WALDORF FROMMER: Das Amtsgericht München gibt Klage nach Einholung eines umfangreichen Sachverständigen Gutachtens statt – erneut keine Zweifel an der Richtigkeit der Ermittlungen

19:30 Uhr

Gegenstand des Verfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützter Filmaufnahmen

 

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Bericht

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Urteil als PDF:
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Autorin:
Rechtsanwältin Carolin Kluge

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In diesem Verfahren hatte sich der beklagte Anschlussinhaber zunächst darauf beschränkt, die Ermittlung der Rechtsverletzung und die Zuordnung der Rechtsverletzung zu seinem Internetanschluss zu bestreiten. Denn in seinem Haushalt könne es „niemand“ gewesen sein. Er selbst habe zu den streitgegenständlichen Zeiten wohl geschlafen.

Das Amtsgericht München hat daraufhin ein aufwändiges und kostenintensives Sachverständigengutachten zur Richtigkeit der Ermittlungen erstellen lassen. Dieses Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass der Klägerin der Nachweis der Rechtsverletzung vollumfänglich gelungen war: Es bestünden keinerlei Zweifel an der generellen Zuverlässigkeit der eingesetzten Ermittlungssoftware. Darüber hinaus konnte der Sachverständige durch die Auswertung der konkreten Netzwerkmitschnitte zweifelsfrei verifizieren, dass zu den ermittelten Zeiten tatsächlich das konkrete Werk über die ermittelten IP-Adressen in einer Tauschbörse angeboten worden ist.

Auch das Amtsgericht war daraufhin davon überzeugt, dass die Rechtsverletzung tatsächlich über den Internetanschluss des Beklagten vorgenommen wurde. Die ordnungsgemäße Ermittlung der Rechtsverletzung wurde durch das Gutachten zur Überzeugung des Gerichts bestätigt. Eine fehlerhafte Zuordnung der Rechtsverletzung zu dem Internetanschluss des Beklagten scheidet bei einer mehrfachen Zuordnung, die vom Provider jeweils unabhängig voneinander vorgenommen wird, bereits aus mathematischen Gründen aus; ein bloßes Bestreiten der ordnungsgemäßen Zuordnung reiche insoweit jedenfalls nicht.

Der beklagte Anschlussinhaber versuchte zwar nach Erhalt des Sachverständigengutachtens noch, seinen Vortrag zu relativieren und führte u.a. aus, nicht konkret zu wissen, wer die Rechtsverletzung über seinen Internetanschluss begangen haben könnte. Das Amtsgericht München ließ die Spekulationen des Anschlussinhabers nicht mehr zu und verurteilte diesen zur Zahlung der geforderten Beträge in voller Höhe. Die Kosten für das Gutachten in Höhe von mehreren tausend Euro müssen als Kosten des Verfahrens nun ebenfalls vom Beklagten beglichen werden.

 

Amtsgericht München, Urteil vom 25.05.2016, Az. 171 C 24217/13

 

(…) erlässt das Amtsgericht München durch den Richter am Amtsgericht [Name] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 13.04.2016 und vom 24.06.2015 folgendes

 

Endurteil

 

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.106,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit [Name] zu zahlen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

 

Beschluss

 

Der Streitwert wird auf 1.106,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

 

Die Parteien streiten um einen Anspruch auf Aufwendungs- und Schadensersatz der Klägerin gegen den Beklagten wegen der unerlaubten Verwertung eines urheberrechtlich geschützten Filmwerks.

Die Klägerin verfüge über die ausschließlichen Nutzungs- bzw. Verwertungsrechte für die Bundesrepublik Deutschland an dem Filmwerk [Name].

Zwischen den Parteien ist darüber hinaus der größte Teil des entscheidungsrelevanten Sachverhalts umstritten.

Die Klägerin behauptet:

Zur Feststellung von Urheberrechtsverletzungen bezüglich dieses Filmes habe die Klägerin die Firma ipoque GmbH (ipoque) mit der Überwachung von so genannten Internettauschbörsen beauftragt, welche zu diesem Zweck das „Peer-to-peer Forensic System (PFS)“ verwendet habe.

Die Firma ipoque habe hierbei ermittelt, dass am [Datum] um [Uhrzeit] Uhr, von [Uhrzeit] Uhr bis [Uhrzeit] über die IP-Adresse [IP], dass ebenfalls am [Datum] bis [Uhrzeit] Uhr über die IP-Adresse [IP] sowie dass ebenfalls am [Datum] von [Uhrzeit] Uhr über die IP-Adresse [IP] der streitgegenständliche Film im Rahmen einer Internettauschbörse unter Einschaltung der Software „BitTorrent“ angeboten worden sei.

Auf Grundlage dieser Zeiten sei seitens der Klägerin das zivilrechtliche Gestattungsverfahren beim Landgericht Flensburg gemäß § 101 Abs.9 UrhG unter den Aktenzeichen 5 0 49/10 durchgeführt worden. Im Rahmen der Auskunftserteilung durch den Provider „Versatel“ sei der Klägerin mitgeteilt worden, dass am [Datum] um [Uhrzeit] Uhr, um [Uhrzeit] Uhr, um [Uhrzeit] Uhr die IP Adresse [IP], dass am [Datum] um [Uhrzeit] Uhr und um [Uhrzeit] Uhr die IP-Adresse [IP], sowie dass am [Datum] um [Uhrzeit] Uhr und um [Uhrzeit] Uhr die IP-Adresse [IP] dem Beklagten als Anschlussinhaber zugeordnet gewesen sei Diese Mitteilung sei inhaltlich zutreffend.

Der Beklagte wurde daraufhin durch Schreiben der Klägervertreter vom [Datum] (Anlage K4-1) wegen des illegalen Angebots des Films [Name] einer Internettauschbörse abgemahnt. Er wurde zur Abgable einer Unterlassungserklärung und Zahlung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 506,00 EUR und Schadensersatz in Höhe von 450,00 EUR aufgefordert. Der Beklagte reagierte auf dieses Schreiben nicht. Der Beklagte reagierte seinerseits mit dem Schreiben vom [Datum] (Anlage K4-2) und wies die Forderungen zurück. Mit Schreiben vom [Datum] (Anlage K4-3) forderten die Klägervertreter die Abgabe der geforderten Unterlassungserklärung bis zum [Datum]. Der Beklagte reagierte seinerseits mit dem Schreiben vom [Datum] (Anlage K4-4) und wies die Forderung erneut zurück. Ob weitere Schreiben, nämlich die vom [Datum] (Anlage K4-5) und vom [Datum] (Anlage K4-6 und Anlage K4-7), von den Klägervertreter an den Beklagten versandt wurden und ob diese dem Beklagten zugegangen sind, ist streitig. Unstreitig ist wiederum, dass der Beklagte die Schreiben der Klägervertreter vom [Datum] (Anlage K4-9) und vom [Datum] (Anlage K4-10) erhalten hat. Mit letzterem Schreiben wurde der Beklagte zur Zahlung von 1.106,00 EUR – einen Schadensersatzbetrag in Höhe von 600,00 Euro beinhaltend – zum [Datum] unter Ankündigung der Einleitung gerichtlicher Schritte aufgefordert. Mit anwaltlichen Schreiben vom [Datum] (Anlage K4-11) bestellte sich der jetziger Prozessbevollmächtigte für den Beklagten. Er wies die Geldforderungen der Klägerin zurück. Dem Schreiben beigefügt war eine so genannte qualifizierte Unterlassungserklärung des Beklagten.

Die Klägerin behauptet weiter,

die Feststellungen der von ihr eingeschalteten Firma ipoque seien de lege artis erfolgt und belegten, dass in dem genannten Zeitraum von dem Internetanschluss des Beklagten das fragliche Filmwerk in der Internettauschbörse „BitTorrent“ zum Herunterladen angeboten worden sei. Ferner sei die vom Internetprovider Versatel erteilte Auskunft, dass die drei dokumentierten IP-Adressen jeweils dem Anschluss des Beklagten zuzuordnen gewesen seien, zutreffend.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass sich auf Grund der Ermittlungen der Firma ipoque und der Auskünfte von Versatel ergebe, dass über den Internetanschluss des Beklagten zu den angegebenen Zeitpunkten Urheberrechtsverletzungen an dem streitgegenständlichen Film stattgefunden haben. Der Beklagte, dessen Verantwortlichkeit als Anschlussinhaber vermutet werde, sei verpflichtet die Anwaltskosten und den Schadensersatz zu bezahlen. Hinsichtlich der anwaltlichen Kosten der Abmahnung seien zum einen ein Gegenstandswert von 10.000,00 EUR und zum anderen eine Geschäftsgebühr von 1,0 angemessen.

Die Klägerin beantragt:

Die Beklagtenseite wird verurteilt an die Klägerseite

1. einen angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 600,00 EUR betragen soll, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21.12.2012 sowie
2. den Betrag in Höhe von 506,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21.12.2012 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage.

Der Beklagte bestreitet die streitgegenständliche Rechtsverletzung begangen zu haben. Er sei zum damaligen Zeitpunkt verheiratet gewesen und habe mit seiner Ehefrau und den zwei gemeinsamen Kindern im Alter von 2 und 5 Jahren zusammengelebt. Seine Ehefrau habe selbstständigen Zugriff auf das Internet gehabt. Auch Besuchern der Familie sei der Zugriff auf das Internet über das WLAN-System regelmäßig erlaubt worden. Sie seien aber darauf hingewiesen worden, keine rechtswidrigen Handlungen zu begehen. Das WLAN-System sei wie folgt aufgebaut gewesen: Modem und Router seien zwei getrennte Geräte gewesen, es habe sich um Standardgeräte gehandelt, die von dem Provider Versatel zur Verfügung gestellt worden seien. Die Einrichtung sei durch Mitarbeiter von Versatel vorgenommen worden. Der Zugriff sei kennwortgesichert gewesen nach einem unbekannten Standard. Das Passwort sei nach erfolgter Einrichtung nicht geändert worden. Der Haushalt habe nur über einen internetfähigen Rechner verfügt und über keine weiteren internetfähigen Endgeräte, mit Ausnahme des Firmenhandys des Beklagten. Die Ehefrau des Beklagten haben den Rechner aber nicht genutzt, um ins Internet zu gehen.

Auf dem Rechner seien weder der streitgegenständliche Film, auch nicht in Teilen, vorhanden noch ein P2P-Client installiert gewesen. Nach Erhalt der Abmahnung habe der Beklagte den Rechner insoweit untersucht. Der Beklagte habe keine so genannten Filesharing-Programme genutzt. Mangels verfügbarer Log-Files des Routers könne er nicht mehr nachvollziehen, welcher der Hausgenossen oder Besucher den fraglichen Anschluss genutzt habe.

Die Internetverbindung zum fraglichen Zeitpunkt sei sehr langsam gewesen. Schon große Bilddateien hätten kaum heruntergeladen werden können. Bei Uploads sei die Situation noch schlechter gewesen. Der konkrete Geschehensablauf am [Datum] könne nicht mehr nachvollzogen werden. Nach Erhalt der Abmahnung habe der Beklagte versucht nachzuvollziehen, wer sich in seinem Haus aufgehalten habe Er habe in seinen Kalender geschaut. Es habe sich um einen Samstag gehandelt, so dass er davon ausgehe, dass er um 5 Uhr morgens geschlafen habe.

Die Zutreffenheit der Ermittlungen der Firma ipoque bestreitet der Beklagte mit Nichtwissen, ebenso wie die Zutreffenheit der Zuordnung der ermittelten IP-Adressen zu seinem Internetanschluss.

Die beklagte Partei argumentiert zunächst, die Klage sei bereits unzulässig. Das Amtsgericht München sei örtlich nicht zuständig. Insoweit darf auf den Schriftsatz vom 13.11.2013 verwiesen werden.

Die Klage sei nicht geboten gewesen. Das Abmahnschreiben vom [Datum] (Anlage K4-1) und die Korrespondenz der Klägerin genüge nicht den an eine Abmahnung zu stellenden Mindestanforderungen. Dazu gehöre, dass der Abmahnende seine Sachbefugnis darlege, insbesondere weshalb er sich für berechtigt halte, den zu beanstandenden Verstoß zu verfolgen. Vorliegend sei weder die Aktivlegitimation noch der behauptete Verstoß hinreichend dargelegt worden. Die erbrachte Leistung sei daher völlig unbrauchbar und nicht zu vergüten.

Es sei gerade nicht dargelegt, dass die fragliche IP-Adresse zum Tatzeitpunkt dem Internetanschluss des Beklagten zugewiesen worden sei. Ausweislich der Ausführungen der Klagepartei sei lediglich die Benutzerkennung zu einer IP-Nummer erfragt worden. Dies stelle aber keinen Nachweis für einen bestimmten Anschluss dar. Einzig die so genannte Calling-ID gebe den jeweiligen Telefon- bzw. Internetanschluss der Person wieder, dem die besagte IP-Adresse im jeweiligen Zeitfenster zugeordnet gewesen sei. Es sei auch mehr als unwahrscheinlich, dass bei einer dynamischen IP-Nummern-Vergabe dem gleichen Nutzer am gleichen Tage zu unterschiedlichen Zeiten dieselbe IP-Nummer [IP] zugewiesen worden sei. Auch könnten die Ermittlungen der ipoque schon deswegen nicht richtig sein, da nach dem Ergebnis einer Geo-Recherche feststehe, dass die angeblichen IP-Adressen [IP] in Dortmund, [IP] in Witten und [IP] in Dortmund und gerade nicht am Wohnort des Beklagten angesiedelt seien.

Die Täterschaft des Beklagten ergebe sich keineswegs nach den Regeln des Anscheinsbeweises. Der Inhaber eines Internetanschlusses hafte auch nicht grundsätzlich persönlich für die über seinen Anschluss begangenen Rechtsverletzungen. Die beklagte Partei verweist insofern auf die Entscheidung des BGH vom 12.05.2010 (I ZR 121/08). Diverse andere Familienmitglieder wie auch Besucher hätten das WLAN des Beklagten genutzt.

Die Ausführungen der Klagepartei zur Bezifferung des Schadens gingen fehl. Die beklagte Partei verweist auf die Entscheidung des BGH vom 20.05.2009 (I ZR 239/06). Es sei der Verkaufspreis als Maßstab für die übliche Vergütung heranzuziehen. Für einen Betrag von 600,00 Euro hätte der Titel bei einem regulären Preis von 8,05 Euro 74-mal von Dritten vollständig heruntergeladen werden müssen. Hierfür gebe der Klagevortrag nichts her. Im übrigen sei dies auf Grund der Dateigröße und der Geschwindigkeit des Anschlusses des Beklagten schlicht unmöglich. Der GEMA-Tarif sei für die Schätzung heranzuziehen. Es komme der Tarif von 0,1650 EUR in Betracht. Selbst wenn man 250 Downloads unterstelle, errechne sich ein Betrag in Höhe von lediglich 41,25 EUR.

Die Höhe der Abmahnkosten sei durch die Regelung des § 97a Abs.2 UrhG a.F. auf 100,00 EUR beschränkt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen seien gegeben. Der Beklagte habe keine gleich gelagerten Verletzungshandlungen begangen und es handele sich rechtlich um einen einfach gelagerten Fall. Man könne auch auf vorformulierte Schreiben zurückgreifen, die nur in einem beschränkten Umfang modifiziert werden müssten. Die Rechtsverletzung sei auch unerheblich. Es handele sich um eine einmalige Rechtsverletzung durch das Zugänglichmachen eines einzelnen Werks. Ferner könne die Klägerin nur die erforderlichen Aufwendungen verlangen. Sie könnte sich aber ohne weiteres einen Musterbrief für ihre Abmahnungen fertigen oder fertigen lassen. Übernähme die Klägerin diese Serienabmahnungen selbst, dann würden regelmäßig nur die reinen Portokosten, Ermittlungskosten und Kosten für Papier entstehen. In den Fällen, in denen sich die Abgemahnten nicht unterwürfen, könnte die Klägerin im weiteren Verlauf einen Rechtsanwalt beauftragen. Weiterhin sei der mit 10.000,00 EUR angesetzte Streitwert überhöht. Angemessen für ein Filmwerk sei ein Streitwert in Höhe von maximal 2.000,00 Euro.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Erholung eines schriftlichen Sachverständigen Gutachtens durch den Sachverständigen Diplom-Informatiker [Name] aus München. Der Sachverständige hat überprüft, ob die Feststellungen der Firma ipoque GmbH zutreffend sind. Insoweit wird auf den Beweisbeschluss vom 26.03.2014 (BI.93/94) unter Berücksichtigung der Korrektur vom 09 04 2014 (Bl. 100/101) und der Ergänzung vom 05.06.2014 (BI.104/105) Bezug genommen. Das Gutachten vom 16.08.2014 findet sich auf Bl. 110/134 der Akte.

Das Gericht hat eine mündliche Verhandlung am 24.06.2015 durchgeführt. Im Rahmen dieses Termins wurde der Sachverständige zu den von der beklagten Partei gegen sein schriftliches Gutachten erhobenen Einwänden gehört. Weiterhin wurde der Beklagte persönlich angehört. Wegen des Inhalts der Anhörungen wird auf das Protokoll vom 24.06.2015 Bezug genommen. Das Gericht hat eine weitere mündliche Verhandlung am 13.04.2016 durchgeführt. Im Rahmen dieses Termins wurde der Zeuge der Klagepartei Dr. [Name] vernommen. Bezüglich der durch den Zeugen gemachten Angaben wird auf das Protokoll vom 13.04.2016 (BI.189/193) verwiesen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen, das schriftliche Sachverständigengutachten, die Schriftsätze der Parteien samt Anlagen sowie den Akteninhalt im Übrigen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

 

Die zulässige Klage ist begründet.

A) Die Klage ist zulässig.

Insbesondere ist das Amtsgericht München nach § 32 ZPO zuständig. Die Klägerin macht (auch) Schadenersatzansprüche aus § 97 UrhG geltend und das streitgegenständliche Angebot in der Tauschbörse richtete sich auch an Interessenten in München und konnte hier im Internet aufgerufen werden. Dabei kommt es nicht darauf an, wo sich der Computer des Beklagten befand, sondern darauf, wo die Internetseite, auf der das Angebot erfolgte, bestimmungsgemäß aufgerufen werden sollte. Zu dem Schaden, der nach § 97 UrhG geltend gemacht werden kann, zählen auch die im Zusammenhang mit der Abmahnung angefallenen Rechtsanwaltskosten, so dass auch insoweit der Gerichtsstand des § 32 ZPO eröffnet ist. Am Gerichtsstand der unerlaubten Handlung ist dann der geltend gemachte Anspruch unter allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen. Insoweit ist vorliegend nicht lediglich eine etwaige Störerhaftung des Beklagten zwischen den Parteien streitig, sondern auch die Frage, ob eine Haftung des Beklagten auf Schadensersatz über eine täterschaftliche Haftung besteht. Eine Zuständigkeit des Amtsgerichts München ergibt sich somit über § 32 ZPO.

B) Die Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 600,00 EUR aus § 97 Abs.2 UrhG wegen rechtswidriger und schuldhafter Verletzung des ausschließlichen Rechtes der Klägerin zur öffentlichen Zugänglichmachung des streitgegenständlichen Werks gemäß § 19a UrhG. Ferner schuldet die Beklagte Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 506,00 EUR aus § 97a Abs.1 S.2 UrhG, sowie aus §§ 683, 677 und 670 BGB, da die Abmahnung vom 29.06.2010 berechtigt war.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 600,00 EUR aus § 97 Abs.2 UrhG.

Seitens des Beklagten wurde das Recht der Klägerin der öffentlichen Zugänglichmachung nach §§ 85, 19a UrhG an dem streitgegenständlichen Film [Name] rechtswidrig und schuldhaft verletzt.

Nach der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der streitgegenständliche Film am [Datum] zu den verschiedenen genannten Zeitpunkten über den Internetanschluss des Beklagten in einer Internettauschbörse einer unbekannten Vielzahl von Dritten zum Download angeboten wurde und somit unerlaubt öffentlich zugänglich gemacht wurde.

Die Ermittlungen der Firma ipoque, wonach der streitgegenständliche Film im fraglichen Zeitraum über die Tauschbörse „BitTorrent“ über die genannten IP-Adressen angeboten worden ist, sind zur Überzeugung des Gerichts zutreffend. Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 16.08.2014 diese Behauptungen der Klägerin vollumfänglich bestätigt. An der Sachkunde des Gutachters, der Diplom-Informatiker und öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständige für Systeme und Anwendungen der Informationsverarbeitung, insbesondere Softwareentwicklung, ist, hat das Gericht keine Zweifel. Das Gericht hat die plausiblen und von Fachkunde geprägten Ausführungen nachvollzogen und sich zu Eigen gemacht.

Von Seiten der beklagten Partei wurden Einwendungen gegen das Gutachten vorgebracht. Diese Einwendungen wurden dem Sachverständigen in dem Termin vom 24.06.2015 vorgehalten. Unter Berücksichtigung dieser Argumente blieb der Sachverständige bei seiner bereits schriftlich niedergelegten Auffassung. Das Gericht schließt’sich insoweit dem Sachverständigen vorbehaltlos an. Die Einwendungen der beklagten Partei können die Überzeugung des Gerichts insoweit nicht erschüttern. Das Gericht hat diesbezüglich in dem Hinweisbeschluss vom 24.06.2015 ausgeführt:

„Das Gericht darf den Parteien zu deren besseren Orientierung seine vorläufige Einschätzung der Sach- und Rechtslage darlegen:

Zur Frage der Zutreffenheit der Ermittlungen:

Nach Anhörung des Sachverständigen tendiert das Gericht dazu, den Beweis von Seiten der Klagepartei als geführt anzusehen. Das Gericht verkennt nicht, dass letztlich die technischen Gegebenheiten zum fraglichen Zeitpunkt nicht vollständig anhand objektiver Kriterien festgestellt werden können. Das hat der SV auch so angegeben. Weiterhin hat der SV eine klare Schwachstelle des Systems benannt, nämlich die fehlende Hinterlegung des Schlüsselpaars 1 bei einer vertrauenswürdigen Stelle.

Auf der anderen Seite erachtet das Gericht die durchaus denkbare Möglichkeit der Manipulation insbesondere durch die Firma ipoque selbst als so fernliegend, dass sie auszuschließen sein wird. Insbesondere hat der SV ausgeführt, dass eine Manipulation mit einem erheblichen Aufdeckungsrisiko und einem erheblichem Aufwand verbunden wäre. Warum vorliegend ein derartiger Aufwand zum Nachteil des Beklagten betrieben worden sein soll, ist weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.“

Die beklagte Partei führt zutreffend aus, dass das System, das die Rechtsverletzung am festgestellt, aufgezeichnet und dokumentiert haben soll, durch den Sachverständigen angesichts des Zeitablaufs nicht mehr in Augenschein genommen werden konnte. Man darf auch – wie die beklagte Partei anführt – die Person Dr. [Name] von der ipoque, die den Sachverständigen maßgeblich mit Informationen versorgt hat, als so genannten Lagerzeugen ansehen und dem Lager der Klägerin zuordnen. Weiterhin verkennt das Gericht nicht, dass insbesondere angesichts der fehlenden Hinterlegung des zur Verschlüsselung der Rohdaten verwendeten Schlüsselpaares grundsätzlich die Möglichkeit bestanden hat, die aufgezeichneten Rohdaten nachträglich, auch unbemerkbar für den Sachverständigen, zu andern. Die Argumentationslinie der beklagten Partei scheitert zur Überzeugung des Gerichts immer an demselben Punkt. Auch wenn Manipulationen möglich gewesen sind, hätten diese nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen einen ganz erheblichen Aufwand ausgelost, der außer Verhältnis zur wirtschaftlichen Bedeutung des einzelnen Verfahrens gestanden hätte. Es ist weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich, warum die Klägerin und/oder die Firma ipoque einen derartigen Aufwand betreiben sollte, wenn es sich wirtschaftlich gar nicht rechnen kann. Denn bei de lege artis durchgeführten Manipulationen wird es sich nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen nicht rechnen. Auf der anderen Seite – unterstellt, die Manipulationen werden nicht de lege artis und mit einem nur begrenzten Aufwand ausgeführt, um die Wirtschaftlichkeit des Modells gewährleisten zu können – ist die Vielzahl von bundesweit vor Gerichten verhandelten Verfahren zu berücksichtigen. Dem Gericht – und offenkundig auch der beklagten Partei – ist kein einziges Verfahren bekannt, in dem sich der konkrete Verdacht einer Manipulation der Daten ergeben hatte. Das Gericht hat seine vorläufige Sicht der Dinge offen kommuniziert. Die beklagte Partei hätte jederzeit zur weiteren Klärung des Falles die Analyse der – so von der Klagepartei und dem Zeugen [Name] behauptet – auf den Magnetbändern gespeicherten Rohdaten beantragen können. Ein solcher Antrag wurde nicht gestellt.

Entgegen der Ausführungen der beklagten Partei im Schriftsatz vom 20.07.2015 hat der Sachverständige nachvollziehbare Ausführungen zu dem Einwand mit der Geo-Recherche getätigt. Er hat ausgeführt, dass dies im Jahre 2013 durchgeführte Recherche für den Vorfallszeitraum infolge des Zeitablaufs nicht aussagekräftig sei. Das Gericht kann diese Angabe durchaus nachvollziehen. Wenn die beklagte Partei dies beanstanden möchte, dann steht ihr dies selbstverständlich offen. Mit dem Schriftsatz vom 20.07.2015 sind insoweit aber weder tragfähige Argumente noch Beweisangebote vorgetragen worden.

Mutatis mutandis verhält es sich mit der Einwendung der beklagten Partei, wonach es extrem auffällig sei, dass dem Anschluss des Beklagten während des Laufes eines einzigen Tages drei verschiedene IP-Adressen zugewiesen worden seien. Drei Zwangstrennungen während eines Tages seien extrem ungewöhnlich. Dies überzeugt das Gericht nicht. Zum einen ist nicht belegt, dass es sich um Zwangstrennungen gehandelt hat. Trennungen können auch aus anderen Gründen erfolgen oder manuell herbeigeführt werden. Gewichtiger ist aber, dass die beklagte Partei wiederum ihre Behauptung nicht untermauern konnte. Insbesondere wurden wiederum keine Beweisangebote unterbreitet.

Die Argumentation der beklagten Partei im Zusammenhang mit der so genannten Calling-ID, wie sie im Schriftsatz vom 15.01.2014 vorgetragen ist, wurde im Laufe des Verfahrens nicht weiter verfolgt. Weder in dem Schriftsatz vom 30.09.2014, im Rahmen dessen die beklagte Partei ihre Einwendungen gegen das schriftliche Sachverständigengutachten vorgebracht hat, noch im Rahmen der mündlichen Anhörung des Sachverständigen wurde dieser Aspekt angesprochen. Das Gericht erachtet ihn daher als nicht weiter relevant. Unter Berücksichtigung des Inhalt des Schriftlichen Gutachtens, der Angaben des Sachverständigen in der Anhörung sowie den auch jederzeit nachvollziehbaren und schlüssigen Angaben des Zeugen Dr. [Name] in dessen Vernehmung kommt das Gericht zu der Überzeugung, dass die Ermittlungen des Firma ipoque im streitgegenständlichen Vorfall zutreffend waren. Es ist weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich, dass an der Zutreffenheit der Angaben des Zeugen [Name] Zweifel angebracht wären. Die beklagte Partei hat derartige Anknüpfungstatsachen jedenfalls nicht vorgetragen.

Das Gericht ist nach der Beweisaufnahme auch davon überzeugt, dass die ermittelten IP-Adressen dem Anschluss des Beklagten zugeordnet waren. Der Provider Versatel hat im Rahmen des Auskunftsverfahrens unstreitig die Auskunft erteilt, dass die ermittelten IP-Adressen an drei unterschiedlichen Zeitpunkten dem Anschluss des Beklagten zuordenbar waren.

Dies ergibt sich schon nach Auffassung des Gerichtes daraus, dass die Beauskunftung durch Versatel mehrere unterschiedliche Zeitpunkte betraf. Das Auskunftsverfahren wurde bezüglich mehrerer Zeitpunkte am [Datum] durchgeführt.

Nach der Rechtsprechung des OLG Köln vom 16.05.2012 (Az. 6 U 239/11) liegt es so fern, dass es kurz nacheinander mehrfach zu Fehlern bei der Erfassung und Zuordnung gekommen sein könnte, so dass Zweifel an der Richtigkeit der Anschlussidentifizierung schweigen. Auch das OLG München hat im Beschluss vom 01.10.2012 (Az. 6 W 2808/12) ausgeführt, dass es als unwahrscheinlich anzusehen ist, dass es mehrfach zu einer fehlerhaften Ermittlung gekommen sein soll, wenn ein Internetanschluss in mindestens zwei Fällen als entsprechender Anschluss ermittelt wurde.

Es ist dem Gericht bekannt, dass die Daten, die von der Klägerin als Antragstellerin übermittelt werden, in ein automatisches Nachforschungssystem geleitet werden. Manuell werden Arbeiten nicht durchgeführt, so dass keine manuellen Zahlendreher und Tippfehler möglich sind. Das Nachforschungssystem teilt dann als Ergebnis mit, welcher Benutzerkennung die jeweilige IP-Adresse zugeordnet ist. Das Nachforschungssystem bearbeitet jede einzelne angefragte Uhrzeit getrennt. Wenn hier bezüglich einer IP-Adresse mehrere Zeitpunkte angefragt wurden, dann wurde jeder Zeitpunkt separat durch das System bearbeitet.

Vor diesem Hintergrund erscheint es als sehr unwahrscheinlich, dass der automatisierte Prozess bei mehreren unterschiedlichen Zeitpunkten den Beklagten als Anschlussinhaber falsch zuordnet. Nachdem das Verfahren auch bei derselben IP-Adresse bezüglich jeden angefragten Zeitpunkt neu durchgeführt wird, ist es unerheblich, wie viele IP-Adressen vorliegen. Diese Vorgehensweise ist zwingend notwendig, nachdem IP-Adressen auch dynamisch sein können. Insofern muss das Verfahren bei jedem neuen Zeitpunkt durchlaufen werden, um auszuschließen, dass die IP-Adresse bei einem späteren Zeitpunkt nicht bereits einem neuen Anschluss zugeordnet wurde. Konkrete Anknüpfungstatsachen, die die Zuordnung der IP-Adresse zum Anschluss des Beklagten zweifelhaft erscheinen lassen, sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Das Gericht geht daher von der Zutreffenheit der Zuordnung aus.

Wird ein geschütztes Werk von einer IP-Adresse aus öffentlich zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeordnet ist, trifft diese nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 12.05.2010, I ZR 121/08 – „Sommer unseres Lebens“) eine tatsächliche Vermutung dahingehend, dass sie als Inhaberin des fraglichen Internetanschlusses auch für über ihren Anschluss begangene Rechtsverletzungen verantwortlich ist. Aus dieser Vermutung ergibt sich für den Beklagten eine sekundäre Darlegungslast, die es ihm verwehrt, sich auf ein an sich zulässiges einfaches Bestreiten der Rechtsverletzung zurückzuziehen. Eine Entkräftung der tatsächlichen Vermutung setzt vielmehr hinsichtlich aller fraglicher Tatzeitpunkte Sachvortrag voraus, nach dem die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass allein ein Dritter und nicht auch der Anschlussinhaber den Internetzugang für die behauptete Rechtsverletzung genutzt hat (vgl. BGH, Urteil vom 15.11.2012, Az. I ZR 74/12 – „Morpheus“). Dabei ist an den Sachvortrag bezüglich Detailgrad und Plausibilität ein strenger Maßstab anzulegen (Landgericht München I, Urteil vom 22.03.2013, Az. 21 S 28809/11). Maßgeblich sind dabei die konkreten Umstände des Einzelfalls.

Wie diese tatsächliche Vermutung sich letztendlich auf die Verteilung der Beweislast auswirkt, ist noch nicht abschließend geklärt. Vorliegend hat der Beklagte zwar durch seinen Sachvortrag seiner sekundären Darlegungslast genügt. Sein Sachvortrag ist vor dem Ergebnis der Beweisaufnahme aber nicht plausibel, da er sich mit den festgestellten Anknüpfungstatsachen nicht in Einklang bringen lässt.

Der Beklagte bestreitet seine Verantwortlichkeit. Er sei zum damaligen Zeitpunkt verheiratet gewesen und habe mit seiner Ehefrau und den zwei gemeinsamen Kindern im Alter von 2 und 5 Jahren zusammengelebt. Seine Ehefrau habe selbstständigen Zugriff auf das Internet gehabt. Auch Besuchern der Familie sei der Zugriff auf das Internet über das WLAN-System regelmäßig erlaubt worden. Sie seien aber darauf hingewiesen worden, keine rechtswidrigen Handlungen zu begehen. Das WLAN-System sei wie folgt aufgebaut gewesen: Modem und Router seien zwei getrennte Geräte gewesen, es habe sich um Standardgeräte gehandelt, die von dem Provider Versatel zur Verfügung gestellt worden seien. Die Einrichtung sei durch Mitarbeiter von Versatel vorgenommen worden. Der Zugriff sei kennwortgesichert gewesen nach einem unbekannten Standard Das Passwort sei nach erfolgter Einrichtung nicht geändert worden. Der Haushalt habe nur über einen internetfähigen Rechner verfügt und über keine weiteren internetfähigen Endgeräte, mit Ausnahme des Firmenhandys des Beklagten. Die Ehefrau des Beklagten haben den Rechner aber nicht genutzt, um ins Internet zu gehen.

Auf dem Rechner seien weder der streitgegenständliche Film, auch nicht in Teilen, vorhanden noch ein P2P-Client installiert gewesen. Nach Erhalt der Abmahnung habe der Beklagte den Rechner insoweit untersucht. Der Beklagte habe keine so genannten Filesharing-Programme genutzt. Mangels verfügbarer Log-Files des Routers könne er nicht mehr nachvollziehen, welcher der Hausgenossen oder Besucher den fraglichen Anschluss genutzt habe.

Die Internetverbindung zum fraglichen Zeitpunkt sei sehr langsam gewesen. Schon große Bilddateien hätten kaum heruntergeladen werden können. Bei Uploads sei die Situation noch schlechter gewesen. Der konkrete Geschehensablauf am [Datum] könne nicht mehr nachvollzogen werden. Nach Erhalt der Abmahnung habe der Beklagte versucht nachzuvollziehen, wer sich in seinem Haus aufgehalten habe Er habe in seinen Kalender geschaut. Es habe sich um einen Samstag gehandelt, so dass er davon ausgehe, dass er um 5 Uhr morgens geschlafen habe.

Nach dem eigenen Sachvortrag des Beklagten bleibt das in der Tauschbörse vorhandene Angebot ein nicht erklärbares Mysterium. Für das Gericht ergibt sich aus dem Sachvortrag zusammenfassend überhaupt keine Möglichkeit, wie sich die über den Anschluss des Beklagten erfolgte Rechtsverletzung ergeben konnte. Vielmehr wäre es ausgeschlossen, dass die streitgegenständliche Rechtsverletzung über seinen Anschluss begangen wurde. In der rechtlichen Konsequenz fällt das Gericht auf die Figur der tatsächlichen Vermutung zurück, wonach der Beklagte als Anschlussinhaber für die festgestellte Rechtsverletzung verantwortlich ist.

Man muss sich den konkreten Vorgang in seiner Gesamtheit vor Augen führen, um ihn abschließend beurteilen zu können. Ein konkretes Filmwerk wurde über einen längeren Zeitraum zu verschiedenen Zeitpunkten zwischen [Uhrzeit] Uhr und [Uhrzeit] Uhr zum Download angeboten. Es ist höchst unwahrscheinlich und auszuschließen, da es sich dabei um das Werk verschiedener Personen gehandelt hat; denn das hieße, dass eine Person gegen halb sechs ein bestimmtes Filmwerk angeboten und sich eine andere Person Stunden später dazu entschlossen hätte, auch das nämliche Filmwerk anzubieten. Das erachtet das Gericht als ausgeschlossen. Das Gericht geht daher davon aus, dass der gesamte Vorgang auf einem einheitlichen Entschluss beruht hat, der zu einem nicht bekannten Zeitpunkt getroffen worden ist, aber jedenfalls gegen halb morgens entsprechend umgesetzt wurde Der Beklagte gibt an, dass er wohl geschlafen habe. Wenn Besucher von Freitag auf Samstag über Nacht geblieben wären, dann geht das Gericht schon davon aus, dass dem Beklagten oder dessen Ehefrau dies in Erinnerung geblieben sein müsste. Entsprechend verhält es sich mit der Variante, dass bereits zu so früher Stunde Besuch eingetroffen sein konnte. Die Ehefrau des Beklagten scheidet ebenfalls aus, da sie nicht über den Rechner auf das Internet zugegriffen haben soll und da keine weiteren internetfähigen Endgeräte existent gewesen sein sollen. Somit verbleibt noch ein zumindest theoretisch denkbarer Zugriff von außen auf den Anschluss in der Form eines so genannten Hacker-Angriffs. Es müsste sich eine unbekannte Person unberechtigterweise in das WLAN-Netz des Beklagten eingeschlichen haben und den Internetanschluss des Beklagten ohne dessen Kenntnis genutzt haben Ein solcher Angriff ist weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Zwar hat der Beklagte ausgeführt, dass er das das WLAN-Netzwerk sichernde Passwort nach der Einrichtung nicht mehr verändert habe. Eine Schutzlücke ist daher nicht ausschließbar, da nicht bekannt ist, welche Art von Passwort die Techniker von Versatel verwendet haben. Mangels weiteren Sachvortrags bleibt diese Variante aber bloße Spekulation, eine plausible und greifbare Alternative stellt sie nicht dar. Damit verbleibt es bei der so genannten tatsächlichen Vermutung im Sinne der Rechtsprechung des BGH mit der Konsequenz, dass das Gericht den Beklagten als Täter anzusehen hat.

Der Beklagte handelte rechtswidrig und schuldhaft. Die bedarf keiner eingehenden Erörterung. Die Rechtswidrigkeit ergibt sich vorliegend bereits aus der Rechtsverletzung. Zudem muss sich der, der Internettauschbörsen nutzt, über die Rechtmäßigkeit des Angebots des streitgegenständlichen Werkes kundig machen.

Durch das Angebot des streitgegenständlichen Filmwerks ist der Klägerin ein Schaden entstanden, den das Gericht auf 600,00 EUR schätzt gemäß der Vorschrift des § 287 ZPO.

Dabei hat der Verletzte das Wahlrecht, wie er seinen Schadensersatzanspruch berechnen will. Dies gilt sowohl nach § 97 Abs.2 S.3 UrhG als auch nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (siehe hierzu BGH GRUR 1990,1008). Hiernach kann der Schaden auch in Hohe einer angemessenen Lizenzgebühr berechnet werden. Bei der von der Klägerin gewählten Lizenzanalogie ist rein objektiv darauf abzustellen, was bei vertraglicher Einräumung der Rechte ein vernünftiger Lizenznehmer gefordert und ein vernünftiger Lizenzgeber gewährt hätte, wenn beide im Zeitpunkt der Entscheidung die gegebene Sachlage gekannt hätten. Dies folgt der Erwägung, dass derjenige, der ausschließliche Rechte anderer verletzt, nicht besser stehen soll, als er im Falle einer ordnungsgemäß erteilten Erlaubnis durch den Rechtsinhaber gestanden hätte.

Dabei spielt jedoch keine Rolle, in welchem Ausmaß und Umfang es tatsächlich zu einem Schaden gekommen ist.

Das erkennende Gericht besitzt auf Grund seiner regelmäßigen Arbeit mit einer Mehrzahl von Tauschbörsenfällen hinreichend Sachkunde um zu beurteilen, dass ein Schadensersatz in Höhe von 600,00 EUR angemessen ist. Berücksichtigung finden muss der Umstand, dass mit jedem Herunterladen eines urheberrechtlich geschützten Werkes in einer Tauschbörse je eine weitere Downloadmöglichkeit geschaffen wird. Denn zwingend hätten ein vernünftiger Lizenzgeber und Lizenznehmer diese Möglichkeit der für den Rechteinhaber unwägbaren kostenlosen Weiterverbreitung ihrer Vereinbarung zu Grunde gelegt. Vernünftige Parteien eines derartigen Lizenzvertrages hätten dieses Risiko abgegolten Die Ausführungen der beklagten Partei zu einer Berechnung des Schadens in Anlehnung an GEMA-Tarife sind nicht zielführend. Denn mittels der GEMA-Tarife werden musikalische Leistungen abgegolten, so dass es insoweit schon an der Vergleichbarkeit fehlt. Der genannte Vergütungssatz VR-OD 4 beschäftigt sich mit dem Streamen von Musikvideos. Die Forderung der beklagten Partei, die Klagepartei müsse konkret die durch das Angebot des Beklagten vollendeten Download-Vorgänge beziffern. Denn dazu kann die Klägerin technisch gar nicht in der Lage sein. Vielmehr geht diese Ungewissheit zu Lasten des Verwenders von Tauschbörsensoftware, da dieser durch sein Handeln die Möglichkeit und die konkrete Gefahr einer unkontrollierten und unkontrollierbaren Weiterverbreitung des urheberrechtlich geschützten Filmwerks geschaffen hat.

Die Klägerin kann auch die Erstattung der Kosten der Abmahnung in Höhe von 506,00 EUR verlangen. Diese stehen der Klägerin sowohl nach § 97a Abs.1 S.2 UrhG als auch als adäquat kausaler Teil des Schadensersatzes sowie nach der Geschäftsführung ohne Auftrag, §§ 683, 677, 670 BGB zu. Die Abmahnung des Beklagten war berechtigt.

Gegen die geltend gemachte Geschäftsgebühr bestehen keine Bedenken. Die Regelgebühr beträgt 1,3. Die vorliegend in Ansatz gebrachte Geschäftsgebühr von 1,0 ist hierbei auf jeden Fall angemessen. Zudem wurden neben der Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auch Schadensersatzansprüche geltend gemacht.

Auch der angesetzte Gegenstandswert in Höhe von 10.000,00 EUR ist nicht zu beanstanden Der Gegenstandswert ist im Rahmen des freien Ermessens nach § 3 ZPO als angemessen anzusehen. Die Abmahnung erfolgte in Bezug auf ein aufwändig hergestelltes Filmwerk, das in Lichtspielhäusern vermarktet wurde Zudem wurden neben der Unterlassungserklärung auch Schadensersatzanspruche geltend gemacht. Bei der Bemessung des Unterlassungsinteresses ist zudem zu berücksichtigen, dass bei Tauschbörsen nicht nur die Nutzung des Werks nach § 19a UrhG, also das öffentliche Zugänglichmachen des Werks, sondern insbesondere auch die nicht kontrollierbare Vervielfältigung des Werks (§ 16 UrhG) immanent ist. Das grenzüberschreitende Anbieten des Werks und das damit einhergehende ebenso leichte wie unbegrenzte Ermöglichen der Vervielfältigung ist gerade das Wesen einer Tauschbörse. Insofern ist das Unterlassungsinteresse der Klägerin als sehr hoch einzustufen. Im übrigen entspricht ein Gegenstandswert von 10.000,00 Euro der ständigen Rechtsprechung im hiesigen Gerichtsbezirk.

Hinsichtlich der Kosten für die Abmahnung greift § 97a Abs.2 UrhG nicht ein, da es vorliegend an einer unerheblichen Rechtsverletzung fehlt. Von einer unerheblichen Rechtsverletzung ist nur auszugehen, wenn die Rechtsverletzungen sich nach Art und Ausmaß auf einen eher geringfügigen Eingriff in die Rechte des Abmahnenden beschränken und deren Folgen durch die schlichte Unterlassung beseitigt werden können. Dafür genügt der Hinweis auf ein Handeln im Privatbereich nicht, da dies eine zusätzliche und eigenständige Voraussetzung für die Reduzierung des Erstattungsanspruchs ist (Wandtke / Bullinger, UrhG, 3. Auflage, § 97a Rn.36). Dabei ist der Begriff der unerheblichen Rechtsverletzung sehr eng auszulegen. In aller Regel indiziert die Erforderlichkeit der Abmahnung bereits die Erheblichkeit der Rechtsverletzung. Beim Anbieten eines vollständigen Kinofilms oder Computerspiels im Internet wird die qualitative Erheblichkeit auf der Hand liegen (vgl. Fromm / Nordemann, UrhR, 10. Auflage, § 97a Rn.34).

Die Ausführungen der beklagten Partei insbesondere im Schriftsatz vom 15.01.2014 zur fehlenden Erforderlichkeit der Aufwendungen überzeugen das Gericht nicht. Das nicht autorisierte Anbieten eines urheberrechtlich geschützten Werks stellt einen zumindest nicht unerheblichen Eingriff in des Rechtssphäre des Inhabers des entsprechenden Urheberrechts dar. Dieser Inhaber ist grundsätzlich berechtigt, diesen Eingriff durch Inanspruchnahme auch anwaltlicher Unterstützung entsprechend abzuwehren und ausgleichen zu lassen. Es mag sein, dass ein Inhaber den Abmahnvorgang in Eigenregie und unter Verwendung von Musterformularen durchführen könnte. Eine Obliegenheit, dies im Interesse des Eingreifenden und der Schadensminderung, trifft den Inhaber aber nicht. Die beklagte Partei übersieht bei ihre Aufzählung relevanter Kostenpositionen (Portokosten, Ermittlungskosten, Kosten für Papier) den Faktor Arbeitskraft und Personaleinsatz. Die Abmahnvorgänge müssten auch entsprechend verwaltet und überwacht werden. Derartige Tätigkeiten gehören aber typischerweise nicht zum Gegenstand der unternehmerischen Tätigkeit der Klägerin. Es kann auch im Rahmen der Vorgaben des § 254 BGB nicht angemessen sein, dass die Klägerin für diese Tätigkeiten eine eigene Arbeitsgruppe oder Abteilung zu schaffen hat.

C) Weitere Entscheidungen

Die Nebenforderung hinsichtlich der Verzugszinsen ist begründet nach §§ 280 Abs.1 und 2, 286 Abs.1, 288 Abs.1 BGB. Das Schreiben der Klägervertreter vom 13.12.2012 (Anlage K4-10) hat der Beklagte unstreitig erhalten. Er war damit spätestens ab dem 21.12.2012 in Zahlungsverzug.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 3, 5 ZPO. Es handelt sich um zwei Hauptforderungen, die nebeneinander geltend gemacht und daher zu addieren sind. Beide geltend gemachten Ansprüche finden ihren Rechtsgrund in der behaupteten Verletzungshandlung des Beklagten. Sie sind in ihrem rechtlichen Schicksal voneinander unabhängig. Es besteht kein Verhältnis im Sinne einer Hauptforderung und einer Nebenforderung.

 

Rechtsbehelfsbelehrung:

 

Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600,00 Euro übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem

Landgericht München 1
Prielmayerstraße 7
80335 München

einzulegen. (…)

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AG München, Urteil vom 25.05.2016, Az. 171 C 24217/13

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