Wilde, Beuger, Solmecke Rechtsanwälte (Köln): Filesharing Sieg gegen Waldorf Frommer – Familienfreundliches Urteil des Amtsgericht Bochum

17:08 Uhr

In einem von unserer Kanzlei geführten Filesharing Verfahren hat das Amtsgericht Bochum eine Klage von Waldorf Frommer abgewiesen. Es hat dabei der Tatsache Rechnung getragen, dass heutzutage Internetanschlüsse von Eltern und ihren Kindern gemeinsam genutzt werden. Zudem ist das Urteil eine weitere Bestätigung des von uns erstrittenen BGH-Grundsatzurteils „Afterlife“.

 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Rechtsanwalt Christian Solmecke, LL. M.

 

WILDE BEUGER SOLMECKE Rechtsanwälte GbR

Kaiser-Wilhelm-Ring 27-29 | 50672 Köln
Tel.: 0221 / 951 563 0 | Fax: 0221 / 400 675 52
E-Mail: info@wbs-law.de | Web: www.wbs-law.de

 

Bericht

Link:
https://www.wbs-law.de/abmahnung-filesharing/filesharing-sieg-familienfreundliches-urteil-des-ag-bochum-75465/

Urteil als PDF:
https://www.wbs-law.de/wp-content/uploads/2017/10/Volltext-AG-Bochum-67-C-235-17.pdf

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

 

Waldorf Frommer hatte eine Mutter als Anschlussinhaberin wegen Filesharing des Films „Beautiful Creatures – Eine unsterbliche Liebe“ abgemahnt. Die Abmahnung erfolgte im Auftrag der Tele München Fernseh GmbH + Co. Produktionsgesellschaft. Waldorf Frommer forderte von ihr 1.000,00 EUR Schadensersatz wegen der angeblich von ihr begangenen Urheberrechtsverletzung. Darüber hinaus wollte die Kanzlei von ihr Abmahnkosten in Höhe von 578,00 EUR ersetzt haben.

Doch unsere Mandantin weigerte sich, zu zahlen. Sie verwies darauf, dass sie kein Filesharing begangen hat. Zum Zeitpunkt der vorgeworfenen Urheberrechtsverletzung hätten ihre volljährigen Kinder Zugriff auf ihren Anschluss mit ihren eigenen Rechnern gehabt.

 

Mutter haftet nicht für Familienanschluss

Das Amtsgericht (AG) Bochum entschied, dass die Mutter zunächst einmal nicht im Wege der Täterhaftung zum Schadensersatz herangezogen werden könne (Urt. v. 04.10.2017, Az. 67 C 235/17). Denn mit ihrer Verteidigung genügte sie den Anforderungen, die an den Anschlussinhaber im Rahmen der sekundären Darlegungslast gestellt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung genügt es, wenn ihr Vortrag den Schluss nahelegt, dass Dritte ihren Internetanschluss genutzt haben. Dies war nach Auffassung des Gerichtes hier der Fall, weil auch ihre volljährigen Kinder Zugang zum Familienanschluss hatten.

Ebenso scheide eine Haftung als Störerin aus. Hierzu führte das Gericht wörtlich aus: „In Zeiten eines gemeinschaftlich genutzten Familienanschlusses kann von Eltern nicht verlangt werden, dass sie jedenfalls ihre volljährigen Kinder noch überwachen und belehren“.

Gerade der letzte Satz im Urteil sollte Abmahnkanzleien wie Waldorf Frommer zu denken geben. Denn ein Hinterher spionieren ist hier nicht nur für Eltern unzumutbar, sondern faktisch nicht möglich. Schon gar nicht können und dürfen Eltern auf den Rechner ihrer Kinder zugreifen, um diesen etwa im Hinblick auf Filesharing Programme zu kontrollieren. Dies gilt erst Recht, wenn diese volljährig sind.

 

Filesharing Urteil stimmt mit Rechtsprechung des BGH überein

Diese Rechtsprechung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH). Hierzu gehört auch die durch unsere Kanzlei erstrittene Entscheidung „Afterlife“ (Urt. v. 06.10.2016, Az. I ZR 154/15). Hier hatte der BGH festgestellt, dass Anschlussinhaber nicht verpflichtet sind, ihre Familienmitglieder auszuspionieren.

Diese familienfreundliche Ausrichtung hat der BGH kürzlich erneut bestätigt (Urt. v. 27.07.2017, Az. I ZR 68/16). Das höchste deutsche Zivilgericht hat in dieser Entscheidung klargestellt, dass der Anschlussinhaber keine genauen Ausführungen über das Nutzungsverhalten seines Ehegatten zu machen braucht. Eine Dokumentation darf ihm nicht zugemutet werden.

 

Über weitere gewonnene Filesharing-Verfahren unserer Kanzlei können Sie sich unter folgendem Link informieren:

Siegreiche Filesharing-Verfahren der Kanzlei WBS

 

 

 

AG Bochum, Urteil vom 04.10.2017, Az. 67 C 235/17

 

 

(…) – Beglaubigte Abschrift –

67 C 235/17

Verkündet am 04.10.2017
[Name], Justizbeschäftigte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

Amtsgericht Bochum

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

 

In dem Rechtsstreit

[Name],
Klägerin,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Waldorf Frommer Rechtsanwälte, Beethovenstraße 12, 80336 München,

gegen

[Name],
Beklagte,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Wilde Beuger Solmecke, Kaiser-Wilhelm-Ring 27-29, 50672 Köln,

 

hat das Amtsgericht Bochum auf die mündliche Verhandlung vom 04.10.2017 durch den Richter am Amtsgericht [Name]

für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die Beklagtenseite gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht diese vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert wird gem. §§ 3 – 5 ZPO auf 1578,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadens- und Aufwendungsersatz anlässlich mehrerer Vorfälle die sich zwischen dem 30.07. und 31.07.2013 ereigneten.

Nach den Ermittlungen der Klägerin wurde an diesem Tag vom Internetanschluss der Beklagten aus der Film [Name] im Rahmen einer Tauschbörse zum Download angeboten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags der Klägerin insbesondere zur IP-Ermittlung, der Rechteinhaberschaft, der Vorstellung zum Wert des Schadens bzw. Aufwendungsersatzanspruchs und zu Fragen der Darlegungslast des Beklagten wird auf den Inhalt der Anspruchsbegründung vom 15.05.2017 nebst Anlagen (Blatt 11 ff. d. A.) sowie dem Schriftsatz vom 07.08.2017 nebst Anlagen (Blatt 144 ff. d. A.) verwiesen.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen an sie einen angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 1000,00 EUR betragen soll zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 02.08.2016 sowie 578,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 02.08.2016 zu zahlen,

die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie behauptet zunächst mit Nichtwissen, dass die IP-Ermittlung der Klägerin bzw. des von ihr beauftragen Unternehmens unrichtig sei.

Auch habe die Klägerin nicht die Rechte bzgl. des hier fraglichen Films.

Schließlich behauptet die Beklagte, ihre erwachsenen Kinder, nämlich ein Sohn und eine Tochter hätten im Zeitpunkt des hier fraglichen Zugriffs den Internetanschluss der Beklagten mit eigenen PCs benutzt.

Daher scheide die Beklagte als Täterin und auch als Störerin aus.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags der Beklagten wird auf die Klageerwiderung vom 17.07,2017 (Blatt 78 ff. d. A.) sowie Schriftsatz vom 02.10.2017 verwiesen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nach dem Sachvortrag beider Parteien unbegründet.

Die Klägerin hat aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt Schadens- oder Aufwendungsersatzansprüche gegen die Beklagte.

Ein solcher Anspruch ergibt sich besonders nicht aus §§ 97 ff. UrhG, 823 BGB.

Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat nämlich keinen geeigneten Beweis dafür angetreten, dass die Beklagte Täterin oder Störerin im Sinne der oben genannten Vorschriften war.

Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin erfüllt die Beklagte mit ihrem Sachvortrag die Voraussetzungen der sogenannten „sekundären Darlegungslast“. Dabei genügt nach der ständigen Rechtsprechung des angerufenen Gerichts ein Vortrag der den Schluss nahelegt Dritte hätten den Internetanschluss genutzt.

Die Beklagte war nach der Rechtsprechung des angerufenen Gerichts auch nicht verpflichtet ihre Kinder wegen des Internetverhaltens zu kontrollieren oder vorher zu belehren.

In Zeiten eines gemeinschaftlichen Familienanschlusses kann von Eltern nicht verlangt werden, dass sie jedenfalls ihre volljährigen Kinder noch überwachen oder belehren.

Auf die Frage der zutreffenden IP-Ermittlung oder der Rechteinhaberschaft kam es daher nicht mehr an.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 I, 708 Ziffer 11, 711 ZPO.

 

Rechtsbehelfsbelehrung:

A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem

Landgericht Bochum,
Westring 8,
44787 Bochum,

eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Bochum zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Bochum durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Bochum statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem

Amtsgericht Bochum,
Viktoriastr. 14,
44787 Bochum,

schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

[Name],
Richter am Amtsgericht

Beglaubigt
[Name], Justizbeschäftigte (…)

 

 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

AG Bochum, Urteil vom 04.10.2017, Az. 67 C 235/17

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~