WALDORF FROMMER: Landgericht München I weist Gehörsrüge zurück – Beklagte ließ plausiblen Vortrag vermissen

18:50 Uhr

Gegenstand des Verfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützter Hörbücher

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Bericht

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Autorin:
Rechtsanwältin Anna Zimmermann

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Das Landgericht München I hat die Gehörsrüge einer Anschlussinhaberin, die sowohl erstinstanzlich als auch im Berufungsverfahren unterlegen ist, als unbegründet zurückgewiesen.

Die Beklagte war wegen des Angebots zweier Hörbücher in einer Tauschbörse in Anspruch genommen worden. Erstinstanzlich hat die Beklagtenseite zu ihrer Verteidigung vorgebracht, dass als einzige Möglichkeit der Tatbegehung ein unberechtigter Fremdzugriff in Betracht käme. Gleichzeitig hatte die Beklagte aber auch vortragen, dass ihr Internetanschluss ausreichend gegen einen solchen Fremdzugriff geschützt sei und sie sich daher nicht erklären könne, wie es zu der Rechtsverletzung über ihren Internetanschluss gekommen sei.

Diesen Vortrag sah das Erstgericht als unzureichend an, um die persönliche Haftung der Beklagten als Anschlussinhaberin entfallen zu lassen. Die von der Beklagtenseite gegen dieses Urteil eingelegte Berufung beim Landgericht München I war ebenfalls erfolglos.

Das Landgericht bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts München. Es streite nach wie vor eine tatsächliche Vermutung der persönlichen Verantwortlichkeit gegen die Beklagte, da nach ihrem Vortrag einerseits der Internetanschluss hinreichend gesichert war und die Beklagte diesen andererseits auch nicht anderen (berechtigten) Personen zur Nutzung überlassen hatte. Den rein spekulativen Vortrag der Beklagten, dass die Rechtsverletzung auf einen unberechtigten Fremdzugriff zurückzuführen sein müsse, erachtete das Landgericht als zu pauschal und oberflächlich.

Die Revision hatte das Landgericht München I in diesem Verfahren nicht zugelassen.

Die Beklagte legte daraufhin Gehörsrüge beim Landgericht München I ein. Sie fühlte sich in erster Linie in ihrem Vortrag vom Berufungsgericht übergangen und vertrat die Auffassung, ihrer sekundären Darlegungslast mit ihrem Vortrag genügt zu haben.

Das Landgericht München I hat die Gehörsrüge zurückgewiesen. Der Vortrag der Beklagten sei in seiner Gesamtheit gewürdigt worden. So habe das Gericht seiner Entscheidung zum einen den Umstand zugrunde gelegt, dass der Internetanschluss zum Tatzeitpunkt hinreichend gegen einen Fremdzugriff gesichert gewesen sei. Zum anderen habe das Gericht auch den Vortrag berücksichtigt, dass die Beklagte ihren Internetanschluss Dritten nicht zur Verfügung gestellt habe. Mit diesem Vortrag habe die Beklagte jedoch keinen ernsthaft in Betracht zu ziehenden alternativen Geschehensablauf aufgezeigt.

Vielmehr sei bereits die tatsächliche Vermutung der persönlichen Verantwortlichkeit der Beklagten nicht entkräftet, da keine weiteren Mitnutzer des Anschlusses vorgetragen worden seien und es vor dem Hintergrund insbesondere an nachvollziehbarem Vortrag fehle, wie unbekannte Dritte trotz der vorgetragenen Sicherung die Rechtsverletzung über ihren Anschluss hätten begehen können.

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Landgericht München I, Beschluss vom 22.02.2016, Az. 21 S 11700/14

Vorinstanz: AG München, Urteil vom 16.05.2014, Az. 111 C 14219/12

 

(…) erlässt das Landgericht München I – 21. Zivilkammer – durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht [Name], die Richterin am Landgericht [Name] und den Richter am Landgericht [Name] am 22.02.2016 folgenden

Beschluss

1. Die Rüge der Beklagten vom 04.06.2014 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Unterliegensgebühr in Höhe von 60,00 EUR zu tragen.

Gründe:

I.

Die statthafte Rüge ist zulässig. Das Berufungsurteil des Landgerichts München I ist unanfechtbar. Die Revision wurde nicht zugelassen, die Nichtzulassungsbeschwerde ist gem. § 26 Nr 8 EGZPO nicht statthaft. Die Rüge wurde auch fristgerecht erhoben.

II.

Die Rüge nach § 321a ZPO ist jedoch unbegründet, das Recht des Beklagten auf rechtliches Gehör wurde nicht verletzt.

Der im Grundgesetz verankerte Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist eine Folgerung aus dem Rechtsstaatsgedanken für das Gebiet des gerichtlichen Verfahrens (vgl. BVerfGE 74, S.1) Der Einzelne soll nicht bloßes Objekt des gerichtlichen Verfahrens sein, sondern er soll vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Worte kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können (vgl. BVerfGE 7, S. 275; BVerfGE 55, S. 6; BVerfGE 57, S. 250). Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten an einem gerichtlichen Verfahren daher, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern (vgl. BVerfGE 1, 418 st. Rspr.). An einer solchen Gelegenheit fehlt es nicht erst dann, wenn ein Beteiligter gar nicht zu Wort gekommen ist oder wenn das Gericht seiner Entscheidung Tatsachen zugrunde legt, zu denen die Beteiligten nicht Stellung nehmen konnten (vgl. BVerfGE 10, S 177; st. Rspr.) Eine dem verfassungsrechtlichen Anspruch genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt auch voraus, dass der Verfahrensbeteiligte bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermag, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Art. 103 Abs 1 GG verlangt zwar grundsätzlich nicht, dass das Gericht vor der Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinweist (vgl. BVerfGE 74, S. 1); ihm ist auch keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Richters zu entnehmen (vgl. BVerfGE 66, S. 116). Es kommt jedoch im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrags gleich, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter – selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen – nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte

Nach diesen Grundsätzen wurde das Recht des Beklagten auf rechtliches Gehör nicht verletzt.

Das erkennende Gericht hat den von der Beklagten vorgetragenen Sachverhalt vollständig erfasst und seiner Entscheidung zugrunde gelegt Insbesondere ist es, wovon auch die Beklagte in ihrer Rüge ausgeht, davon ausgegangen, dass die Beklagte ihren Internetanschluss hinreichend gegen den Zugriff Dritter gesichert hat (Seite 3 des Urteils). Weiter hat das erkennende Gericht seiner Entscheidung auch den Vortrag der Beklagten, sie habe ihren Internetzugang Dritten nicht zur Verfügung gestellt, dem Urteil zugrunde gelegt (vgl. S. 3 des Urteils).

Unter Zugrundelegung dieses Vortrags und unter Anwendung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat das erkennende Gericht die der Beklagten obliegende sekundäre Darlegungslast zutreffend nicht als erfüllt angesehen. Denn die Klägerin trägt zwar nach allgemeinen Grundsätzen als Anspruchstellerin die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs erfüllt sind. Danach ist es grundsätzlich ihre Sache, darzulegen und nachzuweisen, dass die Beklagte für die von ihr behauptete Urheberrechtsverletzung als Täterin verantwortlich ist (vgl. BGH GRUR 2013, 511 Rn. 32 – „Morpheus“; BGH GRUR 2014, 657 Rn. 14 – „BearShare“).

Wird jedoch ein geschütztes Werk der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, so wie hier, spricht grundsätzlich – so auch vorliegend – eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist (BGH, 12.05.2010, I ZR 121/08, Rn. 12 – „Sommer unseres Lebens“).

Diese tatsächliche Vermutung greift nur dann nicht, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung auch andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten, entweder weil der Anschluss nicht hinreichend gesichert war oder weil er bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde (BGH, 08.01.2014, I ZR 169/12, Rn. 14 – „BearShare“).

Danach greift vorliegend, wie im Urteil ausgeführt, die tatsächliche Vermutung, dass die Beklagte die streitgegenständliche Rechtsverletzung begangen hat, denn die Beklagte hat zum einen vorgetragen, dass sie ihren Internetanschluss hinreichend gesichert und zum anderen, dass sie den Internetanschluss keiner anderen Personen zur Nutzung überlassen habe. Nachvollziehbaren Vortrag, dass – trotz der Sicherung des Internetanschlusses – unbekannte Dritte die Rechtsverletzung über ihren Internetanschluss begangen haben konnten, ist die Beklagte hingegen schuldig geblieben.

III.

Die Gebühren des Rügeverfahrens hat die Beklagte zu tragen (Thomas / Putzo – Reichold, ZPO, 36. Auflage, § 321a, Rn. 13). (…)

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LG München I, Beschluss vom 22.02.2016, Az. 21 S 11700/14

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