Justizportal Rheinland-Pfalz: Das Amtsgericht Frankenthal (Pfalz) weist Filesharing Klage der .rka Rechtsanwälte unter Anwendung des BGH-Entscheides „Konferenz der Tiere“ zurück

09:01 Uhr

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Justizportal Rheinland-Pfalz

 

Quelle:

juris GmbH – Juristisches Informationssystem für die Bundesrepublik Deutschland
Gutenbergstraße 23 | 66117 Saarbrücken

Urteil:

Link:
http://www.landesrecht.rlp.de/jportal/portal/t/7qe/page/bsrlpprod.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&doc.id=KORE210342018&doc.part=L

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

 

 

AG Frankenthal, Urteil vom 18.04.2018, Az. 3c C 27/18

 

(…) Leitsatz Juris

Die Haftung eines Tauschbörsenteilnehmers als Mittäter wegen der Zurverfügungstellung einzelner, für sich genommen unbedeutender oder unbrauchbarer Daten setzt voraus, dass in zeitlichem Zusammenhang mit dem vom Internetanschluss des in Anspruch Genommenen zur Verfügung gestellten Angebot in der konkret genutzten Tauschbörse auch eine vollständige Version des Werkes (oder eines urheberrechtsschutzfähigen Teils davon) zum Herunterladen angeboten worden ist, weil es ansonsten schon an einer Verletzungshandlung fehlt, zu der der einzelne Teilnehmer als Mittäter einen konkreten Beitrag geleistet haben könnte und der in Anspruch genommene Tauschbörsenteilnehmer einen objektiven Tatbeitrag geleistet, also dem betroffenen Werk zuzuordnende Datenpakete zum Herunterladen angeboten hat.

Die gesamtschuldnerische Haftung der Mittäter gemäß § 840 BGB führt u.a. dazu, dass jeder Mittäter den ganzen Schadensersatz zu zahlen verpflichtet, der Gläubiger diesen aber nur einmal zu fordern berechtigt ist (§ 421 BGB) und die Erfüllung durch einen in Anspruch Genommenen Mittäter auch zu Gunsten der übrigen Mittäter wirkt (§ 422 BGB), weshalb der Gläubiger in Filesharing-Fällen, in denen ihm aufgrund seiner umfangreichen Ermittlungen im Gegensatz zum beklagten Gesamtschuldner weitere Mittäter bekannt sind und von ihm in Anspruch genommen werden bzw. wurden, zur schlüssigen Darlegung des verfolgten Schadensersatzanspruchs sowie zur Vermeidung einer Überkompensation und letztlich zurückzugewährender Überzahlungen vorzutragen hat, in welchem Umfang die geforderte Leistung bereits durch anderweitig in Anspruch genommene Mittäter bewirkt worden ist.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin bleibt vorbehalten, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zur Vollstreckung kommenden Betrages abzuwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen einer Urheberrechtsverletzung.

Die Klägerin ist Inhaberin ausschließlicher Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem PC-Spiel „Saints Row IV“.

Die Klägerin trägt vor,
dass über den Anschluss des Beklagten am 08.09.2013 eine Datei zum Herunterladen angeboten worden sei, die mit einer über ihren Hashwert identifizierten Datei identisch sei, welche eine funktionsfähige Kopie des eingangs genannten Computerspiels enthalte. Außer dem Beklagten habe an dem fraglichen Tag niemand Zugriff auf seinen Internetanschluss gehabt, auch nicht die Mitglieder der in einer separaten Wohnung in seinem Anwesen lebenden Familie seiner Tochter. Aufgrund des Vorgangs vom September 2013 habe sie den Beklagten am 06.02.2014 erfolglos abgemahnt. Ihr stehe ein Schadenersatzanspruch auf Basis einer fiktiven Lizenzgebühr zu. Daneben sei der Beklagte zur Erstattung der Kosten für die ausgesprochene Abmahnung aus einem Gegenstandswert von 20.000,00 EUR verpflichtet. Die Deckelung des Wertes nach § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG greife nicht, weil diese bei dem hier betroffenen hochpreisigen und erfolgreichen Computerspiel unbillig und nicht mit europarechtlichen Normen in Einklang zu bringen sei.

Die Klägerin beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an sie einen Betrag von 964,60 EUR nebst jährlicher Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.02.2014 zu zahlen;
2. den Beklagten zu verurteilen, an sie einen weiteren Betrag von 900,00 EUR nebst jährlicher Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.02.2014 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor,
er habe das streitgegenständliche Spiel weder ganz noch in Teilen zum Download angeboten und könne dies auch gar nicht, weil er gar keine Computer und auch das Internet nicht nutze. Zum fraglichen Zeitpunkt hätten allerdings seine 2017 verstorbene Ehefrau sowie seine Tochter, deren Ehemann und deren damals 20/21 bzw. 15/16 Jahre alte Kinder mit ihren eigenen Endgeräten selbständig Zugriff auf den auf ihn angemeldeten Internetanschluss gehabt und diesen auch genutzt. Eine Abmahnung habe er 2014 nicht erhalten, sondern sei erst durch den Mahnbescheid vom Dezember 2016 bzw. ein kurz zuvor erhaltenes Schreiben auf die Behauptungen der Klägerin aufmerksam geworden. Unmittelbar danach habe er seine in seinem Anwesen wohnenden Angehörigen ohne Ergebnis zu dem Vorwurf befragt. Ein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten hinsichtlich des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs bestehe schon deshalb nicht, weil die Klägerin diesen Anspruch gar nicht weiterverfolgt habe. Im Übrigen sei der Anspruch verjährt und die Forderung im Hinblick auf die Regelung des § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG, die vom Gesetzgeber eigens wegen massenhafter Abmahnungen in Fällen wie dem vorliegenden geschaffen worden sei, überhöht. Bezüglich des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs berücksichtige die Klägerin nicht, dass die jeweiligen Tauschbörsennutzer lediglich als Gesamtschuldner haften, Zahlungen anderer in Anspruch genommener Nutzer folglich auch gegenüber dem Beklagten schuldbefreiend wirkten.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der von ihnen eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage führt in der Sache nicht zum Erfolg.

1.

In seiner unlängst veröffentlichten Entscheidung vom 06.12.2017 (I ZR 186/16 – „Konferenz der Tiere“ = NJW 2018, 784) hat der Bundesgerichtshof klargestellt, unter welchen Voraussetzungen eine Haftung von Teilnehmern einer Internet Tauschbörse in Betracht kommt und diese Haftung konsequent aus der regelmäßig anzunehmenden Mittäterschaft hergeleitet.

Bis dahin war – soweit das Problem überhaupt erörtert wurde – in Rechtsprechung und Schrifttum jedenfalls unklar und wohl auch umstritten, wie sich beispielsweise der Umstand auswirkt, dass von einem Tauschbörsenteilnehmer allenfalls kleine, für sich genommen unbedeutende oder sogar unbrauchbare, einem urheberrechtlich geschützten Werk zuzuordnende Dateiteile zum Herunterladen zur Verfügung gestellt wurden. Die Unklarheit bestand insbesondere vor dem Hintergrund, dass von Rechteinhabern in sog. Filesharing Fällen regelmäßig Schadensersatz auf Grundlage einer Lizenzanalogie begehrt wird und insofern grundsätzlich vor allem Intensität und Umfang der behaupteten Verletzungshandlung entscheidende Faktoren für die dem Tatrichter nach § 287 ZPO obliegende Schätzung der Höhe eines solchen Anspruchs darstellen (vgl. zum Ganzen etwa LG Frankenthal, ZUM-RD 2016, 648 – „Konferenz der Tiere“; AG Frankenthal, ZUM-RD 2018, 123; Hilgert, MMR 2016, 773, 775).

Nach der jetzt vorliegenden, oben zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung erfordert die Geltendmachung von Ansprüchen gegen Tauschbörsennutzer als Mittäter u.a., dass in zeitlichem Zusammenhang mit dem vom Internetanschluss des in Anspruch Genommenen zur Verfügung gestellten Angebot auch eine vollständige Version des Werkes (oder eines urheberrechtsschutzfähigen Teils davon) in der genutzten Tauschbörse zum Herunterladen angeboten worden ist (BGH a.a.O. Rn. 26 a.E. = NJW 2018, 784, 785/786), weil es ansonsten schon an einer Verletzungshandlung fehlt, zu der der einzelne Teilnehmer als Mittäter einen konkreten Beitrag geleistet haben könnte. Zudem ist zu fordern, dass der in Anspruch Genommene dem betroffenen Werk zuzuordnende Datenpakete zum Herunterladen angeboten (BGH a.a.O. Rn. 12 = NJW 2018, 784), also überhaupt einen objektiven Tatbeitrag geleistet hat.

Da vom weiter erforderlichen bewussten und gewollten Zusammenwirken der anonym handelnden und nicht miteinander bekannten Tauschbörsenteilnehmer u.a. aufgrund der langjährigen medialen Berichterstattung über die Funktionsweise von Internettauschbörsen regelmäßig, d.h. sofern der Einzelfall keine abweichende Annahme rechtfertigt, auszugehen ist (BGH a.a.O. Rn. 27 = NJW 2018, 784, 786 m.w.N. auch zu abw. Auffassungen in Literatur und Rspr.), haften die Teilnehmer bei Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen als Mittäter i.S.d. § 830 BGB. Die sich daraus nach § 840 BGB ergebende gesamtschuldnerische Haftung führt wiederum dazu, dass jeder Mittäter den ganzen Schadensersatz zu zahlen verpflichtet, der Gläubiger diesen aber nur einmal zu fordern berechtigt ist (§ 421 BGB) und zudem die Erfüllung durch einen in Anspruch genommenen Gesamtschuldner auch für die übrigen Gesamtschuldner wirkt (§ 422 BGB). Dabei gehört zur schlüssigen Darlegung der geltend gemachten Schadensersatzforderung wenigstens ein Vortrag, aus dem sich ergibt, inwieweit auf diese Forderung bereits mit Erfüllungswirkung geleistet worden ist. In diesem Zusammenhang hat der Gläubiger sich jedenfalls in Filesharing Fällen, in denen ihm aufgrund seiner umfassenden Recherchen im Gegensatz zum beklagten Gesamtschuldner weitere Mittäter bekannt sind und separat von ihm in Anspruch genommen werden bzw. wurden, auch infolge einer ihn insoweit treffenden sekundären Darlegungslast darüber hinaus dazu zu erklären, welche Personen als Mittäter ermittelt wurden und in welchem Umfang die geforderte Leistung bereits durch anderweitig in Anspruch genommene Mittäter bewirkt worden ist, um eine Überkompensation und letztlich zurückzugewährende Überzahlungen zu vermeiden. Hinzu kommt, dass dem oder den in Anspruch Genommenen nur durch die Bekanntgabe entsprechender Informationen ein Innenregress nach § 426 BGB möglich ist.

2.

Der Vortrag der Klägerin reicht zur Darlegung der oben aufgelisteten Voraussetzungen einer mittäterschaftlichen Haftung des Beklagten nicht aus.

Es fehlt bereits an einer Angabe, in welcher Tauschbörse der monierte Verstoß stattgefunden haben soll. Zudem mangelt es an einem Vortrag dazu, dass in zeitlichem Zusammenhang mit dem nach Behauptung der Klägerin vom Internetanschluss des in Anspruch Genommenen zur Verfügung gestellten Angebot in dieser Tauschbörse auch eine vollständige Version des Werkes (oder eines urheberrechtsschutzfähigen Teils davon) zum Herunterladen angeboten worden ist. Aus der in Bezug genommenen eidesstattlichen Versicherung einer Mitarbeiterin der mit der Ermittlung von der Klägerin beauftragten E. UG (Anl. K4, Bl. 144 d.A.) zur Erfassung des Werkes folgt lediglich, dass im Vorfeld der eigentlichen Ermittlungen gegen Tauschbörsennutzer zu einem nicht näher bezeichneten Zeitpunkt im Internet eine Datei mit einem bestimmten Hashwert gesucht und gesichert wurde, die zweifelsfrei das geschützte Werk in funktionstauglicher Version enthielt, bevor sodann gezielt nach Angeboten dieser über ihren Hashwert identifizierbaren Datei in Tauschbörsen gesucht worden ist. Damit wird aber weder eine Aussage darüber getroffen, dass ein derartiges Angebot in der im konkreten Fall genutzten Tauschbörse (welcher?) vorhanden war, noch, dass dieses Angebot in dem erforderlichen zeitlichen Zusammenhang mit dem behaupteten, über den Anschluss des Beklagten zur Verfügung gestellten Angebot existierte.

Zudem ergibt sich aus der weiter in Bezug genommenen eidesstattlichen Versicherung eines anderen Mitarbeiters der E. UG (Anl. K3, Bl. 133 ff. d.A.), dass über den Anschluss des Beklagten ein Teilstück der dort angebotenen Datei heruntergeladen und bei dem automatisch durchgeführten Abgleich mit der vorab ermittelten Referenzdatei eine Übereinstimmung festgestellt worden sei. Auch dieser Vortrag genügt den oben dargestellten Anforderungen jedoch nicht. Aus ihm erschließt sich nämlich bereits nicht in einer der Beweiserhebung zugänglichen Weise, welche Datenpakete nach den Recherchen der Klägerin über den Anschluss des Beklagten angeboten worden sind bzw. welchen konkreten Inhalt diese aufgewiesen haben, obwohl ein entsprechender Vortrag der Klägerin gemäß ihren eigenen Angaben, nach denen sie den gesamten Netzwerkverkehr samt übermittelter Daten „revisionssicher archiviert“ hat, ohne weiteres möglich sein dürfte. Vor allem aber ist die notwendige Zuordnung der zur Verfügung gestellten Dateninhalte zu dem geschützten Werk so nicht herstellbar. Eine solche Zuordnung ist indes gerade deshalb geboten, weil in Filesharingnetzwerken angebotene Dateien bzw. Dateicontainer schon aus technischen Gründen regelmäßig nicht nur solche Daten enthalten, die auch Bestandteil des geschützten Werkes sind (vgl. AG Frankenthal, ZUM-RD 2018, 123 m.w.N.).

Hinsichtlich des auf Grundlage einer Lizenzanalogie geltend gemachten Schadensersatzanspruchs kommt hinzu, dass die Klägerin trotz des ausführlichen und expliziten Vortrags des Beklagten zu einer möglichen Überkompensation nichts dazu ausführt, in welchem Umfang sie bezüglich der monierten Urheberrechtsverletzung bereits Schadensersatzleistungen durch von ihr ermittelte und in Anspruch genommene Tauschbörsennutzer gefordert und erhalten hat, was nach den obigen Ausführungen unter 1. ebenfalls im Rahmen schlüssigen Vorbringens von ihr zu verlangen ist.

Letztlich erscheint im konkreten Fall zumindest zweifelhaft, ob beim Beklagten von dem nach der eingangs zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich vorauszusetzenden Kenntnisstand über die Funktionsweise von Tauschbörsen und damit von einem bewussten und gewollten Zusammenwirken mit anderen Nutzern im mittäterschaftlichen Sinne ausgegangen werden könnte. Der im März 1941 geborene Beklagte hat dazu unter Hinweis auf sein Alter ausgeführt, dass er weder das Internet nutze, noch überhaupt mit Computern umzugehen wisse. Dies entspricht dem Eindruck, den das Gericht vom Beklagten im Rahmen seiner persönlichen Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung gewonnen hat. Dort hat er u.a. nachvollziehbar erläutert, dass er erst nach Aufklärung durch seinen Rechtsanwalt überhaupt eine ungefähre Vorstellung davon erhalten hat, um was es im vorliegenden Rechtsstreit überhaupt geht.

3.

Die Klage war daher abzuweisen, ohne dass es auf die zwischen den Parteien streitige Frage der Täterschaft des Beklagten und der in diesem Zusammenhang von Klägerseite bestrittenen Zugriffsmöglichkeit der mit dem Beklagten im selben Anwesen lebenden Familienangehörigen auf dessen Internetanschluss am fraglichen Tag ankommt.

4.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11, § 711 ZPO. (…)

 

 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

AG Frankenthal, Urteil vom 18.04.2018, Az. 3c C 27/18

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~