23:42 Uhr
Gegenstand des Verfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlicher Musikaufnahmen. In dem Verfahren vor dem Amtsgericht Frankfurt hatte die Beklage behauptet, Opfer eines Hackerangriffs geworden zu sein.
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Bericht
Urteil als PDF:
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Autorin:
Rechtsanwältin Carolin Kluge
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Zwar hätten weder sie noch ihr Sohn die ihr vorgeworfene Rechtsverletzung begangen. Jedoch habe sich auf dem Computer des Sohnes Schadsoftware befunden, die dafür gesorgt haben soll, dass unbemerkt und ohne Zutun des Nutzers eine Tauschbörsensoftware auf dem Computer gelaufen sei. Über diese Software soll das streitgegenständliche Musikalbum zum Download angeboten worden sein, ohne dass ihr Sohn davon etwas bemerkt habe.
Ein von der Beklagten vorgelegtes Privat-Gutachten bestätigte zwar die Existenz einer Tauschbörsensoftware auf dem Computer des Sohnes. Das von der Beklagten vorgelegte Gutachten kam jedoch nur zu dem Ergebnis, dass sich eine Filesharing-Software auf dem Computer befunden habe, nicht aber, dass „bei dem konkreten streitgegenständlichen Urheberrechtsverstoß kein Zutun einer natürlichen Person erforderlich war.„
Die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers konnte die Beklagte folglich nicht erschüttern und wurde daher antragsgemäß als zu vermutender Täter verurteilt.
AG Frankfurt am Main, Urteil vom 29.08.2016, Az. 30 C 3260/15 (87)
(…) – Beglaubigte Abschrift –
Amtsgericht Frankfurt am Main
Aktenzeichen: 30 C 3260/15 (87)Verkündet lt. Protokoll am: 29.08.2016
[Name] JOS
Urkundsbeamtin-/beamter der GeschäftsstelleIm Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
[Name],
KlägerinProzessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Waldorf Frommer Rechtsanwälte,
gegen
[Name],
BeklagteProzessbevollmächtigte: [Name],
hat das Amtsgericht Frankfurt am Main durch die Richterin [Name] aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20.06.2016 für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 706,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.07.2014 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 18% und die Beklagte 82% zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils,vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz sowie Ersatz der durch eine Abmahnung entstandenen Rechtsanwaltskosten aufgrund des unerlaubten Anbietens eines Musikalbums über den Internetanschluss der Beklagten („Filesharing“).
Die Klägerin ist Inhaberin der Nutzungs- und Verwertungsrechte zur Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Zugänglichmachung des Musikalbums [Name] von [Name].
Über den Internetanschluss der Beklagten wurde dieses Musikalbum am 26.03.2012 um 20:30 Uhr und 21:55 Uhr ohne Verwertungsrechte seitens der Klägerin zum Download angeboten.
Zum Zeitpunkt des Urheberrechtsverstoßes am 26.03.2012 hatte neben der Beklagten auch deren Stiefsohn Zugang zu dem Internetanschluss der Beklagten. Dieser hat jedoch die streitgegenständliche Urheberrechtsverletzung nicht begangen.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 27.04.2012 wurde die Beklagte abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, zur Zahlung von Schadensersatz sowie zur Erstattung der Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung aufgefordert.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 04.05.2012 gab die Beklagte daraufhin eine vorbehaltlose Unterlassungserklärung ab und zahlte auf die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten einen Betrag in Höhe von 100,00 EUR.
Die Beklagte wurde mehrfach von der Klägerin zur Zahlung der ausstehenden Beträge, letztmalig bis zum 17.07.2014 gemahnt.
Die Klageforderung setzt sich zusammen aus Rechtsanwaltskosten in Höhe von 506,00 EUR, berechnet aus einem Gegenstandswert von 10.000,00 EUR unter Zugrundelegung einer 1,3 Geschäftsgebühr, abzüglich der bereits auf die Rechtsanwaltskosten bezahlten 100,00 EUR. Sowie aus einer Lizenzentschädigung in Höhe von mindestens 450,00 EUR, wobei die genaue Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.
Die Klägerin beantragt:
Die Beklagtenseite wird verurteilt, an die Klägerseite1. einen angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 450,00 EUR betragen soll, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 18.07.2014 sowie
2. 406,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 18.07.2014 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.Beklagte behauptet, sie habe die Urheberrechtsverletzung nicht begangen. Außerdem habe sie den Laptop ihres Stiefsohnes nach der Abmahnung durch die Klägerin überprüfen lassen. Dabei habe sich herausgestellt, dass eine Filesharing-Software auf dem Laptop des Stiefsohnes installiert gewesen sei, die ohne Zutun des Nutzers das Herunterladen von Dateien für Dritte ermögliche. Diese Software habe sich laut Überprüfung des Laptops durch einen Computerspezialisten „mit ziemlicher Sicherheit“ beim Besuch einer Internetseite installiert.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig.
Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Frankfurt ergibt sich aus den §§ 104, 105 UrhG i.V.m. § 7 Ziff. 1 der Verordnung über die Zuständigkeit der Amtsgerichte und der Landgerichte in Urheberrechtsstreitsachen vom 16.09.2008 (HessGVBl. I 08, S. 1191).
Die Klage ist auch zum Teil begründet.
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Schadensersatz (aus Lizenzanalogie) in Höhe von 300,00 EUR zu. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 97 Abs. 2 S. 1 UrhG. Danach hat derjenige, der vorsätzlich oder fahrlässig das Urheberrecht eines anderen widerrechtlich verletzt dem Verletzten den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Anspruchsvoraussetzungen liegen vor.
Die Klägerin ist gem. § 85 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 UrhG Inhaberin der Nutzungs- und Verwertungsrechte zur Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Zugänglichmachung des Musikalbum [Name] von [Name].
Dieses Recht hat die Beklagte verletzt. Unstreitig wurde das streitgegenständliche Werk über den Internetanschluss der Beklagten zum Download angeboten. Für die Täterschaft der Beklagten als Anschlussinhaberin spricht eine tatsächliche Vermutung.
Die Klägerin trägt zwar nach den allgemeinen Grundsätzen als Anspruchssteller die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs auf Erstattung von Abmahnkosten erfüllt sind. Danach ist es grundsätzlich ihre Sache, darzulegen und nachzuweisen, dass die Beklagte für die von ihr behauptete Urheberrechtsverletzung als Täterin verantwortlich ist (BGH MMR 2013, 388 – „Morpheus“; BGH MMR 2014, 547 – „BearShare“). Allerdings spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen Internetanschluss benutzen konnten. Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. In diesen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses jedoch eine sekundäre Darlegungslast (BGH MMR 2016, 131 – „Tauschbörse III“).
Ihrer sekundären Darlegungslast ist die Beklagte indes nicht hinreichend nachgekommen, so dass sie die tatsächliche Vermutung ihrer Täterschaft nicht erschüttern konnte.
Die Beklagte zieht sich darauf zurück zu bestreiten, die Rechtsverletzung begangen zu haben. Zwar gab es zum Zeitpunkt der. streitgegenständlichen Verletzungshandlung einen weiteren berechtigten Nutzer des Internetanschlusses der Beklagten, nämlichen ihren Stiefsohn, der grundsätzlich als Täter in Betracht käme. Da die Klägerin jedoch die Behauptung der Beklagten unstreitig gestellt hat, dass dieser die Rechtsverletzung nicht begangen habe, bleibt die Vermutung bestehen, dass die Beklagte als Anschlussinhaberin die Täterin ist.
Denn der Vortrag der Beklagten hinsichtlich der aufgespielten Filesharing-Software vermochte die tatsächliche Vermutung ihrer Täterschaft nicht zu erschüttern. Die Überprüfung des Laptops kam nur zu dem Ergebnis, dass sich eine Filesharing-Software auf dem Laptop befand, die das automatische Hochladen von Dateien ermöglicht. Dies bedeutet, dass bei dem konkreten streitgegenständlichen Urheberrechtsverstoß kein Zutun einer natürlichen Person erforderlich war. Das bedeutet indes nicht, dass diese Software nicht bewusst zum Hochladen der Dateien genutzt wurde, was genügt, um als Täter des Urheberrechtsverstoßes angesehen zu werden. Hierzu hat die Beklagte lediglich vorgetragen, dass sich die Software „mit ziemlicher Sicherheit“ bei dem Besuch einer Internetseite installiert hat. Dies mag der Fall sein, aber auch damit ist nicht gesagt, dass die Installation nicht bewusst vorgenommen wurde. Der Vortrag ist nicht geeignet, ihre Täterschaft auszuschließen.
Die Höhe des Schadensersatzanspruchs resultiert aus der sog. Lizenzanalogie des § 97 Abs. 2 S. 3 UrhG. Nach dieser Vorschrift kann der dem Urheberrechtsinhaber zustehende Schadensersatzanspruch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis der Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte. In diesem Sinne gilt eine Lizenzgebühr als angemessen, die bei vertraglicher Einräumung ein vernünftiger Lizenzgeber gefordert und ein vernünftiger Lizenznehmer gewährt hätte, wenn beide die im Zeitpunkt der Entscheidung gegebene Sachlage gekannt hätten (vgl. BGH, GRUR 1990, 1008, 1009). Über die Höhe des Anspruchs entscheidet das Gericht gemäß § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände unter Zugrundelegung eines objektiven Maßstabes nach freier Überzeugung. Mangels jeglicher konkreter Angaben zu Veröffentlichungszeitpunkt, Verkaufspreis und Auflage des streitgegenständlichen Musikalbums hält das Gericht vorliegend jedoch nur eine geringe Lizenzgebühr von 300,00 EUR für angemessen (vgl. z.B. LG Köln, Urteil vom 02.03.2011 – Az. 28 0 770/10). Im Übrigen hält das Gericht einen Schadensersatzanspruch für nicht begründet.
Die Klägerin hat weiterhin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz der durch die Abmahnung vom 27.04.2012 entstandenen Rechtsanwaltskosten aus § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG a.F. Die Abmahnung vom 27.04.2012 war berechtigt. Wie oben festgestellt wurde, hat die Beklagte das ausschließliche Verbreitungsrecht der Klägerin verletzt (97 Abs. 1 UrhG).
Der Anspruch ist der Höhe nach nicht gem. § 97a Abs. 2 UrhG a.F. 100,00 EUR gedeckelt. Die Deckelung greift nur bei unerheblichen Rechtsverletzungen ein. Dabei ist ein geringes Ausmaß der Rechtsverletzung in qualitativer wie quantitativer Hinsicht nach dem Willen des Gesetzgebers nötig, also ein Bagatellverstoß. Durch das Filesharing eines ganzen Albums und nicht etwa nur eines Titels ist diese Bagatellgrenze jedenfalls überschritten, zumal das Werk für alle an der Tauschbörse Teilnehmende abrufbar war (LG Köln NJOZ 2010, 1931). Hinzu kommt, dass es sich um einen einfach gelagerten Fall handeln müsste, was ebenfalls nicht der Fall ist. Einfach gelagert sind allein Fälle, die weder in tatsächlicher noch rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten aufweisen, bei denen also das Vorliegen einer Rechtsverletzung – gegebenenfalls auch für einen geschulten Nichtjuristen – quasi auf der Hand liegt, (Wandtke / Bullinger, UrhG, 3. Aufl. 2009, § 97 Rn 35). Vorliegend geht es um die Haftung von Personen im Internet, wobei die Verletzungshandlung an sich streitig ist und damit offensichtlich um eine komplexe Materie.
Der Höhe nach können die Abmahnkosten aus einem Gegenstandswert in Höhe von 10.000,00 EUR für das gesamte Album berechnet werden. Geht es um die Untersagung von Schutzrechtsverletzungen, so richtet sich der Streitwert gem. §§ 2, 3 ZPO i.V.m. § 48 GKG nach der Gefährlichkeit und Schädlichkeit des zu unterbindenden Verhaltens. Angesichts der Unkontrollierbarkeit der Verbreitung des Musikalbums im Netz ist der Gegenstandswert von 10.000,00 EUR angemessen. Aus diesem Gegenstandswert errechnen sich Anwaltsgebühren in Höhe von 506,00 EUR.
Die Beklagte hat bereits 100,00 EUR auf die Rechtsanwaltskosten der Klägerin geleistet.. Der Anspruch der Klägerin gem. § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG a.F. ist in dieser Höhe gem. § 362 Abs. 1 BGB erloschen. Es verbleibt ein Anspruch in Höhe von 406,00 EUR.
Der zugesprochene Zinsanspruch beruht auf § 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung über .vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Rechtsbehelfsbelehrung
Diese Entscheidung kann mit der Berufung angefochten werden. Sie ist einzulegen innerhalb einer Notfrist von einem Monat bei dem
Landgericht Frankfurt am Main,
Gerichtsstraße 2,
60313 Frankfurt am Main.Die Frist beginnt mit der Zustellung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600,00 EUR übersteigt oder das Gericht die Berufung in diesem Urteil zugelassen hat. Zur Einlegung der Berufung ist berechtigt, wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Die Berufung wird durch Einreichung einer Berufungsschrift eingelegt. Die Berufung kann nur durch einen Rechtsanwalt eingelegt werden.
[Name],
Richterin (…)
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AG Frankfurt am Main, Urteil vom 29.08.2016, Az. 30 C 3260/15 (87)
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