WALDORF FROMMER: Amtsgericht Nürtingen verurteilt Anschlussinhaber in Filesharingverfahren antragsgemäß – bloßes Nachfragen bei Mitnutzern reicht nicht aus, um klägerische Ansprüche zu erschüttern

00:18 Uhr

Gegenstand des Verfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützter Filmaufnahmen

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Bericht

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Urteil als PDF:
http://news.waldorf-frommer.de/wp-content/uploads/2016/04/AG_N%C3%BCrtingen_10_C_2031_15.pdf

Autorin:
Rechtsanwältin Claudia Lucka

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Vor dem Amtsgerichts Nürtingen behauptete der Anschlussinhaber, seine Ehefrau, seine Schwester sowie deren Ehemann kämen als Nutzer des Anschlusses und somit Täter der unstreitigen Rechtsverletzung in Betracht. Er selbst habe keine Tauschbörsenprogramme genutzt. Obwohl die benannten Personen auf Nachfrage ihre Täterschaft verneint hätten, ändere dies nichts an der Möglichkeit eines alternativen Geschehensablaufs, so der Beklagte. Auch wenn er sich dies nicht vorstellen könne, sei es möglich, dass seine Familienangehörigen ihm nicht die Wahrheit gesagt haben könnten.

Dem Amtsgericht genügten diese Spekulationen nicht um die sekundäre Darlegungslast des Beklagten als erfüllt anzusehen.

Nach Auffassung des Gerichts sei nicht ersichtlich, warum die Mitnutzer als Täter in Betracht kommen sollen:

„Dem Zusatz „und als Täter in Betracht kommen“ ist eine eigenständige Bedeutung beizumessen bei der Beurteilung der Frage, ob der sekundäre Darlegungslast in hinreichendem Maße nachgekommen wurde.“

Zwar habe der Beklagte aufgezeigt, dass es den Mitnutzer möglich gewesen wäre, auf das Internet zuzugreifen. Konkreten Bezug zur Rechtsverletzung konnte dieser Vortrag jedoch nicht herstellen.

„Weitere Nachforschungen dazu, ob diese zu streitgegenständlichen Zeiträumen das Internet auch tatsächlich benutzt haben, und wenn ja, mit welchem der drei infrage kommenden Geräte […], wurden entweder nicht angestellt oder nicht mitgeteilt.“

Da der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast damit nicht nachgekommen ist, verurteilte das Amtsgericht ihn zur Zahlung eines Schadenersatzes in Höhe von 600,00 EUR sowie der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 506,00 EUR.

Gegen den angesetzten Streitwert hatte das Amtsgericht keine Bedenken:

„Nachdem vorliegend vorgerichtlich die Unterlassung der Verbreitung eines aufwändig hergestellten Filmwerks begehrt wurde, hält das Gericht die Annahme eines Gegenstandswerts in Höhe von 10.000,00 Euro für angemessen.“

Eine Begrenzung des Gegenstandswertes auf 1.000,00 Euro gemäß § 97 a Abs. 3 UrhG hielt das Gericht für nicht geboten, weil die Regelung zum Zeitpunkt des Tätigwerdens der Klägervertreter noch nicht in Kraft war. Zudem gelte diese Obergrenze nach Auffassung des Amtsgerichts ohnehin dann nicht, wenn der dort genannte Wert nach den Umständen des Einzelfalls unbillig sei. Solche Umstände lägen hier aber vor:

„Solche Umstände bejaht das Gericht vorliegend deshalb, weil durch das Anbieten eines Filmwerks zum herunterladen im Internet nicht nur eine einmalige, in ihrem Umfang überschaubare Urheberrechtsverletzung gegeben ist, sondern eine solche Rechtsverletzung, welche das Potenzial einer nicht überschaubaren Folge weiterer Urheberrechtsverletzungen in sich trägt.“

Das Berufungsverfahren vor dem Landgericht Stuttgart ist aktuell noch anhängig.

 

Amtsgericht Nürtingen, Urteil vom 01.03.2016, Az. 10 C 2031/15

 

(…) hat das Amtsgericht Nürtingen durch den Richter am Amtsgericht [Name] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 18.12 2015 für Recht erkannt:

1.Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 600,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.11.2014 zu bezahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 506,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.11.2014 zu bezahlen.
3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.106,00 Euro festgesetzt.

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Tatbestand

 

Die Klägerin begehrt vom Beklagten Schadensersatz wegen illegaler öffentlicher Zugänglichmachung ihrer Bild- / Tonaufnahmen gemäß §§ 97 Abs. 2, 19a UrhG.

Die Klägerin wertet nationale und internationale Bild- / Tonaufnahmen in Deutschland exklusiv aus, unter anderem den Film mit dem Titel [Name].

Am 30.05.2012 wurde in den Zeiträumen [Uhrzeit] Uhr bis [Uhrzeit] Uhr, [Uhrzeit] Uhr bis [Uhrzeit] Uhr, [Uhrzeit] Uhr bis [Uhrzeit] Uhr jeweils über ein Filesharing-Netzwerk eine Urheberrechtsverletzung zulasten der Klägerseite begangen, indem dort der oben genannte Film    zum Download angeboten wurde. Diese Urheberrechtsverletzung wurde über den Internetanschluss des Beklagten begangen.

Mit Schreiben der Klägervertreter vom [Datum] wurde der Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe 450,00 Euro sowie zur Zahlung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 506,00 Euro bis zum 01.08 2012 aufgefordert. Nach weiteren Aufforderungen erfolgte schließlich unter dem 13.11.2014 eine Aufforderung, bis zum 20.11.2014 Schadensersatz in Höhe von 600,00 Euro und Rechtsanwaltskosten in Höhe von 506,00 Euro zu bezahlen.

Der Beklagte hat sich vorgerichtlich uneingeschränkt zur Unterlassung zukünftiger Rechtsverletzungen verpflichtet. Zahlungen erfolgten indes nicht

Auf die vorgerichtlichen Zahlungsaufforderungen der Klägerseite, vorgelegt unter Anlage K 4, wird Bezug genommen.

Die Klägerseite behauptet, durch das unberechtigte Bereitstellen des streitgegenständlichen Films durch den Beklagten sei ihr ein vom Gericht zu schätzender Schaden in Höhe von mindestens 600,00 Euro entstanden, wobei sie ihren Schaden nach der Methode der Lizenzanalogie berechnet. Auf die diesbezüglichen Ausführungen der Klägerseite in der Anspruchsbegründung vom 14.09.2015, dort BI. 17 ff. (BI. 24 ff der Gerichtsakte) wird Bezug genommen.

Weiter begehrt die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten aus einem Gegenstandswert von 10.000,00 Euro in Höhe einer 1,0 – Gebühr zuzüglich Auslagenpauschale, mithin 506,00 Euro.

Die Klägerin beantragt
wie aus dem Tenor ersichtlich.

Der Beklagte beantragt
Klagabweisung.

Der Beklagte legt dar, er sei [Zahl]Jahre alt und lebe mit seiner Ehefrau, welche ebenfalls [Zahl] Jahre alt sei, und der gemeinsamen Tochter, welche [Zahl] Jahre alt sei, in einem Einfamilienhaus in [Anschrift]. Dies sei auch schon zum Zeitpunkt der angeblichen Urheberrechtsverletzungen der Fall gewesen. Er arbeite in Festanstellung als [Berufsbezeichnung] ca. 8 Stunden am Tag zwischen 09.00 und 18.00 Uhr. Der auf ihn angemeldete Telefon- und Internetanschluss des Haushalts werde sowohl von ihm als auch von seiner Ehefrau genutzt. Die Internetnutzung erfolge über einen PC im Büro, der über ein Netzwerkkabel mit dem Internet verbunden sei und über einen Laptop, der über WLAN mit dem im Wohnzimmer befindlichen Router Modell „Fritz-Box“ verbunden sei. Dieser sei mit einem persönlichen, 9-stelligen Passwort gegen unbefugte Zugriffe gesichert. Der Ehefrau sei das Passwort bekannt gemacht und die Internetnutzung erlaubt worden. Als Verschlüsselungstechnik habe er im streitgegenständlichen Zeitraum die Methode WPA2 verwendet. Er nutze das Internet vorwiegend in den Abendstunden, tagsüber nur am Wochenende. Nach der Benutzung schalte er den PC und den Laptop immer aus. Er habe zu keinem Zeitpunkt eine Filesharing-Software betrieben bzw. auf seinem PC oder Laptop installiert. Auch habe sich der streitgegenständliche Film zu keinem Zeitpunkt auf den Geräten befunden.

Bis zur Abmahnung der Klägerin habe er keinerlei Veranlassung gehabt, davon auszugehen, dass sein Internetanschluss für Filesharing genutzt worden sei. Seiner Ehefrau habe er, obwohl er dazu nicht verpflichtet sei, über die rechtswidrige Nutzung des Internets durch die Verwendung von Filesharing-Software belehrt. Er gehe davon aus, dass diese sich an Absprachen im Zusammenhang mit der Internetnutzung halte und habe zumindest bis zu der Abmahnung der Klägerin keine Veranlassung gehabt, hieran zu zweifeln. Er könne für die von der Klägerin vorgetragenen Verletzungszeitpunkte eine Nutzung des Computers und des Laptops ausschließen, da er anhand seines Terminkalenders und seiner generellen Gewohnheiten nachvollziehen habe können, was er in dem angegebenen Zeitraum gemacht habe. Am Nachmittag des [Datum] einem regulären Werktag, habe er gearbeitet und sei demzufolge nicht zuhause gewesen. Abends sei er zuhause gewesen und habe den Computer und den Laptop nicht genutzt. Er sei mit seiner Schwester, deren Ehemann und den zwei Kindern der beiden, die zum damaligen Zeitpunkt [Zahl] Jahre alt gewesen seien, zusammen gewesen. Er könne sich noch daran erinnern, weil seine Schwester mit ihrer Familie ihn in dem genannten Zeitraum für mehrere Tage besucht habe. Die Schwester habe damals mit ihrer Familie in Italien gewohnt und habe aufgrund eines Erdbebens ihre Wohnung verlassen. Seine Schwester mit Familie sei bereits am[Datum] bei ihm zuhause angekommen.

Der Beklagte erklärt, es sei nicht auszuschließen, dass seine Ehefrau oder seine Schwester oder deren Ehemann den Internetanschluss zu den Zeitpunkten, in denen eine Rechtsverletzung vorgeworfen werde, genutzt hätten. Seine Ehefrau sei ebenfalls berufstätig und habe abends nach der Arbeit die Möglichkeit, den Internetanschluss mit dem Computer und dem Laptop zu nutzen.

Seine Schwester und deren Ehemann hätten sowohl abends als auch nachmittags die Möglichkeit, den Internetanschluss mit dem Computer und dem Laptop zu nutzen, da sie in der Zeit ihres Besuchs in Deutschland bei dem Beklagten gelebt hätten. Der Beklagte hätte ihnen die Zugangsdaten mitgeteilt und seine Schwester und ihren Ehemann ebenfalls über rechtswidrige Nutzung des Internets durch die Verwendung von Filesharing-Software belehrt. Seine Schwester und ihre Familie hätten ihren eigenen Laptop dabei gehabt, hätten aber auch die Geräte des Beklagten und seiner Ehefrau benutzen dürfen. Was seine Schwester und ihr Ehemann am Nachmittag des [Datum] konkret gemacht hätten, könne er nicht sagen, da er tagsüber bei der Arbeit sei. Vermutlich aber seien sie in seinem Haus gewesen.

Mit Schriftsatz vom 10.12.2015 (BI. 138 ff) teilt der Beklagte Namen und Anschrift der nach wie vor in Italien lebenden Familie seiner Schwester mit. Weiter behauptet der Beklagte, er habe entsprechende Nachforschungen zu der vorgeworfenen Verletzung angestellt. Er habe die eigenen Computer dahingehend untersucht, ob das streitgegenständliche Werk oder eine Filesharing-Software vorhanden sei. Er habe nichts dergleichen vorgefunden. Auf Nachfrage hatten seine Ehefrau, seine Schwester und deren Ehemann die Täterschaft verneint. Dies ändere natürlich nichts an der Möglichkeit eines alternativen Geschehensablaufs, nachdem die Ehefrau, die Schwester und deren Ehemann, auch wenn sich der Beklagte dies nicht vorstellen können, gegebenenfalls nicht die Wahrheit gesagt haben könnten, so dass die Nutzung des Internetanschlusses durch die Ehefrau, die Schwester oder deren Ehemann in Betracht komme.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

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Entscheidungsgründe

 

Die Klage ist zulässig. Insbesondere besteht eine örtlich ausschließliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Nürtingen gemäß §§ 104 a, 105 UrhG. Für den vorliegenden Fall besteht auch keine ausschließliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Stuttgart, nachdem die entsprechende Zuweisung von Urheberrechtsstreitigkeitssachen an dieses Gericht gemäß § 13 Abs. 3 der Zuständigkeitsverordnung Justiz Baden-Württemberg in der ab 01.01.2016 geltenden Fassung nicht für Fälle gilt, die bereits vor Inkrafttreten dieser Fassung anhängig waren.

Die Klage ist auch begründet. Der Beklagte schuldet der Klägerin sowohl Schadensersatz in Höhe von 600,00 Euro als auch Schadensersatz für vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 506,00 Euro gemäß §§ 97, 19a UrhG

1.

Es ist von einer tatsächlichen Vermutung der täterschaftlichen Verantwortlichkeit des Beklagten auszugehen, nachdem der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen, nicht in ausreichendem Maße nachgekommen ist.

Zwar hat der Beklagte vorgetragen, welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten. Der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast ist er damit jedoch nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Anschlussinhaber nicht nur darzulegen, welche andere Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten, sondern darüber hinaus Ausführungen dazu zu tätigen, ob diese als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen (vergl. BGH, Urteil vom 08.01.2014 – I ZR 169/12 – BearShare -). Dem Zusatz „und als Täter in Betracht kommen“ ist eine eigenständige Bedeutung beizumessen bei der Beurteilung der Frage, ob der sekundären Darlegungslast in hinreichendem Maße nachgekommen wurde. Denn wenn sich die Mitteilung darüber, ob die weiteren Personen als Täter in Betracht kommen darin erschöpfen würde, dass deren Namen und die theoretische Möglichkeit, dass diese den Internetanschluss zum streitgegenständlichen Zeitpunkt benutzt haben können, erschöpfen würde, hätte es dieser weiteren Anforderung an die sekundäre Darlegungslast nicht bedurft.

So hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 11.06.2015 – 1 ZR 75/14 – Tauschbörse III – ausgeführt, der Inhaber eines Internetanschlusses werde der sekundären Darlegungslast durch die pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs von im Haushalt lebenden Dritten auf seinen Internetanschluss nicht gerecht.

Zwar hat der Beklagte Ausführungen dazu gemacht, welche konkreten Möglichkeiten des Internetzugriffs seine Ehefrau sowie seine Schwester und deren Ehemann zu den streitgegenständlichen Zeiträumen gehabt hätten. Weitere Nachforschungen dazu, ob diese zu streitgegenständlichen Zeiträumen das Internet auch tatsächlich benutzt haben, und wenn ja, mit welchem der drei infrage kommenden Geräte (in Frage kamen nach dem Beklagtenvortrag der PC des Beklagten, sein Laptop sowie der von seiner Schwester mitgebrachte Laptop), wurden entweder nicht angestellt oder nicht mitgeteilt. Durch die bloße Behauptung, er habe die betreffenden Personen gefragt, ob sie die betreffende Rechtsverletzung begangen hätten, was diese verneint hätten, ist der Beklagte jedenfalls im Hinblick auf seine Darlegungslast nicht in hinreichendem Ausmaß nachgekommen. So hat der Beklagte nicht mitgeteilt, ob er beispielsweise seine Schwester und seinen Schwager dahingehend befragt hat, ob diese die von ihm mitgeteilten Zugangsdaten auch mit ihrem eigenen Laptop verwendet hätten, dies konkret zu den streitgegenständlichen Zeiträumen. Weiter hat er nicht mitgeteilt, ob er die betreffenden Personen dahingehend befragt hat, ob sie das streitgegenständliche Werk kennen, oder ob sie damit vertraut sind, Filme über das Internet herunterzuladen und gegebenenfalls auf welchen Wegen, falls ja, ob sie auch entsprechende Software während ihres damaligen Aufenthalts in Deutschland verwendet haben.

2.

Der Klägerin steht nach der von ihr gewählten Berechnungsmethode der Lizenzanalogie gemäß § 97 Abs. 2 Satz 2 UrhG ein Schadensersatzbetrag von 600,00 Euro zu. Nachdem es für die Bereitstellung eines Films in einer Tauschbörse keine branchenüblichen Vergütungssätze und Tarife gibt, ist die zu zahlende Lizenzgebühr vom Tatrichter gemäß § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach freier Überzeugung zu bemessen (BGH, Urteil vom 11.06.2015 – I ZR 75/14 – Tauschbörse III). Dabei sind an Art und Umfang der vom Geschädigten beizubringenden Schätzgrundlagen nur geringe Anforderungen zu stellen; dem Tatrichter kommt zudem in den Grenzen eines freien Ermessens ein großer Spielraum zu (BGH, a.a.O.).

Ein Schadensersatzbetrag in Höhe von 600,00 Euro ergäbe sich vorliegend bereits dann, wenn man pro Abruf einen Betrag in Höhe von 4,00 Euro ansetzen würde und von 150 Abrufen des Films ausgehen würde. Bei beiden dieser Werten ist jeweils davon auszugehen, dass diese nicht unrealistisch sind. Dies gilt hinsichtlich der Höhe des Betrages von 4,00 Euro bereits aus dem Grund gilt, weil vorliegend nicht lediglich ein Musiktitel angeboten wurde, sondern ein ganzer Film, dessen Herstellung ein vielfaches an Aufwand erfordert als die Herstellung eines einzelnen Musiktitels. Die Anzahl der Abrufe in Höhe von 150 ist aufgrund der Natur der Funktionsweise einer Internet-Tauschbörse ebenfalls als realistisch anzusehen, nachdem auch diejenigen, welche aufgrund der streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzung den Titel heruntergeladen haben, ihrerseits aufgrund ihrer Teilnahme an Tauschbörsen zu einer weiteren Verbreitung des Werks regelmäßig beitragen.

Der Beklagte schuldet auch den Ersatz der geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten. Der Beklagte kann sich dabei nicht darauf berufen, dass die Klägerseite keine konkrete Rechnung vorlegt, zumal die Vorschrift des § 10 RVG ausschließlich im Innenverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant gilt und sich ein Dritter nicht auf die Einrede fehlender Rechnungsstellung berufen kann.

Soweit der Beklagte vorträgt, eine konkrete Honorarvereinbarung zwischen der Klägerin einerseits und ihren anwaltlichen Vertretern andererseits führe dazu, dass die Klägerin tatsächlich gar nicht mit vorgerichtlichen Anwaltskosten belastet sei, handelt es sich offenbar um einen pauschalen Vortrag ins Blaue hinein, für den das Gericht keine konkrete Grundlage erkennen kann.

Nachdem vorliegend vorgerichtlich die Unterlassung der Verbreitung eines aufwendig hergestellten Filmwerks begehrt wurde, hält das Gericht die Annahme eines Gegenstandswerts in Höhe von 10.000,00 Euro für angemessen. Eine Begrenzung des Gegenstandswerts auf 1.000,00 Euro gemäß § 97a Abs. 3 UrhG halt das Gericht hingegen vorliegend zum einen aus dem Grund nicht für geboten, nachdem diese Regelung zum Zeitpunkt des Tätigwerdens der Klägervertreter noch nicht in Kraft war, zum anderen deshalb, da gemäß § 97a Abs. 3 Satz 4 UrhG n.F. die Obergrenze von 1.000,00 Euro dann nicht gilt, wenn der dort genannte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalles unbillig ist. Solche besonderen Umstände bejaht das Gericht vorliegend deshalb, weil durch das Anbieten eines Filmwerks zum herunterladen im Internet nicht nur eine einmalige, in ihrem Umfang überschaubare Urheberrechtsverletzung gegeben ist, sondern eine solche Rechtsverletzung, welche das Potenzial einer nicht überschaubaren Folge weiterer Urheberrechtsverletzungen in sich trägt.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

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Rechtsbehelfsbelehrung:

 

Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 Euro übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem

Landgericht Stuttgart
Urbanstraße 20
70182 Stuttgart

einzulegen. (…)

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AG Nürtingen, Urteil vom 01.03.2016, Az. 10 C 2031/15

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