19:00 Uhr
Auch wenn ein Anschluss mehrfach über die gleiche IP-Adresse ermittelt worden ist, reicht dies normalerweise nicht aus. Dies hat das Amtsgericht Köln in einem aktuellen Filesharing Verfahren zugunsten unseres Mandanten entschieden. Das Gericht wies die Klage der Münchener Abmahnkanzlei Waldorf Frommer ab.
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Rechtsanwalt Christian Solmecke, LL.M.
WILDE BEUGER SOLMECKE Rechtsanwälte GbR
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Bericht
Urteil als PDF:
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Abmahnung von Waldorf Frommer
Waldorf Frommer hatte unseren Mandanten wegen Filesharing im Auftrag der Warner Bros. Entertainment GmbH abgemahnt. Die Kanzlei warf ihm vor, dass er als Anschlussinhaber die Serienfolge „Person of Interest – The Day The World Went Away“ Dritten im Internet zum Download angeboten habe.
Waldorf Frommer verklagte ihn auf Ersatz des Lizenzschadens in Höhe von 500,00 EUR und Ersatz der Abmahnkosten in Höhe von 168,50 EUR. Waldorf Frommer verwies darauf, dass die Ermittlungsfirma anhand einer Ermittlungssoftware im Abstand von etwa 10 Minuten zweimal dieselbe IP-Adresse festgestellt habe. Eine Nachfrage beim Provider habe ergeben, dass diese dem abgemahnten Anschlussinhaber zugeordnet gewesen sei.
Damit jedoch scheiterte Waldorf Frommer vor dem Amtsgericht (AG) Köln. Das AG Köln entschied, dass die Warner Bros. Entertainment GmbH keine Ansprüche gegen unseren Mandanten habe(Urteil vom 28.06.2017, Az. 125 C 571/16).
Filesharing: Amtsgericht Köln hat Zweifel an Zuverlässigkeit der Ermittlungen
Das Gericht begründete dies damit, dass Zweifel daran bestünden, ob der Anschlussinhaber auch tatsächlich zuverlässig ermittelt worden sei. Eine hinreichende Sicherheit sei nur dann gewährleistet, sofern mehrere Ermittlungen über unterschiedliche IP-Adressen vom Provider demselben Anschluss zugeordnet wurden. Denn Ermittlungs- und Zuordnungsfehler passieren nicht häufiger.
Zu bedenken gab das Kölner Gericht ferner, dass es sich hierbei um ein Massenverfahren handele. Die jeweiligen Sachbearbeiter würden die Vorgänge daher nur mit mäßigem Interesse bearbeiten. Infolge dessen komme es zu einer „gewissen“ Fehlerquote.
Fazit:
Dass die Ermittlung einer einzigen Urheberrechtsverletzung in der Regel nicht ausreichend ist, haben Gerichte in der Vergangenheit bereits mehrmals entschieden. Hierzu gehört auch eine Entscheidung des Amtsgerichtes Köln vom 06. Oktober 2016 (Az. 137 C 121/15). Hier hat das AG Köln eine Klage der Kanzlei Negele gegen einen unserer Mandanten abgewiesen. Näheres erfahren Sie in dem Beitrag „Filesharing Sieg – Abmahner kann nur einmalige Anschlussermittlung nachweisen“. Dass bei der Ermittlung einer einzelnen IP-Adresse eine besonders hohe Fehlerquote besteht, ergibt sich aus einem Urteil des AG Köln vom 02.05.2016, Az. 137 C 450/15. Das Gericht ging von einer Fehlerquote bis zu 50% aus. In diesem Text „Filesharing – Einmalige Ermittlung von IP Adresse reicht nicht wegen hoher Fehlerquote“ erfahren Sie mehr.
Ausführliche Informationen zu Abmahnungen der Kanzlei Waldorf Frommer finden Sie unter:
AG Köln, Urteil vom 28.06.2017, Az. 125 C 571/16
(…) 125 C 571/16
Verkündet am 28.06.2017
[Name], Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin der GeschäftsstelleAmtsgericht Köln
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
[Name],
Klägerin,Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Waldorf, Frommer u.a., Beethovenstraße 12, 80336 München,
gegen
[Name],
Beklagten,Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Wilde, Beuger u.a., Kaiser-Wilhelm-Ring 27 – 29, 50672 Köln,
hat das Amtsgericht Köln, Abt. 125, auf die mündliche Verhandlung vom 31.05.2017 durch den Richter am Amtsgericht [Name]
für Recht erkannt:
1.) Die Klage wird abgewiesen.
2.) Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
3.) Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Schadensersatz wegen Filesharing der Serienfolge „[Name]“. Sie hat die Firma ipoque GmbH mit der Ermittlung von Filesharern ihrer Filme / Serienfolgen beauftragt. Sie behauptet, die Firma habe zuverlässig ermittelt, dass die streitgegenständliche Serienfolge am 3. Juni 2016 zwischen 6:31:46 h und 6:41:41 h von dem Internetanschluss des Beklagten durch Filesharing verbreitet worden sei. Die Firma habe das Filesharing zu beiden Zeitpunkten über die IP-Adresse [IP] ermittelt, die zu beiden Zeitpunkten über seinen Provider dem Beklagten zugeordnet worden sei.
Die Klägerin begehrt den Ersatz eines Lizenzschadens von 500,00 EUR und von Abmahnkosten i.H.v. insgesamt 168,50 EUR.
Sie beantragt,
1.) den Beklagten zu verurteilen, an sie einen angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 500,00 EUR betragen soll, zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 8. November 2016,
2.) 113,00 EUR als Hauptforderung zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 8. November 2016 sowie
3.) 56,50 EUR als Nebenforderung zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 8. November 2016 zu zahlen.Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.Der Beklagte bestreitet die Rechteinhaberschaft der Klägerin mit Nichtwissen, das behauptete Filesharing unter Hinweis auf die Möglichkeit von Ermittlungsfehlern und die Rechtsprechung hierzu und trägt vor, dass sein Internetanschluss auch schon zur Tatzeit Anfang Juni 2016 nicht nur von ihm, sondern auch von seiner Ehefrau, Frau [Name], mit benutzt worden ist.
Wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist abzuweisen; sie ist nicht begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von Lizenzschadensersatz i.H.v. 500,00 EUR nach § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG. Das Gericht vermag nicht davon auszugehen, dass das von der Klägerin vorgetragene Filesharing von dem Internetanschluss der Beklagten aus stattgefunden hat. Der Klägerin ist zwar zuzugestehen, dass sie die Ermittlung des Internetanschlusses des Beklagten als eine der Quellen des behaupteten Filesharings durch die Firma ipoque GmbH schlüssig und nachvollziehbar dargestellt hat und Gleiches auch für die Beauskunftung durch den Internetprovider des Beklagten gilt; das Gericht vermag aber nicht hinreichend sicher davon auszugehen, dass sämtliche erforderlichen Vorgänge fehlerfrei abgelaufen sind, so dass die Zuordnung zuverlässig ist. Diese Unsicherheit beruht darauf, dass die Klägerin – im Gegensatz zu manchen anderen beim Amtsgericht Köln verfolgten Fällen – nur eine einfache Ermittlung des Internetanschlusses des Beklagten vorgetragen hat. Die Ermittlung der IP-Adresse des betreffenden Anschlusses und die Zuordnung des Anschlussinhabers zu dieser IP-Adresse sind technisch anspruchsvolle Tätigkeiten, die eine Vielzahl einzelner Arbeitsschritte erfordern. Es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass solche Arbeitsschritte fehleranfällig sind und dass die Fehlerquote auch mit der Nutzung moderner Technologien und generell geeigneter Software nicht abgenommen hat. In der Frühzeit der Filesharing Ermittlungen waren die Fehlerquoten außerordentlich hoch; das Landgericht Köln sprach von Fehlzuordnungen in Höhe von 50 %, in Einzelfällen sogar von 90 % (LG Köln, Beschluss vorn 25. September 2008 Az. 109-1/08). Das Gericht erwartet zwar eine mittlerweile erhöhte Zuverlässigkeit, vermag jedoch nicht von einer Zuverlässigkeit auszugehen, die so groß ist, dass etwaige, extrem seltene Fehler beweisrechtlich hingenommen werden könnten. Lediglich wenn mehrere Ermittlungen über verschiedene IP-Adressen von dem Internetprovider demselben Internetanschluss zugeordnet werden, liegt nach Auffassung des Gerichts eine hinreichende Sicherheit für eine Verurteilung vor (so auch AG Köln, Urteil vom 15. Dezember 2016, Az. 148 C 389/16).
Dass Ermittlungs- oder Zuordnungsfehler tatsächlich nicht allzu selten vorkommen, belegt ein im Juni 2017 verhandelter Fall, bei dem die Firma ipoque GmbH in-sich-widersprüchliche Zeitangaben zu den Ermittlungen des dort streitgegenständlichen Filesharings machte.
Das Gericht rückt von der Auffassung ab, das zuverlässige Feststellen des Filesharings sei durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu klären.
Die zu einer Fehlzuordnung führenden Ursachen müssen nicht nur in der eingesetzten Software der Ermittlungsfirma liegen, sie können auch bei anderen Arbeitsschritten, etwa der Übertragung gewonnener Ermittlungsdaten oder der Zuordnung ermittelter IP-Adressen zu Anschlussinhabern liegen. Gerade bei Letzterem zeigt sich nach der Erfahrung des Gerichts eine Fehlerquote von zumindest 2 – 3 %. In diesem Umfang können Beklagte nachweisen, dass die der IP-Adresse zugeordnete Wohnadresse von ihnen längst verlassen wurde und von ihrem Provider (wie insbesondere bei der Telekom häufig) nicht aktualisiert wurde. Insoweit handelt es sich um Massenvorgänge, die von den jeweiligen Sachbearbeitern mit entsprechend mäßigem Interesse und deshalb einer gewissen Fehlerquote bearbeitet werden. Da Wohnortwechsel in der Zeit zwischen Filesharing und Rechtsstreit gewöhnlich nicht von einer Parteien darzulegen sind, ist anzunehmen, dass die Fehlzuordnung insoweit noch höher liegt.
Ohnehin ist nachträglich eine zuverlässige Feststellung, dass sämtliche Ermittlungsschritte seinerzeit fachkundig und fehlerfrei durchgeführt worden sind, nicht möglich; dies gilt insbesondere hinsichtlich der Beurteilung der seinerzeit eingesetzten Ermittlungssoftware (so auch OLG Köln, Beschluss vom 16. März 2011, Az. 6 W 82/11 und vom 20. Januar 2012, Az. 6 W 242/11). Das Gleiche gilt hinsichtlich der Frage, ob seinerzeit hinsichtlich der Bedienung der Software bzw. hinsichtlich der sonstigen Ermittlungstätigkeit und ihrer Dokumentation Fehler unterlaufen sein könnten; das Gericht ist zu wenig sachkundig, um beurteilen zu können, ob den als Zeugen zu vernehmenden Ermittlungspersonen Fehler unterlaufen sein könnten.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Zahlung von Abmahnkosten i.H.v. 168,50 EUR nach § 97a Abs. 1 Satz 2 UrhG verlangen. Dem Anspruch steht entgegen, dass das Gericht – aus den o. g. Gründen – nicht von dem abgemahnten Filesharing ausgehen kann.
Die Zinsansprüche entfallen mangels Hauptansprüchen.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr, 11, 711 ZPO.
Streitwert: 613,00 EUR
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen rechten benachteiligt wurde
1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem
Landgericht Köln,
Luxemburger Str. 101,
50939 Köln,eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird,.sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Köln zu begründen.
Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen. die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen. die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Köln statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem
Amtsgericht Köln,
Luxemburger Str. 101,
50939 Köln,schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftssteile einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
[Name]
Richter am AmtsgerichtAusgefertigt
[Name], Justizamtsinspektorin (…)
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AG Köln, Urteil vom 28.06.2017, Az. 125 C 571/16
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