16:32 Uhr
Adressaten einer Abmahnung können sich gegen eine Filesharing-Abmahnung auch dann erfolgreich wehren, wenn der notwendige Nachweis, dass die IP-Adresse des fraglichen Anschlusses korrekt ermittelt wurde, nicht erbracht wurde. Dies ergibt sich aus einer aktuellen Entscheidung des Amtsgerichtes Frankfurt am Main, Aktenzeichen 31 C 3479/14, welche wir für unsere Mandantin errungen haben.
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Rechtsanwalt Markus Brehm
Lehrbeauftragter an der Hochschule Darmstadt
Mitglied der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e.V. (GRUR)
Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Geistiges Eigentum und Medien im DAV (AGEM)
Brehm Anwaltskanzlei
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Bericht:
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Wie lautet der Vorwurf, welcher dem Rechtsstreit zugrunde liegt?
Unsere Mandantin erhielt im Jahr 2010 eine Filesharing-Abmahnung von der Kanzlei BaumgartenBrandt im Auftrag der Klägerin KSM GmbH. Ihr wurde vorgeworfen, das geschützte Filmwerk „Red Canyon“ illegal über eine Tauschbörse zur Verfügung gestellt zu haben.
Solch eine Abmahnung wird regelmäßig gegenüber dem Inhaber des Internetanschlusses ausgesprochen, über welchen die Rechtsverletzung erfolgte.
Wie lauten die Forderungen der Klägerin?
Die Klägerin forderte von unserer Mandantin Ersatz der Abmahnkosten in Höhe von 555,60 EUR nebst Zinsen. Darüber hinaus machte sie Schadensersatz geltend, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wurde, der jedoch insgesamt nicht weniger als 400,00 EUR betragen sollte, nebst Zinsen.
Die vorgeworfene Rechtsverletzung durch unsere Mandantin konnte nicht nachgewiesen werden! Das Amtsgericht Frankfurt am Main wies die Klage der KSM GmbH mit Urteil vom 21.09.2016 (Az. 31 C 3479/14) ab. Der Grund hierfür lag darin, dass eine Rechtsverletzung durch unsere Mandantin nicht nachgewiesen werden konnte! Unsere Mandantin führte an, dass sie zur konkreten Tatzeit nicht Anschlussinhaberin gewesen ist, da sie zu der Zeit noch nicht in dem in Rede stehenden Objekt mit dem fraglichen Internetanschluss wohnte, sondern ein Dritter. Die Klägerin behauptete, die zur Ermittlung der IP-Adresse eingesetzte Software habe fehlerfrei funktioniert. Das Gericht führte hierzu aus, dass der notwendige Nachweis, dass die Rechtsverletzung von einem Internetanschluss unserer Mandantin ausging, nicht erbracht werden konnte. Konkret ausgedrückt bedeutet dies, dass der notwendige Nachweis des korrekten Ermittelns der IP-Adresse des in Rede stehenden Anschlusses nicht beschafft werden konnte.
Das Gericht befand die Beweisangebote der Klägerin als unzureichend:
– Die Klägerin konnte keinen Beweis dafür anbringen, welche Daten das Programm überhaupt festgestellt hat; ein konkreter Nachweis der IP-Adressenfeststellung fehlte somit.
– Erforderlicher Beweis ist ein Ausdruck des Originaldatensatzes der observierten Daten durch die Software vor der Auskunftserteilung, wer Anschlussinhaber der ermittelten IP-Adresse ist, da ansonsten eine Beeinflussung des Ermittlungsergebnisses nicht ausgeschlossen werden kann.
– Die Ermittlungssoftware muss allgemein fehlerfrei arbeiten, um eine korrekte Ermittlung der IP-Adresse zu gewährleisten. Ist dies nicht der Fall, hilft der Klägerin auch keine bestätigende Zeugenvernehmung, auch nicht, wenn es sich um den Softwareentwickler handelt.
Beachten Sie noch: Ist das Beweisangebot, wie im vorliegenden Fall, nach Ansicht des Gerichtes unzureichend, ist es allgemein nicht Aufgabe des Gerichtes, eine Beweisanordnung zu treffen. Dies ist grundsätzlich der Initiative der Parteien überlassen. Befindet das Gericht die angebrachten Beweise der Klägerin somit als unzureichend, erfolgt keine Beweisanordnung durch das Gericht, durch welche die Klägerin schlussendlich noch die Möglichkeit hätte, zureichende Beweise zu erbringen.
Fazit:
Aus dieser Entscheidung des Amtsgerichtes Frankfurt am Main ergibt sich, dass das korrekte Ermitteln der IP-Adresse des in Rede stehenden Anschlusses nicht generell unterstellt wird, sondern ein konkreter Nachweis hierfür erforderlich ist.
Kann dieser Nachweis nicht erbracht werden, ist die Klage als unbegründet abzuweisen und der Beklagte muss weder Schadensersatz noch Aufwendungsersatz an die Klägerin zahlen.
Beachten Sie bitte:
Das Urteil ist noch – nicht – rechtskräftig, die Entscheidung kann mit der Berufung angefochten werden.
AG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.09.2016, Az. 31 C 3479/14 (17)
(…) – Abschrift –
Amtsgericht Frankfurt am Main
Aktenzeichen: 31 C 3479/14 (17)Verkündet it. Protokoll am: 21.09.2016
[Name], Justizsekretärin
Urkundsbeamtin/beamter der GeschäftsstelleIm Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
[Name],
KlägerinProzessbevollmächtigte: [Name],
gegen
[Name],
BeklagteProzessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Markus Brehm, Deutschherrnufer 27, 60594 Frankfurt am Main,
wird auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 24.08.2015
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin verfolgt Schaden- und Aufwendungsersatz nach Rechtsverletzungen gemäß Urheberrechtsgesetz.
Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe das Filmwerk „[Name]“ am xx.xx.2010 um [Uhrzeit] Uhr unter der IP-Adresse [IP] in der [Anschrift] lauffähig zum Herunterladen im Internet im Wege des Tauschs im Peer-to-Peer-Netzwerk angeboten. Die Klägerin forderte die Beklagte mit anwaltlichen Schreiben vom xx.xx.2010 zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf.
Die Klägerin behauptet, sie sei die Inhaberin der alleinigen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem Filmwerk. Die zur Ermittlung der IP-Adresse eingesetzte Software „Observer“ habe fehlerfrei funktioniert. Die Beklagte sei die Anschlussinhaberin. Es seien vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten aus einem Gegenstandswert von 7.500,00 EUR angefallen und gezahlt worden.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagtenseite zu verurteilen, an die Klägerseite einen angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 400,00 EUR betragen soll, nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
2. die Beklagtenseite zu verurteilen, an die Klägerseite einen Betrag i.H.v. 555,60 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung. Sie behauptet, von der Klägerin mit Nichtwissen bestritten, Anschlussinhaberin in der [Adresse] in [Ort], wo sie am xx.xx.2010 nicht gewohnt habe, sei ihre Mutter gewesen.
Von der Wiedergabe weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird wegen § 313 Abs. 2 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
1.
Die Klägerin hat weder Anspruch auf Zahlung von angemessenem Schadenersatz noch auf Zahlung von 555,60 EUR.
a)
Die Klägerin hat keinen Schadenersatzanspruch für ein Anbieten des Filmwerks im Internet aus § 97 UrhG.
Eine Rechtsverletzung durch die Beklagte ist nicht nachgewiesen. Der notwendige Nachweis, dass die Rechtsverletzung von einem Internetanschluss der Beklagten ausging, das heißt, dass die IP-Adresse des fraglichen Anschlusses korrekt ermittelt wurde, ist nicht erbracht. Die Beweisangebote der Klägerin sind unzureichend.
aa)
Was die dem fehlerfreien Funktionieren der Ermittlungssoftware vorgelagerte Tatsache betrifft, welche Daten das Programm überhaupt festgestellt hat, so enthält die eidesstattliche Versicherung Anlage K1 bloß allgemeine Ausführungen eines Mitarbeiters des von der Klägerin beauftragten Ermittlungsunternehmens. Sie sind die durch nichts untermauerte simple Behauptung einer „beweissicheren“ Dokumentation nebst Funktionsweisenkontrolle, ohne einzelfallbezogen einen konkreten Nachweis der IP-Adressenfeststellung zu führen.
Die Anlage K2 kann kein Ausdruck des Originaldatensatzes der observierten Daten sein, denn sie enthält ja schon den Namen der Anschlussinhaberin und muss demzufolge nach Auskunftserteilung erfolgt sein. Es kann sich allenfalls um eine spätere Aufbereitung des Datensatzes handeln, was aber dazu führt, dass eine Nichtbeeinflussung des Ermittlungsergebnisses nicht sicher zu erkennen ist. Das genügt nicht, um darauf eine Überzeugung zu stützen.
Ob eine Vernehmung des Zeugen [Name] bestätigen könnte, welche IP-Adresse von „Observer“ festgestellt wurde, kann wie letztlich überhaupt die Frage, welche Datenfeststellung erfolgte, dahinstehen.
bb)
Denn zur korrekten Ermittlung einer IP-Adresse gehört auch, dass die Ermittlungssoftware allgemein fehlerfrei arbeitet.
Was insoweit das nicht vorliegende Gutachten eines Herrn V. geprüft haben soll, wird nicht dargetan; die Klägerin trägt jedenfalls nur eine Überprüfung der Software durch Herrn Dipl.-Ing. G. vom Sachverständigenbüro [Name] vor.
Die Vernehmung von Herrn Dipl.-Ing. G. wäre die Vernehmung des Privatgutachters des von der Klägerin beauftragten Ermittlungsunternehmens. Das deckt womöglich noch substantiierten Parteivortrag, führe beweisbezogen aber allenfalls zur Selbstbestätigung der eigenen Begutachtung durch den Zeugen, was kaum eine hinreichende Überzeugungsbildung des Gerichts rechtfertigt.
Schließlich ist auch die Vernehmung des Softwareentwicklers ungeeignet, hinreichende Beweisqualität zu entfalten. Der Zeuge müsste die Fehlerfreiheit seiner eigenen Programmierleistung bestätigen, was zwar noch im Ansatz durch die Schilderung von Tatschen geschehen könnte, wie der Zeuge die Software entwickelt und welche Maßnahmen mit welchem Ergebnis er zur Fehlerüberprüfung unternommen hat. Auch dann bliebe aber offen, ob der Zeuge an alle naheliegend in Betracht kommenden Eventualitäten gedacht und seine Software auf die im EDV-Bereich so mannigfaltig denkbaren Fehlerquellen hinreichend ausführlich getestet hat, so dass eine ausreichend zuverlässige Funktionsweise angenommen werden kann. Das berührt nämlich das Feld des Sachverständigenbeweises.
Die Einholung eines Sachverständigengutachtens wurde von der Klägerin nicht beantragt und ist auch nicht von Amts wegen geboten (vgl. § 144 Abs. 1 S. 1 ZPO). Im Zivilprozess gilt der Beibringungsgrundsatz, der sich auch auf Beweisanträge erstreckt (vgl. § 282 Abs. 1 ZPO). Grundsätzlich darf daher das Gericht die Initiative den Parteien überlassen (Wagner, in: MK-ZPO, 4. Aufl. 2013, § 144 Rn. 4). Eine Partei darf deshalb regelmäßig nicht erwarten, das Gericht werde von Amts wegen eine Beweisanordnung treffen. In das Ermessen des Gerichts gestellte Beweisanordnungen sind vor allem dann geboten, wenn das Gericht Anlass zum Zweifel hat, ob die Partei sich des Erfordernisses, einen förmlichen Antrag zu stellen, bewusst ist (vgl. BGH WW 2001, 2464 (2465)). Das gleiche kann gelten, wenn das Gericht Umstände berücksichtigen will, deren Grundlage es nicht aus eigener Sachkunde beurteilen kann (vgl. BGH NJW-RR 2006, 1435 (1436)).
Dafür dass die Klägerin sich einer förmlichen Beweisantragstellung nicht bewusst war, ist nichts ersichtlich, nachdem sie ja anderen Beweis angeboten hat. Umstände zur Kausalität, deren Grundlage das Gericht nicht aus eigener Sachkunde beurteilen kann, werden nicht angenommen.
b)
Entsprechend kann die Klägerin auch die Kosten der vorgerichtlichen Abmahnung nicht ersetzt verlangen.
2.
Ohne Hauptforderung bestehen auch keine Zinsforderungen.
Il.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
III.
Streitwert: 955,60 EUR.
Rechtsbehelfsbelehrung
Diese Entscheidung kann mit der Berufung angefochten werden. Sie ist einzulegen innerhalb einer
Notfrist von einem Monat bei demLandgericht Frankfurt am Main,
Gerichtsstraße 2,
60313 Frankfurt am Main.Die Frist beginnt mit der Zustellung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Beschwerdegegenstand 600,00 EUR übersteigt oder das Gericht die Berufung in diesem Urteil zugelassen hat. Zur Einlegung der Berufung ist berechtigt, wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Die Berufung wird durch Einreichung einer Berufungsschrift eingelegt. Die Berufung kann nur durch einen Rechtsanwalt eingelegt werden.
Die Festsetzung des Streitwerts kann mit der Beschwerde angefochten werden. Sie ist nur zulässig innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache rechtskräftig geworden ist oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat. Sie ist einzulegen bei dem
Amtsgericht Frankfurt am Main,
Gerichtsstraße 2, 6031.3,
Frankfurt am Main.Wird der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt, kann die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung der Festsetzung bei dem Gericht eingelegt werden.
Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zu diesem Beschluss zugelassen hat. Beschwerdeberechtigt ist, wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des genannten Gerichts eingelegt. Sie kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts erklärt werden, wobei es für die Einhaltung der Frist auf den Eingang bei dem genannten Gericht ankommt. Sie ist von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen. Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Soll die Entscheidung nur zum Teil angefochten werden, so ist der Umfang der Anfechtung zu bezeichnen.
[Name]
Richter am AmtsgerichtFrankfurt am Main, 21.09.2016
Beglaubigt
[Dienstsiegel][Name]
Urkundsbeamtin Geschäftsstelle (…)
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AG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.09.2016, Az. 31 C 3479/14 (17)
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