlung und Zuordnung einer Vielzahl von Rechtsverletzungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten, niemals völlig ausgeschlossen werden. Diese Unsicherheit geht zu Lasten der Klägerin.

Das AG Köln hat in seinem Urteil vom 22. April 2013 (Az. 125 C 602/09 -, Rn. 25, juris) folgendes festgestellt:

„Liegt – wie hier – bloß ein einziges Ermittlungsergebnis vor, so kommt ein Ermittlungsfehler von vorn herein ernsthaft in Betracht: Hiermit befasste Stellen, beispielsweise die Staatsanwaltschaft Köln, wissen von einer hohen Quote nicht zuverlässig ermittelter bzw. zugeordneter IP-Adressen, die teilweise zweistellige Prozentsätze erreichen und in einzelnen Sektionen über 50 % ausmachten. Das Gericht kann nicht aus eigener Sachkunde entscheiden, wann und unter welchen Voraussetzungen solche hohen Fehlermittlungszahlen vorliegen können; es ist daher auf sachverständige Hilfe insoweit angewiesen. Das Gericht hält es insoweit – im Gegensatz zu dem Kläger – ersichtlich nicht für ausreichend, wenn der Sachverständige im Wege eines Kurzgutachtens die generelle Tauglichkeit der Vorgehensweise der Firma F. bejaht. Denn nach aller Lebenserfahrung führen auch generell taugliche Arbeits- und Vorgehensweisen im Einzelfall zu Fehlern, weil solche während der verschiedenen Arbeitsschritte unterlaufen können und erfahrungsgemäß hin und wieder tatsächlich auch unterlaufen.“

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich das Gericht an.

Die angebotene Vernehmung der Zeugen ist nicht geeignet, die Zuverlässigkeit der Ermittlungen der Rechtsverletzungen durch die [Name] festzustellen, da sich dies nicht auf Grundlage der Wahrnehmung von Zeugen beurteilen lässt. Auch die Beauftragung eines Sachverständigen ist vorliegend nicht geboten, da es bereits an den erforderlichen Anknüpfungstatsachen fehlt. Eine nachträgliche Untersuchung der eingesetzten Software durch das Gericht mit ungewissem Ausgang, ist nicht zum Nachweis im maßgebenden Zeitpunkt geeignet. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass es nicht Aufgabe des Sachverständigen und mit den Beibringungsgrundsatz durch die Parteien unvereinbar ist, dass sich ein Sachverständiger durch ein „Nachstellen“ oder eine Rekonstruktion durch (nochmaliges) Anbieten der streitgegenständlichen Musikwerks in einer Tauschbörse diese Anknüpfungstatsachen selbst beschaffen soll. Gleiches gilt für den vorgelegten Hashwert, der regelmäßig lediglich einer sogenannten Torrent-Datei zugeordnet ist und den Internetstandort eines Zieldownloads angibt. Bei der Ermittlung einer einzigen Verletzung können Fehler aber auch bei einer grundsätzlich zuverlässigen Software nicht ohne weiteres mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden.

Eine Haftung als Störer kommt ebenfalls nicht in Betracht. Da eine Rechtsverletzung über den Internetanschluss des Beklagten aufgrund der nicht feststehenden Zuverlässigkeit des Ermittlungsvorgangs, nicht bewiesen ist, ist es bereits unerheblich, ob der Internetzugang des Beklagten im angeblichen Verletzungszeitpunkt ordnungsgemäß gesichert gewesen ist.

Die Zinsforderung teilt das Schicksal der Hauptforderung.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr, 11, 711 ZPO.

Streitwert: 3.786,20 EUR.

Rechtsbehelfsbelehrung:

A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer. Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem

Landgericht Köln,
Luxemburger Str. 101,
50939 Köln,

eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Köln zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Köln statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem

Amtsgericht Köln,
Luxemburger Str. 101,
50939 Köln,

schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. (…)

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AG Köln, Urteil vom 01.09.2016, Az. 137 C 65/16

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