Wilde, Beuger, Solmecke Rechtsanwälte (Köln): Filesharing über Familienanschluss – Sieg vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main

08:16 Uhr

Abmahner haben bei Filesharing über einen Familienanschluss oft wenig zu lachen. Dies ergibt sich aus einer für unseren Mandanten erstrittenen Entscheidung des Amtsgerichtes Frankfurt am Main (Az. 30 C 1138/15 (47)).

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RA_Solmecke_2016

Rechtsanwalt Christian Solmecke, LL.M.

 

WILDE BEUGER SOLMECKE Rechtsanwälte GbR

Kaiser-Wilhelm-Ring 27-29 | 50672 Köln
Tel.: 0221 / 951 563 0 | Fax: 0221 / 400 675 52
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Bericht

Link:
https://www.wbs-law.de/abmahnung-filesharing/filesharing-ueber-familienanschluss-sieg-vor-dem-ag-frankfurt-69921/

Urteil als PDF:
https://www.wbs-law.de/wp-content/uploads/2016/10/AG-Frankfurt_-30-C-1138_15_47.pdf

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Die Kanzlei Sasse hatte unseren Mandanten wegen Filesharing eines Films abgemahnt. Die Abmahnung erfolgte im Auftrag von der Splendid Film GmbH. Sasse warf unserem Mandanten vor, dass er über seinen Internetanschluss den Film „The LAST Stand“ illegal verbreitet haben soll. Er wurde vor allem auf Schadensersatz in Höhe von 400,00 EUR sowie Ersatz der Abmahnkosten in Höhe von 755,80 EUR verklagt.

Filesharing: Keine überzogenen Anforderungen an sekundäre Darlegungslast des Abgemahnten

Doch damit kam Sasse nicht vor Gericht durch. Das Amtsgericht Frankfurt am Main wies die Klage mit Urteil vom 05.08.2016 (Az. 30 C 1138/15 (47)) ab. Die Klage scheiterte hinsichtlich des Schadensersatzes daran, dass Dritte Zugriff auf seinen Anschluss gehabt haben. Hierzu gehörten seine Ehefrau sowie zwei weitere Angehörige. Hierbei reichte es aus, dass sie häufiger Zugriff auf den Internetanschluss gehabt haben. Demgegenüber brauchte die Ehefrau als Zeugin keine genauen Zeitangaben hinsichtlich der Nutzung des Anschlusses machen, um die Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast zu erfüllen. In diesem Zusammenhang wies das Amtsgericht Frankfurt am Main darauf hin, dass der Anschlussinhaber nicht den wirklichen Täter präsentieren muss.

Gewöhnlich keine Störerhaftung für erwachsene Angehörige

Darüber hinaus verneinte das Amtsgericht Frankfurt am Main einen Ersatz auf Ersatz der Abmahnkosten. Eine Heranziehung als Störer scheidet daran, dass auch die beiden Angehörigen volljährig gewesen sind. Hier besteht normalerweise keine Verpflichtung des Anschlussinhabers zur Belehrung oder gar zur Überwachung.

Fazit:

Die große Zahl der von uns gewonnen Filesharing Verfahren zeugt davon, dass viele Gerichte nicht mehr bereit sind, als Handlanger der Abmahnindustrie zu fungieren. Auch der Bundesgerichtshof hat in einem von uns geführten Verfahren mit Urteil vom 06.10.2016 (Az. I ZR 154/15) festgestellt, dass abgemahnte Anschlussinhaber ihre Angehörigen nicht als Täter zu präsentieren brauchen. Von daher sollte Abgemahnte keinesfalls verzagen. Sie sollten sich vielmehr beraten lassen von einem Rechtsanwalt oder einer Verbraucherzentrale. (HAB)

Weitere Informationen zu erfolgreichen Filesharing-Verfahren der Kanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE erhalten Sie unter folgendem Link:

Gewonnene Filesharing-Verfahren der Kanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE

 

AG Frankfurt am Main, Urteil vom 05.08.2016, Az 30 C 1138/15 (47)

 

(…) – Beglaubigte Abschrift

Amtsgericht Frankfurt am Main
Aktenzeichen: 30 C 1138/15 (47)

Verkündet lt. Protokoll am: 05.08.2016
[Name], Justizobersekretär
Urkundsbeamtin-/beamter der Geschäftsstelle

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

[Name],
Klägerin

Prozessbevollmächtigte: [Name],

gegen

[Name],
Beklagter

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Wilde Beuger Solmecke, Kaiser-Wilhelm-Ring 27-29, 50672 Köln,

hat das Amtsgericht Frankfurt am Main durch den Richter am Amtsgericht Schenk aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15.07.2016 für Recht erkannt:

1) Die Klage wird abgewiesen.
2) Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
3) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen behaupteter Urheberrechtsverletzung – unerlaubte Verwertung geschützter Film- und Tonaufnahmen über ein Filesharing-Netzwerk – in Anspruch.

Die Klägerin macht geltend, die Nutzungs- und Auswertungsrechte an dem Film „[Name]“ inne zu haben. Dieser Film sei am 30.05.2013, 31.05.2013 und 01.06.2013 jeweils über eine zu diesem Zeitpunkt dem Internetanschluss des Beklagten zugeordnete IP-Adresse Teilnehmern eines Filesharing-Systems zum Herunterladen angeboten worden.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin zum einen Schadensersatz in Höhe von 400,00 EUR nach den Grundsätzen der sogenannten Lizenzanalogie, weitere 100,00 EUR Aufwendungsersatz für die Ermittlung der IP-Adresse sowie zum anderen Erstattung der für eine Abmahnung vom 25.06.2013 (Kopie BI. 43-47 d.A.) angefallenen Anwaltskosten in Höhe von 755,80 EUR netto.

Wegen des Vorbringens der Klägerin im Einzelnen wird Bezug genommen auf die Schriftsätze vom 05.03.2015 (Bl. 1-11 d.A.), vom 25.06.2015 (BI. 146-157 d.A.), vom 27.07.2015 (BI. 168-173 d.A.), vom 25.09.2015 (BI. 216-227 d.A.), vom 27.11.2015 (BI. 244-249 d.A.), vom 19.01.2016 (BI. 280-284 d.A.), vom 02.03.2016 (BI. 303-306 d.A.) sowie vom 02.05.20616 (BI. 327-329 d.A.).

Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.255,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit dem 24.04.2015 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat vor Eintritt in eine Beweisaufnahme unstreitig gestellt, dass ‚die vorgetragenen Rechtsverletzungen über seinen Internetanschluss begangen worden sind. Der Beklagte bestreitet indes seine Täterschaft. Er behauptet, zu den streitgegenständlichen Tatzeitpunkten hätten jeweils drei weitere seiner Familienmitglieder ungehinderten Zugang zu seinem Internetanschluss gehabt. Dabei handele es sich zum einen um seine Ehefrau, zum anderen um seine Schwester und seinen Schwager, die in besagtem Zeitraum bei ihm des Öfteren zu Besuch gewesen seien. Er könne insoweit nicht ausschließen, dass eine dieser drei Personen die Rechtsverletzungen begangen hat.

Wegen des Beklagtenvorbringens im Weiteren wird Bezug genommen auf die Schriftsätze vom 28.05.2015 (BI. 101-133 d.A.), vom 09.07.2015 (BI. 158-161 d.A.), vom 03.09.2015 (BI. 188-193 d.A.), vom 29.12.2015 (BI. 267-272 d.A.), vom 28.01.2016 (BI. 286-288 d.A.) sowie vom 11.02.2016 (BI. 297 und 298 d.A.).

Das Gericht hat auf der Grundlage des Beweisbeschlusses vom 29.01.2016 (BI. 293 d.A.) Beweis erhoben über die Behauptung des Beklagten, im Tatzeitraum hätten drei weitere Familienmitglieder Zugang zu seinem Internetanschluss gehabt, sowie die Behauptung der Klägerin, diese weiteren Personen jedenfalls hätten die streitgegenständlichen Rechtsverletzungen nicht begangen, durch uneidliche Vernehmung der Zeugin [Name]; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die gerichtliche Vernehmungsniederschrift vom 15.07.2016 (BI. 335-338 d.A..).

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Beklagte haftet der Klägerin für den behaupteten Urheberrechtsverstoß weder auf Schadensersatz noch auf Erstattung der Abmahnkosten.

Ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 97 Abs. 2 Urhebergesetz ist nicht gegeben. Voraussetzung wäre, dass es der Beklagte (als Täter) war, der die behauptete Urheberrechtsverletzung (das öffentliche Zugänglichmachen des Films „[Name]“ über das verwendete Tauschbörsenprogramm) begangen hat. Dies kann vorliegend jedoch auch nach Durchführung der Beweisaufnahme nicht festgestellt werden. Dabei ist – auch ohne die Einholung des im Beweisbeschluss genannten Sachverständigengutachtens – aufgrund des geänderten Beklagtenvortrages nunmehr als unstreitig davon auszugehen, dass die IP-Adresse korrekt ermittelt wurde und es somit der Internetanschluss des Beklagten war, über den der Film zum Herunterladen auf einer Tauschbörse angeboten wurde.

Daraus folgt vorliegend aber nicht zwingend, dass es der Beklagte selbst gewesen sein muss, der (als Täter) die unerlaubte Handlung begangen hat. Insbesondere streitet im vorliegenden Fall für eine Täterschaft des Beklagten auch keine tatsächliche Vermutung. Dies wäre nur dann der Fall, wenn über den besagten Internetzugang ausschließlich der Beklagte hätte verfügen können. Konnten zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung aber auch andere Personen diesen Anschluss benutzen, so ist dann; wenn über diesen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen wird, eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers nicht begründet. Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn der Internetanschluss zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung nicht hinreichend gesichert war oder aber bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde (BGH, GRUR 2013, 511). Von letztgenannter Alternative ist vorliegend auszugehen. Der Beklagte hat im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast vorgetragen, dass zum Tatzeitpunkt sowohl seine Ehefrau als auch seine Schwester als auch sein Schwager auf seinen Internetanschluss hätten zugreifen können. Nach Auffassung des erkennenden Gerichts oblag dem Beklagten insoweit nicht nur die Darlegungs-, sondern auch die Beweislast, da es sich dabei um Tatsachen handelt, die den ansonsten gegen den Beklagten streitenden Anscheinsbeweis erschüttern sollen.

Dies indes ist dem Beklagten gelungen. Zwar haben die Zeugen [Name] (Schwester des Beklagten) und [Name] (Schwager des Beklagten) von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO Gebrauch gemacht. Indes hat die vor dem erkennenden Gericht einvernommene Zeugin [Name] (Ehefrau des Beklagten) absolut glaubhaft bekundet, dass neben ihr auch die seinerzeit häufiger im Haushalt des Beklagten anwesenden vorgenannten Zeugen Zugang zum Internetanschluss des Beklagten hatten. Dass die Zeugin persönlich nicht dabei war, als der Beklagte das Passwort für den Anschluss mitgeteilt hat, ist unerheblich. Sie konnte aus eigenem Wissen bestätigen, dass auch schon vor den Tatzeitpunkten diese beiden Zeugen häufiger in ihrer Wohnung gewesen seien und dort ohne weiteres ihre mobilen Computer genutzt hätten. Insoweit hat das erkennende Gericht keinerlei Zweifel daran, dass diese beiden Zeugen den WLAN-Anschluss des Beklagten nutzen konnten und genutzt haben, wenn sie in dessen Wohnung mit ihren Computern ins Internet gegangen sind. Damit kommen im Ergebnis neben dem Beklagten und seiner Ehefrau auch die beiden anderen vorgenannten Zeugen als Täter des streitgegenständlichen Urheberrechtsverstoßes in Betracht. Dass dies indes der Beklagte war, hat die einvernommene Zeugin nicht bestätigt. Damit ist die insoweit beweisbelastete Klägerin für eine Täterschaft des Beklagten beweisfällig geblieben. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann eine solche auch nicht angenommen werden, weil der Beklagte vorliegend seiner sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen wäre. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt, ob und ggf. welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen (BGH, WM 2014, 1143 f). Dieser Darlegungslast ist der Beklagte vorliegend nachgekommen, andernfalls die Klägerin die vorgenannten drei Zeugen gar nicht hätte benennen können. Auch nur in diesem Umfang ist der Beklagte zu Nachforschungen verpflichtet gewesen.

Insbesondere führt die sekundäre Darlegungslast nicht dazu, dass der Beklagte, um sich selbst zu entlasten, der Klägerin gewissermaßen den wirklichen Täter liefern muss. Zuzugeben ist, dass in derartigen Konstellationen eine clevere Einlassung eine Verurteilung als Täter mit einiger Sicherheit verhindern kann, wenn die Klägerseite nicht zeitnah weitere Ermittlungen vornehmen und Ermittlungsergebnisse liefern kann. Auf der Grundlage vorzitierter BGH-Rechtsprechung ist dies hinzunehmen, da ein Internetanschluss für sich keine Gefährdungshaftung für über ihn begangene Urheberrechtsverstöße begründet.

Auch ein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten – sei es über die Grundsätze der GOA, sei es über §§ 97, 97a UrhG – ist nicht gegeben. Voraussetzung wäre, dass zum Zeitpunkt der Abmahnung der Klägerin gegenüber dem Beklagten ein Unterlassungsanspruch zustand. Dem indes war nicht so. Ein Unterlassungsanspruch nach § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG gegenüber dem Beklagten als Täter bestand aus denselben Gründen nicht, aus denen der Beklagte nicht auf Schadensersatz haftet. Aber auch eine Haftung des Beklagten als Störer kommt vorliegend nicht in Betracht. Bei der Verletzung absoluter Rechte kann als Störer auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt. Dabei muss er die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung der Tat haben, die Verhinderung der Verletzungshandlung eines Dritten muss ihm weiterhin zumutbar sein, wobei sich die Frage der Zumutbarkeit nach den Umständen des Einzelfalls richtet (BGH, a.a.O.). Vorliegend handelte es sich um die Überlassung eines Internetanschlusses an volljährige Familienangehörige. Insoweit waren Belehrungen und/oder Überwachungen nicht angezeigt (vgl.: BGH, a.a.O.). Da somit auch für eine Haftung des Beklagten als Störer nichts ersichtlich ist, war der Klage der Erfolg vollumfänglich zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 und 2 ZPO,

Rechtsbehelfsbelehrung

Diese Entscheidung kann mit der Berufung angefochten werden. Sie ist einzulegen innerhalb einer Notfrist von einem Monat bei dem

Landgericht Frankfurt am Main,
Gerichtsstraße 2,
60313 Frankfurt am Main.

Die Frist beginnt mit der Zustellung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600,00 EUR übersteigt oder das Gericht die Berufung in diesem Urteil zugelassen hat. Zur Einlegung der Berufung ist berechtigt, wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Die Berufung wird durch Einreichung einer Berufungsschrift eingelegt. Die Berufung kann nur durch einen Rechtsanwalt eingelegt werden.

[Name],
Richter am Amtsgericht (…)

 

 

Hinweis AW3P:

Dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da mittlerweile am Landgericht Frankfurt am Main Berufung eingelegt wurde.

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AG Frankfurt am Main, Urteil vom 05.08.2016, Az 30 C 1138/15 (47)

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