juris GmbH (Saarbrücken): EuGH – 06.06.2018 – C 149/17 – Schlussanträge zum unerlaubten Filesharing

16:55 Uhr

Generalanwalt Marciej Szpunar hat seine Schlussanträge zum möglichen Haftungsausschluss des Inhabers eines Internetanschlusses bei der Möglichkeit des Filesharings durch Familienmitglieder vorgelegt.

Das LG München I ersucht den EuGH um Auslegung des Unionsrechts im Zusammenhang mit der Ahndung von Urheberrechtsverstößen durch Filesharing. Es hat über einen Rechtsstreit zwischen einem deutschen Verlag und Herrn Michael S. zu entscheiden. Der Verlag hat Herrn S. auf Schadensersatz verklagt, weil über seinen Internetanschluss ein Tonträger, an dem der Verlag die Rechte hält, einer unbegrenzten Zahl von Nutzern einer Tauschbörse (Peer-to-Peer) zum Herunterlanden angeboten wurde. Die IP-Adresse wurde von einem Sachverständigen Herrn S. zugeordnet. Herr S. machte u.a. geltend, er könne für die über seinen Internetanschluss begangene Urheberrechtsverletzung nicht haftbar gemacht werden, weil andere Personen, nämlich seine Eltern, ebenfalls Zugriff auf diesen Anschluss hätten.

Nach Ansicht des Landgerichts kann in einem solchen Fall die Rechtsprechung des BGH, wonach der Anschlussinhaber wegen des Schutzes von Ehe und Familie keine näheren Einzelheiten zu Zeitpunkt und Art der Nutzung des Anschlusses mitteilen müsse, einer Verurteilung entgegenstehen.

Das LG München I möchte vor diesem Hintergrund wissen, ob es mit dem sich aus der Richtlinie 2001/29 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der Richtlinie 2004/48 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums ergebenden Erfordernis der Wirksamkeit der zur Durchsetzung der Urheberrechte vorgesehenen Maßnahmen im Einklang steht, dass es dem Inhaber eines Internetanschlusses, über den Verletzungen von Urheberrechten begangen wurden, ermöglicht wird, sich der auf einer Vermutung beruhenden Haftung für diese Verletzungen dadurch zu entziehen, dass er ohne Angabe näherer Einzelheiten ein Familienmitglied benennt, das auch Zugriff auf diesen Anschluss haben soll.

Generalanwalt Szpunar schlägt dem EuGH vor, die Vorlagefragen des LG München I wie folgt zu beantworten:

Art. 8 Abs. 2 der RL 2001/29 und Art. 13 Abs. 1 der RL 2004/48 seien dahin auszulegen, dass sie nicht vorschreiben, im nationalen Recht der Mitgliedstaaten eine Vermutung der Haftung der Inhaber eines Internetanschlusses für über diesen Anschluss begangene Urheberrechtsverletzungen einzuführen. Sehe das nationale Recht jedoch zum Schutz dieser Rechte eine solche Vermutung vor, müsse sie kohärent angewandt werden, um die Wirksamkeit dieses Schutzes zu gewährleisten. Das durch Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannte Recht auf Achtung des Familienlebens könne nicht dahin ausgelegt werden, dass den Rechtsinhabern jede reelle Möglichkeit genommen werde, ihr durch Art. 17 Abs. 2 der Charta der Grundrechte verbürgtes Recht des geistigen Eigentums zu schützen.

Nach Ansicht des Generalanwalts habe das Landgericht zu prüfen, ob Herr S. das Recht auf Schutz des Familienlebens nicht dadurch missbrauche, dass er sich nicht zu dem Zweck darauf berufe, seine Familienmitglieder vor einer etwaigen Haftung für die Urheberrechtsverletzung, mit der sie erkennbar nicht in Verbindung stehen, zu schützen, sondern nur zu dem Zweck, seiner eigenen Haftung für diese Verletzung zu entgehen. Sollte dies der Fall sein, dürfte das Recht auf Schutz des Familienlebens nicht dem Schutz des geistigen Eigentums der Inhaber dieser Urheberrechte im Weg stehen.

 

 

Quelle: Pressemitteilung des EuGH v. 06.06.2018

 

 

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