Wilde, Beuger, Solmecke Rechtsanwälte: Filesharing Sieg gegen Schulenberg & Schenk vor dem Amtsgericht Rostock – Keine Haftung wegen Familienanschluss mit Bruder

23:47 Uhr

Anschlussinhaber können sich bei einer Abmahnung wegen Filesharing häufig erfolgreich wehren, wenn sie ihren Anschluss gemeinsam mit einem nahen Angehörigen genutzt haben. So war es auch in einem Fall, in dem das Amtsgericht Rostock eine Entscheidung zugunsten unseres Mandanten getroffen hat.

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RA_Solmecke_2016

Rechtsanwalt Christian Solmecke, LL.M.

 

WILDE BEUGER SOLMECKE Rechtsanwälte GbR

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Bericht:

Link:
https://www.wbs-law.de/abmahnung-filesharing/filesharing-sieg-keine-haftung-wegen-familienanschluss-mit-bruder-68645/

Urteil als PDF:
https://www.wbs-law.de/wp-content/uploads/2016/08/AG-Rostock-49-C-21-15.pdf

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Abmahnung von Schulenberg & Schenk

 

Schulenberg & Schenk hatte unseren Mandanten im Auftrag der I-ON New Media GmbH eine Filesharing Abmahnung zugeschickt. Er soll über seinen Internetanschluss das Filmwerk Cherry Bomb illegal verbreitet haben.

Doch unser Mandant weigerte sich, den geforderten pauschalen Abgeltungsbetrag zu zahlen. Er berief sich darauf, dass er die vorgeworfene Urheberrechtsverletzung nicht begangen hat. In diesem Zusammenhang verwies er darauf, dass zum Zeitpunkt des angeblichen Filesharing sein Bruder ebenfalls Zugang auf den Internetanschluss gehabt hat.

 

Filesharing: Zugriffsmöglichkeit durch Angehörige reicht

 

Das Amtsgericht Rostock wies die Klage von Schulenberg & Schenk mit Urteil vom 01.04.2016 (Az. 49 C 21/15) ab. Das Gericht begründete dies damit, dass aufgrund der Möglichkeit des gleichzeitigen Zugriffs durch den Bruder die Täterschaftsvermutung erschüttert worden ist. Unser Mandant hat durch seine Angaben die er im Rahmen einer Vernehmung bestätigt hat der sekundären Darlegungslast genügt.

 

Von Angehörigen darf keine Selbstanzeige erwartet werden

 

Hierbei wies das Gericht zutreffend darauf hin, dass aufgrund des besonderes Schutzes der Familie keine kriminalistische Aufklärungsarbeit erwartet werden kann. Ebenso wenig muss der Bruder die Begehung der Tat im Wege der Selbstanzeige einräumen und sich selbst ans Messer liefern. Infolgedessen muss Schulenberg & Schenk nachweisen, dass unser Mandant Filesharing begangen hat. Diesen Beweis ist die Abmahnkanzlei jedoch schuldig geblieben.

 

Störerhaftung scheidet aus

 

Eine Heranziehung unseres Mandanten im Wege der Störerhaftung kam nicht in Betracht. Denn es steht nicht fest, dass der Download durch einen unbekannten Dritten infolge zureichender Sicherungen erfolgt ist.

 

Filesharing Urteil ist rechtskräftig

 

Die von uns erstrittene Entscheidung des Amtsgerichtes Rostock ist inzwischen rechtskräftig, was wir als Erfolg ansehen.

 

Fazit

 

Erfreulich ist, dass inzwischen die meisten Gerichte diese Auffassung teilen und nicht im Sinne der Abmahnindustrie entscheiden. Das kommt auch dadurch, dass sich die Rechteinhaber nicht mehr das für sie zuständige Gericht selbst aussuchen können. Gleichwohl sollten Abgemahnte vorsichtig sein und sich an einen Rechtsanwalt oder eine Verbraucherzentrale wenden. Auf keinen Fall sollten Sie auf eigene Faust mit dem Abmahnanwalt in Verbindung setzen. (HAB)

 

AG Rostock, Urteil vom 01.04.2016, Az. 49 C 21/15

 

(…) Abschrift

Aktenzeichen:
49 C 21115

Amtsgericht Rostock

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

[Name]
– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte: [Name],

gegen

[Name],
– Beklagter –

Prozessbevollmächtigte: [Name],

hat das Amtsgericht Rostock durch den Richter am Amtsgericht [Name] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 03.03.2016 für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Der Streitwert wird auf 850,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Erstattung von Abmahnkosten und Schadensersatz wegen Verbreitung eines Filmwerkes im Rahmen einer Datentauschbörse über den Internetanschluss des Beklagten.

Die Klägerin behauptet, Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem Filmwerk „[Name]“ u.a. für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu sein.

Der Beklagte ist Inhaberin eines Internetanschlusses in [Name].

Die Klägerin behauptet, dass sie im Rahmen von ihr veranlasster Ermittlungsmaßnahmen durch den Sicherheitsdienstleister [Name]festgestellt habe, dass über den Internetanschluss des Beklagten am [Datum] um [Uhrzeit]Uhr im Rahmen eines Filesharing-Systems über die IP-Adresse [IP] ohne ihre Zustimmung Dateien des o.a. Filmwerkes zum Download angeboten wurden.

Die betreffende IP-Adresse sei zum fraglichen Zeitpunkt dem Internetzugang des Beklagten zugeordnet gewesen.

Aufgrund eines von der Klägerin erwirkten Beschlusses des Landgericht [Name]vom [Datum] wurde der Klägerin durch die [Provider] als lnternetprovider der Beklagte als Inhaber des Anschlusses, dem zum fraglichen Zeitpunkt die IP-Adresse zugeordnet war, mitgeteilt.

Mit anwaltlichem Schreiben vom [Datum] ließ die Klägerin über ihre Prozessbevollmächtigten den Beklagten wegen des behaupteten Urheberrechtsverstoßes vom [Datum] abmahnen und zur Abgabe einer strafbewährten Unterlassungsverpflichtungserklärung auffordern. Der Beklagte hat zwar die Unterlassungserklärung abgegeben, das in dem Schreiben enthaltene Angebot, an die Klägerin einen pauschalen Abgeltungsbetrag in Höhe von 850,00 EUR zu zahlen, nicht angenommen.

Wegen des weiteren Inhaltes wird auf den Beschluss des [Name], die Mitteilung der [Provider] und das Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom [Datum] Bezug genommen.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte die gegen sie sprechende Vermutung nicht widerlegt habe und auch den an ihre sekundäre Darlegungslast zu stellenden Anforderungen nicht hinreichend nachgekommen sei. Sie bestreitet, dass die Urheberrechtsverletzung von einem Familienangehörigen der Beklagten begangen wurden.

Die Klägerin beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 635,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen sowie
2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 215,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er bestreitet, die behauptete Urheberrechtsverletzung selbst begangen zu haben. In seinem Haushalt hätten zum Tatzeitpunkt auch seine Eltern gelebt. Zugang zum Internetanschluss der Beklagten hätten insbesondere auch seine Mutter und sein Bruder gehabt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet und deshalb abzuweisen.

1.

Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichtes Rostock ergibt sich aus § 4 Abs. 2 der Verordnung über die Konzentration von Zuständigkeiten der Gerichte (KonzVO) vom 28.03.1994 (GVO-Bl. M-V S. 514).

Danach sind dem Amtsgericht Rostock alle urheberrechtlichen Streitigkeiten für den Bezirk des Oberlandesgerichtes Rostock zugewiesen.

2.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus §§ 97 Abs. 2, 97a UrhG, 280 ff, 823, 832 BGB.

a)

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt Inhaberin der Nutzungs- und Verwertungsrechte für das gern. § 2 Nr. 6 UrhG geschützte Filmwerk „[Name]“ gewesen ist und ihr als solche an dem Werk sowohl die Verbreitungs- und Vervielfältigungsrechte des § 19 UrhG, als auch das Recht zur öffentlichen Wahrnehmbarmachung nach § 19a UrhG zugestanden haben.

b)

Nach der Beweisaufnahme steht nämlich nicht mit der erforderlichen Sicherheit fest, dass der Beklagte in diese Rechte widerrechtlich eingegriffen hat, indem er das Filmwerk betreffende Dateien am [Datum] über den auf ihn zugelassenen Internetanschluss zum Download anbot.

Die Klägerin trägt nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruches bestehen, dass also die Beklagte für die von ihr behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich ist.

Nach höchstrichterlicher Rechtssprechung spricht allerdings eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Inhaber eines Internetanschlusses auch der Täter ist, wenn nicht zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung auch andere Personen Zugriff auf den Anschluss hatten (vgl. BGH, Urteil vom 08.01.2014, I ZR 169/12 – „BearShare“).

Dem Inhaber des zugeordneten Internetanschlusses obliegt es dann, diese Vermutung zu widerlegen. Entkräftet ist diese, wenn weitere Personen Zugriff auf den Internetanschluss hatten und ebenso als Täter in Betracht kommen. Der Anschlussinhaber muss seine Verantwortlichkeit im Rahmen des ihm zumutbaren substantiiert bestreiten sowie Tatsachen vortragen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufes, nämlich die Alleintäterschaft eines anderen Nutzers ergibt.

Dazu müssen konkrete Anhaltspunkte aufgezeigt werden, die einen abweichenden Geschehensablauf in Form der Alleintäterschaft eines Dritten jedenfalls nicht gänzlich unwahrscheinlich erscheinen lassen (OLG Köln, Urteil vom 02.08.2013, Az. 6 U 10/13).

Zwar muss der Beklagte nicht den Beweis des Gegenteils führen, also dass ein Dritter für die Urheberrechtsverletzung verantwortlich ist. Er muss jedoch nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen diejenigen Tatsachen vortragen und gegebenenfalls auch beweisen, aus denen sich ein abweichender Geschehensablauf ergibt.

c)

Nach der Vernehmung des Bruders des Beklagten steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass auch dieser zum streitgegenständlichen Zeitpunkt im Jahre 2012 Zugang zum Internetanschluss des Beklagten hatte. Dem steht nicht entgegen, dass der Zeuge [Name] angegeben hat, sich nicht mehr daran erinnern zu können, ob er von dieser Möglichkeit auch tatsächlich Gebrauch gemacht hat. Diese Einlassung ist aufgrund der zwischenzeitlich verstrichenen Zeit nachvollziehbar. Der Zeuge hat jedoch angegeben, dass er aufgrund der räumlichen Situation und aufgrund des Umstandes, dass seine Eltern bei seinem Bruder wohnen diesen regelmäßig aufgesucht hat und bei den Besuchen auch das Internet genutzt hat.

Diese Darstellung erscheint als lebensnah und gibt auch vor dem Hintergrund der familiären Bindung zwischen dem Zeugen und dem Beklagten keinen Anlass zum Zweifel.
Der Beklagte ist auch seiner weiteren sekundären Darlegungslast nachgekommen. So hat dieser vorgetragen, dass weitere Personen den Internetanschluss nutzen und auch seinen Nachforschungspflichten hinreichend nachgekommen, wobei berücksichtigt werden muss, dass vor dem Hintergrund des besonderen Schutzes, den die Familie genießt, nicht erwartet werden kann, dass kriminalistische Aufklärungsarbeit gegenüber Familienangehörigen geleistet wird.

Die Klägerin hat damit nicht den Nachweis erbracht, dass der Beklagte Täter der Urheberechtsverletzung gewesen ist, da die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass diese vom Bruder des Beklagten begangen wurde. Das dieser selbst die Tat nicht eingeräumt hat, steht dem nach Auffassung des Gerichts nicht entgegen, da eine „Selbstanzeige“ regelmäßig nicht erwartet werden kann.

3.

Der Beklagte haftet auch nicht als Störer.

Als Störer kann nach allgemeinen Regeln bei der Verletzung absoluter Recht in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt.

Die Haftung des Beklagten unter diesem Gesichtspunkt scheitert jedoch bereits daran, dass nicht feststeht, dass der Download durch einen unberechtigten Dritten aufgrund unzureichender Sicherungsmaßnahmen erfolgte. Denn vorliegend ist die täterschaftliche Haftung eines bestimmten berechtigten Nutzers nicht ausgeschlossen, so dass eine Haftung als Störer ausscheidet, vgl. LG Köln, ZUM 2013, Seite 66; OLG Köln Beschluss vom 28.05.2031, Az. 6 W 60/13, da sich eine möglicherweise unzureichende Sicherung in diesem Fall nicht kausal ausgewirkt hätte.

Die Klage musste daher der Abweisung unterliegen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600,00 EUR übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem

Landgericht Rostock
August-Bebel-Straße 15 – 20
18055 Rostock

einzulegen.

Die Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung der Entscheidung.

Die Berufung muss mit Schriftsatz durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt eingelegt werden. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Berufung eingelegt werde.

Die Berufung muss binnen zwei Monaten mit Anwaltsschriftsatz begründet werden. Auch diese Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung.
Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 EUR übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.

Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem

Amtsgericht Rostock
Zochstraße 13
18057 Rostock

einzulegen.

Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.

Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.

[Name]
Richter am Amtsgericht

Verkündet am 01.04.2016
[Name], JHS’in
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (…)

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AG Rostock, Urteil vom 01.04.2016, Az. 49 C 21/15

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