Amtsgericht Köln: Sekundäre Darlegungslast in Filesharing Klagen

20:58 Uhr

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Wer geglaubt hat, die Tauschbörsen-Entscheidungen des BGH vom 11.06.2016 würden den Amts- und Landgerichten, die sich mit Filesharingklagen befassen müssen, die Arbeit erleichtern und als Blaupause für das Durchwinken von geltend gemachten Ansprüchen dienen, sieht sich eines Besseren belehrt. Das Amtsgericht Köln hat sich in einer von mir erstrittenen Entscheidung ausführlich mit der Rechtsprechung des BGH auseinandergesetzt und die von der Kanzlei c-law GbR angestrengte Klage auf Schadensersatz wegen angeblichen Anbietens des Filmes [Name] abgewiesen, weil die Beklagte darlegen konnte, dass sie während der vermeintlichen Tatzeit im Ausland war und der Internetanschluss von WG-Bewohnern genutzt worden war.

Das Gericht führt auf sieben Seiten ausführlich aus, wie es die Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast sieht und dass die Beklagte ihnen nachgekommen ist und weder als Täterin noch als Störer in Anspruch genommen werden kann.

Das Urteil vom 15.02.2016 – 137 C 17/15 – im Volltext (noch nicht rechtskräftig):

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AG Köln, Urteil vom 15.02.2016, Az.137 C 17/15 (Volltext)

 

(…) hat das Amtsgericht Köln auf die mündliche Verhandlung vom 25.01.2016 durch den Richter [Name] für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

 

Mit der nach Durchführung des Mahnverfahrens zunächst am 24.11.2014 bei dem Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt eingegangene Klage begehrt der Kläger von der Beklagten Lizenzschadensersatz und Abmahnkosten für eine streitige Urheberverletzung durch Filesharing.

Von einem Internetanschluss wurde am 19.02.2014 der Film [Name] in einem Peer-to-Peer-Netzwerk im Wege des Filesharing anderen Nutzern dieses Netzwerkes zum kostenlosen Herunterladen angeboten.

Mit Schreiben vom 05.03.2014 wandte sich der Kläger an die Beklagten und mahnte diese aufgrund dieser Urheberverletzung unter Zugrundelegung eines Gebührenstreitwertes von 1.735,00 EUR ab. Die hierdurch entstandenen Anwaltskosten in Höhe von 215,00 EUR verlangt dieser nunmehr von der Beklagten ersetzt. Darüber hinaus macht er einen Lizenzschaden von mindestens 735,00 EUR geltend.

Der Kläger trägt vor, alleiniger Rechteinhaber des streitgegenständlichen Werks zu sein. Der Film sei unter der zutreffend und zuverlässig ermittelten und der Beklagten zuzuordnenden IP-Adresse im Wege des Filesharing durch diese zum Herunterladen angeboten worden; wegen der weiteren Einzelheiten seines Vortrages wird auf die Schriftsätze Bezug genommen.

Der Kläger beantragt die Beklagte zu verurteilen, an ihn
1. einen Schadensersatz in Höhe von 735,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit sowie
2. Rechtsanwaltskosten in Höhe von 215,00 EUR nebst Zinsen in Hohe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt.
die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet, die Rechtsverletzung begangen zu haben. Im streitgegenständlichen Zeitraum habe sie sich im Ausland befunden. Es hatten neben ihrem Zwischenmieter auch zwei weitere Bewohner ihrer Wohngemeinschaft selbstständigen Zugriff auf den Router gehabt. Dieser sei ausreichend gesichert gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten ihres Vortrages wird auf ihre Schriftsätze Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 13.07.2015 durch Vernehmung von Zeugen. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll des Amtsgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt vom 20.10.2015 (BI. 182 ff. d.A.) Bezug genommen. Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und sonstigen Aktenbestandteilen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 

Die zulässige Klage ist unbegründet, denn jedenfalls gelingt dem darlegungs- und beweisbelasteten (dazu unten) Kläger der Nachweis einer Urheberverletzung der Beklagten nicht, so dass ein Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz nach Lizenzanalogie (§ 97 Abs. 2 S. 3 UrhG) nicht besteht. Das Gericht geht nicht davon aus, dass die Beklagte den streitgegenständlichen Film [Name] am 19.02.2014 in einem Peer-to-Peer-Netzwerk im Wege des Filesharing anderen Nutzern dieses Netzwerkes zum Herunterladen angeboten hat, so dass offenbleiben kann, ob der Kläger tatsächlich Rechteinhaber ist, bzw. die Ermittlung der IP-Adressen bzw. die Zuordnung zum Anschluss der Beklagten fehlerfrei erfolgt ist. Im Einzelnen gilt Nachfolgendes.

Der BGH führt zuletzt im Urteil vom 11.06.2015 (Az. 1 ZR 75/14 „Tauschbörse III“) aus:

„Die Klägerinnen tragen nach den allgemeinen Grundsätzen als Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs erfüllt sind. Danach ist es grundsätzlich ihre Sache, darzulegen und nachzuweisen, dass der Beklagte für die von ihnen behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich ist (BGH, Urteil vom 15. November 2012 – 1 ZR 74/12, GRUR 2013, 511 Rn. 32 = WRP 2013. 799 – Morpheus; Urteil vorn 8. Januar 2014 – I ZR 169/12, BGHZ 200. 76 Rn. 14 – BearShare). Allerdings spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen Internetanschluss benutzen konnten. Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. In diesen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses jedoch eine sekundäre Darlegungslast. Diese führt zwar weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessualen Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen verpflichtet. Entspricht der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache der Klägerinnen als Anspruchsteller, die für eine Haftung des Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen (BGHZ 200, 76 Rn. 15 ff. – BearShare, mwN) (BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 75/14 Rn. 37, juris). Der Inhaber eines Internetanschlusses, über den eine Rechtsverletzung begangen wird, genügt seiner sekundären Darlegungslast im Hinblick darauf, ob andere Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten, nicht dadurch, dass er lediglich pauschal die theoretische Möglichkeit des Zugriffs von in seinem Haushalt lebenden Dritten auf seinen Internetanschluss behauptet (Fortführung von BGH, Urteil vom 8. Januar 2014, 1 ZR 169/12, BGHZ 200, 76 – BearShare) (BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 75/14 -, Leitsatz, juris).“

Es stellt sich aber durchaus die Frage, ob diese Überlegungen im Ausgangspunkt zwingend sind und ob einer etwaigen sekundären Darlegungslast bereits dadurch genüge getan wird, dass (substantiiert) vorgetragen wird, ob und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zum Internetanschluss neben dem Anschlussinhaber hatten (so wohl BGH, Urteil vom 8. Januar 2014 – I ZR 169/12. Rn. 18 juris: BGH. Urteil vorn 11. Juni 2015 – I ZR 75/14 – Rn. 37. juris) oder, ob – Im Streitfall – auch diese Umstände seitens des Anschlussinhabers bewiesen werden müssen (so OLG Köln, Urteil vom 20. Dezember 2013 – 1-6 U 205/12, 6 U 205/12 Rn. 38, juris; wohl eher auch BGH, Urteil vom 12.05.2010, I ZR 121/08, Rn. 12, juris).

Zunächst ist hierbei zu berücksichtigen, dass weder der Begriff der tatsächlichen Vermutung, noch der Begriff der sekundären Darlegungslast gesetzlich normiert sind. Zwar kennt das Gesetz den Fall der gesetzlichen Vermutung in Sinne des § 292 ZPO (so etwa in §§ 1253 Abs. 2, 1117 Abs. 3 BGB), mit der Konsequenz, dass mit Vorliegen der Voraussetzung einer Tatsachenvermutung, eine Umkehr der objektiven Beweislast einhergeht; es handelt sich also um eine echte Beweislastnorm. Der Vermutungsgegener hat hiernach den Hauptbeweis für das Nichtvorliegen der vermuteten Tatsachen zu führen. Allerdings besteht zutreffender weise Einigkeit darüber, dass § 292 ZPO auf tatsächliche Vermutungen weder unmittelbar noch entsprechend abwendbar ist (vgl. Laumen. MDR 2015, 1-6. m.w.N.). Tatsächlich ist die dogmatische Herleitung, der im Spannungsfeld zwischen Beweiswürdigung und Beweislast angesiedelten Rechtsfigur (ebenda), keinesfalls klar oder auch nur einheitlich in ihrer Ausprägung.

So besteht zwar im Ausgangspunkt Einigkeit dahingehend, dass eine tatsächliche Vermutung auf Sätze der Lebenserfahrung zurückzuführen sein sol. Erforderlich sei ein Satz der alltäglichen Lebenserfahrung, dessen Wahrscheinlichkeit so hoch ist, dass er eine entsprechende Schlussfolgerung auch im konkreten Einzelfall zulässt (Laumen a.a.O. m.w.N.), wobei hierdurch jedoch der Tatrichter weder davon entbunden Ist zu prüfen, ob und welche Sätze der Lebenserfahrung er verwenden will, noch ob der Beweiswert eines bestimmten Erfahrungssatzes stark genug ist, um mit seiner Hilfe einen Beweis als geführt anzusehen, respektive ob die Gegenseite Tatsachen vorgetragen hat, die die Heranziehung des Erfahrungssatzes wieder infrage stellen können. Dies erscheint vorliegend durchaus kritisch, denn ob eine tatsächliche Vermutung gegen den Anschlussinhaber streitet, wenn doch nur allzu häufig neben diesem weitere Personen – oft Familienangehörige – den Anschluss nutzen können, erscheint zumindest bei nicht allein lebenden Personen fraglich.

Ob der Vermutung, der Anschlussinhaber habe selbst eine solche Verletzung begangen, unter diesem Gesichtspunkt tatsächlich fundierte Erfahrungsgrundsätze zugrunde liegen, dürfte zumindest und auch bereits im Ausgangspunkt zu hinterfragen sein. Doch unterstellt eine gesetzliche Vermutung streite gegen den Anschlussinhaber. ist weiterhin fraglich, welche Rechtsfolgen hieraus erwachsen. Die höchstrichterliche Rechtsprechung ist hierbei keinesfalls einheitlich.

So soll eine Urkunde die tatsächliche Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit in sich tragen, mit der Konsequenz, dass die Partei, die sich auf außerhalb des Urkundentextes hegende Umstände beruft, sowohl die Darlegungs- als auch die Beweislast für das Vorliegen trifft; insoweit handelt es sich also um eine echte Beweislastregel, die zur Umkehr der objektiven Beweislast führt (BGH, Urteil vom 05.072002 – V ZR 143/01, Rn. 7. juris m.w.N.). Bei der Verletzung vertraglicher Aufklärungs-, Hinweis- oder Beratungspflichten im Rahmen von Anwalts-, Notar- und Steuerberaterverträgen soll eine tatsächliche Vermutung für ein aufklärungsrichtiges Verhalten des Mandanten bestehen. Diese habe indes keine Beweislastumkehr zur Folge, sondern bilde einen Fall des – ebenfalls gesetzlich nicht normierten – Anscheinsbeweises, welcher durch einen Gegenbeweis entkräftet werden könne, nämlich durch den Nachweis von Tatsachen, die für ein atypisches Verhalten des Mandanten im Falle pflichtgemäßer Beratung sprechen (Laumen. a.a.O. m.w.N.). In vorliegenden Fallkonstellationen streite eine tatsächliche Vermutung gegen den Anschlussinhaber (9o.), mit der Konsequenz einer sekundären Darlegungslast, die indes weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers führe, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen (BGH, Urteil vorn 08.01.2014 – I ZR 169/12 Rn. 18, juris; BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 75/14 -, Rn. 37.

Im Schrifttum wird indes überwiegend jedweder Einfluss von tatsächlichen Vermutungen auf die Verteilung der objektiven Beweislast abgelehnt. In ihnen komme lediglich Erfahrungswissen zum Ausdruck, welches ausschließlich Bedeutung im Rahmen der Beweiswürdigung erlangen könne und zwar entweder als bloßes Indiz oder – bei besonders starken Sätzen der Lebenserfahrung – als Anscheinsbeweis (Laumen, a.a.O. m.w.N.). Dieser Auffassung ist insoweit zuzuhalten, dass nicht ohne weiteres durch nicht normierte Erfahrungssätze einer Partei die Beweislast – die ihr grds. gesetzlich zukommt – ganz abgenommen oder sie von vornherein der anderen Partei auferlegt wird. Es ist nicht Aufgabe der Rechtsprechung sich faktisch an die Stelle des Gesetzgebers zu setzen.

Insoweit ist es jedenfalls folgerichtig, dass den Anschlussinhaber keine Beweislast im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast trifft. Hat dieser Umstände dargetan, die es dem ursprünglich beweisbelasteten Anspruchsstellers ermöglichen, seinen Vortrag darzulegen und zu beweisen. ist es auch an diesem, die für eine Haftung des Anschlussinhabers als Täter einer Urheberverletzung sprechendenden Umstände darzulegen und zu beweisen. Der Umstand, dass in den vorliegenden Fallkonstellationen es u.U. häufig dazu kommen mag, dass Zeugen ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, führt nicht dazu, dass es zur Herstellung einer prozessualen Waffengleichheit erforderlich wäre, von der gesetzlichen Beweislastverteilung abzuweichen.

Den hiernach erwachsenden Anforderungen der tatsächlichen Darlegung ist die Beklagte nachgekommen, indem diese substantiiert und unter Vorlage entsprechender Anlagen vorgetragen hat, dass sie selbst im Zeitpunkt der Verletzungshandlung und auch Ober einen erheblichen Zeitraum nicht in Deutschland gewesen ist, ihr WG-Zimmer vielmehr untervermietet hatte und neben diesem Untermieter auch zwei weitere Mitmieterinnen selbstständigen Zugriff auf den WLAN-Router hatten, wobei diese auf Nachfrage angegeben hatten, die streitige Urheberverletzung nicht begangen zu haben. Damit ist die Beklagte ihrer Darlegungslast zum Vortrag, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu (seinem) Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen“ nachgekommen. Die Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast dürfen hierbei nicht überspannt werden. Dies ergibt sich aus den einleitenden Satz des diesbezüglichen Absatzes des „BearShare“-Urteils, in dem klargestellt wird, „dass die sekundäre Darlegungslast (…) weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer Ober die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers führt, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen“. Der Bundesgerichtshof hat sich zu dieser klarstellenden Einleitung veranlasst gesehen, obwohl in dem von ihm entschiedenen „BearShare“-Fall feststand, welche Person der Täter war. Insbesondere darf dem Inhaber eines Internetanschlusses kein Vortrag abverlangt werden, von dem kein Erkenntnisgewinn zu erwarten ist. Demnach dürfen keine zu hohen Anforderungen an den Vortrag zum Internet-Nutzungsverhalten der Personen, die selbstständigen Zugang zum Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen, gestellt werden. Es liegt auf der Hand, dass der Anschlussinhaber das Nutzungsverhalten anderer Personen mit selbstständigem Zugang zum Internetanschluss nicht konkret beschreiben, sondern dazu nur vage Angaben machen kann, die sich auf Zufallsbeobachtungen und Angaben dieser anderen Personen stützen müssen. Insoweit ist der Anschlussinhaber im Rahmen seiner Nachforschungspflicht ohnehin gehalten, diese anderen Personen zu der Rechtsverletzung zu befragen. Darauf, ob ihm von diesen Personen zutreffende Auskünfte erteilt werden, hat er wenig bis keinen Einfluss. Sollten ihm bezüglich der Rechtsverletzung unwahre Angaben gemacht werden, ist nicht zu erwarten, dass die Angaben, die er hinsichtlich des sonstigen Nutzungsverhaltens erhielte, weiteren Erkenntnisgewinn versprächen. Darüber hinaus wäre auch der Erkenntnisgewinn aus zutreffenden und umfangreichen Angaben zum Nutzungsverhaften eines Dritten sehr gering bis nicht existent: Genauso wenig, wie sich der Anschlussinhaber damit entlasten kann, er käme wegen seines Internet-Nutzungsverhalten nicht als Täter in Betracht können aus dem Internet-Nutzungsverhalten einer anderen Person zuverlässige Schlüsse auf dessen etwaige Täterschaft gezogen werden.

Dem hiernach beweisbelasteten Kläger gelingt dieser Nachweis nicht, denn die benannten und vernommenen Zeuginnen gaben nachvollziehbar und übereinstimmend an, dass diese mit der Beklagten zusammen in einer Wohngemeinschaft gelebt haften und jeder Zugriff zum Internetanschluss über den passwortgesicherten Router hatten.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung aus § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG a.F. Ein derartiger Anspruch ergibt sich weder aus einer Täterschaft der Beklagten (s.o.) noch unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung. Da sich der Kostenerstattungsanspruch letztlich aus dem Unterlassungsanspruch nach § 97 Abs. 1 UrhG ableitet, kann auch der Störer auf Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch genommen werden. Zur Störerhaftung hat der Bundesgerichtshof in der „BearShare“-Entscheidung Folgendes ausgeführt (zitiert nach juris, Rn. 22):

„aa) Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt. Dabei kann als Beitrag auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der Inanspruchgenommene die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte. Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die weder als Täter noch als Teilnehmer für die begangene Urheberrechtsverletzung in Anspruch genommen werden können, setzt die Haftung als Störer nach der Rechtsprechung des Senats die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfungspflichten, voraus.“

Vorliegend ergibt sich eine Störerhaftung nicht daraus, dass die Beklagte ihren Internetanschluss ihren Mitbewohnern bzw. ihrem Untermieter zur Verfügung gestellt hat, wobei dahinstehen mag, ob sie diese vor der streitgegenständlichen Rechtsverletzung über die Rechtswidrigkeit der Teilnahme an Filesharing hinsichtlich urheberrechtlich geschützter Werke belehrt hat. Auch insoweit wird auf die Ausführungen des Bundesgerichtshofs a.a.O. Bezug genommen:

„Ob und inwieweit dem als Störer Inanspruchgenommenen eine Verhinderung der Verletzungshandlung des Dritten zuzumuten ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung seiner Funktion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat (BGHZ 185, 330 Rn. 19 – Sommer unseres Lebens; BGH, GRUR 2013, 511 Rn. 41 Morpheus; BGH, Urteil vom 16. Mai 2013 – I ZR 216111, GRUR 2013, 1229 Rn. 34 = WRP 2013. 1612 – Kinderhochstühle im Internet II, mwN).

[…]

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war es dem Beklagten nicht zuzumuten, seinen volljährigen Stiefsohn ohne konkrete Anhaltspunkte für eine bereits begangene oder bevorstehende Urheberrechtsverletzung über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Tauschbörsen aufzuklären und ihm die rechtswidrige Nutzung entsprechender Programme zu untersagen. Der Inhaber eines Internetanschlusses ist grundsätzlich nicht verpflichtet, volljährige Familienangehörige über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen oder von sonstigen Rechtsverletzungen im Internet zu belehren und Ihnen die Nutzung des Internetanschlusses    zur rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen oder zu sonstigen Rechtsverletzungen im Internet zu verbieten, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für eine solche Nutzung bestehen. Da der Beklagte nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen keine Anhaltspunkte dafür hatte, dass sein volljähriger Stiefsohn den Internetanschluss zur rechtswidrigen Teilnahme an Tauschbörsen missbraucht, haftet er auch dann nicht als Störer für Urheberrechtsverletzungen seines Stiefsohns auf Unterlassung, wenn er ihn nicht oder nicht hinreichend belehrt haben sollte.

[…]“

Das Gericht folgt diesen zutreffenden Ausführungen, wobei es davon ausgeht, dass dies nicht nur für volljährige Familienangehörige gilt. Es sind nach Auffassung des Gerichts keine Anhaltspunkte für eine solche Differenzierung erkennbar, denn die Frage, insbesondere der Eigenverantwortung hängt nicht entscheidend vom Verwandtschaftsgrad, sondern von der tatsächlichen Reife des Dritten ab.

Der WLAN-Zugang der Beklagten war auch ausreichend gesichert, so dass ein der Beklagten zuzurechnender missbräuchlicher Zugriff durch einen unbekannten Dritten nicht in Betracht kommt. Das Gericht ist nach Durchführung der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Zugang jedenfalls durch ein entsprechendes Passwort gesichert war. Dass die Beklagte hierzu keine weitergehenden Angaben zum Router-Typ bzw. der konkreten Sicherung machen konnte, ist vorliegend unbeachtlich, da unstreitig der Router nicht mehr vorhanden ist, so dass darüber hinausgehende Angaben nicht gemacht werden konnten. Eine Parteivernehmung der Beklagten konnte hiernach unterbleiben, da das Gericht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme bereits hinreichend überzeugt ist, so dass eine Parteivernehmung bereits unzulässig gewesen wäre (vgl. Greger, in Zöller ZPO 29. Aufl. 2012 § 445 Rn. 4).

Die Zinsforderung teilt das Schicksal der Hauptforderung.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert 950.00 EUR. (…)