Waldorf Frommer Rechtsanwälte (München): Das Amtsgericht Leipzig verurteilt „LAN-Party“-Veranstalter wegen einer Urheberrechtsverletzung in einer Tauschbörse über seinen Anschluss (Beklagter ohne Anwalt)

18:14 Uhr

Gegenstand des Verfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützter Filmaufnahmen. Der Beklagte hatte in diesem Verfahren vorgetragen, zur Verletzungszeit eine LAN-Party veranstaltet zu haben. In diesem Rahmen seien verschiedene Fremd-Laptops mit seinem Router verbunden gewesen. Außerdem hätten viele weitere Freunde, Bekannte, Verwandte und Nachbarn die Internetverbindung des Beklagten nutzen dürfen. Der Beklagte machte daher geltend, dass die ihm als Anschlussinhaber vorgeworfene Rechtsverletzung von einer anderen Person hätte begangen werden können. Er habe aber jeden Nutzer zuvor ausdrücklich belehrt, „nichts illegales zu machen“.

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Bericht

Link:
https://news.waldorf-frommer.de/waldorf-frommer-ag-leipzig-verurteilt-lan-party-veranstalter-wegen-urheberrechtsverletzung-in-einer-tauschboerse-ueber-seinen-anschluss/

Urteil als PDF:
https://news.waldorf-frommer.de/wp-content/uploads/2018/01/AG_Leipzig_109_C_1063_17.pdf

Autor:
Rechtsanwalt Thorsten Nagl, LL.M.

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Das Amtsgericht Leipzig ging zutreffend davon aus, dass diese Behauptungen des Beklagten „nicht einmal ansatzweise geeignet ist, die tatsächliche Vermutung einer Urheberrechtsverletzung zu entkräften und / oder ihrer sekundären Darlegungslast zu genügen.“ Die theoretische Zugriffsmöglichkeit dritter Personen sei dabei nicht ausreichend, um in einem gerichtlichen Verfahren zu Obsiegen. Der Beklagte hätte vielmehr „bereits bei Erhalt der Abmahnung“ Nachforschungen zur Rechtsverletzung anstellen müssen, um im Gerichtsverfahren substantiierteren Vortrag erbringen zu können.

Der Beklagte wurde daher vom Amtsgericht Leipzig vollumfänglich zur Zahlung der vorgerichtlichen Abmahnkosten und Schadensersatz sowie zur Übernahme der gesamten Verfahrenskosten verurteilt.

 

 

AG Leipzig, Urteil vom 07.06.2017, Az. 109 C 1063/17

 

(…) – Ausfertigung –

 

Amtsgericht Leipzig

Zivilabteilung I

Aktenzeichen: 109 C 1063/17

Verkündet am: 07.06.2017
[Name],
Urkundsbeamter/in der Geschäftsstelle

 

IM NAMEN DES VOLKES

ENDURTEIL

 

In dem Rechtsstreit

[Name],
– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte: Waldorf Frommer Rechtsanwälte, Beethovenstraße 12, 80336 München,

gegen

[Name], 08468 Reichenbach
– Beklagter –

wegen Urheberrecht

 

hat das Amtsgericht Leipzig durch Richter am Amtsgericht [Name] auf die mündliche Verhandlung vom 26.04.2017 am 07.06.2017

für Recht erkannt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.106,00 EUR zuzüglich fünf Prozentpunkte Zins über Basiszinssatz seit 30.10.2015 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreites hat der Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollsteckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Schaden- und Kostenersatz wegen einer vermeintlichen Urheberrechtsverletzung der beklagten Partei.

Die Klägerin versuchte am [Datum] zunächst, ihre Unterlassungsansprüche gegen die beklagte Partei außergerichtlich durchzusetzen.

Eine Unterlassungserklärung gab die beklagte Partei nicht ab.

Die Klägerin behauptet, sie sei die ausschließliche Rechteinhaberin am Filmwerk [Name].

Die beklagte Partei habe das streitbefangene Werk der Klägerin über ein Filesharing-Netzwerk verwertet, indem sie das streitbefangene Werk ohne Zustimmung der Klägerin anderen Teilnehmern des Filesharing-Systems zum Herunterladen angeboten und somit öffentlich zugänglich gemacht habe.

Dies sei von der Firma Digital Forensics GmbH unter Verwendung des von der Firma ipoque GmbH entwickelten Peer-to-Peer Forensic Systems festgestellt und dokumentiert worden.

Der im Verletzungszeitpunkt ermittelte Hash-Code sei nachweisbar dem Werk der Klägerin zuzuordnen.

Ein Fehler bei der Zuordnung der IP-Adresse könne aufgrund der gründlichen Ermittlungsmethoden sicher ausgeschlossen werden.

Mit Beschluss des LG München I vom [Datum] (Az. 21 O 13320/13) erlangte die Klägerin vom Internetprovider Telefónica die Auskunft, wonach die für die Rechtsverletzung genutzte IP-Adresse im streitgegenständlichen Zeitpunkt dem Internetzugang der beklagten Partei zugeordnet gewesen sei.

Die Klägerin vertritt die Rechtsauffassung,
die Forderung sei nicht verjährt. Der Verjährungslauf sei durch den rechtzeitigen Mahnbescheidsantrag unterbrochen worden.

Der Klägerin stünden aus §§ 97 Abs. 2 und 97 a Abs. 1 UrhG Schadenersatzansprüche gegen die beklagte Partei zu.

Das Werk der Klägerin stelle eine persönliche geistige Schöpfung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 UrhG dar.

Im Angebot des Werkes der Klägerin zum Download für eine Vielzahl weltweiter Nutzern liege eine unerlaubte Verbreitung im Sinne von § 17 UrhG und zugleich eine unerlaubte öffentliche Zugänglichmachung im Sinne des § 19a UrhG.

Es sei mindestens von einer fahrlässigen Urheberrechtsverletzung auszugehen.
Der Klägerin stehe gern. § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG Schadenersatz in Form einer fiktiven Lizenzgebühr in Höhe von mindestens 600,00 EUR zu.

Der Klägerin stehe darüber hinaus gemäß § 97a Abs. 1 UrhG der Ersatz der ihr entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu.

Hierbei sei mit der Rechtsprechung von einem angemessenen Streitwert in Höhe von 10.500,00 EUR auszugehen. Die Kappungsgrenze des § 97a Abs. 2 UrhG a.F. greife nicht.

Die Nebenforderungen rechtfertigten sich aus dem rechtlichen Gesichtspunkt des Verzuges.

Die Klägerin beantragt,
wie tenoriert (Bl. 10 d.A.).

Die beklagte Partei beantragt,
die Klage abzuweisen (Bl. 69 d.A.).

Sie behauptet,
den Film nicht heruntergeladen und nicht verbreitet zu haben.

Ihre Internetverbindung werde von „vielen Freunden, Bekannten, Verwandten und Nachbarn“ genutzt.

Jeder Nutzer sei ausdrücklich belehrt worden, „nichts Illegales zu machen“.

Am Tag der angeblichen Rechtsverletzung habe bei der beklagten Partei eine LAN-Party stattgefunden.

Sie vertritt die Rechtsauffassung, die Forderung sei verjährt. Zudem sei sie nur Störer i.S.d § 97 UrhG.

Wegen des weiteren Vortrages der Parteien wird Bezug auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung genommen.

 

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg, da sie begründet ist.

Die Klägerin hat gegen die beklagte Partei Anspruch auf den hier geltend gemachten Schadenersatz aus § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG bzw. § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 108 Abs. 1 Nr. 5 UrhG bzw. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB.

Die Forderung der Klägerin ist nicht verjährt.

Sie ist im Jahr [Jahreszahl] entstanden, weshalb sie bei dreijähriger gesetzlicher Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB mit Ablauf des Jahres 2016 verjährt wäre.

Der Mahnbescheidsantrag der Klägerin ist jedoch bereits am 18.01.2016, und damit deutlich vor Verjährungseintritt, beim AG Coburg eingegangen.

Hinzu tritt, dass der Vortrag der beklagten Partei nicht einmal ansatzweise geeignet ist, die tatsächliche Vermutung einer Urheberrechtsverletzung zu entkräften und / oder ihrer sekundären Darlegungslast zu genügen.

Obwohl die beklagte Partei schon mit der Verfügung des Amtsgerichtes Leipzig vom 02.03.2017 aufgefordert worden war, ihre Verteidigungsmittel innerhalb von vier Wochen ab Zustellung der Anspruchsbegründung vorzubringen, hat sie sich entschieden, solche Beweismittel, denen das Amtsgericht hätte nachgehen können, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung vom 26.04.2017 mit Schriftsätzen vom 27.04.2017 (im AG Leipzig eingegangen am 02.05.2017) und vom 18.05.2017 (im AG Leipzig eingegangen am 22.05.2017) vorzubringen.

Gemäß § 296a ZPO war neuer Vortrag nach Schluss der mündlichen Verhandlung für die Entscheidung in der Sache allerdings nicht mehr zu berücksichtigen.

Hinzu tritt, das die von der beklagten Partei – zu spät – benannten Zeugen sämtlichst nicht ladungsfähig waren, weil entweder ihr Name und / oder ihre Anschrift nicht angegeben worden sind („meine Frau“, „Niels Tante“, „alle Freunde“ etc.).

Orbiter dictum sei für die beklagte Partei festgehalten, das gemäß § 531 Abs. 2 ZPO der in der ersten Instanz unterbliebene Vortrag in einer eventuellen zweiten Instanz nicht mehr nachgeholt werden kann.

Die hier von der beklagten Partei vorgetragene theoretische Zugriffsmöglichkeit dritter Personen ist zudem für ein Obsiegen im gerichtlichen Verfahren nicht ausreichend (BGH I ZR 48/15).

Ein Anschlussinhaber kann sich auch nicht darauf berufen, die genauen Umstände der Rechtsverletzung nicht zu kennen. Denn er ist bereits bei Erhalt einer Abmahnung zu Nachforschungen innerhalb seiner Sphäre und zur Darlegung der erlangten Erkenntnisse angehalten (ebenda).

Daran fehlt es vorliegend aber.

Die Nebenforderungen, darunter die geltend gemachten vorgerichtlichen Mahnkosten, rechtfertigen sich aus dem rechtlichen Gesichtspunkt des Verzuges.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 ff. ZPO.

 

Beschluss:

Der Streitwert wird gemäß §§ 3 ff. ZPO auf 1.106,00 EUR festgesetzt.

 

Rechtsbehelfsbelehrungen:

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
b) wenn die Berufung durch das Amtsgericht Leipzig zugelassen worden ist Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist glaubhaft zu machen.

Die Berufung muss binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich oder in elektronischer Form mit einer qualifizierten Signatur im Sinne des Signaturgesetzes beim

Landgericht Leipzig,
Harkortstraße 9,
04107 Leipzig

eingegangen sein.

Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten. Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich oder in elektronischer Form gegenüber dem Landgericht Leipzig zu begründen. Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Leipzig durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen Berufungs- und Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

Soweit in diesem Urteil der Streitwert festgesetzt wurde, ist gegen diesen Beschluss das Rechtsmittel der Beschwerde für jede Partei, die durch diesen Beschluss in ihren Rechten benachteiligt ist, zulässig,

a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder
b) das Amtsgericht Leipzig die Beschwerde in diesem Beschluss zugelassen hat.

Die Beschwerde ist schriftlich oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle beim

Amtsgericht Leipzig,
Bernhard-Göring-Straße 64,
04275 Leipzig

einzulegen.

Die Beschwerdeschrift ist zu unterzeichnen. Die Erklärung über die Beschwerde kann auch zu Protokoll der Geschäftsstelle eines jeden anderen Amtsgerichts abgegeben werden, wobei die Beschwerdefrist nur dann als gewahrt gilt, wenn die Erklärung rechtzeitig bei dem Amtsgericht Leipzig eingeht. Die Beschwerde kann auch in elektronischer Form mit einer qualifizierten elektronischen Signatur im Sinne des Signaturgesetzes eingereicht werden. Eine bloße E-Mail genügt hierfür nicht. Die Beschwerdeschrift muss die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den sie gerichtet ist, sowie die Erklärung, dass gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt werde, enthalten. Die Gerichtssprache ist deutsch.

 

Beschwerdefrist:

Die Beschwerde muss binnen sechs Monaten nach Rechtskraft der Hauptsache oder deren anderweitiger Erledigung bei dem Amtsgericht Leipzig eingegangen sein. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, muss sie innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses bei dem Amtsgericht Leipzig eingegangen sein. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.

[Name]
Richter am Amtsgericht

Für den Gleichlaut der Ausfertigung mit der Urschrift:
Leipzig, 28.06.2017
[Name]
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (…)

 

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AG Leipzig, Urteil vom 07.06.2017, Az. 109 C 1063/17

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