WALDORF FROMMER (München): Amtsgericht Oldenburg – Zur Erfüllung der sekundären Darlegungslast bedarf es der Darlegung konkreter Anhaltspunkte für die Täterschaft eines Dritten

10:25 Uhr

Gegenstand des Verfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützter Filmaufnahmen. Die vor dem Amtsgericht Oldenburg in Anspruch genommene Beklagte hatte eine eigene Verantwortlichkeit für den illegalen Upload eines Filmwerks bestritten und darauf verwiesen, dass auch ihr Ehemann sowie der minderjährige Sohn im Tatzeitraum selbstständigen Zugriff auf den Internetanschluss gehabt hätten. Auf die Ausführungen der Klägerin zur Ermittlung der Rechtsverletzung sowie zur Zuordnung zum Internetanschluss hatte die Beklagte sich mit Nichtwissen erklärt.

 

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Bericht

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Urteil als PDF:
http://news.waldorf-frommer.de/wp-content/uploads/2017/02/AG_Oldenburg_6_C_6124_16_VI.pdf

Autorin:
Rechtsanwältin Anamaria Scheunemann

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Das Amtsgericht Oldenburg bestätigte zunächst, dass ein einfaches Bestreiten mit Nichtwissen angesichts der substantiierten Ausführungen zur Ermittlung und Zuordnung unerheblich sei.

„Vorliegend hatte die Klägerin nachvollziehbar erläutert, auf welche Weise sie die dem Anschluss der Beklagten zuzuordnende IP-Adresse ermittelt hat. (…) Konkrete Fehler in dieser Ermittlungstätigkeit sind seitens der Beklagten trotz Hinweis des Gerichts nicht vorgetragen worden. Das allgemeine unsubstantiierte Bestreiten, dass die eingesetzte Ermittlungssoftware geeignet sei, zuverlässig Urheberrechtsverletzungen über Tauschbörsen zu ermitteln, ist unbeachtlich. Hier substantiiert ein Vortrag der Klägerseite, umso substantiiert muss auch das Bestreiten der Beklagtenseite ausfallen.“

Weiterhin führte das Amtsgericht Oldenburg aus, dass es einem Anschlussinhaber im Rahmen der sekundären Darlegungslast obliege, konkrete Anhaltspunkte vorzutragen, die einen abweichenden Geschehensverlauf in Form der Alleintäterschaft eines Dritten ernsthaft möglich erscheinen lässt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei es dabei gerade nicht ausreichend, bloß auf einen selbstständigen und generellen Zugriff Dritter zu verweisen – auch wenn dieser „im Tatzeitraum“ gegeben sein soll. Da die Beklagte sich insbesondere nicht geäußert habe, welcher der potentiellen Mitnutzer aufgrund des Nutzungsverhaltens, der Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht als Täter in Betracht komme, sei in der Konsequenz von ihrer eigenen Verantwortlichkeit auszugehen.

„Weder trägt die Beklagte vor, dass sie ihren Sohn eingehend nach dem streitgegenständliche Film und einem möglichen illegalen Download befragt hat, noch trägt die Beklagte zu Nutzungsverhalten, Kenntnissen und Fähigkeiten in zeitlicher Hinsicht betreffend die potentiellen Nutzer des Internetanschlusses (Ehemann und Sohn) vor.“

Da es insoweit bereits an ausreichendem Sachvortrag der Beklagten gefehlt habe, sehe das Gericht keine Veranlassung, den Beweisangeboten der Beklagten nachzugehen.

Das Amtsgericht verurteilte die Beklagte daher antragsgemäß zur Zahlung von Schadenersatz, zum Ersatz der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten sowie zur Übernahme der gesamten Kosten des Rechtsstreits.

 

AG Oldenburg, Urteil vom 21.12.2016, Az. 6 C 6124/16 (VI)

 

(…) – Abschrift –

Amtsgericht
Oldenburg

6 C 6124/16 (VI)

Verkündet am 20.12.2016
[Name] Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

[Name],
Klägerin

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Waldorf & Partner, Beethovenstraße 12, 80336 München,

gegen

[Name],
Beklagte

Prozessbevollmächtigte: [Name],

hat das Amtsgericht Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 26.09.2016 durch die Richterin am Amtsgericht [Name]

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 600,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem einen 20.11.2014 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 506,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem einen 20.11.2014 zu zahlen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.
5. Der Streitwert wird auf bis zu 1.500,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche sowie Abmahnkosten wegen eines illegalen Downloads eines Films über eine Tauschbörse.

Die Klägerin hat sämtliche exklusiven Nutzung-bzw. Verwertungsrechte unter anderem an dem Film [Name] für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erworben.

Am 11.05.2012 ist die Beklagte seitens des Prozessbevollmächtigten der Klägerin aufgefordert worden, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben und Schadensersatz zu zahlen sowie Erstattung der Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung zu übernehmen. Ihr ist vorgeworfen worden, den Film [Name] illegal über ihren Internetanschluss durch eine Tauschbörsensoftware illegal zum Download bereitgestellt zu haben.

Die Klägerin behauptet, die streitgegenständliche Rechtsverletzung sei mit Hilfe des Peer zu Peer Forensic Systems (PFS) ermittelt worden. Die PFS habe vorliegend erfolgreiche Datenübermittlungen aufgezeichnet. Damit sei sichergestellt, dass der Client über den Anschluss der Beklagtenseite tatsächlich Daten übertragen habe. Diese Daten würden bitweise mit der jeweiligen Referenzdatei abgeglichen und stimmten mit dieser exakt, also1:1 überein.

Es könne daher festgehalten werden, dass über den Anschluss der Beklagtenseite tatsächlich konkrete Daten zu den streitgegenständlichen Bild / Tonaufnahmen nicht nur illegal angeboten, sondern auch übertragen und über das P2P-Netz verteilt worden seien. Auf Basis der durch das PFS ermittelten Angebotsdaten sei ein zivilgerichtliches Gestattungsverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG durchgeführt worden. Die verfahrensgegenständliche Rechtsverletzung sei dabei über die jeweilige IP-Adresse samt genutzten Port in Verbindung mit dem Verletzungszeitpunkt eindeutig und ausschließlich dem Internetanschluss der Beklagten zuzuordnen.

Sie behauptet weiter, die entsprechende Lizenz für den aktuellen Spielfilm betrage regelmäßig nicht weniger als 5,88 EUR. Im Interesse einer maßvollen Anspruchs für sei von dem doppelten Wert einer branchenüblichen Mindest-Abruflizenz, also von 11,76 EUR ausgegangen. Somit würde bereits bei 400 Abrufen eine Lizenzgebühr von mehr als 4.700,00 EUR pro Werk anfallen.

Die Klägerin beantragt,
1 Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerseite einen angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 600,00 EUR betragen soll, zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21.11.2014 sowie
2. 506,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21.11. 2014 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie erhebt die Einrede der Verjährung.

Sie behauptet, sie habe zu keiner Zeit eine Tauschbörse genutzt, eine solche habe sie auch nicht auf Ihrem Computer. Der Internetanschluss werde ebenfalls von ihrem Ehemann Herrn [Name] genutzt. Auch zum angeblichen Tatzeitpunkt am [Datum] bzw. [Datum] habe er selbstständig Zugriff auf den Internetanschluss der Beklagten (über seinen eigenen Computer) gehabt. Nach Kenntniserlangung von dem angeblichen Verstoß habe die Beklagte ihren Ehemann hierauf angesprochen und gefragt, ob dieser für den Verstoß verantwortlich sei. Dieser habe die Frage verneint. Neben der Beklagten habe auch der damals neunjährige Sohn erden Internetanschluss der Beklagten genutzt. Dieser sei von seinen Eltern belehrt worden, „keine illegalen Downloads zu machen und auch sonst nichts Verbotenes über den Anschluss zu machen“. Die Beklagte selbst habe lediglich rudimentäre PC-Kenntnisse. Sie nutze im Internet ausschließlich- und dies in geringem Umfang- ein soziales Netzwerk, ansonsten nutze sie den Computer nicht. Sie wisse nicht einmal, wie sie auf einem Computer ein Programm installieren solle und wäre überfordert, wenn sie eine Tauschbörsensoftware herunterladen bzw. installieren oder aber einen Film aus dem Internet herunterladen solle.

Ergänzend wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz sowie Erstattung der Abmahnkosten in geltend gemachter Höhe, §§ 97, 97a UrhG.

Die Klägerin ist unstreitig aktivlegitimiert, sie besitzt das ausschließliche Verwertungsrecht für den streitgegenständlichen Film [Name] § 10 Abs. 1 UrhG.

Weiter ist davon auszugehen, dass die streitgegenständliche Urheberrechtsverletzung von dem Anschluss der Beklagten aus begangen worden ist. Bei seinen tatsächlichen Feststellungen hat das Gericht auch ohne förmliche Beweisaufnahme unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen nach freier Überzeugung zu entscheiden, welchen vorgetragenen Sachverhalt es als wahr oder nicht wahr erachtet (§ 286 ZPO). Substantiierten, schriftlichen oder bildlich belegten Darstellungen kommt dabei eine beträchtliche Indizwirkung zu. Sie sind nicht allein deshalb, weil sie von der Klägerin vorgelegt wurden und nicht jeden einzelnen Ermittlungsschritt fälschungssicher dokumentieren, nicht glaubhaft. Erklärt sich die Beklagtenseite zu diesen Ermittlungen zulässigerweise mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO), hat das Gericht frei zu würdigen, inwieweit es die Darstellung der Klägerin für plausibel erachtet. Es muss nicht ohne stichhaltigen Grund ergänzend Beweis erheben, OLG Köln,GRUR-RR 2014.

Vorliegend hatte die Klägerin nachvollziehbar erläutert, auf welche Weise sie die dem Anschluss der Beklagten zuzuordnende IP-Adresse ermittelt hat. So wird zunächst über eine entsprechende Software im Internet nach unerlaubt zum Download angebotenen Daten des streitgegenständlichen Films gesucht. Nach Auffinden einer solchen Datei wird ein Download durchgeführt, und ein Mitarbeiter vergewissert sich, ob es sich tatsächlich um eine voll funktionsfähige Version der Originaldatei handelt. Sodann werden die IP-Adresse sowie der exakte Angebotszeitpunkt gesichert.

Konkrete Fehler in dieser Ermittlungstätigkeit sind seitens der Beklagten trotz Hinweis des Gerichts nicht vorgetragen worden. Das allgemeine unsubstantiierte Bestreiten, dass die eingesetzte Ermittlungssoftware geeignet sei, zuverlässig Urheberrechtsverletzungen über Tauschbörsen zu ermitteln, ist unbeachtlich. Hier substantiiert ein Vortrag der Klägerseite, umso substantiiert muss auch das Bestreiten der Beklagtenseite ausfallen. Die Klägerin hat detailliert dargelegt, wie der vorgetragene Verstoß ermittelt worden ist. Dazu hatte die Beklagte keine Stellung bezogen. Es wäre ihr indes zumutbar gewesen, konkrete Schritte der Ermittlungstätigkeit anzugreifen, dem ist sie nicht nachgekommen.

Es steht weiter fest, dass die Beklagte als Täterin für die behauptete Urheberrechtsverletzung verantwortlich ist. Hierfür trägt die Klägerin nach allgemeinen Grundsätzen als Anspruchsteller an die Darlegungs- und Beweislast (BGH, Urteil vom 12.05.2010 – ZR 121/08, BGHZ 185,330 – Sommer unseres Lebens; BGH, Urteil vom 15.11.2012 – I ZR 74/12, GRUR 2013,511 Rn. 32 – Morpheus; BGH, Urteil vom 08.01.2014 – I ZR 169/12, BGHZ 700,76 Rn. 14 – BearShare). Vorliegend spricht die tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft der Beklagten. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, a.a.O.) spricht eine tatsächliche Vermutung für die Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn ein geschütztes Werk der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht wird, die zum fraglichen Zeitpunkt einem Anschluss zugeordnet war. Diese tatsächliche Vermutung ist jedoch entkräftet, wenn die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass allein ein Dritter und nicht auch der Anschlussinhaber den Internetzugang für die behauptete Rechtsverletzung genutzt hat. Den Anschlussinhaber trifft insoweit eine sekundäre Darlegungslast, da die Urheber regelmäßig keine nähere Kenntnis der häuslichen Umstände haben und dem Anschlussinhaber nähere Angaben dazu ohne weiteres zumutbar sind. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet (BGH-BearShare, a.a.O.).

Sekundäre Darlegungslast und tatsächliche Vermutung stehen nicht ausschließend nebeneinander, sondern greifen wie folgt ineinander: die sekundäre Darlegungslast betrifft die der Feststellung der Täterschaft vorgelagerte Frage, ob die Voraussetzungen für die tatsächliche Vermutung vorliegen, der Anschlussinhaber sei der Täter. Erst wenn der Anschlussinhaber dieser sekundären Darlegungslast genügt, trifft den Anspruchsteller die Last der dann erforderlichen Beweise; genügt der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast dagegen nicht, so muss er zur Widerlegung der dann für den Anspruchsteller streitenden tatsächlichen Vermutung den Gegenbeweis erbringen (OLG München, Urteil vom 14.01.2016 – Loud – Az. 29 U 2593/15).

Vorliegend hat die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht hinreichend entsprochen. Sie hat insbesondere keine konkreten Anhaltspunkte aufgezeigt, die einen abweichenden Geschehenslauf in Form der Alleintäterschaft eines Dritten mindestens ebenso wahrscheinlich erscheinen lassen.

Nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH, Urteil vom 12.05.2016, Az. I ZR 48/15 – Everytime we touch- kommt ein Eingreifen der tatsächlichen Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers auch dann in Betracht, wenn der Internetanschluss – wie bei einem Familienanschluss – regelmäßig von mehreren Personen genutzt wird. Für die Frage, wer als Täter eines urheberrechtsverletzenden Downloadangebotes haftet, kommt es nicht auf die Zugriffsmöglichkeit von Familienangehörigen im Allgemeinen, sondern auf die Situation im Verletzungszeitpunkt an, vgl. BGH,GRUR 2016,191 Rn. 39 – Tauschbörse III. Der Inhaber eines Internetanschlusses wird der ihn treffenden sekundären Darlegungslast in Bezug darauf, ob andere Personen als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen, erst gerecht, wenn er nachvollziehbar vorträgt, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen, vgl. BGH a.a.O. Rn. 34.

Vorliegend spricht tatsächliche Vermutung für die täterschaftliche Verantwortlichkeit der Beklagten. Die Beklagte trägt vor, sie habe unmittelbar nach Erhalt der Abmahnung ihren Ehemann, der ebenfalls den Internetanschluss nutze, gesprochen. Dieser habe die Urheberrechtsverletzung abgestritten. Weder sie, die Beklagte, noch ihr Ehemann hätten zu irgendeinem Zeitpunkt den Film [Name] illegal heruntergeladen. Auf Hinweis des Gerichts, dass nicht hinreichend vorgetragen ist, dass ein anderer konkreter Täter für die Rechtsverletzung in Betracht kommt, erklärte der Beklagte ergänzend, dass ihrem Ehemann ein Computer zum Tatzeitpunkt zur Verfügung gestanden hätte und er zu diesem Zeitpunkt auch das Internet genutzt habe. Des Weiteren nutze auch der Sohn [Name] damals neunjährig, den Internetanschluss, dieser sei aber darauf hingewiesen worden, „keine illegalen Downloads zu machen und auch sonst nichts Verbotenes über den Anschluss zu machen“.

Weder trägt die Beklagte vor, dass sie seinen Sohn eingehend nach dem streitgegenständlichen Film und einen möglichen illegalen Download befragt hat, noch trägt die Beklagte zu Nutzerverhalten, Kenntnissen und Fähigkeiten in zeitlicher Hinsicht betreffend die potentiellen Nutzer des Internetanschlusses (Ehemann und Sohn) vor. Es wäre der Beklagten aber durchaus zumutbar gewesen, immerhin zum Nutzungsverhalten des Ehemannes in Bezug auf den streitgegenständlichen Zeitpunkt vorzutragen. Trotz ausdrücklichen Hinweises des Gerichts, ist ein solcher Vortrag indes nicht erfolgt Der Beklagten oblag es aber nach den oben dargestellten Maßstäben mitzuteilen, welche Kenntnisse sie über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat, nach ihrem eigenen Vorbringen also, welche Person die Verletzungshandlung begangen hat. Im Ergebnis beruft sich die Beklagte damit lediglich pauschal auf eine bloß generell bestehende Zugriffsmöglichkeit des Ehemannes bzw. des Sohnes auf den Internetanschluss ohne konkrete Angaben zur Verletzungshandlung und genügt damit ihrer Darlegungslast nicht.

Die Grundrechtsverbürgung gemäß Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz, nach der Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen, stehen dieser zivilprozessualen Obliegenheiten nicht entgegen, denn Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz gewährt keinen schrankenlosen Schutz gegen jede Art von Beeinträchtigung familiärer Belange; vielmehr sind auch die gegenläufigen Belange der Klägerin, deren Ansprüche ihrerseits den Schutz der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG genießen, zu berücksichtigen. Diesen kommt im Streitfall ein Gewicht zu, das es rechtfertigt, dass sich der Beklagte im Einzelnen dazu erklären muss, wie es zu den – unstreitig – über seinem Internetanschluss erfolgten Rechtsverletzung aus der Familie heraus gekommen ist; anderenfalls könnten die Inhaber urheberrechtlich geschützter Nutzungsrechte bei Rechtsverletzung vermittelst von Familien genutzte Internetanschlüsse ihre Ansprüche regelmäßig nicht durchsetzen (OLG München a.a.O.). Nichts anderes fuhrt der BGH im Urteil vom 11.06.2015 Tauschbörse III – aus. Der BGH ist der Auffassung, dass der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast dadurch genügt, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständig Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang sei der Anschlussinhaber, so der BGH weiter, im Rahmen des zumutbaren zu Nachforschungen verpflichtet (BGH Urteil vom 11.06.2015 – AZ I ZR 75/14, Rz. 37-Tauschbörse III) Dies wird bestätigt durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, auf die die Klägerin im letzten Schriftsatz vom 12.12.2016 richtigerweise Bezug nimmt. Danach führt das Bundesverfassungsgericht aus, dass der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast nicht genüge, sofern vorgetragen wird, dass es zwar theoretisch möglich sei, dass ein Familienmitglied die Rechtsverletzung begangen habe, der Anschlussinhaber jedoch nicht davon ausgehe, weil er deren Auskunft glaube, aber nicht mit Sicherheit wisse, ob die Auskunft zutreffend sei, vgl. BVerfG 2 BvR 1797/16. Der genannten Nachforschungspflicht ist die Beklagte gerade nicht nachgekommen. Soweit die Beklagte keinen konkreten Geschehensablauf darlegt, wonach die ernsthafte Möglichkeit der Täterschaft eines Dritten besteht, war auch den Beweisanträgen nicht weiter nachzugehen.

Gemäß § 97 Abs. 2 UrhG schuldet der Beklagte sogenannten lizenzanalogen Schadensersatz, den das Gericht hier gemäß § 287 ZPO auf 600,00 EUR schätzt. Für die Schätzung eines angemessenen lizenzanalogen Schadens durch eine widerrechtliche öffentliche Zugänglichmachung urheberrechtlich geschützter Werke im Wege des Filesharing sind zunächst nach der Rechtsprechung des Landgerichts Oldenburg folgende Gesichtspunkte wesentlich und zu berücksichtigen:

„die Anzahl der Downloads ist nicht bekannt und Filesharingprogramme sind nicht auf eine Erfassung der Anzahl der Downloads angelegt. Die Zahl möglicher Tauschbörsenteilnehmer und Downloads ist unkontrollierbar. Die Ermöglichung eines Download in einem Filesharing-Netzwerk führt mittelbar zu einer Vervielfachung der Verbreitung, da die Filesharing-Programme in ihren Grundeinstellungen vorsehen, dass eine heruntergeladene Datei ihrerseits wieder zum Abruf bereitgehalten wird (Amtsgericht Hamburg GRUR-RR 2014,107 90). Auf der anderen Seite ist auch zu berücksichtigen, dass in zeitlicher Hinsicht nur eine punktuelle Nutzungshandlung über den Internetanschluss der Beklagten vorgetragen wurden und ohne weitere Anhaltspunkte nicht von einer längeren Nutzungsdauer als maximal 2 Tagen ausgegangen werden kann. Einer Schätzung des Lizenzanalogie-Schadens nach § 287 ZPO spielt nämlich die Zeitdauer der Verletzungshandlung eine nicht nur untergeordnete Rolle (vgl. Schricker / Loewenheim / Wild, Urheberrecht, 4. Aufl , § 7 90 Nummer 158). Weiter ist im Rahmen der Schätzung des sogenannten lizenzanalogen Schadensersatzes zu berücksichtigen, dass das Angebot in einem Filesharing Netzwerk von vornherein gerade nicht an eine unbegrenzte „weltweite Öffentlichkeit“ gerichtet ist, sondern lediglich an die Teilnehmer eben dieses konkreten Netzwerkes, mag deren Anzahl selbst auch nicht Beziehung weise schwer feststellbar oder begrenzt bei sein, die nicht legale Angebote im Internet nutzen. Dieser Personenkreis ist von vornherein erheblich eingeschränkt“
(Landgericht Oldenburg Urteil vom 14.1.2015, Aktenzeichen 5 S 482/14).

Unter Anwendung dieser Grundsätze erscheint hier ein Betrag in Höhe von 600,00 EUR noch als angemessen.

Schließlich hat die Klägerin einen Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten (Abmahnkosten) in Höhe von 506,00 EUR (Gegenstandswert 10.000,00 EUR). Aufgrund der täterschaftlichen Haftung der Beklagten, hat diese der Klägerin als Schaden auch die ihr entstandenen vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren zu erstatten. Nachdem die Klägerin ihre Prozessbevollmächtigten vorgerichtlich mit der Geltendmachung eines Unterlassung-und Schadensersatzanspruchs beauftragt hat, sind auf Basis eines Streitwerts von 10.000,00 EUR vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 506,00 EUR entstanden. Insoweit ist auch der zugrunde gelegte Streitwert nicht zu beanstanden, vielmehr liegt dieser im Bereich der nach der ständigen Rechtsprechung anzusetzenden Streitwerthöhe.

Die Einrede der Verjährung greift nicht. Unabhängig davon, dass nach der neuen Rechtsprechung des BGH die Verjährungsfrist bezüglich des Schadensersatzanspruches nicht mehr drei Jahre sondern mittlerweile zehn Jahren Anwendung von § 852 BGB beträgt ist der Anspruch bereits deshalb nicht verjährt, weil die Klägerin im Jahre [Jahreszahl] Kenntnis von der Urheberrechtsverletzung erlangt hat, ein entsprechender Mahnbescheid ist bereits am 21.01.2015 erlassen worden, somit sogar noch innerhalb der Dreijahresfrist.

Es ist auch davon auszugehen, dass die Beklagte das Abmahnschreiben erhalten hat. Die pauschale Behauptung, sie habe keines erhalten, dürfte eine Schutzbehauptung darstellen, zumal die Beklagte selbst vorträgt, dass aufgrund einer Abmahnung der Klägerin sie ihren Ehemann auf die Behauptung des Urheberrechtsverstoßes angesprochen habe. Darüber hinaus trägt die Klägerin unwidersprochen vor, dass der Ehemann der Beklagten selbst nach Erhalt des sechsten Schreibens vom 01.12.2014 bei der Klägerin angerufen habe, um eine Neuzustellung der Abmahnung zu bewirken, was dann auch erfolgt ist.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 280,286,288 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1,708 Nr.11, 711 ZPO.

Rechtsbehelfsbelehrung

Diese Entscheidung kann mit der Berufung angefochten werden Sie ist einzulegen innerhalb einer Notfrist von einem Monat bei dem

Landgericht Oldenburg,
Elisabethstraße 7,
26135 Oldenburg.

Die Frist beginnt mit der Zustellung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Beschwerdegegenstand 600,00 EUR übersteigt oder das Gericht die Berufung in diesem Urteil zugelassen hat Zur Einlegung der Berufung ist berechtigt, wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist.

Die Berufung wird durch Einreichung einer Berufungsschrift eingelegt Die Berufung kann nur durch einen Rechtsanwalt eingelegt werden

[Name]
Richterin am Amtsgericht (…)

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AG Oldenburg, Urteil vom 21.12.2016, Az. 6 C 6124/16 (VI)

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