WALDORF FROMMER: Das Landgericht München I hebt Urteil des Amtsgericht München auf und verurteilt Beklagten in Filesharingverfahren nach Sachverständigengutachten – strenge Anforderungen an sekundäre Darlegungslast

23:56 Uhr

Gegenstand des Berufungsverfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützter Musikaufnahmen. Das Landgericht München hat ein Urteil des Amtsgerichts München aufgehoben, in welchem die Klage einer Rechteinhaberin trotz Durchführung einer umfangreichen Beweisaufnahme zunächst abgewiesen wurde.

 

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Bericht

 

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Urteil als PDF:
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Autorin:
Rechtsanwältin Carolin Kluge

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Der beklagte Anschlussinhaber hatte erstinstanzlich nahezu sämtliche entscheidungserheblichen Tatsachen bestritten. Dies führte dazu, dass in dem über Jahre andauernden Rechtsstreit eine sehr umfangreiche Beweisaufnahme – mit der entsprechenden Kostenfolge – durchgeführt werden musste.

Unter anderem wurden ein Sachverständigengutachten sowie Ergänzungsgutachten zur Frage der Korrektheit der streitgegenständlichen Ermittlungen eingeholt sowie ein Ortstermin durchgeführt. Im gesamten Verlauf des Rechtsstreits war das Amtsgericht München der Ansicht, der Beklagte habe seiner sekundären Darlegungslast nicht genügt. Dieser hatte insoweit vorgetragen, dass zum Tatzeitpunkt auch weitere Familienmitglieder auf den Internetanschluss zugreifen konnten; er selbst sei „nicht zu Hause“ gewesen.

Einen Täter habe er jedoch nicht ermitteln können. Kurz vor Abschluss des Verfahrens in erster Instanz änderte jedoch das Amtsgericht München aufgrund eines Richterwechsels seine Meinung und wies die Klage überraschend ab.

Die Berufung der Klägerin vor dem Landgericht München I hatte nunmehr vollumfänglich Erfolg und das Urteil wurde zugunsten der Rechteinhaberin abgeändert.

Zur Fehlerfreiheit der Ermittlungen führt das Landgericht München I in seiner Entscheidung aus:

„Das Amtsgericht München hat über die Ermittlung der IP-Adresse durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis erhoben. Die Kammer ist von der Richtigkeit der dadurch gewonnenen Erkenntnisse überzeugt, da bei doppelter Überprüfung eindeutig die IP-Adresse […] des Beklagten als Verursacher der Rechtsverletzung ermittelt werden konnte.
[…]
Die Tests kamen jeweils zu dem Ergebnis, dass das benutzte „PFS-System“ der Firma ipoque GmbH fehlerfrei arbeitet und sowohl die Übermittlung der fraglichen Dateien eindeutig nachgewiesen werden kann, als auch der dabei erforderliche Netzverkehr korrekt und in Echtzeit aufgezeichnet wurde. […] Anhaltspunkte für Manipulationen waren nicht ersichtlich, insbesondere zeigte sich das System gegenüber manuell manipulierten (Zeit-) Einstellungen robust und lieferte trotzdem korrekte Ergebnisse. Hinweise für Fehler im genutzten System PFS oder andere Manipulationen sind für das Gericht nicht ersichtlich.“

Im Ergebnis hat der Beklagte, so das Landgericht München I, den strengen Vorgaben des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts nicht genügt. Der Sachvortrag ließe nach Auffassung der Kammer bereits keine Rückschlüsse auf die Tatbegehung durch einen Dritten zu. Auch genüge die bloße Nachfrage, insbesondere bei den erwachsenen Söhnen, den Nachforschungspflichten nicht:

„Der Beklagte hat sich hier darauf beschränkt, seine Angehörigen zur Verletzungshandlung zu befragen, was naturgemäß keine weiterführenden Erkenntnisse außer dem bei Jugendlichen nicht ungewöhnlichen Abstreiten der Tatbegehung erbracht hat. Weitergehende Nachforschungsmaßnahmen wie ein Auslesen des Routers oder eine Überprüfung der Rechner im Hinblick auf eine vorhandene Filesharingsoftware und auffindbare Spuren des Werks, wie sie nunmehr auch das Bundesverfassungsgericht fordert (vgl. BVerfG, 2 BvR 1797/15, BeckRS 2016, 53290), hat der Beklagte nicht unternommen, geschweige denn deren Ergebnis mitgeteilt.“

Das Landgericht München I hat die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Beklagten im Ergebnis als nicht widerlegt angesehen, das klageabweisende Urteil aufgehoben und den Beklagten nach Antrag verurteilt.

Der Beklagte hat nunmehr – neben den klageweise geltend gemachten Ansprüchen – auch Verfahrenskosten von über 10.000,00 EUR zu tragen.

 

LG München I, Urteil vom 14.12.2016, Az. 21 S 21085/15

 

(…) – Beglaubigte Abschrift –

Landgericht München I
Az. 21 S 21085/15
111 C 29433/12 AG München

IM NAMEN DES VOLKES!

URTEIL

In dem Rechtsstreit

[Name],
– Klägerin und Berufungsklägerin –

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Waldorf Frommer, Beethovenstraße 12, 80336 München,

gegen

[Name]
– Beklagter und Berufungsbeklagter –

Prozessbevollmächtigte: [Name],

wegen Forderung

erlässt das Landgericht München I, 21 Zivilkammer, durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht [Name], die Richterin am Landgericht [Name] und den Richter am Landgericht [Name] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19.10.2016 am 14.12.2016 folgendes

Endurteil:

I.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 23.10.2015, Az. 111 C 29433/12, dahingehend abgeändert, dass der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 450,00 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Hohe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 10.08.2012 sowie weitere 206,00 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Hohe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 10.08.2012 zu zahlen.

II.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

III.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil des Amtsgerichts München vom 23.10.2015, Az. 111 C 29433/12, Bezug genommen.

Die Klägerin greift mit ihrer Berufung das erstinstanzliche Urteil vollumfänglich an und verfolgt dessen Abänderung.

In der Berufungsinstanz macht die Klägerin geltend, das Erstgericht sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die Ansprüche der Klägerin auf Schadensersatz in Hohe von 450,00 EUR und Ersatz der vorgerichtlichen Kosten in Höhe von 206,00 EUR nicht bestünden.

Das Ersturteil nehme unzutreffender Weise an, dass der Beklagte nicht als Täter der Verletzungshandlung hafte, da dieser darlegen könne, dass noch andere Personen als Täter für die konkrete Verletzungshandlung vom [Datum] in Betracht kämen.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Beklagte lediglich pauschal eine abstrakte Nutzungsmöglichkeit seines Internetanschlusses durch Dritte schildere, ohne konkrete verletzungsbezogenen Äußerungen zu treffen, die den Schluss nahelegten, dass ausschließlich eine dritte Person als Täter in Betracht komme Dies sei nicht ausreichend, um der dem Beklagten obliegenden sekundären Darlegungslast nachzukommen.

Die Äußerung des Beklagten, „nicht ortsanwesend“ gewesen zu sein, sei zu pauschal, ebenso wie die Behauptung des Beklagten, zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung seien alle Familienmitglieder zu Hause gewesen und hatten das Internet nutzen können Dies könne keine Anhaltspunkte liefern, die gegen eine (Mit-) Täterschaft des Beklagten sprachen. Der Beklagte dürfe seine eigene Täterschaft nicht mit dem Verweis auf andere Nutzungsberechtigte abstreiten, wenn er deren Täterschaft mit seinem Vorbringen ebenfalls ausschließe.

Außerdem habe der Beklagte keine ausreichenden Nachforschungen angestellt, um den Täter der Rechtsverletzung zu ermitteln Vielmehr habe er es bei einem einmaligen Nachfragen bei allen Familienmitgliedern belassen und behauptet, weitere Nachforschungen seien unmöglich und somit unnötig Ein plausibler Vortrag zu den konkreten Umständen der Verletzungshandlung sei nicht erfolgt.

Die Klägerin beantragt,
1. Die Beklagte und Berufungsbeklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Amtsgericht München vom 23.10.2015 zu verurteilen, an die Klägerseite einen angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch nicht weniger als 450,00 EUR betragen soll, zuzüglich Zinsen in Hohe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 10.08.2012 zu zahlen, sowie
2. 206,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 10.08.2012 zu zahlen.

Hilfsweise das Endurteil des Amtsgerichts München vom 23.10.2015, Az. 111 C 29433/12, aufzuheben und den Rechtsstreit gemäß § 538 Abs 2 ZPO an das Amtsgericht München zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen

hilfsweise. die Revision für den Beklagten zuzulassen.

Der Beklagte erwidert, die durch die Klägerin angegriffene Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts sei im Ergebnis zu Recht ergangen. Die Klage sei unbegründet, da der Klägerin weder Ansprüche auf Lizenzschaden noch auf Erstattung von Rechtsverfolgungskosten zustunden.

Der Beklagte ist der Ansicht, nicht als Täter zu haften. Ihn treffe keine sekundäre Darlegungslast, da diese nur dann bestehe, wenn sich die Klägerin auf die gesetzliche Vermutung der Täterschaft des Inhabers des Internetanschlusses, von dem die Verletzungshandlung begangen worden sei, berufen dürfe Dies sei gerade nicht der Fall, da der Internetanschluss ein Familienanschluss sei und somit bewusst Dritten zur Nutzung überlassen wurde, was die gesetzliche Vermutung – die sich nur auf die alleinige Nutzung des Anschlussinhabers beziehe – ausschließe.

Er habe alles ihm Mögliche zur Ermittlung des Täters getan, da er seine Familienmitglieder ausreichend befragt und das Ergebnis dieser Befragung mitgeteilt hatte Weitere Nachforschungen seien aufgrund des langen Zeitraums zwischen Verletzungshandlung am [Datum] und der Abmahnung durch die Klägerin am 18.11.2009 nicht mehr möglich gewesen.

Auch habe der Beklagte keine Belehrungs- und Überwachungspflichten gegenüber seinen volljährigen Familienmitgliedern.

Das Sachverständigengutachten ermögliche keine Rückschlüsse auf die Täterschaft des Beklagten, da die Verletzungshandlung im Jahr [Jahreszahl] begangen worden sei und der Sachverständige lediglich die technischen Anlagen des Jahres 2014 habe begutachten können Ein Rückschluss auf die Umstande im Jahr Insel nicht möglich.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die gewechselten Schriftsatze der Parteivertreter nebst Anlagen, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.10.2016 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

2.

Der Klägerin steht ein Schadensersatzanspruch aus §§ 97 Abs. 2 Satz 1, Abs 1, 85, 19a UrhG in Höhe von 450,00 EUR gegen den Beklagten zu.

a)

Die Klägerin ist ausschließliche Lizenznehmerin bezüglich des Tonträgerherstellerrechts, so dass ihr nach §§ 85, 19a UrhG das alleinige Recht der öffentlichen Zugänglichmachung an dem Musikalbum [Name] der Musikgruppe [Name] zusteht. Sie leitet ihr Recht von der [Name] ab, für die entsprechend Anlage K1 der auf den körperlichen Vervielfältigungsstücken vorhandene Copyright-Vermerk streitet (§§ 85 Abs 4 i.V m 10 Abs. 1 UrhG) Die Rechteeinräumung ergibt sich aus der Aussage des erstinstanzlich vernommen Zeugen [Name] (Bl. 198/199 d A ), der bestätigt hat, dass zwischen der [Name] und der Klägerin ein sog. Repertoireaustauschvertrag bzw. Intercompanyvertrag besteht und das streitgegenständliche Album [Name] diesem Repertoireaustauschvertrag unterfällt, so dass damit auch das Tonträgerherstellerrecht an diesem Album eingeräumt worden ist.

b)

Dieses Recht wurde dadurch widerrechtlich verletzt, dass das Musikalbum am [Datum] auf der Filesharing-Plattform „BitTorrent“ unautorisiert zum Download angeboten wurde, da das Musikalbum dadurch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist Ein dementsprechendes Recht war dem Beklagten nicht eingeräumt, ebenso wenig bestand eine Ausnahme nach § 44a UrhG.

c)

Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts München ist der Beklagte als Täter anzusehen Der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast ist er nicht in ausreichendem Maße nachgekommen.

(1)

Die Verletzungshandlung wurde über den Internetanschluss des Beklagten begangen.

(a)

Das Amtsgericht München hat über die Ermittlung der IP-Adresse durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis erhoben Die Kammer ist von der Richtigkeit der dadurch gewonnenen Erkenntnisse überzeugt, da bei doppelter Überprüfung eindeutig die IP-Adresse [IP] des Beklagten als Verursacher der Rechtsverletzung ermittelt werden konnte. Dabei wurden im Rahmen mehrerer Tests Transaktionen, wie sie auf Filesharing Plattformen betrieben werden, simuliert.

Die Tests kamen jeweils zu dem Ergebnis, dass das benutzte „PFS-System“ der Firma ipoque GmbH fehlerfrei arbeitet und sowohl die Übermittlung der fraglichen Dateien eindeutig nachgewiesen werden kann, als auch der dabei erforderliche Netzverkehr korrekt und in Echtzeit aufgezeichnet wurde Im Rahmen des Sachverständigengutachtens vom 15.10.2013 konnten dabei die Originalaufzeichnungen des Netzverkehrs aus dem Jahre [Jahreszahl] rearchiviert und unabhängig überprüft werden.

Dadurch konnte festgestellt werden, dass am [Datum] von der IP Adresse des Beklagten [Name] ein Dateiordner mit dem Hashwert [Hash] nicht nur angeboten, sondern auch übertragen wurde. Dieser Hashwert entspricht dem Wert des zur Überprüfung überlassenen Musikalbums [Name] der Musikgruppe [Name].

Das Gericht geht deshalb davon aus, dass inhaltlich alle 28 Musiktitel des in Frage stehenden Musikalbums übertragen werden konnten, da schon kleinste Veränderungen der Datei auch den Hashwert verändern wurden. Bei einem am 03.12 2014 durchgeführten Ortstermin bei der Firma ipoque GmbH in Leipzig konnte zuverlässig ermittelt werden, dass die dem Sachverständigen zur Bearbeitung überlassenen Kopien den Originaldateien vollständig entsprachen. Auch von einer ordnungsgemäßen Archivierung der Daten wird ausgegangen, da sich die einzelnen Magnetbänder in einem abgeschlossenen Stahlschrank in einem verschlossenen Raum mit beschränktem Zutritt befanden. Anhaltspunkte für Manipulationen waren nicht ersichtlich, insbesondere zeigte sich das System gegenüber manuell manipulierten (Zeit-) Einstellungen robust und lieferte trotzdem korrekte Ergebnisse Hinweise für Fehler im genutzten System PFS oder andere Manipulationen sind für das Gericht nicht ersichtlich.

(b)

Für die richtige Zuordnung der IP-Adresse zum Anschluss des Beklagten besteht ein Anscheinsbeweis, da dieser zwei Mal unabhängig als der Anschluss beauskunftet wurde, von dem die Rechtsverletzung ausging. Wird das Anbieten desselben Werks unter dynamischen IP-Adressen jeweils demselben zuvor unbekannten Anschlussinhaber zugeordnet, so liegen Fehler bei der Zuordnung so fern, dass Zweifel an der Richtigkeit der Anschlussidentifizierung schweigen (vgl. OLG Köln, MMR 2012, 549). Gegenbeweis anzutreten hat der Beklagte keinerlei Versuche unternommen.

(2)

Den Beklagten trifft daher nach der Rechtsprechung eine sekundäre Darlegungslast (BGH GRUR 2016, 1280, Rn. 34 – „Everytime we touch“). Im Rahmen dieser sekundären Darlegungslast muss der Beklagte nachvollziehbar vortragen, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen (BGH GRUR 2016, 1280, Rn 34 – „Everytime we touch“). Bloß pauschale Behauptungen, dass der Internetanschluss grundsätzlich auch von Dritten genutzt werden kann, reichen dazu nicht aus, da es lediglich auf den konkreten Zeitpunkt der Verletzungshandlung ankommt, so dass darzulegen ist, dass genau zu diesem Zeitpunkt Dritte den Internetanschluss genutzt haben und somit als Täter der Verletzungshandlung in Betracht kommen (OLG München WRP 2016, 385, Rn 41 – „Loud“).

Nach dem Vortrag des Beklagten kommt kein Dritter ernsthaft als alleiniger Täter der Verletzungshandlung in Betracht. Zwar wird der Internetanschluss von allen Familienmitgliedern genutzt, das Nutzerverhalten der einzelnen Personen lasst aber keine Rückschlüsse auf mögliche Aktivitäten auf Filesharing-Plattformen zu Der Beklagte gab an, seine Ehefrau nutze das Internet in erster Linie für Einkäufe im Internet, seine volljährigen Sohne hauptsachlich im Rahmen ihres Studiums oder für soziale Medien. Zum Nutzerverhalten der noch minderfahrigen Tochter selbst äußert sich der Beklagte gar nicht Aus diesem Vortrag ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass eine dieser Person als alleiniger Täter in Betracht kommt.

Auch die vermeintliche Ortsabwesenheit des Beklagten steht seiner täterschaftlichen Haftung nicht entgegen, da Musikdateien über einen mit dem Internet verbundenen Rechner auch bei Abwesenheit des Nutzers zum Download bereitgestellt werden können (vgl. BGH, GRUR 2016, 176, Rn 52 – „Tauschbörse I“; BGH GRUR 2016, 1280, Rn 54 – „Everytime we touch“).

Im Rahmen der sekundären Darlegungslast muss der Beklagte auch ihm zumutbare Nachforschungen anstellen, um den Tathergang und ernsthaft in Betracht kommende Täter zu ermitteln (BGH GRUR 2016, 1289, Rn 28 – „Silver Linings Playbook“, BGH GRUR 2016, 1280, Rn 33 – „Everytime we touch“). Die Ergebnisse dieser Nachforschungen sind mitzuteilen (OLG München WRP 2016, 385, Rn. 36 – „Loud“). Der grundrechtliche Schutz des Familienfriedens nach Art 6 GG steht dieser Nachforschungspflicht nicht entgegen, da kein schrankenloser Schutz gegen jede Beeinträchtigung familiarer Belange gewahrt wird. Vielmehr sind auch gegenläufige Belange der Klägerin, die ihrerseits in Art 14 GG verankert sind, zu berücksichtigen. Andernfalls könnten die Inhaber urheberrechtlich geschützter Nutzungsrechte bei Rechtsverletzungen durch von Familien genutzten Internetanschlüsse ihre Anspruche regelmäßig nicht durchsetzen (OLG München WRP 2016, 385, Rn. 41 – „Loud“).

Der Beklagte hat sich hier darauf beschränkt, seine Angehörigen zur Verletzungshandlung zu befragen, was naturgemäß keine weiterführenden Erkenntnisse außer dem bei Jugendlichen nicht ungewöhnlichen Abstreiten der Tatbegehung erbracht hat. Weitergehende Nachforschungsmaßnahmen wie ein Auslesen des Routers oder eine Überprüfung der Rechner im Hinblick auf eine vorhandene Filesharingsoftware und auffindbare Spuren des Werks, wie sie nunmehr auch das Bundesverfassungsgericht fordert (vgl. BVerfG, 2 BvR 1797/15, BeckRS 2016, 53290), hat der Beklagte nicht unternommen, geschweige denn deren Ergebnis mitgeteilt Aufgrund der nicht erfüllten sekundären Darlegungslast, greift – unabhängig von der Frage, ob er den Anschluss anderen Personen zur Nutzung überlassen oder diesen nicht ausreichend gesichert hat – die tatsächliche Vermutung seiner Täterschaft (BGH GRUR 2016, 1280, Rn 34 – „Everytime we touch“).

d)

Auf eine Störerhaftung des Beklagten und die Frage von Aufklärungspflichten gegenüber volljährigen oder minderjährigen Familienmitgliedern kommt es nicht an, da eine Haftung des Beklagten als Täter feststeht.

e)

Die tatsächliche Höhe des entstandenen Schadens ist im Rahmen des § 287 ZPO zu schätzen. Dabei ist zu beachten, dass in Filesharing-Netzwerken in sehr kurzer Zeit sehr große Schaden entstehen können, da ein rechtswidriger Download durch eine unbegrenzte Anzahl andere Nutzer erfolgen kann. Das Album [Name] würde entsprechend der inhaltlich unstreitigen Anlage K 9 in bekannten Musikdownloadportalen wie z.B iTunes oder Amazon mindestens 6,99 EUR kosten Das Gericht schatzt, dass es durchaus zu ca. 5 bis 10 Downloads pro Minute, in einem Zeitraum von ca. 6,5 Minuten also ca. 50 Downloads kommen kann, so dass ein Schadensersatzanspruch in Hohe von 450,00 EUR vor diesem Hintergrund angemessen erscheint.

3.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung vom 18.11.2009 aus § 97a Abs 1 Satz 2 (in der vom 01.09.2008 bis 08.10.2013 geltenden Fassung) UrhG zu.

a)

Die Abmahnung der Klägerin nach § 97a Abs 1 Satz 2 UrhG war berechtigt, da der Beklagte der Klägerin, wie oben dargestellt, als Täter auf Schadensersatz aus §§ 97 Abs 2 Satz 1, Abs 1, 85, 19a UrhG haftet.

b)

Die Höhe bemisst sich nach Nr 2300 Anlage I RVG bei einem Streitgegenstandswert von 10.000,00 EUR. Eine Gebühr betrug im Jahre [Jahreszahl] 486,00 EUR. Die Klägerin hat nur einen Gebührenwert von 1,0 inklusive Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 EUR eingeklagt, woran das Gericht nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO gebunden ist. Somit kann die Klägerin Zahlung in Hohe von insgesamt 506,00 EUR verlangen. Da der Beklagte davon bereits 300,00 EUR gezahlt hat, steht der Klägerin ein weiterer Zahlungsanspruch nur in Höhe von 206,00 EUR zu.

c)

Ein Anspruch auf Verzinsung in Hohe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs 2 Nr. 1 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs 1, 97 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr 11, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 543 Abs 2 Nr. 1 ZPO hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts nach § 543 Abs. 2 Nr 2 ZPO erfordern Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung unter Anwendung der vom BGH zuletzt in den Entscheidungen vom 12.05.2016 (BGH GRUR 2016, 1280 – „Everytime we touch“; BGH GRUR 2016, 1289 – „Silver Linings Playbook“ und BGH GRUR 2016, 1275 – „Tannöd“) aufgestellten Grundsatze.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nach § 26 Nr 8 EGZPO nicht statthaft.

gez.
[Name]
Vorsitzender Richter am Landgericht

gez.
[Name]
Richterin am Landgericht

gez.
[Name]
Richter am Landgericht

Verkündet am 14 12.2016.

gez.
[Name] JAng
Urkundsbeamte(r) der Geschäftsstelle (…)

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LG München I, Urteil vom 14.12.2016, Az. 21 S 21085/15

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