WALDORF FROMMER: Das Landgericht Leipzig verurteilt Anschlussinhaber – pauschale Verweise auf unberechtigte Nutzung des Internetanschlusses oder Spekulationen zu Dritten reichen nicht aus

23:10 Uhr

Gegenstand des Berufungsverfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützter Filmaufnahmen. Das Landgericht Leipzig hat in diesem Berufungsverfahren das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Leipzig bestätigt und den Beklagten wegen des illegalen Angebotes eines Filmwerks zur Zahlung von Schadensersatz, Rechtsanwaltskosten sowie der Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen verurteilt.

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Bericht

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Urteil als PDF:
http://news.waldorf-frommer.de/wp-content/uploads/2017/01/LG_Leipzig_05_S_144_16.pdf

Autorin:
Rechtsanwältin Carolin Kluge

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Der Beklagte hatte sich insbesondere damit verteidigt, dass er die Rechtsverletzung nicht begangen habe und zum Tatzeitpunkt auch nicht zu Hause gewesen sei. Zwei seiner Mitbewohner hätten eigenständig auf seinen Internetanschluss zugreifen können. Zudem hatte der Beklagte die Fehlerfreiheit der Ermittlungsergebnisse bestritten und auch auf mögliche Dritte verwiesen, die sich theoretisch Zugriff auf den Internetanschluss hätten verschaffen können.

Bereits das Erstgericht hielt diesen Vortrag für zu pauschal, um die sekundäre Darlegungslast des Inhabers eines Internetanschlusses als erfüllt anzusehen.

Das Landgericht Leipzig hat die rechtliche Bewertung des Erstgerichts nunmehr ausdrücklich bestätigt und unter anderem die Einwände des Beklagten gegen die Ermittlungsergebnisse als nicht hinreichend konkret zurückgewiesen. Insoweit heißt es in den Gründen:

„Die Klägerin hat die Rechtsverletzung durch Angabe der Tatzeit, des Hashwertes der Datei zum streitgegenständlichen Film, der IP-Adresse des Anschlusses, über den die Rechtsverletzung nach ihren Ermittlungen begangen worden ist, sowie ferner durch die Zuordnung der für die Begehung der Rechtsverletzung genutzten IP-Adresse dargelegt.

Sie hat zudem beschrieben, dass sie die Daten über das PFS der Firma ipoque GmbH hat ermitteln lassen. Die Zuverlässigkeit der Identifizierung und die Richtigkeit der Zuordnung hat der Beklagte lediglich pauschal bestritten. Da er keine fallbezogene Fehleranfälligkeit der Software zu Ermittlung und Dokumentation der Rechtsverletzung aufgezeigt hat, ist sein Bestreiten unerheblich (OLG Köln, Urteil vom 02.08 2013, Az. 6 U 10/13 Tz. 18). […] Die Klägerin hat ferner dargelegt, dass die ermittelte IP-Adresse nach Auskunft des zuständigen Internet-Providers zum ermittelten Tatzeitpunkt dem Beklagten zugeordnet war, der dessen Inhaber ist.“

Das Landgericht stellte zudem klar, dass der Beklagte Nachforschungen hätte anstellen müssen. Der bloße Verweis auf Dritte reiche nicht aus, um der Täterhaftung zu entgehen:

„Der Anschlussinhaber ist im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet, ob andere und wenn ja welche andere Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetzugang gehabt hätten und als Täter der konkreten Rechtsverletzung in Betracht kommen (BGH, a.a.O, Tz 18). Allein die Behauptung einer Möglichkeit, wie hier, des Zugriffs durch Dritte genügt gerade nicht […]“

Das Gericht bestätigte auch die Höhe des geltend gemachten Schadenersatzes sowie der anwaltlichen Abmahnkosten. Dabei erachtet das Gericht insbesondere den in Ansatz gebrachten Gegenstandswert in Höhe von 10.000,00 EUR als angemessen.

 

LG Leipzig, Urteil vom 30.11.2016, Az. 05 S 144/16

 

(…) Ausfertigung

Landgericht Leipzig

Zivilkammer

Aktenzeichen: 05 S 144/16
Amtsgericht Leipzig, 102 C 5298/15

Verkündet am: 30.11.2016
[Name], Urkundsbeamter/in der Geschäftsstelle
Justizangestellte

 

IM NAMEN DES VOLKES

 

ENDURTEIL

 

In dem Rechtsstreit

[Name],
– Klägerin und Berufungsbeklagte –

Prozessbevollmächtigte: Waldorf Frommer Rechtsanwälte, Beethovenstraße 12, 80336 München,

gegen

[Name],
– Beklagter und Berufungskläger –

Prozessbevollmächtigter: [Name],

wegen Forderung

hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig durch Richter am Landgericht [Name] als Einzelrichter

für Recht erkannt:

1.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Leipzig vom 10.02.2016 (Az. 102 C 5298/15) wird zurückgewiesen.

2.

Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 1.006,00 EUR festgesetzt

 

Gründe:

 

I.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird Bezug auf das angefochtene Urteil vom 10.02.2016 (Bl. 170 d.A.). genommen. Im Übrigen wird von einer Darstellung des Sach- und Streitstandes gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO, 26 Nr. 8 EG ZPO abgesehen.

Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen [Name]. Die Klägerseite hat eine schriftliche Vollmacht ihres Geschäftsführers zu Protokoll gereicht (Bl. 256 d.A.).

Das Amtsgericht hat der auf den Vorwurf des illegalen Filesharing gestützten Zahlungsklage insgesamt stattgegeben und den Beklagten zur Zahlung von 600,00 EUR Schadensersatz und noch 406,00 EUR Abmahnkosten verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte habe seine Täterschaft nicht hinreichend bestritten. Als vorgerichtlicher Streitwert seien 10.000,00 EUR angemessen. Der lizenzanalog berechnete Schaden könne auf 600,00 EUR festgesetzt werden.

Das Urteil ist dem Beklagten am 12.02.2016 zugestellt worden. Er legte dagegen mit beim Landgericht Leipzig am 11.03.2016 eingegangenen Schriftsatz Berufung ein, die er mit Schriftsatz vom 11.04.2016 auch begründet hat.

Er ist der Auffassung, die Klägerin habe keine Prozessvollmacht vorlegen können, weswegen die Klage unzulässig sei. Überdies sei ihre Aktivlegitimation nicht bewiesen worden. Der Beklagte sei weder Täter noch Störer, er habe zum Tatzeitpunkt in einer Wohngemeinschaft gelebt, beide Mitbenutzer hätten Internetzugang gehabt.

Die Klägerin verteidigt das amtsgerichtliche Urteil. Der Beklagte habe jedenfalls seiner sekundären Darlegungslast nicht genügt und keine ernsthaften Nachforschungen angestellt.

II.

1.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO).

2.

Die Berufung ist nicht begründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche gegen den Beklagten zu.

a)

Die Klage ist zulässig. Die Prozessvollmacht der Klägervertreter ist nach § 80 ZPO gegeben und nachgewiesen, da die Klägerin die Erteilung einer Vollmacht durch eine Vollmachtskette, ausgehend von ihrem Geschäftsführer, unter Vorlage von Originalvollmachten, zuletzt in der Verhandlung vom 09.11.2016, nachgewiesen hat.

b)

Die Klägerin hat gegen den Beklagten Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 600,00 EUR gemäß § 97 Abs. 2 UrhG.

aa)

Der streitgegenständliche Film genießt nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG urheberrechtlichen Schutz. Von der Aktivlegitimation der Klägerin im Hinblick auf exklusive Nutzungsrechte für die Auswertung im Internet (§ 19a UrhG) ist die Kammer aufgrund der glaubhaften Aussage des glaubwürdigen Zeugen [Name] überzeugt. Dabei ist sich die Kammer eines Eigeninteresses des Zeugen, bedingt durch seine Stellung als Angestellter der Klägerin, bewusst. Dennoch war die Aussage insgesamt widerspruchsfrei, plausibel, detailliert und nicht zuletzt daher glaubhaft.

bb)

Der Beklagte ist auch passivlegitimiert.

(1)

Die Klägerin hat die Rechtsverletzung durch Angabe der Tatzeit, des Hashwertes der Datei zum streitgegenständlichen Film, der IP-Adresse des Anschlusses, über den die Rechtsverletzung nach ihren Ermittlungen begangen worden ist, sowie ferner durch die Zuordnung der für die Begehung der Rechtsverletzung genutzten IP-Adresse dargelegt. Sie hat zudem beschrieben, dass sie die Daten über das PFS der Firma ipoque GmbH hat ermitteln lassen. Die Zuverlässigkeit der Identifizierung und die Richtigkeit der Zuordnung hat der Beklagte lediglich pauschal bestritten. Da er keine fallbezogene Fehleranfälligkeit der Software zu Ermittlung und Dokumentation der Rechtsverletzung aufgezeigt hat, ist sein Bestreiten unerheblich (OLG Köln, Urteil vom 02 08 2013, Az. 6 U 10/13 Tz. 18, zitiert nach juris).

Die Klägerin hat ferner dargelegt, dass die ermittelte IP-Adresse nach Auskunft des zuständigen Internet-Providers zum ermittelten Tatzeitpunkt dem Beklagten zugeordnet war, der dessen Inhaber ist.

(2)

In dieser Eigenschaft besteht zu Lasten des Beklagten nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine tatsächliche Vermutung dafür, dass er als Anschlussinhaber für Rechtsverletzungen, die über den Anschluss begangen worden sind, als Täter (und nicht nur als Störer) verantwortlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 15.11.2012, Az. I ZR 74/12, Tz. 33, zitiert nach Juris, zuletzt Urteil vom 12.05.2016, Az. I ZR 48/15, Tz. 40 bis 44; 50 – „Everytime we touch“, zitiert nach Juris, ebenso schließlich BVerfG, Beschluss vom 23.09.2016, Az. 2 BvR 2193/15, Tz. 24; ferner BVerfG, Beschluss vom selben Tag, Az. 1797/15, Tz. 18, zitiert nach der Homepage des BVerfG).

Beruft sich der Anschlussinhaber darauf, dass dritte Personen Zugang zum Anschluss gehabt hätten, trifft ihn eine sekundäre Darlegungslast (BGH, Urteil vom 08.01.2014, Az. I ZR 169/12, Tz. 10 – „BearShare“). Diese sekundäre Darlegungslast muss erfüllt werden, um die tatsächliche Vermutung zu entkräften. Das setzt voraus, dass der Inhaber eine ernsthafte Möglichkeit aufzeigt, wonach allein ein Dritter und nicht auch er selbst den Internetzugang für die behauptete Rechtsverletzung benutzt hat (BGH, a a.0., Tz 34). Der Anschlussinhaber ist im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet, ob andere und wenn ja welche andere Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetzugang gehabt hätten und als Täter der konkreten Rechtsverletzung in Betracht kommen (BGH, a.a.O., Tz 18). Allein die Behauptung einer Möglichkeit, wie hier, des Zugriffs durch Dritte genügt gerade nicht (BGH, Urteil vom 11.06.2015, Az. I ZR 75/14 – „Tauschbörse III“, zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 12 05 2016, Az. I ZR 48/15 – „Everytime we touch“, zitiert nach juris).

Eine derartig konkrete, sowohl werk- als auch datumsbezogene sekundäre Darlegung hat der Beklagte nicht vorgelegt. Auch die ihm obliegende Nachforschungspflicht ist nicht erfüllt, indem er keine näheren Angaben etwa zum Nutzungsverhalten seiner Mitbewohner gemacht hat.

cc)

Als Rechtsfolge schuldet der Beklagte Schadensersatz, der nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnet werden kann (§§ 249 ff. BGB; 287 ZPO). Denn die Anspruchstellerin war nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme rechtlich in der Lage, die genutzte Lizenz auch zu erteilen. Die zu schätzende Schadenshöhe (600,00 EUR) für ein Filmwerk entspricht ständiger Rechtsprechung der Kammer.

c)

Die Klägerin hat gegen den Beklagten ferner Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlich durch Abmahnung entstandenen Rechtsanwaltskosten in begehrter Höhe gemäß § 97a Abs. 1 UrhG a.F.

aa)

Für die Beurteilung der Erstattungsfähigkeit der Rechtsanwaltskosten ist die Rechtslage zum Zeitpunkt der Abmahnung zu Grunde zu legen. Die Beschränkung der einklagbaren Abmahnkosten gemäß § 97a Abs. 2 UrhG a.F. findet vorliegend keine Anwendung. Bei der hier streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzung durch Teilnahme an einer so genannten Tauschbörse handelt es sich um eine erhebliche Rechtsverletzung, da das Angebot zum unentgeltlichen Download unbegrenzt ist und durch eine unkontrollierte Verbreitung im Internet die Rechte des Urhebers oder der Verwerter massiv beeinträchtigt werden.

Der von der Klägerin zu Grunde gelegte Gegenstandswert der Abmahnung in Höhe von 10.000,00 EUR ist nicht zu beanstanden. Das Unterlassungsbegehren ist ausgehend vom Interesse des Anspruchsinhabers zu bewerten. Der von der Klägerin gegebene Wert ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechungspraxis in ähnlich gelagerten Fällen angemessen, die Berechnung einer Geschäftsgebühr mit einer 1,0-Gebühr gemäß Nr. 2300 VVRVG sowie gemäß Nr 7002 RVG ist nicht zu beanstanden.

bb)

Erfüllung (§ 362 BGB) in Höhe von 100,00 EUR ist unstreitig.

III.

1.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. § 93 ZPO kommt schon deshalb nicht zu Gunsten des Beklagten im Hinblick auf die Vorlage des Vollmachtsnachweises erst in zweiter Instanz zur Anwendung, da die Tatbestandsmerkmale der Vorschrift (sofortiges Anerkenntnis) nicht vorliegen.

2.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.

3.

Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, da die Rechtssache zum einen keine grundsätzliche Bedeutung hat und zum anderen weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, da zwischenzeitlich eine konkrete und gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung der entscheidungserheblichen Fragen vorliegt (s.o.).

Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1 GKG, 3 ZPO

[Name],
Richter am Landgericht

Für den Gleichlaut der Ausfertigung mit der Urschrift:
Leipzig, 30 11.2016

[Name],
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (…)

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LG Leipzig, Urteil vom 30.11.2016, Az. 05 S 144/16

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